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DR. NELTE: Die Französische Anklagebehörde hat unter anderem auch gegen Sie den Vorwurf erhoben, daß Sie Anweisungen hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahmung von Kunstschätzen, Bibliotheken und dergleichen gegeben haben. Bestanden vor dem Feldzug nach dem Westen oder Osten irgendwelche militärischen Befehle, Anweisungen, Richtlinien, wie Kunstwerke oder Büchereien in den eventuell besetzten Gebieten zu behandeln seien?
KEITEL: Nein, meines Wissens hat darüber gar nichts bestanden, auch bei dem sonst gründlichen Bedenken aller Dinge, die in einem Kriege auftreten können. Mir ist nichts bekannt, daß dafür irgendwelche vorsorglichen Anweisungen bestanden hätten.
DR. NELTE: Ich werde Ihnen drei Dokumente, die die Französische Anklagebehörde überreichte, überbringen, in welchen Sie in Verbindung mit dem Einsatzstab Rosenberg gebracht sind, von dem ja hier schon mehrfach die Rede war. Es sind dies die Dokumente 137-PS, 138-PS und 140-PS, gleichartige Schreiben des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht an den Oberbefehlshaber des Heeres in Frankreich und in den Niederlanden.
KEITEL: Die ersten beiden Dokumente 137-PS und 138-PS sind aus dem Hauptquartier, beziehungsweise von mir zum Teil selbst diktierte Schreiben an Dienststellen des Heeres, es heißt da: »An den Oberbefehlshaber des Heeres«, das andere Mal: »Oberbefehlshaber des Heeres für das besetzte Frankreich«, und »An den Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden«. Entstanden sind die Dinge teils durch Rückfragen der militärischen Dienststellen, die sich für verantwortlich hielten für die Bewachung oder Sicherung dessen, was in dem besetzten Gebiet sich befand, und von Dienststellen, die offenbar sammeln, sichten, registrieren und sonst irgendwie diese Kunstschätze, Bibliotheken und so weiter durchsuchen und beschlagnahmen wollten. In einem Falle bin ich, ich glaube vom Oberbefehlshaber des Heeres, der dagegen Protest erhob, angerufen worden, in anderen Fällen auch vom Reichsleiter Rosenberg. Der Führer gab mir die Direktive, ich sollte die militärischen Dienststellen anweisen, sich damit zufrieden zu geben und einverstanden zu erklären. Es handele sich um Anweisungen, die er selbst gegeben habe und die er billige. Rein formell kann man schon sehen, das ist nicht von einer Dienststelle des OKW, sondern mein Adjutant hat die Schriftsätze gezeichnet. Ich selbst habe diese diktiert auf Befehl des Führers und abgesandt. Vielleicht kamen diese Fragen gerade deshalb, weil ja dafür nichts vorgesehen und nichts angeordnet war. Was mit diesen Kunstschätzen und so weiter zu geschehen hatte, wußte ich nicht, habe mich jedoch selbstverständlich auf den Standpunkt gestellt, daß das sich um eine Sicherstellung handle. Von Transporten oder Beschlagnahme oder Enteignung ist nicht die Rede gewesen, die Frage ist auch damals nicht bei mir entstanden, sondern ich habe ganz kurz diese Anweisungen gegeben, und sonst habe ich mich um die Dinge nicht gekümmert. Ich habe sie für vorsorgliche Maßnahmen gehalten und hielt sie nicht für unberechtigt.
DR. NELTE: Sie wollten sagen, zuständigkeitsmäßig hatte das OKW nichts damit zu tun?
KEITEL: Nein.
DR. NELTE: Es handelte sich also um Weitergabe von Briefen an die militärischen Stellen zur Bekanntgabe des Willens Hitlers, den Einsatzstab Rosenberg in seiner Aufgabe zu unterstützen?
KEITEL: Ja, das ist richtig.
DR. NELTE: In diesem Zusammenhang möchte ich eine persönliche Frage stellen. Haben Sie sich jemals aus dem Kunstbesitz der besetzten Länder, sei es aus öffentlichem oder privatem Besitz, etwas angeeignet, oder hat eine Stelle, welche es auch sei, Ihnen ein Kunstwerk zugewiesen?
