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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben ebenfalls das Gesetz vom 12. Oktober 1939 über das besetzte polnische Gebiet unterzeichnet. Erinnern Sie sich daran?

VON RIBBENTROP: 12. 10. 1939? Nein, ich entsinne mich nicht. Ich habe sehr viele Dinge unterschrieben in den Jahren, aber im einzelnen kann ich mich nicht entsinnen.

GENERAL RUDENKO: Es ist ein Gesetz vom 12. Oktober.

VORSITZENDER: General Rudenko, wenn er seine Unterschrift nicht bestreitet, warum vergeuden Sie dann Zeit, indem Sie ihm diese Dokumente vorlegen? Seine Unterschrift steht unter dem Dokument. Er bestreitet sie nicht. Dies ist reine Zeitvergeudung.

GENERAL RUDENKO: Jawohl, Herr Vorsitzender. Dann habe ich in diesem Zusammenhang nur eine Frage:

[Zum Zeugen gewandt:]

Ihre Unterschrift steht auch unter dem Gesetz vom 18. Mai 1940 über die Angliederung des belgischen Gebietes von Eupen und Malmedy.

Ich stellte diese Fragen, um folgende Schlußfrage stellen zu können: Kann man feststellen, daß jedesmal, wenn die Hitler-Regierung bemüht war, durch ein Gesetz ihren territorialen Eroberungen den Anschein der Legalität zu geben, diese Gesetze durchweg die Unterschrift des Reichsministers Ribbentrop trugen?

VON RIBBENTROP: Ich glaube, nein, sondern wenn irgendwelche territorialen Veränderungen vorgenommen wurden, so hat der Führer diese Veränderungen befohlen, und, wie auch wohl aus diesen Dokumenten ersichtlich ist, die verschiedenen irgendwie beteiligten Minister haben dann diesen Führerbefehl oder dieses Gesetz, was der Führer vollzogen hat, gegengezeichnet, und selbstverständlich habe ich wohl die meisten dieser Gesetze selbst mit gegengezeichnet.

GENERAL RUDENKO: Das ist klar! Ich möchte Sie bitten, sich mit dem Dokument vertraut zu machen, das dem Gerichtshof bereits als USSR-120 vorliegt. Es ist Ihre Vereinbarung mit Himmler über die Organisation der Zwangsarbeit. Es ist ein umfangreiches Dokument, und ich möchte Sie bitten, sich den Punkt 6 genauer anzusehen.

VON RIBBENTROP: Verzeihung, dies ist ein anderes Dokument. Es handelt sich hier um den Meldedienst; Sie sprachen eben von Zwangsarbeit; hier handelt es sich aber um den Meldedienst.

GENERAL RUDENKO: Das war eine falsche Übersetzung. Ich habe nicht von Zwangsarbeit gesprochen. Ich habe von der Arbeit des Meldedienstes gesprochen. Sehen Sie sich den Punkt 6 an. Es ist ein umfangreiches Dokument, und wir wollen die Zeit des Gerichtshofs nicht unnötig in Anspruch nehmen. Hier wird gesagt, ich zitiere:

»Das Auswärtige Amt gewährt dem geheimen Meldedienst jede mögliche Unterstützung. Der Reichsaußenminister wird bestimmte Angehörige des Meldedienstes, soweit dies außenpolitisch tragbar ist, in die Auslandsvertretungen einbauen.«

Ich lasse hier einen langen Absatz aus und verlese den letzten Absatz:

»Der verantwortliche Angehörige des Meldedienstes unterrichtet den Missionschef laufend über alle wesentlichen Gesichtspunkte der Tätigkeit des geheimen Meldedienstes in dem betreffenden Land.«

Sie haben diese Vereinbarung unterschrieben, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ja.

GENERAL RUDENKO: Man kann also folgern, daß der Auslandsapparat des Deutschen Auswärtigen Amtes sich mit Spionage befaßte?

