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[Zum Zeugen gewandt:]

Dokument C-128 war also die Bestimmung des Oberkommandos des Heeres beim Einmarsch in Frankreich?

KEITEL: Jawohl.

DR. NELTE: Nun habe ich hier noch ein Dokument, 1585-PS, das eine Stellungnahme des OKW enthält. Es ist ein Brief an den Herrn Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, und in diesem Brief sind, so nehme ich an, die Überzeugungen der Dienststelle, der Sie vorgestanden haben, enthalten?

KEITEL: Jawohl.

DR. NELTE: Was sagen Sie heute zu diesem Schreiben?

KEITEL: Ich kann nur sagen, daß das genau derselbe Standpunkt ist von damals, der auch heute für mich noch gilt; denn es steht auch unter Hinweisung auf die gesamte Vorschrift ein besonderer Absatz darin, der mit den Worten beginnt: »Zur Sicherung gegen jeden Mißbrauch...« und so weiter, und es wird dann hingewiesen auf die Vorschrift.

DR. NELTE: Auf die Vorschrift G-2, und ferner, daß die »Entscheidung über das Los von Geiseln...«

KEITEL: Es steht darin: »... wonach die Entscheidung über das Los von Geiseln Vorgesetzten, mindestens in der Stellung eines Divisionskommandeurs, vorbehalten ist«.

DR. NELTE: Ist es richtig, wenn ich sage, daß dieses Schreiben von dem OKW, Abteilung Rechtswesen, ausgefertigt wurde und nach Prüfung der völkerrechtlichen Lage und völkerrechtlichen Bedenken ergangen ist?

KEITEL: Jawohl. Das geht auch aus dem Schreiben an sich hervor, daß es eine Prüfung von diesem Gesichtspunkte aus gewesen ist.

DR. NELTE: Haben Sie in der Geiselfrage, als OKW, irgendwelche generellen Anordnungen erlassen, außer dem, was wir bisher gehabt haben?

KEITEL: Nein, außer der Mitwirkung beim Entwurf, bei der das OKW beteiligt war, sind grundlegende Befehle oder Richtlinien in dieser Frage überhaupt nicht mehr ergangen.

DR. NELTE: Haben Sie mit der Geiselfrage trotzdem in Einzelfällen zu tun gehabt? Nach dem Vortrag der Anklagebehörde sollen Sie beziehungsweise OKW bei den Rückfragen Stülpnagel-Falkenhausen sich irgendwie geäußert oder Stellung genommen haben. Ich überreiche Ihnen das Dokument 1594-PS.

KEITEL: Dieses Schriftstück 1594-PS ist ein Schreiben von dem Militärbefehlshaber Belgiens, von Falkenhausen, und ist gerichtet an das OKH, Generalstab, Generalquartiermeister, und ferner an den Oberbefehlshaber West, also den obersten Truppenbefehlshaber im Westen, und nachrichtlich Niederlande und Luftgau Belgien.

Dieses Schreiben kenne ich nicht und kann ich auch nicht kennen, denn es ist an das Heer gerichtet, und die Vermutung, die hier ausgesprochen wurde seitens des französischen Anklagevertreters, ich hätte einen Brief von Falkenhausen bekommen, trifft nicht zu. Diesen Brief kenne ich nicht und er ist auch nicht an meine Anschrift gesandt worden. Der Geschäftsverkehr zwischen den Militärbefehlshabern in Frankreich und in Belgien fand nur statt zwischen dem OKH und diesen beiden ihm unterstellten Militärbefehlshabern. Dem OKW oder mir waren diese Befehlshaber überhaupt nicht unterstellt.

DR. NELTE: Die Französische Anklagebehörde hat nun das Dokument UK-25 vorgelegt und hat behauptet, daß dieses Dokument die Grundlage für die Geiselgesetzgebung in Frankreich gewesen sei, daß also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem von Ihnen gezeichneten Befehl vom 16. September 1941 und der Behandlung der Geiseln in Frankreich bestehe. Ich lasse Ihnen diese diesbezügliche Urkunde, außer UK-25, 1588-PS und 1587-PS übergeben und bitte um Ihre Äußerung.

KEITEL: Ich muß wohl noch die Frage beantworten, ob ich mit den Militärbefehlshabern irgendwie in Einzelfragen eine Erörterung gehabt habe über Geiselangelegenheiten. Ich glaube, eine solche Frage stellten Sie.

DR. NELTE: Bezüglich Stülpnagel und Falkenhausen?

KEITEL: Ja, bezüglich Stülpnagel und Falkenhausen. Es ist möglich und mir auch in einem Fall erinnerlich, daß Stülpnagel mich in einer solchen Angelegenheit von Paris aus angerufen hat, weil er einen Befehl vom Heer aus gehabt hatte, eine bestimmte Anzahl von Geiseln für einen Mordanschlag auf deutsche Wehrmachtangehörige erschießen zu lassen. Er wollte sich bei mir noch eine Vergewisserung in diesen Dingen einholen. Das hatte sich ereignet, ist auch, glaube ich, durch ein Fernschreiben, das mir auch hier vorgelegt wurde, wohl bestätigt, und daß ich damals mit Stülpnagel ein Zusammentreffen in Berlin hatte. Im übrigen war der Verkehr zwischen mir persönlich und den beiden Militärbefehlshabern völlig auf ganz ausgefallene Dinge beschränkt, wo sie glaubten, mit meiner Hilfe eine gewisse Unterstützung zu haben gegenüber Dingen, die ihnen sehr unbequem waren; ich darf hinweisen, in Fragen von Arbeitseinsatz, also Arbeiter, die von Belgien, Frankreich nach Deutschland sollten, auch in einem Fall Konflikte der Militärbefehlshaber mit ihren Polizeidienststellen entstanden, in solchen Fällen bin ich dann wohl direkt angerufen worden, um zu vermitteln.

Ich darf hier die Dokumente erst ansehen.

DR. NELTE: Sie müssen beginnen mit dem 16. September 1941, UK-25.

KEITEL: Ja.

VORSITZENDER: Es ist dem Gerichtshof unmöglich, alle diese Dokumente nur nach ihren Nummern im Kopfe zu haben. Wir haben sie nicht vor uns und wir wissen nicht, mit welchem Dokument Sie sich hier befassen; es ist ganz unmöglich für uns.

DR. NELTE: Herr Präsident, aus diesen Gründen habe ich vor Beginn der Vernehmung mir erlaubt, dem Gerichtshof eine Liste von Dokumenten zu überreichen. Wenn dies nicht geschehen ist, bedauere ich das sehr. Ich konnte nur nicht die Dokumente selbst überreichen. Sie finden auf dieser Liste immer eine Nummernangabe links.

VORSITZENDER: Das sehe ich, aber alles, was ich hier finde, ist 1587-PS, es ist anscheinend nicht das, auf das Sie sich beziehen. Es ist als Bericht an das Oberkommando des Heeres bezeichnet. Das gibt uns keinen Aufschluß, um was es sich handelt. Das nächste ist 1594-PS, ein Brief an das OKH und das sagt uns auch nicht, wovon er handelt, außer, daß er mit der Geiselfrage zu tun hat.

DR. NELTE: Er hat mit der Geiselfrage zu tun, die soeben der Angeklagte Keitel beantworten wird; aber haben Sie nicht auch den Befehl mit Nummer C-128?

VORSITZENDER: Ja, den habe ich. Das ist die Anweisung für Operationen im Westen.

DR. NELTE: Und UK-25 auch?

VORSITZENDER: Ja.

DR. NELTE: Und 1588-PS?

VORSITZENDER: Wir haben sie alle. Ich möchte Ihnen nur sagen, daß deren Beschreibung nicht genügt, um uns klarzumachen, was es für Urkunden sind und welche Bedeutung sie haben. Vielleicht können Sie, bevor Sie sich mit einem Dokument befassen, uns mit wenigen Worten andeuten, worum es sich handelt.