KEITEL: Nein, ich habe niemals mit diesen Dingen zu tun gehabt.
DR. NELTE: Wir kommen nun zu der sogenannten wirtschaftlichen Ausbeutung der besetzten Gebiete. Es wird Ihnen hier im Zusammenhang mit Ihrer Stellung als Chef OKW zum Vorwurf gemacht, daß Sie an der wirtschaftlichen Ausnützung sowohl des besetzten Ostraumes als auch der westlich besetzten Gebiete mitgewirkt haben. Die Frage ist schon bei der Vernehmung des Reichsmarschalls Göring erörtert worden. Ich kann deshalb diesen Fragenkomplex verhältnismäßig kurz behandeln. Es bedarf aber auch Ihrerseits der Klarstellung, inwieweit das OKW und Sie überhaupt mit diesen Dingen in Berührung standen, denn Ihr Name sowohl das OKW als auch Sie persönlich, werden in diesem Zusammenhang genannt. Ferner das Wirtschaftsrüstungsamt, eine Abteilung des OKW, dessen General Thomas auch über diese Frage ein Werk vorbereitet hatte, das von der Anklage vorgelegt worden ist. Was können Sie zu dieser Frage sagen, wenn ich Ihnen die Urkunden 1157-PS und USSR-80 übergeben lasse.
KEITEL: 1157-PS behandelt den Plan Barbarossa- Oldenburg. Ich kann dazu ergänzend folgendes sagen: Das Wehrwirtschaftsamt, damals schon nicht mehr Wirtschafts- und Rüstungsamt, unter General Thomas, hat aus der heimatlichen im Reich befindlichen Wehrwirtschaftsorganisation, die bei allen Wehrkreiskommandos je eine Dienststelle hatte, für den Westfeldzug erstmalig und später nachher für den Feldzug Barbarossa im Osten organisatorisch gewisse Vorbereitungen dahin getroffen, daß den hohen Kommandostellen, Armee-Oberkommandos, Berater, etwas Fachpersonal für kriegswirtschaftliche und Versorgungsfragen und einige kleine Kommandos, genannt Feldwirtschaftskommandos, zugeteilt wurden.
Diese beim AOK in den Quartiermeisterstäben eingegliederten Personen hatten die Aufgabe, die in den besetzten oder eroberten Gebieten vorgefundenen Versorgungsmittel, Treibstoffe, Lebensmittel und sonstige für den Truppengebrauch sofort geeignete und brauchbare Dinge zu erfassen, zu sichern oder ihre Sicherstellung zu bewirken und sie dann im Zusammenwirken mit dem Oberquartiermeister, der die Armee versorgte und einem Intendanten, der den Lebensmittelnachschub bewirkte, der kämpfenden Truppe zur Versorgung zur Verfügung zu stellen. Soweit im westlichen Raum, Frankreich und Belgien, gewisse Feststellungen auch in kriegswirtschaftlicher Hinsicht getroffen worden sind, wurden diese Unterlagen für spätere Zwecke zur Verwertung bewahrt. Der Osten nun, ich glaube das hat der Reichsmarschall Göring schon eingehend dargelegt, war auf völlig andere Basis gestellt, das heißt auf die Basis nicht nur der Truppenversorgung, sondern auch der Ausnützung dieses eroberten Gebietes. Es war eine hinziehende Organisation aufgebaut worden, die sich dann Wirtschaftsorganisation Ost-Oldenburg genannt hat oder bezeichnet wurde. Die Verbindung zum OKW ist dahin zu finden, aber auch zu begrenzen, daß die organisatorischen Vorbereitungen des Aufbaues der dafür notwendigen Fachorgane und Fachstellen zusammen mit dem Wirtschaftsministerium, Vierjahresplan und Ernährungsministerium vorbereitet wurden: Wirtschaftsorganisation Oldenburg. Eine befehlsgebende, anordnende und im Einsatz, das heißt in ihrer Tätigkeit beeinflussende Aufgabe hat das OKW und der Chef, also ich, nicht gehabt, sondern die Organisation war geschaffen und war nun zum Einsatz dem zur Verfügung gestellt, der den Auftrag hatte, dieses Instrument einzusetzen, ihm die Aufträge zu geben und mit ihm zu arbeiten. Wenn also der General Thomas in seinem, hier auch als Dokument vorliegenden großen Buch geschrieben hat über diese...