VON RIBBENTROP: Nein, das kann man insofern nicht, und zwar aus folgenden Gründen: Ich hatte schon mal heute morgen erwähnt im Laufe der Vernehmung, daß es zwischen Himmler und mir Divergenzen gab über den Nachrichtendienst im Auslande. Es hat dann durch die guten Dienste des Angeklagten Kaltenbrunner schließlich dazu geführt, daß dieses Abkommen unterzeichnet wurde. Es war dabei eine Zusammenarbeit vorgesehen, und ich bestreite keineswegs, daß dabei die Absicht bestand, auch Männer des Meldedienstes bei uns im auswärtigen Apparat einzubauen. Praktisch ist es aber hierzu nicht mehr gekommen. Das Abkommen konnte sich nicht auswirken, weil es so spät geschlossen wurde, daß darüber das Kriegsende kam. Ich glaube, das Datum muß, es fehlt hier in dieser Abschrift, wohl 1944 oder sogar 1945 gewesen sein, als dieses Abkommen abgeschlossen worden ist. Es ist also daher nicht zu einer Zusammenarbeit gekommen. Es war beabsichtigt, eine Zusammenarbeit herbeizuführen, und zwar war ich daran besonders interessiert. Es hatte nämlich da allerhand Divergenzen gegeben, und ich wollte diese abstellen und das einheitlicher gestalten. Das war der Grund. Ich glaube, daß das im übrigen eine Tätigkeit ist, wie sie alle Länder auch sonst im Ausland ausüben mußten. Das glaube ich, ist nichts Ungewöhnliches.

GENERAL RUDENKO: Ich frage nicht, was Sie darüber denken. Ich interessiere mich lediglich für dieses Dokument. Ich wollte wissen, ob Sie diese Vereinbarung unterschrieben haben? Sie haben es bejaht. Ich werde Ihnen keine weiteren Fragen zu diesem Dokument stellen.

VON RIBBENTROP: Ja, das habe ich bejaht, ja.

GENERAL RUDENKO: Das wollte ich nur feststellen. Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang noch ein Dokument vorlegen. Erinnern Sie sich an den Brief des Angeklagten Kaltenbrunner, in dem er Sie bittet, ihm eine Million Toman für Bestechungszwecke im Iran zur Verfügung zu stellen?

VON RIBBENTROP: Eine Million...? Was ist das? Habe ich nicht verstanden, bitte noch einmal. Das habe ich schlecht verstanden, das Wort, das...

GENERAL RUDENKO: Eine Million Toman. Das ist die iranische Valuta. Ich möchte Sie bitten, sich dieses Dokument anzusehen. Es ist nicht umfangreich.

VON RIBBENTROP: Darf ich es eben mal sehen, bitte?

GENERAL RUDENKO: Gewiß.

VON RIBBENTROP: Jawohl, ich entsinne mich dessen. Ich glaube auch, daß da gewisse Geldmittel zur Verfügung gestellt worden sind.

GENERAL RUDENKO: Dieses Geld ist Kaltenbrunner zur Verfügung gestellt worden?

VON RIBBENTROP: Im einzelnen weiß ich das nicht. Aber ich habe damals, glaube ich, Weisung gegeben an das Auswärtige Amt, daß man in dieser Angelegenheit mit Geld helfen möge. Das ist richtig.

GENERAL RUDENKO: Das war der Punkt, der mich interessierte. Das Dokument spricht ja für sich selbst.

Ich gehe zur nächsten Gruppe von Fragen über:

Sie haben ausgesagt, daß Sie bereits im August oder September 1940 im Schloß Fuschl den Angeklagten Keitel getroffen haben, um mit ihm das Memorandum eines eventuellen Angriffs Deutschlands gegen die Sowjetunion zu besprechen. Also fast ein Jahr vor dem Überfall auf die Sowjetunion hatten Sie bereits Kenntnis von diesem Angriff gehabt, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Nein, das trifft so nicht zu, sondern der Angeklagte Keitel war damals bei mir in Fuschl und hat mir bei dieser Gelegenheit davon gesprochen, daß der Führer gewisse Bedenken mit Rußland habe und die Möglichkeit eines kriegerischen Konflikts immerhin nicht außer Betracht lassen könnte. Er habe seinerseits eine Denkschrift ausgearbeitet, und er wolle mit dem Führer darüber sprechen. Er habe Bedenken gegen jeden Konflikt im Osten dieser Art, und er bat mich damals, auch meinerseits auf den Führer in dieser Richtung einzuwirken. Ich habe das damals zugesagt. Aber von irgendeinem Angriff, Absichten oder irgend etwas war nicht die Rede, sondern es war mehr eine generalstabsmäßige – möchte ich sagen – Erörterung. Von irgendwelchen konkreten Dingen sagte er mir nichts.