DR. NELTE: Das Dokument UK-25, worüber der Angeklagte Keitel soeben Auskunft geben wird, ist ein von ihm unterzeichneter Befehl vom 16. September 1941 betreffend »Kommunistische Aufstandsbewegung in den besetzten Gebieten«. Es enthält unter anderem den Satz: »Der Führer hat nunmehr angeordnet, daß überall mit den schärfsten Mitteln einzugreifen ist, um die Bewegung in kürzester Zeit niederzuschlagen.« Die Französische Anklagebehörde hat erklärt, daß auf Grund dieses Befehls in Frankreich eine Geiselgesetzgebung veröffentlicht worden ist, die in Dokument 1588-PS enthalten ist. Sie finden, wenn Sie das Dokument 1588-PS haben, auf der dritten Seite ein richtiges Gesetzbuch über Geiselnahme und Geiselbehandlung.

Der Angeklagte soll erklären, ob ein solcher ursächlicher Zusammenhang besteht und wieweit das OKW und er überhaupt mit diesen Fragen zuständigkeitsgemäß zu tun hatte.

KEITEL: Das Dokument UK-25 ist also dieser Führerbefehl vom 16. September 1941 und behandelt, wie eben ausgeführt, kommunistische Aufstandsbewegungen in den besetzten Gebieten, und die Tatsache, daß es sich hier um einen Führerbefehl handelt, ist bereits verlesen. Ich muß klarstellen, daß dieser Befehl ausgesprochen auch seinem Inhalt nach für den Ostraum, insbesondere damals auf den Balkan, Bezug hat, was ich glaube, dadurch beweisen zu können, daß diesem Schreiben ein Verteiler, also ein Adressenverzeichnis beigegeben ist, das damit beginnt: »Wehrmachtbefehlshabern Süd-Ost für Serbien, südliches Griechenland und Kreta«, und dann allerdings auch anderen Wehrmachtbefehlshabern zugeleitet wurde und ebenso dem OKH mit der Möglichkeit, es weiterzugeben an die ihm nachgeordneten Stellen. Ich glaube, daß das Dokument, das wegen Zeitersparnis wohl nicht verlesen werden braucht, verschiedene Hinweise dafür enthält, daß die Vermutung der Französischen Anklagebehörde, dieses sei die Grundlage des Geiselgesetzes, Dokument 1588-PS, irrtümlich ist, und ein ursächlicher Zusammenhang nicht besteht. Das Datum dieser Geiselgesetzgebung ist zwar auch vom September, die Zahl ist schwer zu identifizieren, aber dem Inhalt nach hängen diese beiden Dinge nach meinem Dafürhalten nicht zusammen; und außerdem ist ja auch den beiden Militärbefehlshabern in Frankreich und Belgien dieser Befehl niemals vom OKW, sondern über das OKH eventuell zugegangen, was ich nicht prüfen kann, weil ich das nicht weiß.

Zu diesem Befehl vom 16. September 1941 möchte ich nur noch sagen, daß seine erheblichen Schärfen auf die persönlichen Einflüsse des Führers zurückzuführen sind, und daß die Tatsache, daß es den Ostraum betrifft, aus dem Inhalt und aus der Einleitung schon hervorgeht und nicht mehr begründet zu werden braucht. Richtig ist, daß dieser Erlaß vom 16. September 1941 meine Unterschrift trägt.

DR. NELTE: Wir kommen zum zweiten Einzel-Tatbestand: »Nacht und Nebel«. Die Anklagebehörde erhebt gegen Sie Anklage wegen des von Adolf Hitler verfügten sogenannten »Nacht-und-Nebel«-Erlasses vom 12. Dezember 1941 – Dokument L-90 –...

KEITEL: Darf ich noch etwas nachholen von dem eben Vorgetragenen?

DR. NELTE: Bitte, wenn es notwendig erscheint. – In dem Anschreiben vom 2. Februar 1942 heißt es: »In der Anlage werden übersandt: 1) Ein Erlaß des Führers vom 7. Dezember 1941...« Sie wollten noch irgend etwas sagen; wenn es wichtig ist, bitte. – Haben Sie das Dokument L-90?

KEITEL: L-90, ja.

DR. NELTE: Was war der Anlaß zu diesem in seinen Folgen so furchtbaren Erlaß?