DR. NELTE: 2353-PS, Seite 386. Vielleicht verlesen Sie das, so können Sie zusammenfassend alles sagen.
KEITEL: Ja. Dies ist ein Auszug aus dem Buch des Generals Thomas, der die Tätigkeit seiner Person und der Organisation, die er seinerzeit im OKW geleitet hat, im einzelnen von der Entstehung bis tief in den Krieg hinein beschrieb. Er sagt hier:
»Die Tätigkeit des WiRü-Amtes während der Durchführung des Ostfeldzuges lag in der Hauptsache in der organisatorischen Steuerung des eingesetzten wehrwirtschaftlichen Apparates und in der Beratung des wirtschaftlichen Führungsstabes Ost.«
DR. NELTE: Sie brauchen nur den Absatz 4 zu lesen, um zusammenzufassen.
KEITEL: Für die wirtschaftliche Gesamtleitung des ganzen Ostraumes war der Wirtschaftsführungsstab Ost, der dem Vierjahresplan als Barbarossa-Oldenburg angehörte, verantwortlich, und zwar für die Fachweisungen die Staatssekretäre in diesem Wirtschaftsführungsstab, verantwortlich für die Organisation das Rüstungswirtschaftsamt Thomas, verantwortlich für die Durchführung aller Maßnahmen der Wirtschaftsführungsstab Ost unter Leitung und Befehl des Reichsmarschalls.
DR. NELTE: Wie waren die Verhältnisse im Westen?
KEITEL: Ich schilderte kurz die kleine Fachberaterschaft, die im Westen und in den Oberkommandos in den Quartierabteilungen eingegliedert waren. Soweit es in einem späteren Stadium der besetzten Gebiete über die laufende Versorgung mit den täglichen Bedarfsmitteln, Treibstoff und so weiter hinausging, war durch eine besondere Bestimmung, die der Reichsmarschall schon genannt hat, Anfang Juni, wie ich schon sagte, die gesamtwirtschaftliche Leitung dem Vierjahresplan und den Bevollmächtigten für den Vierjahresplan übergeben. Das war ein Führererlaß.
DR. NELTE: Das ist in dem schon erwähnten Dokument 2353-PS, vom General Thomas, auf Seite 304, ausgeführt. Ich brauche es nicht zu verlesen und bitte den Gerichtshof, zu gestatten, daß ich, um weitere Fragen auf dem Gebiete zu vermeiden, das Affidavit des Angeklagten im Dokumentenbuch 2, für das Wirtschaftsrüstungsamt im OKW als Dokument K-11, als Beweisstück überreiche. Ich nehme an, daß die Anklagebehörde damit einverstanden ist.
VORSITZENDER: Welche Nummer hat es im Dokumentenbuch 2?
DR. NELTE: Nummer 4 in diesem Dokumentenbuch Nummer 2. Es ist Seite 27 und folgende in dem Ihnen überreichten Dokumentenbuch 2. Das Dokument ist datiert vom 29. März 1946.
VORSITZENDER: Welches Datum sagten Sie?
DR. NELTE: Der 29. März 1946. Ich glaube in dem Dokumentenbuch ist kein Datum. Ich habe das Original, das ich überreichen werde, hier.
VORSITZENDER: Wie wird es im Dokument selbst bezeichnet? Wir haben hier ein Dokument, das das Datum 4. März 1946 trägt: »Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt im Oberkommando der Wehrmacht«. Ist das richtig?
DR. NELTE: Das Dokument ist geschrieben worden am 4. März 1946, aber die eidesstattliche Versicherung ist am 29. März unter das Dokument gesetzt worden.
VORSITZENDER: Aber das scheint am 8. März gewesen zu sein. Handelt es sich um dieses Dokument?
DR. NELTE: »Das Wirtschaftsrüstungsamt im OKW«. Es ist möglich, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Das ist hier.
DR. NELTE: Jedenfalls ist an der Identität kein Zweifel.