GENERAL RUDENKO: Ich wollte den Gerichtshof mit dieser Frage nicht aufhalten, denn sie ist schon genügend erörtert worden. Ich möchte aber an Sie in diesem Zusammenhang folgende Frage richten: Sie haben dem Angeklagten Keitel im Laufe dieser Unterhaltung gesagt, daß Sie Hitler über Ihre Zweifel wegen des Krieges gegen die Sowjetunion in Kenntnis setzen werden. Haben Sie über dieses Thema mit Hitler gesprochen?

VON RIBBENTROP: Ich habe über dieses Thema mehrere Male mit Hitler gesprochen und habe bei dieser Gelegenheit über die Gefahr von Präventivkriegen gesprochen. Hitler hat mir seine Bedenken mitgeteilt, über die ich ja bereits hier ausgesagt habe.

GENERAL RUDENKO: Ja, das haben Sie ausgesagt. Gut. Sagen Sie, war Ihnen bekannt, daß die sogenannte »Grüne Mappe« des Angeklagten Göring, die Weisungen für die Ausplünderung und Ausbeutung der vorübergehend besetzten Gebiete der Sowjetunion enthielt, lange vor dem Angriff auf die Sowjetunion vorbereitet wurde. War Ihnen das bekannt?

VON RIBBENTROP: Nein, das wußte ich nicht, den Namen »Grüne Mappe« habe ich hier zum erstenmal gehört.

GENERAL RUDENKO: Gut, den Namen kannten Sie nicht, und wann haben Sie von dem Inhalt dieser Mappe zum ersten Male erfahren?

VON RIBBENTROP: Weder die Mappe noch den Namen.

GENERAL RUDENKO: Sie haben nichts davon gewußt? Gut. War Ihnen bekannt, daß schon vor dem Kriege Weisungen für die Vernichtung der friedlichen Sowjetbevölkerung ausgearbeitet wurden?

VON RIBBENTROP: Nein, das war mir auch nicht bekannt.

GENERAL RUDENKO: Wann haben Sie davon erfahren?

VON RIBBENTROP: Von solchen Plänen habe ich überhaupt nichts erfahren.

GENERAL RUDENKO: Und die Richtlinien?

VON RIBBENTROP: Vom Ausarbeiten solcher Pläne...

GENERAL RUDENKO: Und über die Weisungen hinsichtlich der Gerichtsbarkeit im Gebiet »Barbarossa«? Darüber wußten Sie doch Bescheid?

VON RIBBENTROP: Über was? Das habe ich nicht verstanden, bitte.

GENERAL RUDENKO: Über die Gerichtsbarkeit im Gebiet »Barbarossa«, das ist der Anhang zum Plan »Barbarossa«.

VON RIBBENTROP: Nein, ich muß sagen, mit dem Thema habe ich mich persönlich niemals beschäftigt. Es könnte sein, daß irgendeine Stelle meines Amtes irgendwo da mitgewirkt hat, aber ich selbst habe mich mit dem Thema Gerichtsbarkeit nach meiner Erinnerung niemals befaßt, denn vom Augenblick des Beginns des kriegerischen Konflikts mit der Sowjetunion an war das Auswärtige Amt aus diesen Gebieten ausgeschaltet.

GENERAL RUDENKO: Ich möchte Sie bitten, das Telegramm zu lesen, das Sie am 10. Juli 1941, um 14.51 Uhr, an den Deutschen Botschafter in Tokio gerichtet haben. Wir überreichen dieses Dokument, 2896-PS, als Beweisstück USSR-446. Sie werden sich an dieses Telegramm erinnern.

VON RIBBENTROP: An wen ist das gerichtet, das steht hier nicht.

GENERAL RUDENKO: An den Deutschen Botschafter in Tokio. Sie erinnern sich?

VON RIBBENTROP: Ah, Tokio, ja.

GENERAL RUDENKO: Anscheinend erinnern Sie sich an dieses Telegramm. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf die Worte des Schlusses, das heißt Seite 4 des Dokuments, zu richten. Zu Ihrer Erleichterung ist die betreffende Stelle mit Bleistift unterstrichen. Haben Sie die Stelle gefunden? Ich verlese nur diesen Abschnitt.