KEITEL: Ich muß erklären, daß es mir völlig klar ist, daß die Verbindung meines Namens auch mit diesem sogenannten »Nacht-und-Nebel«-Erlaß für mich eine schwere Belastung darstellt, Wenn auch aus den Dokumenten hervorgeht, daß es ein Führerbefehl ist. Ich möchte deswegen doch dazu die Gelegenheit haben, zu sagen, wie er entstanden ist:

Es mehrten sich seit Beginn des Ostfeldzuges und vollends dann im Spätherbst 1941 und im Winter bis zum Frühling 1942 außerordentlich stark die Aufstandsbewegungen, Sabotageakte und alles was damit zusammenhängt, in allen besetzten Gebieten; militärisch empfunden als Bindung und Fesselung der Sicherungstruppen, die dort durch die Beunruhigung festgehalten werden sollten. So habe ich es damals militärisch gesehen, und es kam nun durch die täglichen Lagevorträge laufend in einer besonderen Vortragsfolge zur Darstellung, was sich überall in den einzelnen Besatzungsgebieten ereignete, und es war nicht möglich, das summarisch zu behandeln, sondern Hitler verlangte jeden einzelnen Fall vorgetragen zu haben und war sehr unzufrieden, wenn solche Fälle ihm von der militärischen Dienststelle beim Vortrag verschwiegen wurden. Er erfuhr sie doch.

In diesem Zusammenhang hat er mir gesagt, das sei ihm sehr unsympathisch und für die Befriedung sehr ungünstig, daß sich dadurch in den besetzten Gebieten die kriegsgerichtlichen Todesurteile gegen Saboteure und Hilfeleistende mehrten, und daß er wünsche, daß das nicht geschehe, da es von seinem Standpunkt aus gesehen die Befriedung des Landes und die Beziehungen zur Bevölkerung nur belastete. Und er sagte dann damals, es könne nur dadurch geschehen, daß das eingeschränkt würde und daß statt Todesurteile – um es kurz zu machen – die Betreffenden, wenn nicht in kürzester Frist – wie es hier in dem Erlaß auch heißt – ein klares Todesurteil zu erwarten und zu vollstrecken sei, daß dann, statt langwieriger kriegsgerichtlicher Verhandlungen unter großem Zeugenaufgebot, die betreffenden Verdächtigten beziehungsweise Beschuldigten – darf man das Wort sagen – ohne Kenntnis der Angehörigen nach Deutschland abgeführt würden und in Deutschland interniert beziehungsweise in Gewahrsam genommen würden.

Ich habe dagegen größte Bedenken geäußert und weiß genau, daß ich damals sagte, ich befürchtete von diesem Verfahren genau das Gegenteil von dem, was offensichtlich bezweckt würde. Ich habe dann eingehende Beratungen mit dem Rechtsberater der Wehrmacht gehabt, der gleiche Bedenken hatte, da man hier den ordnungsmäßigen Gerichtsweg ausschaltete, und ich habe erneut versucht, es zu verhindern oder abzubiegen. Es wurde mir das nicht anerkannt, es wurde mir gedroht, es würde der Justizminister beauftragt werden, einen entsprechenden Erlaß zu machen, wenn die Wehrmacht das nicht konnte. Nun darf ich auf die Einzelheiten nur insoweit hinweisen, als ja in diesem Erlaß L-90 die Möglichkeiten eingebaut wurden, die eine Willkür der Handhabung verhindern sollten, und das war in erster Linie folgendes:

Es wurde in diesem Erlaß, in den Richtlinien, ausdrücklich angeordnet, daß eine solche Deportation oder Entführung in das Reichsgebiet nur erfolgen dürfe nach vorhergehendem kriegsgerichtlichen Ermittlungsverfahren, und daß in jedem Falle der Gerichtsherr, also der Divisionskommandeur, gemeinsam mit seinem Rechtsberater diese Sache verfügen müßte auf Grund eines vorhergehenden Ermittlungsverfahrens auf die richtige Art.

Ich muß klar sagen, daß ich glaubte, daß damit jeder Willkür und jeder übermäßigen Anwendung dieser Richtlinien vorgebeugt sei, und dem dienten auch die hier erwähnten Worte, es ist »der lange erwogene Wille des Führers«, wo man mir vielleicht zubilligt, daß das nicht ohne Grund gesagt worden war und nicht ohne die Hoffnung, daß auch die empfangenden Militärbefehlshaber daraus erkennen sollten, daß dieses eine Methode war, die wir nicht billigten und nicht für richtig hielten.

