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[zum Zeugen gewandt]

In der hier vorliegenden Abhandlung hat die Anklagebehörde folgendes gesagt: Nach 1938 bestanden also vier Abteilungen, das heißt OKW, Oberkommando der Wehrmacht; OKH, Oberkommando des Heeres; OKL, Oberkommando der Luftwaffe; OKM, Oberkommando der Marine, und jede besaß einen eigenen Generalstab. Was können Sie dazu sagen?

KEITEL: Ich kann nur sagen, daß das nicht richtig ist und auch der Darstellung, die ich ja schon gegeben habe, über die Funktionen der Oberkommandos der Wehrmachtsteile und des OKW, widerspricht. Es gab nicht vier solche Dienststellen, sondern es gab nur drei, nämlich ein Oberkommando des Heeres, ein Oberkommando der Kriegsmarine und das Oberkommando der Luftwaffe.

Das Oberkommando der Wehrmacht, als persönlicher, unmittelbarer Arbeitsstab, war in diesem Sinne keineswegs eine selbständige Befehlsstelle, wie ich gerade vorher ausgeführt habe. Die Oberbefehlshaber der Wehrmachtsteile waren Befehlshaber, hatten Kommandogewalt und übten diese aus über Truppen, die ihnen unterstanden. Das OKW hatte weder Befehlsgewalt noch unterstanden ihm irgendwelche Truppen, an die es Befehle hätte geben können. Es ist auch nicht richtig, wenn ich mich erinnere aus den Vorträgen der Anklagebehörden, daß einmal der Ausdruck gefallen ist: »Keitel als Oberkommandierender der Wehrmacht«. Ich erwähne das nur, um das hier hervorzuheben. Ferner möchte ich gerade bei diesem mir vorgelegten Dokument auf die letzte Seite mit einer Skizze nur kurz aufmerksam machen.

DR. NELTE: Diese Skizze ist das Diagramm, welches »Die Wehrmacht« heißt. Es ist die Darstellung, die diagrammatische Darstellung der gesamten Wehrmacht und der Wehrmachtsteile.

KEITEL: Ich glaube also nur kurz darauf hinweisen zu sollen, daß gerade dieses Diagramm der Grund zu dieser irrigen Auffassung gewesen ist, weil dort das OKW als eine besondere Dienststelle oder Befehlsstelle zeichnerisch dargestellt ist, und das ist falsch.

DR. NELTE: Welche Aufgaben hatten Sie nun in diesem militärischen Sektor als Chef des OKW?

KEITEL: Zunächst erstmal war es eine wesentliche Aufgabe, dem Führer alle Unterlagen, dann alle die vielen von ihm gewünschten Auskünfte und Rückfragen gemeinsam und unter Ausnützung des Wehrmachtführungsstabes zu beschaffen. Ich darf sagen, daß der Wehrmachtführungsstab in dieser Beziehung etwa die Funktionen ausübte, die man damit bezeichnen kann, daß er Hitler die unmittelbaren und engen Verbindungen zu den Generalstäben der Wehrmachtsteile vermittelte und besorgte. Außer dieser Beschaffung einer Unzahl solcher Unterlagen, die täglich gefordert wurden, kam als eine zweite Funktion hinzu, daß ich bei allen Besprechungen, die mit den Oberbefehlshabern der Wehrmachtsteile und ihren Generalstabschefs stattfanden, ebenso wie der Chef des Wehrmachtführungsstabes in der Regel anwesend war und sein mußte, da bei diesen Gelegenheiten sofort eine ganze Reihe mündlicher Befehle erteilt wurden und diese Befehle nach militärischen Grundsätzen selbstverständlich nachträglich schriftlich bestätigt werden mußten. Nur so konnte man vermeiden, daß Irrtümer oder Mißverständnisse auftraten – also durch die Bestätigungen an die Betreffenden, die die mündlichen Befehle bereits in Empfang genommen haben, wurden die Befehle klar zum Ausdruck gebracht. Das ist der Zweck und das ist der Sinn des Befehls.

DR. NELTE: Wie haben Sie nun die von Ihnen meist ausgefertigten Befehle und Schreiben und so weiter gezeichnet?

KEITEL: Es ist richtig, daß gerade diese Art der Befehle und Anweisungen fast ausschließlich von mir unterzeichnet worden ist. Das waren ja auch tatsächlich schon gegebene Befehle, die in der militärischen Befehlsgebung schon auch längst ihren weiteren Weg genommen hatten. Und so ergibt sich – wie auch aus der Masse der hier vorliegenden Dokumente ersehen werden kann – die Form, die ich grundsätzlich anzuwenden pflegte, indem ich eingangs oder nach einigen kurzen einleitenden Worten stets geschrieben habe: »Der Führer hat daher befohlen...«.

In der größten Mehrzahl der Fälle war dieser Befehl für die empfangende Stelle keine Überraschung mehr, nichts Neues, sondern eine Bestätigung. In ähnlicher Form habe ich, natürlich auch auf den nicht rein operativen Führungsgebieten, die erhebliche Zahl organisatorischer und sonstiger Anweisungen und Befehle unter meiner Leitung bearbeiten lassen und sie dann weitergeleitet, wobei besonders darauf hinzuweisen ist, daß ich wohl in keinem Falle Befehle abgesandt habe, ohne diesen Befehl nochmals meinem Oberbefehlshaber gelegentlich der täglichen Vorträge gezeigt zu haben, damit ich mich vergewisserte, daß ich in keiner Form und in keiner Weise irgendwie ihn etwa mißverstanden hatte, oder aber etwas herausgab, was nicht – ich darf das betonen – auch im Wortlaut seine Billigung hatte.

DR. NELTE: Nun gab es ja noch eine andere Kategorie von Befehlen und Anordnungen...

KEITEL: Darf ich vielleicht noch etwas dazu sagen?

DR. NELTE: Bitte schön!

KEITEL: Um das klarzustellen: Bei den hier auch vorliegenden Dokumenten sind diejenigen, die Hitler persönlich unterschrieb, unter dem Kopf »Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht« erlassen worden. Es gibt einige Ausnahmen, in denen auch solche Anweisungen von mir »im Auftrage« unterschrieben auch vorliegen. Dazu möchte ich die Erklärung auch geben.

Auch hier gilt das, daß diese Weisung, die im übrigen schon mehrfach auch die persönliche Korrektur Hitlers durchgemacht hatte, unter Umständen nunmehr aber dringend gegeben werden mußte und die Verhinderung des Obersten Befehlshabers zur Herbeiführung seiner Unterschrift dann eine Notwendigkeit machte, daß ich die Unterschrift in dieser Form ergehen ließ, aber nie »in Vertretung«, sondern stets nur »im Auftrage«. Sonst hat sich das vollzogen, wie ich das vorhin schon beschrieben habe, in der Form der Anweisungen, die dann von mir gezeichnet wurden.

Ich möchte dabei gleichzeitig erwähnen, wenn hier auch eine Anzahl von Dokumenten unter dem Kopf »Chef, Oberbefehlshaber der Wehrmacht« – es hat auch zum Teil gewechselt: »Oberkommando der Wehrmacht« – vorliegen, wenn darunter steht »im Auftrage Jodl«, so möchte ich dazu sagen, daß man beinahe automatisch nachweisen kann, daß ich zufällig nicht da war, sonst würde ich unterschrieben haben, und zwar in der Erkenntnis, daß ich der Chef des Stabes war, der nach militärischen Prinzipien grundsätzlich dann solche Dinge zu unterschreiben hat.

DR. NELTE: Die vorliegende Denkschrift enthält folgenden Satz:

»Das OKW vereinigte in sich die Tätigkeit eines Stabes und eines Ministeriums. Es handelt sich dabei um die Angelegenheiten, die früher das Reichskriegsministerium als solches bearbeitet hatte und die wohl auch auf das OKW übergegangen sind.«

Wie verhält es sich mit dieser ministeriellen Funktion des OKW?