VON RIBBENTROP: Welche Stelle meinen Sie? Die letzte Seite?

GENERAL RUDENKO: Ja, Seite 4, es ist unterstrichen.

VON RIBBENTROP: Ja, ich habe es jetzt.

GENERAL RUDENKO: Ich zitiere diesen Abschnitt:

»Ich bitte Sie im übrigen mit allen Ihnen zu Gebote stehenden Mitteln im Sinne meiner Botschaft an Matsuoka weiter auf den schnellmöglichsten Kriegseintritt Japans gegen Rußland hinzuwirken, denn je früher dieser Eintritt erfolgt, desto besser ist es. Natürliches Ziel muß weiter bleiben, daß Japan und wir uns vor Eintritt des Winters auf der Transsibirischen Bahn die Hand reichen. Mit dem Zusammenbruch Rußlands aber wird die Position der Dreimächtepaktstaaten in der Welt so gigantisch sein, daß die Frage des Zusammenbruchs Englands beziehungsweise der absoluten Vernichtung der englischen Inseln nur noch eine Frage der Zeit ist.«

Haben Sie diese Stelle gefunden?

VON RIBBENTROP: Jawohl, ich habe die Stelle, ja.

GENERAL RUDENKO: Was ist dies? Ist das etwa eine Ihrer Bemühungen, den Krieg zu lokalisieren?

VON RIBBENTROP: Ich habe diese letzte Frage nicht verstanden.

GENERAL RUDENKO: Ich frage, ob dies eine Ihrer Bemühungen ist, den Krieg zu lokalisieren?

VON RIBBENTROP: Der Krieg mit Rußland war ausgebrochen, und ich habe damals versucht, auch der Führer war dieser Auffassung, Japan in den Krieg gegen Rußland zu bekommen, um den Krieg mit Rußland baldmöglichst zu beenden. Das war der Sinn dieses Telegramms.

GENERAL RUDENKO: Das war nicht nur die Politik des Führers, sondern auch Ihre, als des damaligen Außenministers?

VON RIBBENTROP: Jawohl, jawohl.

GENERAL RUDENKO: Ich habe noch ein paar Fragen. Sie behaupten, daß Sie niemals irgend etwas über die in den Konzentrationslagern begangenen Grausamkeiten gehört haben?

VON RIBBENTROP: Jawohl, das ist richtig.

GENERAL RUDENKO: Während des Krieges haben Sie als Außenminister doch Einblick in die auswärtige Presse gehabt, Sie haben ausländische Zeitungen gelesen. Haben Sie gewußt, was die Auslandspresse veröffentlichte?

VON RIBBENTROP: Nein, das trifft nur bis zu einem gewissen Grade zu. Ich habe jeden Tag soviel zu lesen und zu arbeiten gehabt, daß ich grundsätzlich nur immer die außenpolitischen Nachrichten in der auswärtigen Presse bekommen habe, die für mich ausgesucht wurden. Ich habe also während des ganzen Krieges irgendwelche Nachrichten aus dem Auslande über Dinge in Konzentrationslagern nicht erfahren, bis eines Tages Ihre Armeen, nämlich die sowjetrussischen Armeen, das Lager Maidanek in Polen besetzt hatten.

Bei dieser Gelegenheit kamen Nachrichten von unseren Gesandtschaften und da habe ich mir auch Pressemitteilungen und so weiter vorlegen lassen, und das ist ja schon hier besprochen worden, daß ich damals mit diesen Nachrichten zum Führer ging und wie das dann ausgegangen ist. Vorher habe ich über irgendwelche Grausamkeiten oder irgendwelche Maßnahmen, die in den Konzentrationslagern ausgeführt worden sind, nichts gewußt.

GENERAL RUDENKO: Waren Ihnen die Noten des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der Sowjetunion, Molotow, über die Grausamkeiten der deutschen Faschisten in den vorübergehend besetzten Gebieten der Sowjetunion, über die Verschleppung der Sowjetbevölkerung und deren Versklavung sowie über die Plünderungen bekannt?

