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[Das Dokument wird dem Zeugen übergeben.]

KEITEL: Ich sehe das Dokument zum erstenmal; jedenfalls hier in der Untersuchung, und es fängt an mit dem Satz: »Der Seekriegsleitung liegt ein Weisungsentwurf über die Absichten nach Beendigung des Ostfeldzuges vor.« Diesen Befehl oder diese Anweisung der Marine habe ich nie gesehen, kann ich auch nicht gesehen haben. Es ist ein Weisungsentwurf und konnte nur zurückgehen auf das Oberkommando der Wehrmacht. In dem Wehrmachtführungsstab waren Offiziere der Armee, Flotte und Luftwaffe, und es ist sehr wohl möglich, daß Gedankenbildungen in Form von Weisungsentwürfen seinerzeit Offizieren des Wehrmachtführungsstabes bekanntgegeben wurden. Ich kann mich an eine solche Anweisung des Wehrmachtführungsstabes nicht erinnern, aber Generaloberst Jodl kann vielleicht eine Auskunft geben. Ich erinnere mich nicht.

GENERAL RUDENKO: Sie erinnern sich nicht daran. Ich will Sie nicht ausführlich befragen. Aber Sie sehen, daß das Dokument Pläne zur Ergreifung Gibraltars durch die aktive Teilnahme Spaniens enthält. Es sieht ferner einen Angriff auf Syrien, Palästina, Ägypten und so weiter vor. Und Sie sagen, daß Sie keine Ahnung von diesem Schriftstück haben?

KEITEL: Ich will dazu gerne eine Auskunft geben. Ein Angriff zur Wegnahme von Gibraltar, als Eingang der Meerenge zum Mittelmeer, war bereits für den Winter des Jahres vorher geplant gewesen und nicht zur Ausführung gekommen, also im Winter 1939/40. Das war nichts Neues. Die übrigen Fragen, die genannt worden waren, waren die, die wohl eine Ideenbildung aufbauten auf der damaligen Lage, wie sie sich nördlich des Kaukasus in den Operationen ergeben hat. Ich will keineswegs sagen, daß das keine Gedanken gewesen sind, mit denen man sich nicht beschäftigt hat. Ich erinnere mich nur nicht und habe nicht jedes Dokument oder Papier des Wehrmachtführungsstabes als Entwurf gelesen.

GENERAL RUDENKO: Wenn Sie solche Dokumente, die die Frage der Eroberung fremder Länder behandeln, als Papierfetzen betrachten, welche Dokumente halten Sie denn dann für wichtig?

KEITEL: Ich kann nur folgendes sagen, das wirklich und aufrichtig ist. Im Kriege macht man sich manche Pläne und überlegt manche Möglichkeiten, die doch nicht in der rauhen Wirklichkeit realisierbar sind und auch nicht realisierbar werden, und deswegen kann man nachträglich, historisch, geschichtlich solche Papiere nicht als den Ausdruck der gesamten Willensbildung der operativen, strategischen Kriegsleitung ansehen.

GENERAL RUDENKO: Ich bin mit Ihnen einverstanden, daß, vom historischen Gesichtspunkt aus betrachtet, dieses Dokument heute nicht wichtig ist. Aber im Plane des deutschen Generalstabs, der annahm, die Sowjetunion besiegen zu können, hatte dieses Schriftstück eine ganz andere Bedeutung. Ich will Sie jetzt über dieses Dokument nicht weiter befragen.

Ich gehe zu den Fragen der Greueltaten und Ihrer Beziehung dazu über. Ihr Verteidiger, Dr. Nelte, hat Ihnen die grundlegenden Dokumente der Anklagebehörden über Greueltaten vorgelegt. Aus diesem Grunde habe ich nicht die Absicht, diese vorzulegen und im einzelnen zu besprechen. Ich werde Sie nur über die Grundlagen der Dokumente befragen, die Ihnen von Ihrem Verteidiger während des Verhörs vorgelegt wurden.

Vor allem beziehe ich mich auf das Dokument »Anordnung über die militärische Gerichtsbarkeit im Bezirk ›Barbarossa‹ und die besonderen militärischen Maßnahmen«. Erinnern Sie sich an dieses Dokument? Es ist am 13. Mai 1941, also mehr als einen Monat vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion, entstanden. Sie erinnern sich, daß es in diesem Dokument, das vor dem Krieg entstanden ist, heißt, daß verdächtige Elemente unverzüglich vor einen Offizier gebracht werden müssen und dieser zu entscheiden hat, ob sie erschossen werden sollen oder nicht. Erinnern Sie sich an diese Anweisung? Haben Sie dieses Dokument selbst unterzeichnet?

KEITEL: Ja, das habe ich auch nie bestritten. Ich habe aber zu dem Dokument die nötigen Aufklärungen, wie es entstanden ist und wer der Urheber ist, gegeben.

VORSITZENDER: Welches ist die Nummer des Dokuments?

GENERAL RUDENKO: Dokument C-50, vom 13. Mai 1941.

VORSITZENDER: Gut.

GENERAL RUDENKO: