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[Das Dokument wird dem Zeugen übergeben.]

KEITEL: Das ist sehr einfach, genau dort beginnt mein Eintreffen, als diese Bemerkung gefallen war. Ich hatte damals der Amerikanischen Untersuchung zu Protokoll gegeben, daß ich gerade noch gehört habe, daß über die Verwendung des Herrn Gauleiters Lohse gesprochen wurde, als ich in das Zimmer trat. Ich habe die vorhergehenden Bemerkungen nicht gehört.

GENERAL RUDENKO: Sie haben diese Stelle bezüglich Leningrad in dem Protokoll der Besprechung vom 16. Juli zur Kenntnis genommen?

KEITEL: Ja, da bin ich gekommen.

GENERAL RUDENKO: Sie haben gesehen, daß eine solche Niederschrift im Protokoll enthalten ist. Zu dieser Besprechung sind Sie in dem Moment erschienen, als man aufgehört hatte, von Leningrad zu sprechen, nicht wahr?

KEITEL: Ja, ich kam, als man über die Eignung von Gauleiter Lohse sprach, ob er für die Verwendung in einem verwaltenden Amt geeignet sei oder nicht. Das waren die ersten Worte, die ich gehört habe. Darüber war eine Debatte im Gange als ich eintrat.

GENERAL RUDENKO: Da ist ja ganz genau notiert: »Leningrad ist dem Erdboden gleichzumachen.«

KEITEL: Ja, ich habe die Stelle gelesen.

GENERAL RUDENKO: Das steht doch auch in dem Befehl?

KEITEL: Ja, für mich aber doch nicht in einem ursächlichen Zusammenhang. In dem Befehl der Marine meinen Sie, in dem Befehl, der bei der Marine oder Kriegsmarine gefunden wurde?

GENERAL RUDENKO: Ist Ihnen bekannt, daß es zwei Befehle gab, einen für den Bereich der Marine und ihre Instanzen und einen anderen, von Jodl unterschriebenen, für den Bereich des Oberkommandos der Wehrmacht. Ist es Ihnen bekannt?

KEITEL: Ja, ich habe beide hier gesehen, vorgelegt durch die Delegation der Russen.

GENERAL RUDENKO: Und es ist Ihnen auch bekannt, daß in dem von Jodl unterschriebenen Befehl ebenfalls von einer Zerstörung Moskaus die Rede war.

KEITEL: Das weiß ich jetzt nicht mehr genau, denn es war damals nur, wie ich es kurz gesehen habe, von Leningrad die Rede. Wenn es aber drinsteht, will ich es gar nicht bezweifeln.

GENERAL RUDENKO: Ich frage Sie: Warum werden vom Oberkommando der Wehrmacht Befehle herausgegeben? Damit sie befolgt werden?

KEITEL: Die Anweisung oder die Mitteilung der Marine ist zunächst kein OKW-Befehl und seine Entstehung mir unbekannt. Der kurze Befehl: »I. A. Jodl« vom OKW ist nicht in meiner Anwesenheit entstanden. Wie ich gestern schon hier bekundete, würde ich ihn damals wohl unterschrieben haben; ich war aber abwesend, kenne also auch nicht die Voraussetzungen oder Erörterungen, die diese Anweisung ausgelöst haben.

GENERAL RUDENKO: Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich frage: Die Befehle werden doch herausgegeben, damit sie ausgeführt werden. Können Sie mir kurz darauf antworten?

KEITEL: Dieses ist eine Anweisung, aber kein Befehl. Denn ein Befehl kann nur von der an Ort und Stelle führenden Dienststelle des Heeres herausgegeben werden. Es war also eine Direktive, ein Ziel und eine Absicht.

GENERAL RUDENKO: Und sollen die Anweisungen, die vom OKW stammen, nicht ausgeführt werden?

KEITEL: Selbstverständlich sollen sie ausgeführt werden.

GENERAL RUDENKO: Und was Ihre Aussage betrifft, daß Leningrad von niemandem beschossen wurde, so braucht dies nicht weiter erörtert zu werden, das ist eine Tatsache, die allen bekannt ist.

KEITEL: Ich darf nur sagen, daß ich das nicht befohlen habe. Darum weiß ich es nicht.

GENERAL RUDENKO: Ist Ihnen bekannt, daß vor Anfang des Krieges gegen die Sowjetunion der Angeklagte Göring eine sogenannte »Grüne Mappe« herausgegeben hat, die Anweisungen über die Wirtschaftsfragen innerhalb der zu besetzenden Gebiete der USSR enthielt?

KEITEL: Ja, das ist mir bekannt.

GENERAL RUDENKO: Sie geben zu, daß Sie mit der Anweisung vom 16. Juni 1941 an alle deutschen Truppen Weisung zur strikten Ausführung dieser Direktiven erteilt haben?

KEITEL: Ja, es besteht eine Anweisung, die allen Truppen des Heeres bekanntgibt, welche Organisationen für große Aufgaben und unter welcher Verantwortung eingesetzt sind, und daß dementsprechend die Militärdienststellen des Heeres dem zu entsprechen haben, das habe ich weitergegeben; nicht befohlen, sondern weitergegeben.

GENERAL RUDENKO: War das ein Befehl von Ihnen, oder haben Sie damit nur die Anordnungen des Führers ausgeführt?

KEITEL: Ich habe nur die mir vom Führer erteilten Aufträge weitergegeben. Ich konnte dem Reichsmarschall Göring in dieser Beziehung Befehle überhaupt nicht geben.

GENERAL RUDENKO: Sie haben den Befehl nicht an Reichsmarschall Göring, sondern an die Truppen erteilt.

KEITEL: Ich konnte ihm auch nicht Befehle geben, sondern ich konnte dem Oberbefehlshaber des Heeres die Willensmeinung des Führers kundgeben und er mußte das dann an seine Heeresgruppen weitergeben.

GENERAL RUDENKO: Sie waren nicht im Widerspruch mit diesem Willen des Führers?

KEITEL: Ich habe einen Widerspruch, da es sich um eine Aufgabe des OKW nicht handelte, nicht erhoben. Ich habe den Befehl befolgt und ihn weitergegeben.

GENERAL RUDENKO: Geben Sie zu, daß Ihnen mit dieser Verordnung die völlige und sofortige Ausnützung der besetzten Gebiete der Sowjetunion im Interesse der Kriegswirtschaft Deutschlands übertragen wurde?

KEITEL: Ich habe einen solchen Befehl, mit dem Ziele und den Aufgaben, die durch die Organisation »Wirtschaft Oldenburg« zu vollziehen waren, nicht gegeben, denn damit hatte ich gar nichts zu tun, sondern ich habe nur den wesentlichen Inhalt der »Grünen Mappe« – die ja ein bekannter Begriff ist – an das Oberkommando des Heeres gegeben zur entsprechenden weiteren Veranlassung.

GENERAL RUDENKO: Geben Sie zu, daß die Anweisungen, die sich in Görings »Grüner Mappe« befanden, die Plünderung der Reichtümer der Sowjetunion und ihrer Bürger bezweckten?

KEITEL: Nein. Von Vernichtung konnte nach meiner Auffassung auch in der »Grünen Mappe« nichts gefunden werden. Statt Vernichtung muß man sagen: die Ausnützung von überflüssigen Dingen, besonders auf dem Gebiet der Ernährung, und Rohstoffe für die gesamte Kriegswirtschaft Deutschlands zunutze zu machen, aber nicht zu vernichten.

GENERAL RUDENKO: Ich bitte, Ihre Antwort zu wiederholen.

KEITEL: Ich sagte, es waren in der »Grünen Mappe« die Grundgedanken der Ausnützung der vorzufindenden und zu erwartenden Vorräte, die als Überschuß angesehen wurden, aber niemals ihre Vernichtung. Gleichzeitig damit die Sowjetbevölkerung, ich möchte sagen verhungern zu lassen, das war nicht der Fall. Ich habe auch die Dinge an Ort und Stelle gesehen und kann darüber auch etwas sagen.