VON RIBBENTROP: Diese Note ist mir damals, ich glaube, irgendwie durch diplomatische Kanäle oder wie, zugegangen. Ich weiß jetzt nicht mehr genau oder es kann auch sein, daß das durch Nachrichtenagenturen gewesen ist. Ich entsinne mich jedenfalls, daß damals, ich glaube, es waren mehrere Noten sogar, an eine von diesen Noten jedenfalls entsinne ich mich, die habe ich damals dem Führer vorlegen lassen. Aber seit dem Beginn des deutsch-russischen Krieges in diesen Gebieten konnten keine irgendwelche Aktionen oder keine Einwirkungen von uns dort mehr stattfinden, so daß ich im einzelnen nicht im Bilde bin darüber.

GENERAL RUDENKO: Vor allem interessierte mich eine grundsätzliche Sache. Ich wollte eben feststellen, daß Sie von den Noten des Auswärtigen Amtes der Sowjetunion Kenntnis hatten.

Sagen Sie bitte, wissen sie, daß Millionen von Bürgern in die Versklavung nach Deutschland geschickt wurden?

VON RIBBENTROP: Nein, das weiß ich nicht.

GENERAL RUDENKO: Das wissen Sie nicht! Und daß diese Bürger sich in Deutschland befanden, und daß sie dort als Sklaven ausgenutzt wurden, das wußten Sie auch nicht?

VON RIBBENTROP: Nein, nach dem, was ich gehört habe, sollen die ganzen ausländischen Arbeiter in Deutschland gut behandelt worden sein. Daß natürlich auch anderes vorgekommen sein kann, halte ich für möglich. Aber im großen glaube ich, hat man sehr viel getan, um die Arbeiter gut zu behandeln, und ich weiß, daß auch gelegentlich von Stellen des Auswärtigen Amtes hierbei mitgearbeitet wurde, um die etwaigen Dinge abzustellen. Aber im großen gesehen, konnten wir auf diese Gebiete keinen Einfluß nehmen, weil wir aus den Ostfragen ausgeschaltet waren.

GENERAL RUDENKO: Wie kommt es, daß Sie darüber informiert waren, daß die ausländischen Arbeiter gut behandelt wurden, und wie kommt es, daß Sie nichts darüber wußten, daß diese wie Sklaven behandelt wurden?

VON RIBBENTROP: Ich glaube nicht, daß das zutrifft. Wir haben vom Auswärtigen Amt zum Beispiel mit den französischen und einer ganzen Anzahl sonstiger ausländischer Arbeiter – für die haben wir mitgewirkt, daß man zum Beispiel Künstler aus Frankreich holte und so weiter. In der Betreuung haben wir mitberaten. Und ich weiß, daß man seitens der Deutschen Arbeitsfront alles getan hat, um jedenfalls den Sektor, den wir zum Teil übersehen konnten, die Arbeiter gut zu behandeln und sie arbeitswillig zu halten und ihnen ihre Freizeit anständig zu gestalten; ich weiß, das war jedenfalls die Bestrebung, an der wir mitwirkten.

GENERAL RUDENKO: Gut. Und jetzt die vorletzte Fragengruppe, die mit der Tätigkeit des »Bataillon Ribbentrop« zusammenhängt. Bitte, sehen Sie sich die Aussagen des SS-Obersturmführers Norman Paul Förster an. Es ist ein Dokument, das dem Gerichtshof unter USSR-445 als Beweisstück vorgelegt wurde. Bitte, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit besonders auf Seite 3 der Aussagen von Förster. Diese Stelle ist angestrichen. Da steht geschrieben:

»Als ich mich in demselben Monat, August 1941, in Berlin der angegebenen Adresse nach meldete, erfuhr ich, daß ich zum SS-Sonderkommando des Außenministeriums versetzt bin. An der Spitze des SS-Sonderkommandos stand ein Mitarbeiter des Außenministeriums, Freiherr von Künsberg.... Insgesamt gehörten zum Kommando etwa 80 bis 100 Mann, dazu kamen später noch 300 bis 400 Mannschaften. Später wurde das Sonderkommando in Bataillon z. b. V. des Außenministeriums umgenannt.