KEITEL: Ja, diese Formulierung, wie sie hier drin steht, die ist zwar nicht unrichtig, aber im wesentlichen zum mindesten sehr mißverständlich; denn es war keineswegs so, daß das Oberkommando der Wehrmacht alle diejenigen Funktionen, die früher der Kriegsminister ausgeübt hatte, etwa nun auf das Oberkommando der Wehrmacht übergegangen wären. Es war eine erhebliche Anzahl von Funktionen und Gerechtsamen, die der Kriegsminister in seiner Stellung als Minister und damit als der Verantwortliche auch gegenüber den Oberkommandos der Wehrmachtsteile und ihren Befehlshabern entscheiden konnte und entschieden hat, die niemals auf den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht beziehungsweise auf mich übergegangen sind. Es trat damals folgendes ein: Alles das, was in dieser Beziehung Befehls- und Hoheitsrechte enthielt, und was der Führer nicht selbst übernehmen wollte, das wurde, soweit es eben Hoheitsrechte und Entscheidungsbefugnisse beinhaltete, auf die Oberbefehlshaber der Wehrmachtsteile übertragen. Um das nur anzudeuten, möchte ich von den mir in Erinnerung befindlichen wesentlichen Dingen einige nennen; zum Beispiel Personalien der Offiziere, Entscheidungen von Beschwerden, Grundlagen für die Etats- und Haushaltsfragen, die Gerichtsbarkeit und die Gerichtshoheit, die der Kriegsminister gehabt hatte, gingen auf den Oberbefehlshaber über; alle Beamtenfragen und alle Beamtenrechte; ich könnte noch mehr nennen – es hält das alles nur auf – um als Beispiele dafür zu gelten, daß da, wo Entscheidungen hätten getroffen werden müssen, zum Beispiel Absetzung eines Beamten, Entlassung eines Angestellten, nicht der Chef OKW entscheiden konnte, sondern daß hier den Oberbefehlshabern diese Befugnisse in Erweiterung ihrer früheren, aus dem Befugnisbereich des Kriegsministers selbständig übertragen wurden und nur gewisse Vorbehalte dem Führer vorbehalten blieben, die er selbst sich vorbehalten hatte. Ebenso ist es auch noch auf anderen Gebieten des Oberkommandos der Wehrmacht im Laufe der nächsten Jahre zu weiteren Einschränkungen seiner Aufgaben gekommen durch die Auflösung des Wirtschafts- und Rüstungsamtes – es wurde ein Rüstungsminister eingesetzt –, durch die Auflösung des Amtes Auslandsabwehr, also Nachrichtendienst, von dem nur der Selbstschutz der Truppe bei der Wehrmacht blieb, alles andere abgegeben wurde, und ähnliches mehr.

Meine Befugnisse nun waren so: In allen grundlegenden Fragen, die dieser ministerielle Arbeitssektor umfaßte, war ich verpflichtet, in jedem Falle die Entscheidung Hitlers einzuholen. Entbunden davon war ich nur in laufenden Dingen und wenn zwischen den Beteiligten in einer ministeriellen oder verwaltungsmäßigen Frage zwischen den Wehrmachtsteilen meiner bearbeitenden Sachstelle eine völlige Übereinstimmung bestand. Dann war eine Entscheidung nicht notwendig. Ich muß daher nochmals zusammenfassend feststellen, daß das OKW keine eigene Zuständigkeit besaß und daß man es nur so ausdrücken kann, daß Hitler tatsächlich die Funktionen des Oberbefehlshabers der Wehrmacht, ebenso wie die Funktionen des Kriegsministers in seiner Person vereinigte, um damit, um dies zu wiederholen, einen dazwischen geschalteten Amtsträger unter allen Umständen auszuschalten, das heißt der Zwischenschaltung zwischen ihm und seinen Oberbefehlshabern der Wehrmachtsteile.

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