Schließlich haben wir in diesen Erlaß noch hineingebracht ein Nachprüfungsverfahren, so daß also auch von den höheren Beratungsstellen kriegsgerichtliche Verfahren – das war der Militärbefehlshaber in Frankreich und das Oberkommando des Heeres beziehungsweise der Oberbefehlshaber des Heeres – immer noch die Möglichkeit der gerichtlichen Behandlung des Falles im Nachprüfungsverfahren besaßen, wenn die Entscheidungen zum mindesten als auch im Sinne des Erlasses anfechtbar erschienen; und die ganze ungeheuerliche Tragik, die mir erst hier bekanntgeworden ist, ist die, daß dieser Erlaß, der nur für die Wehrmacht bestimmt war, und durch den lediglich entschieden werden konnte, ob ein solches Verschwindenlassen bei Nacht und Nebel von einem Täter, der mit Zuchthausstrafe zu rechnen hatte, daß dieses Verfahren offensichtlich und nach den Zeugenaussagen, die ich hier gehört habe und nach der Anklage, die ich hier auch gehört habe, eine Verallgemeinerung gefunden hat, offenbar durch die Organe der Polizei, so daß der ungeheuerliche Zustand hier unter Beweis gestellt werden sollte, daß es ganze Lager von sogenannten »Nacht-und-Nebel«-Importierten gegeben hat.

Das hat die Wehrmacht, wenigstens ich und die an diesem Befehl beteiligten Militärbefehlshaber der besetzten Gebiete, nach meinem Dafürhalten nicht gewußt. Mir ist es jedenfalls nie gemeldet worden, und damit hat dieser Erlaß, der an sich zweifellos äußerst gefährlich war und einen gewissen Standpunkt des Rechtes, wie wir ihn kannten, verlassen hat, sich zu einer solchen ungeheuerlichen Angelegenheit auswachsen können, wie es hier in der Anklage zur Sprache gekommen ist.

Beabsichtigt war, die nach Deutschland zu Überführenden auch deswegen aus ihrem Heimatlande fortzunehmen, weil Hitler die Auffassung hatte, daß eine Zuchthausstrafe im Kriege von den Betroffenen ja nicht als eine entehrende in dem Sinne, wenn es sich um Handlungen von sogenannten Patrioten handelte, angesehen würde, sondern daß man sie als eine kurze Haft ansehe, die mit Beendigung des Krieges ihr Ende fände.

Diese Erwägungen sind zum Teil in dem Anschreiben auch aufgeführt worden. Wenn Sie noch Fragen haben, bitte ich sie zu stellen.

DR. NELTE: Es ist schon erklärt worden, in dem Durchführungserlaß zum »Nacht-und-Nebel«-Erlaß ist die Rede davon, daß die Gestapo die Verbringung nach Deutschland übernehmen soll. Sie haben gesagt, daß die Leute, die nach Deutschland kamen, dem Justizminister übergeben werden sollten, also in normalen polizeilichen Gewahrsam kamen.

Sie werden verstehen, daß hier durch die Beziehung auf die Gestapo auch gewisse Bedenken geltend gemacht werden, daß man von vornherein wußte, was mit diesen Menschen geschah. Können Sie mir darüber etwas Aufklärendes sagen?

KEITEL: Ja. Die Anordnung damals, die gegeben war, war die der Überstellung an die deutschen Justizbehörden. Dieses Anschreiben: »Im Auftrage, gezeichnet: Unterschrift«, ist, wie ich aus meinem dienstlichen Schriftverkehr sehe, vom Amt AuslandAbwehr herausgegeben worden, sogar acht Wochen später wie der Erlaß selbst. Das kennzeichnet die Besprechungen beziehungsweise die Vereinbarungen, die damals wohl getroffen werden mußten über die Methode der Überführung aus dem Heimatgebiet in das Reichsgebiet; und die hat damals offenbar dieses Amt geführt und hat dann als die Begleitkommandos Polizeikommandos festgelegt. Das geht daraus hervor.

Ich darf dazu sagen, daß es mir damals – ich werde es auch gesehen haben – das nicht zu beanstanden schien, weil ich damals nicht der Auffassung sein kannte und sein mußte, daß ja hier eine Überstellung an die Gestapo im Sinne der Liquidierung – will ich es offen nennen – gedacht war, sondern daß es lediglich ein Transportkommando war, um es an Deutschland abzuliefern. Ich möchte das besonders betonen, damit darüber kein Zweifel herrscht, daß hier nicht die Absieht bestanden hat, in dieser Form die Leute verschwinden zu lassen, wie es nunmehr nachher in diesem »Nächt-und-Nebel«-Lager gewesen ist.

DR. NELTE: Wir kommen zu dem Komplex Fallschirmspringer, Sabotagetrupps, Kommandounternehmungen. Die Französische Anklagebehörde behandelt ausführlich die Entstehung und Auswirkung der beiden Führererlasse Hitlers vom 18. Oktober 1942 bezüglich der Behandlung von Kommandounternehmungen.

Liegt dem Gericht dieser Führererlaß vor, Herr Präsident? Es ist 498...

VORSITZENDER: Wir haben keine Abschrift des Befehles. Sie meinen 553-PS oder 498?

DR. NELTE: Das zweite ist 553-PS.

VORSITZENDER: Wir haben das auch nicht, »Bekämpfung einzelner Fallschirmspringer«, Erlaß vom

4. 8. 1942.

DR. NELTE: Ich bitte es nochmals zu wiederholen, Herr Präsident, es ist nicht durchgekommen, was Sie eben gesagt haben.

VORSITZENDER: 553-PS: »Bekämpfung einzelner Fallschirmspringer«, Erlaß vom 4. 8. 1942, das haben wir, sonst nichts. Sie haben auch 498...

DR. NELTE: 553-PS ist ein Merkblatt, das von dem Angeklagten Keitel unterzeichnet worden ist.

Die Französische Anklagebehörde hat wohl mit Recht angenommen, daß ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Dokument 553-PS und dem Führererlaß vom 18. Oktober 1942 besteht. Der Angeklagte will uns sagen, welches die Gründe waren, die zu diesem Merkblatt und zu diesem Führererlaß führten.

KEITEL: Zunächst Dokument 553-PS, das Merkblatt. Dieses Merkblatt ist im August 1942 von mir herausgegeben worden, nachdem in ähnlicher Form, wie ich es vorhin schon beim »Nacht-und-Nebel«- Erlaß schilderte, die Sabotageakte und das Abspringen einzelner Agenten, Abwurf von Waffen, Munition, Sprengmittel, Funkstationen und kleineren Sabotagetrupps einen immer größeren Umfang annahmen, die aus Flugzeugen nachts meist in menschenleeren Räumen abgeworfen wurden. Es war über das ganze Gebiet, das unter deutschem Machtbereich stand, verteilt, ging von Westen bis in die Tschechoslowakei und Polen, und von Osten her bis in den Raum von Berlin. Es wurden natürlich eine große Zahl solcher Persönlichkeiten dabei gefaßt, beziehungsweise die Dinge sichergestellt. Dieses Merkblatt sollte alle Stellen, auch außerhalb der Wehrmacht, Polizei, Zivilbehörden mit einspannen in den Dienst gegen diese Methoden, eine nach unseren Begriffen neuartige, illegale Kriegsführung eines Krieges im Dunkeln hinter der Front; und dieses Merkblatt halte ich auch heute noch nach Durchsicht und Prüfung – ich habe es ja schon hier vorgelegt bekommen – für unantastbar, da es ausdrücklich bestimmt, daß Angehörige der feindlichen Wehrmacht, also Soldaten irgendeiner feindlichen Wehrmacht, wenn sie von Polizeiorganen ergriffen wurden, der nächsten Wehrmachtsdienststelle nach ihrer Identifizierung zu übergeben waren. Ich weiß, daß an dieser Tätigkeit zur Ergreifung und der Sicherstellung im französischen Raum die französische Polizei ihren vollen Anteil hatte. Sie hat dabei mitgewirkt, diese Sabotageakte zu verhindern, deren Umfang vielleicht dadurch erkenntlich wird, daß wir an einzelnen Tagen auf diesem Wege bis zu und über hundert Sprengungen von Eisenbahnlinien hatten, die auf diesem Wege getätigt waren. Das steht in dem Merkblatt.