Freiherr von Künsberg empfing mich in einem Gebäude, das dem Außenministerium gehörte, und in dem das Sonderkommando untergebracht war. Er erzählte mir, daß das Sonderkommando auf Anweisung des Reichsaußenministers von Ribbentrop aufgestellt wurde. Laut Anweisungen von Ribbentrop sollte unser Sonderkommando auf dem besetzten Boden mit den Fronttruppen vorwärtsgehen, um die Kulturgüter (Museen, Bibliotheken, wissenschaftliche Anstalten, Bilder galerien und so weiter) vor Zerstörungen und Vernichtung seitens der deutschen Soldaten zu schützen, sie zu beschlagnahmen und nach Deutschland abzutransportieren.«

Ich lasse einige Sätze aus und fahre weiter fort:

»Am 5. August 1941 abends hat von Künsberg in Gegenwart von Nietsch, Paulsen, Krallat, Remerssen, Lieben und anderer uns den mündlichen Befehl von von Ribbentrop mitgeteilt, wonach alle wissenschaftlichen Anstalten, Bibliotheken, Paläste und so weiter in Rußland gründlich ›durchzukämmen‹ sind und alles wegzuschaffen ist, was einen bestimmten Wert hat.«

Haben Sie diese Stelle gefunden in der Aussage?

VON RIBBENTROP: Ja, soll ich antworten?

GENERAL RUDENKO: Ja, ich bitte Sie jedoch, mir zuerst auf folgende Frage zu antworten: Sie wissen, daß so ein Bataillon des Außenministeriums existierte, und daß es auf Ihre Weisungen hin sich, wie es hier im Dokument heißt, mit der Sicherstellung von Kulturwerten beschäftigte? Bitte, antworten Sie mir auf diese Frage.

VON RIBBENTROP: Wie es hier in dem Dokument steht, ist es absolut nicht richtig. Ich kann dies in keiner Weise anerkennen und muß dagegen Verwahrung einlegen. Richtig ist folgendes: Dieser Herr von Künsberg, das ist ein Mann, der mit einigen Mitarbeitern zusammen von mir bereits lange vor dem Russenfeldzug aufgestellt worden war, um schon damals in Frankreich Dokumente, wichtige Dokumente, die etwa sich finden könnten und für uns von Bedeutung sein könnten, zu beschlagnahmen. Irgendein Auftrag, der..., gleichzeitig darf ich sagen, hatte er den Auftrag, dafür zu sorgen, daß hier keine unnützen Zerstörungen von Kunstwerten und so weiter vor sich gehen sollten. Einen Auftrag, diese Dinge nach Deutschland abzutransportieren oder etwa irgendwelche Dinge zu rauben, hatte er von mir unter gar keinen Umständen. Ich weiß nicht, wie diese Aussage zustandegekommen ist. Jedenfalls stimmt sie unter keinen Umständen so.

GENERAL RUDENKO: Sie haben hier schon gegen viele Dokumente protestiert. Das bedeutet aber noch nicht, daß diese falsch sind. Ich will diese Aussagen nicht weiter zitieren. Ich will mich jetzt einem Dokument zuwenden, und zwar ist es ein Brief des Angeklagten Göring, gerichtet an den Angeklagten Rosenberg. Er liegt dem Gerichtshof als 1985-PS vor. Ich zitiere hier den zweiten Absatz. Das Dokument liegt bereits vor. Deswegen verlese ich diesen Brief des Angeklagten Göring an den Angeklagten Rosenberg. Göring schreibt:

»Ich habe nach dem vielen Hin und Her es außerordentlich begrüßt, daß eine Stelle zur Sammlung der Dinge endlich berufen wurde, obgleich ich darauf hinweisen muß, daß auch noch andere Stellen sich hier auf Voll machten des Führers berufen, so vor allen Dingen der Reichsaußenminister, der schon vor mehreren Monaten ein Rundschreiben an alle Stellen schickte, in dem er unter anderem Befugnisse für das besetzte Gebiet hat, und die Sicherstellung der Kulturgüter als ihm übertragen mitteilte.«

Wir wollen annehmen, daß der Angeklagte Göring die Umstände genauer kennt, die mit dieser Sicherstellung der Kulturgüter zusammenhängen.

Sie erinnern sich dieser Dinge überhaupt nicht?