GENERAL RUDENKO: Sie finden, daß das keine Plünderung ist?

KEITEL: Der Streit um Worte, ob Kriegsbeute oder Ausnutzung von im Krieg vorgefundenen Vorräten oder Raub oder ähnlich fällt unter die Begriffe, die hier, glaube ich, nicht definiert zu werden brauchen. Jeder hat dafür seinen eigenen Sprachgebrauch.

GENERAL RUDENKO: Gut. Wir wollen darüber nicht streiten. Im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Sowjetunion habe ich noch eine letzte Frage: Geben Sie zu, daß die Methode der Kriegsführung der deutschen Armee im Osten mit der elementarsten Auffassung der militärischen Ehre einer Armee und dem Begriff der Kriegsnotwendigkeit im krassesten Widerspruch stand?

KEITEL: Nein, das kann ich in dieser Form nicht anerkennen, sondern daß die Entartung, ich habe das Wort hier schon gebraucht, daß die Entartung des Krieges gegen die Sowjetunion, und was im Osten geschehen ist, nicht der Urheberschaft der deutschen Armee zuzuschreiben ist, sondern dem Umstand, den ich in einem Affidavit durch meinen Verteidiger dem Gerichtshof habe vorlegen lassen. Ich würde weiter den russischen Anklagevertreter bitten, es zu lesen, damit er meine Ansicht darüber erfahre, die ich darüber habe.

GENERAL RUDENKO: Gut. Um die Fragen über die Aggression zu beenden und zu den Greueltaten überzugehen, möchte ich Ihnen noch folgende Frage stellen und ich hoffe, daß Sie dem Gerichtshof die Kenntnisse, die Sie als ein Mann haben, der Hitler in den Fragen der Kriegsführung am nächsten stand, mitteilen werden.

Meine Frage ist folgende: Welche Aufgaben wurden vom OKW an die deutsche Armee für den Fall eines für Deutschland erfolgreichen Kriegsendes gegen die Sowjetunion gestellt?

KEITEL: Ich weiß nicht, was damit gemeint ist, welche Forderungen an die militärische Führung gestellt wurden für den Fall, daß der Krieg erfolgreich gewesen wäre. Ich darf bitten, die Frage etwas anders zu stellen, ich habe das nicht verstanden.

GENERAL RUDENKO: Ich habe die Aufgaben für die weitere Kriegsführung nach Beendigung des Ostfeldzuges im Sinn.

KEITEL: Das konnte ja dann auch eintreten, was ja auch praktisch geworden ist, die Landung der englisch-amerikanischen Streitkräfte in Frankreich, Dänemark oder in Deutschland und so weiter, es konnten dort die verschiedensten Möglichkeiten des Krieges noch auftreten, die noch gar nicht vorauszusehen waren.

GENERAL RUDENKO: Ich stelle Ihnen keine generelle Frage. Sie kennen doch das Dokument »Anleitung zur Marinekriegsführung«, welches bereits am 8. August 1941 entworfen wurde, und zwar die Fragen der weiteren Kriegsführung nach Beendigung des Ostfeldzuges betreffend. Dort wird von der Vorbereitung der Pläne eines Angriffs gegen Irak, Syrien und Ägypten gesprochen. Kennen Sie dieses Dokument?

KEITEL: Es ist mir bisher hier nicht vorgelegt. Im Augenblick ist es eine Überraschung, ich kann mich nicht darauf besinnen.

GENERAL RUDENKO: Sie kennen dieses Dokument nicht? Meine Herren Richter, es ist das Dokument C-57, es liegt dem Gerichtshof unter der Nummer USSR 336 vor. Ich werde Ihnen das Dokument gleich vorlegen. Bitte, legen Sie dem Angeklagten dieses Schriftstück vor.