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[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]

KEITEL: Ich kann vielleicht einleitend sagen, daß diese Anordnungen ja erst im September erlassen wurden, was darauf zurückzuführen war, daß zunächst eine Anordnung Hitlers bestand, daß russische Kriegsgefangene in das deutsche Reichsgebiet nicht zurückgeführt werden sollten. Diese Anordnung ist dann später aufgehoben worden.

Nun die Anordnung vom 8. September 1941, die mir im Wortlaut vorliegt. Dazu ist zu sagen, daß die Grundlage dieser ganzen Anordnungen ebenfalls in dem Gesichtspunkte ihre Ursache findet, daß es sich hier um einen Volkstumskampf handelte, denn der erste Satz beginnt damit: »Der Bolschewismus ist der Todfeind des nationalsozialistischen Deutschlands.« Das drückt meines Erachtens schon von vornherein aus, auf welcher Grundlage diese Anordnungen beruhen und auf welcher Vorstellung und aus welchen Motiven sie entstanden sind. Es ist eben so, daß Hitler, wie ich gestern schon ausführte, diesen Kampf und diesen Krieg nicht auf der Basis der völkerrechtlich auszutragenden Kämpfe zwischen zwei Staaten, sondern zwischen zwei Weltanschauungen betrachtete. Es ist dann darin Näheres gesagt worden, auch über die Aussonderung, und zwar nach zwei Richtungen hin, Aussonderung solcher, die für uns als ungefährlich, wenn ich mich so ausdrücken soll, erscheinen, und solcher, die als politische Aktivisten und Fanatiker ausgesondert werden sollten, als dem Nationalsozialismus besonders bedrohlich und gefährlich.

Wenn ich dann zu dem einleitenden Schreiben komme, so ist das ja hier schon vorgelegt worden von dem Herrn Anklagevertreter der Sowjetunion. Es ist ein Schreiben des Chefs Ausland/Abwehr, Admiral Canaris, in dem er diesen Grundbefehl, den ich eben erörterte, nochmals mir zur Kenntnis bringt mit einer Reihe von Ausführungen, die seine Bedenken und seine Einwände gegen diesen Erlaß besonders herausstellen und betonen. Gleichzeitig beigefügt ist das Merkblatt, über das ich nichts mehr zu sagen brauche; es ist ein Auszug, und die von der Sowjetunion unter dem 1. Juli, glaube ich, ihrerseits herausgegebenen Anweisungen für Kriegsgefangenenbehandlung, das heißt Behandlung deutscher Kriegsgefangener. Ich bekam dieses am 15. September, während der andere Befehl etwa eine Woche vorher bereits herausgegangen war und nach Studium dieser Vorlage Canaris muß ich einräumen, daß ich seine Bedenken teilte. Ich bin deswegen mit der gesamten Vorlage zu Hitler gegangen und habe ihn gebeten, diese zu stornieren und sich selbst darüber nochmals zu äußern. Der Führer sagte mir dann, wir können nicht erwarten, daß die deutschen Kriegsgefangenen auf der anderen Seite völkerrechtlich beziehungsweise der Genfer Konvention entsprechend behandelt würden. Wir könnten es auch nicht prüfen und er sehe keinen Anlaß, aus diesem Motiv seine gegebenen Direktiven zu ändern, und er lehnte letzten Endes schlechthin ab, so daß ich die Notizen mit meinen Randbemerkungen an Admiral Canaris zurückgab. Der Befehl ist dann also aufrechterhalten worden und bestehen geblieben.

DR. NELTE: Wie war dann die Behandlung der sowjetrussischen Kriegsgefangenen in der Praxis? Hielt man sich an diese Vorschriften oder wurden sie in der Praxis anders gehandhabt?

KEITEL: Nach meinen persönlichen Beobachtungen und den mir vorgelegten Berichten war die Praxis wesentlich, wenn ich mich so ausdrücken soll, besser und günstiger, als diese schroffen Bestimmungen, die als erste Willensmeinung nach der Zustimmung der Überführung der Kriegsgefangenen nach Deutschland herausgegeben sind. Ich habe jedenfalls zahlreiche Berichte darüber gesehen, daß im Arbeitseinsatz, besonders in der Landwirtschaft, aber auch in der Kriegswirtschaft, besonders bei den allgemeinen Einrichtungen der Kriegswirtschaft wie Reichsbahn, Straßenbau und ähnlichem, die Verhältnisse in der Praxis wesentlich besser gewesen sind, als es nach diesen harten Worten, die hier in dieser Vorschrift stehen, erscheinen muß.

DR. NELTE: Herr Präsident, ich darf bei dieser Gelegenheit auf das Dokument 6 in dem Dokumentenbuch hinweisen.

VORSITZENDER: Welches Dokumentenbuch meinen Sie?

DR. NELTE: Dokument 6, in dem Dokumentenbuch 1, in meinem Dokumentenbuch 6: Die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter sowie der sowjetrussischen Kriegsgefangenen. In diesem Buch habe ich nur diejenigen Teile dieses Buches, das ich Ihnen überreiche, aufgenommen, die sich mit den Einsatzbedingungen der sowjetrussischen Kriegsgefangenen befassen. Ich überreiche dieses Buch als Beweisstück K-6 und bitte es als Beweismittel anzunehmen, ohne daß ich hieraus zu verlesen brauche. Es ist in den Bestimmungen genau auf diejenigen Punkte hingewiesen, die Anordnungen enthalten, welche ergeben, daß in der späteren Zeit die sowjetrussischen Kriegsgefangenen nach dem Willen des OKW als Verordnungsinstanz gemäß der Genfer Konvention behandelt werden sollen.

Kann ich fortfahren?

VORSITZENDER: Ja, bitte. Sie wollen nicht daraus verlesen?

DR. NELTE: Nein, das möchte ich nicht.