VON RIBBENTROP: Ich weiß nicht, wie dieser Brief des Reichsmarschalls Göring zustandegekommen ist. Das weiß ich nicht. Jedenfalls, wenn da von irgendwelchen Vollmachten oder etwas Ähnlichem gesprochen worden ist, so konnte es sich nur darum handeln, daß diese Kunstwerte in den Gebieten sichergestellt worden sind. Von uns, von mir und vom Auswärtigen Amt, habe ich hier schon ausgesagt, sind während des Krieges keinerlei Kunstwerke etwa für mich persönlich oder für uns beschlagnahmt worden oder in Anspruch genommen worden. Es kann sein, daß vorübergehend Kunstwerte sichergestellt worden sind. Aber es sind jedenfalls in den Besitz von uns keine Kunstwerte gelangt, so daß es sich hier um ein Mißverständnis handeln kann in dem Briefe, denn es handelte sich, das weiß ich noch genau, damals um die Sicherstellung von Kunstwerten, denn es fing an zum Beispiel in Frankreich. In Frankreich fing es damals an, daß hier Wohnungen und so weiter und Galerien beraubt wurden, und ich entsinne mich noch, daß ich die Wehrmacht sogar gebeten habe um Posten, damit dieselben diese Kunstwerte und so weiter dort bewachen könnten. Jedenfalls haben wir von diesen Kunstwerten hier für uns, für das Auswärtige Amt, nichts gesehen.

GENERAL RUDENKO: Ich glaube, wir sollten uns nicht in Einzelheiten verlieren. Ich möchte nur noch eine Frage in diesem Zusammenhang stellen. Glauben Sie nicht, daß mit dem Decknamen von »Sicherstellung von Kulturwerten in den besetzten Gebieten« eigentlich die Plünderung dieser Werte gemeint war?

VON RIBBENTROP: Das war keineswegs beabsichtigt, und ich habe niemals einen dementsprechenden Auftrag irgend jemand gegeben. Das möchte ich hier ganz präzis erklären. Ich darf vielleicht noch hinzufügen, daß ich sogar, als ich hörte, daß der Künsberg so viele Leute plötzlich zusammenhatte dort, daß ich ihm sofort befohlen habe, daß sein ganzes Bataillon – dies war nicht ein Bataillon –, das ist nicht richtig ausgedrückt, jedenfalls, daß er sie sofort aufzulösen habe, und ich glaube mich sogar zu entsinnen, daß ich ihn aus dem Auswärtigen Amt herausgetan habe, weil er nicht das machte, was ich wollte. Ich glaube, er ist vom Dienst damals dispensiert worden.

GENERAL RUDENKO: Gut. Jetzt kommen wir zum Schluß. Sie waren der Reichsaußenminister des faschistischen Deutschland vom 4. Februar 1938 an. Ihr Amtsantritt fiel mit dem Zeitpunkt zusammen, in dem Hitler eine Reihe von außenpolitischen Handlungen, die letzten Endes zum Weltkrieg führten, vornahm.

Nun muß man sich fragen, warum wurden Sie von Hitler, gerade, bevor er zur Verwirklichung eines umfangreichen Angriffsprogrammes schritt, zum Reichsaußenminister gemacht? Finden Sie nicht, daß er Sie für den passendsten Mann für diese Aufgabe hielt, für einen Mann, mit dem er nie Differenzen haben konnte?

VON RIBBENTROP: Über die Gedanken Adolf Hitlers, darüber kann ich Ihnen nichts sagen. Er hat mir darüber nichts erzählt. Er wußte, daß ich ihm ein treuer Mitarbeiter war, und er wußte, daß ich auch der Auffassung war, daß man ein starkes Deutschland haben müßte, daß ich diese Dinge auf friedlichem, diplomatischem Wege durchführen mußte. Mehr kann ich nicht sagen. Was er für Ideen hatte, das weiß ich nicht.

GENERAL RUDENKO: Die letzte Frage: Wie erklärt es sich, daß sogar jetzt, wo in aller Ausführlichkeit das Bild der blutigen Verbrechen des Hitler-Regimes vor Ihnen enthüllt wurde, und wo Sie Zeuge des absoluten Zusammenbruches der Hitler-Politik gewesen sind, die Sie auf die Anklagebank brachte, daß Sie noch immer dieses Regime verteidigen, den Führer verherrlichen und, noch mehr, Sie erklären, daß die herrschende verbrecherische Sippe eine Gruppe von Idealisten war. Womit können Sie das erklären?

VORSITZENDER: Dies scheinen zahlreiche Fragen auf einmal zu sein, und ich halte diese Frage an den Zeugen nicht für zulässig.

GENERAL RUDENKO: Ich meine, daß es nur eine Frage ist, die alles zusammenfaßt.