Nun die Führererlasse vom 18. Oktober 1942, die ja schon sehr oft erwähnt worden sind, und die ich als eine Fortentwicklung dieser Anordnungen des Merkblattes insofern bezeichnen möchte, als diese Methoden, diese Art einer illegalen Kriegsführung immer mehr sich steigerten, und daß aus einzelnen Springern tatsächlich kleine Kommandos wurden, die aus größeren Maschinen abgesetzt wurden oder auf dem Fallschirmwege landeten, und die systematisch angesetzt wurden, nicht mehr allgemein, um irgendwo Unruhe oder Zerstörungen vorzunehmen, sondern ganz präzise lebenswichtige Objekte der Kriegsführung zum Ziele hatten, wie das in Norwegen war – in einem Fall mir erinnerlich –, das einzige Aluminiumwerk zu sprengen und zu zerstören. In dieser Zeit, wohl mag das eigenartig klingen, waren täglich vielleicht einhalb bis dreiviertel Stunden der Lagebesprechungen nur auf die Erörterung dieser Vorfälle in allen Gebieten verwendet worden. Diese Vorfälle in allen Gebieten führten dazu, daß der Führer damals andere Methoden forderte, schärfstes Vorgehen dagegen, wie er sich ausdrückte, das sei »Terror«, und den könnte man nur mit Gegenmaßnahmen bekämpfen, und zwar mit scharfen. Und ich erinnere mich, daß auf die Einwürfe von uns Soldaten die Worte gefallen sind: »Solange lediglich der Fallschirmspringer oder Sabotagetrupp nur die Gefahr läuft, in Kriegsgefangenschaft überführt zu werden, hat er kein Risiko, unter normalen Verhältnissen riskiert er nichts; dagegen muß etwas geschehen.« Das waren die ursächlichsten Gedanken. Ich bin dann mehrfach ersucht worden, mich dazu auch zu äußern oder darüber etwas vorzulegen. Der General Jodl wird sich dessen auch entsinnen, und wir wußten nicht, was man tun sollte, von unserem Standpunkt aus als Soldaten. Wir konnten einen Vorschlag nicht machen.

Wenn ich das kurzsagend zusammenfasse, so haben wir fast täglich die Temperamentsausbrüche Hitlers über diese Sache gehört, aber wir haben nichts gemacht, weil wir nicht wußten, wie wir es machen sollten. Während er erklärte, das sei gegen die Haager Landkriegsordnung, das sei illegal, das sei eine Methode, die auch in dieser Haager Landkriegsordnung gar nicht vorgesehen sei und nicht vorgesehen sein könne. Er sagte, daß es ein neuer Krieg sei, der neue Methoden erfordert, mit dem wir hier zu tun hätten. Und um es kurz zum Ende zu bringen, ist es dann so gewesen, wie auch von mir in der Voruntersuchung gesagt worden ist, daß diese Befehle – der Befehl selbst und die Erklärung mit der bekannten Anweisung, jeden bestrafen zu wollen, der diesen Befehl nicht ausführe – sind dann von Hitler direkt in sachlicher Form mit Unterschrift ausgefertigt worden, und dann, glaube ich, durch den Chef des Führungsstabes Jodl dann verteilt worden. Ich darf vielleicht noch hinzufügen, daß mehrfach die Befehlshaber, die diese Befehle bekamen, Rückfragen gestellt haben wegen der Form und der Art der Anwendung, im Hinblick auch auf diese Strafandrohung, daß aber uns ja nichts übrig blieb, als zu sagen, »Sie kennen ja das, was in den Erlassen drin steht«, denn abändern konnten wir diese unterschriebenen Befehle nicht.

DR. NELTE: Die Anklage hat nun Sie persönlich beschuldigt, den Befehl zur Tötung der bei den Kommandounternehmungen bei Stavanger ergriffenen Soldaten, und zwar englischer Sabotagetruppen gegeben zu haben. Hierzu gebe ich Ihnen die Dokumente 498-PS, 508-PS und 527-PS.