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[Zum Zeugen gewandt:]

Angeklagter, sehen Sie; zweiter Absatz nach demjenigen, den ich Ihnen schon vorgehalten habe, lautet:

»Da OKW auf Aburteilung der für die Militärgerichte noch übrigbleibenden Bagatellsachen keinen großen Wert legt, ist deren Erledigung durch Erlaß der örtlichen Vereinbarung überlassen worden.«

Es ist ganz klar, daß Ihre Abteilung sehr reges Interesse an dieser Geschichte hatte, nicht wahr, Angeklagter?

KEITEL: Was damit gemeint war, weiß ich nicht, aber es ist offenbar in der Besprechung zum Ausdruck gekommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ehe ich Ihnen das nächste Dokument vorlege, möchte ich, daß Sie sich darüber im klaren sind, was wir durchgenommen haben. Wir haben mit dem Nacht-und-Nebel-Erlaß begonnen. Dieser verschwand. Wir gingen dann zum Terror- und Sabotagebefehl über, dann zu Aktionen, die weniger waren als Terror und Sabotage, die aber auf Grund der Gesetze der Besatzungsmacht kriminell waren.

Und nun möchte ich Sie bitten, daß Sie sich ansehen, was mit den Leuten geschah, die sich einfach weigerten, zu arbeiten. Wollen Sie bitte D-769 ansehen, das ist Beweisstück GB-304. Es ist ein Telegramm des Generals der Flieger Christiansen, in den Niederlanden, des Kommandeurs der Luftwaffe in den Niederlanden, es kommt von seinem Stabschef. Hören Sie bitte zu:

»Infolge Eisenbahnerstreik gesamter Verkehr in Holland stillgelegt. Eisenbahnpersonal leistet Aufforderung zu Wiederaufnahme der Arbeit keine Folge. Die Aufforderung von Gestellung von Kfz und sonstiger Beförderungsmittel zur Beweglichmachung der Truppe und Aufrechterhaltung der Versorgung wird von der Zivilbevölkerung nicht mehr befolgt. Gemäß Führerbefehl vom 18. 8. 1944« – das ist der Terror- und Sabotageerlaß, den Sie schon gesehen haben – »und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen Chef OKW...« – die haben wir auch schon gesehen – »kann die Truppe lediglich gegen solche Personen mit Waffengewalt vorgehen, die als Terroristen oder Saboteure Gewalttaten begehen, während Personen, die die Sicherheit oder Schlagfertigkeit der Besatzungsmacht in anderer Weise als durch Terror- und Sabotageakte gefährden, dem SD zu übergeben sind.«

Dann erklärt General Christiansen weiter:

»Diese Regelung hat sich als zu umständlich und damit als unwirksam erwiesen. Es fehlt vor allem an den nötigen Polizeikräften. Truppe muß wieder die Befugnis erhalten, daß sie auch Personen, die keine Terroristen oder Saboteure im Sinne des Führerbefehls sind, aber durch passives Verhalten die kämpfende Truppe gefährden, standgerichtlich oder auch ohne standgerichtliches Verfahren erschießen kann. Es wird beantragt, den Führerbefehl entsprechend abzuändern, da sonst Truppe sich nicht gegenüber der Bevölkerung wirksam durchsetzen kann, wodurch wiederum die Kampfführung gefährdet erscheint.«

Nun, Angeklagter, Sie werden zugeben, daß mit oder ohne Verfahren das Erschießen von Eisenbahnern, die nicht arbeiten wollten, eine Maßnahme ist, wie sie brutaler und grausamer nicht erdacht werden kann, geben Sie das zu?

KEITEL: Das ist eine grausame Maßnahme, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was war Ihre Antwort auf diese Grausamkeiten?

KEITEL: Ich kann es nicht mehr sagen, ich erinnere mich an den Vorgang überhaupt nicht, aber vielleicht liegt da eine Antwort vor.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich Dokument D-770 an, ich glaube, das ist Ihre Antwort; es ist GB-305. Sie werden aus dem Verteiler ersehen, daß es an den Befehlshaber der Truppen in Holland gerichtet ist, und weiter an die Leute auf dem Verteiler, den Sie gerade gesehen haben. Es heißt da:

»Nach dem Führerbefehl vom 30. 7. 1944 verdienen nichtdeutsche Zivilpersonen der besetzten Gebiete, die uns im entscheidenden Stadium unseres Daseinskampfes in den Rücken fallen, keine Rücksicht. Das muß als Richtlinie gelten für die Auslegung und Anwendung des Führererlasses selbst und des Durchführungserlasses Chef OKW vom 18. 8. 1944.

Ist die Abgabe an den SD wegen der Kriegslage und der Verkehrsverhältnisse nicht möglich, sind rücksichts los andere wirksame Maßnahmen selbständig zu ergreifen. Gegen die Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen im standgerichtlichen Verfahren bestehen unter solchen Verhältnissen selbstverständlich....« – und ich bitte Sie, das Wort »selbstverständlich« zu beachten – »keine Bedenken.«

Ich kann mich nicht erinnern, Angeklagter, ob Sie selbst jemals einen unabhängigen Befehlsbereich gehabt haben oder nicht. Wie steht es damit? Sind Sie, von Ihrer Division abgesehen, jemals unabhängiger Befehlshaber gewesen? Unabhängiger Befehlshaber waren Sie wohl zuletzt bei Ihrer Division. Sonst sind Sie es wohl nie gewesen, nicht wahr?

Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?

KEITEL: Das habe ich nicht verstanden, was meinen Sie da mit »unabhängig«?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich meine, wenn ich mich recht erinnere, waren Sie selbst nicht Oberbefehlshaber einer Armee oder einer Armeegruppe oder irgendeines Gebietes.

KEITEL: Nein, das war ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Versetzen Sie sich in die Lage von General Christiansen. Ihre Antwort war eine direkte Aufforderung, praktisch ein Befehl, diese Eisenbahner ohne Verfahren zu erschießen, nicht wahr? »Andere wirksame Maßnahmen rücksichtslos und unabhängig zu ergreifen.«

KEITEL: Aber erklärt in der Form standgerichtlicher Verfahren, also nicht die Willkür des einzelnen, sondern standgerichtliche Gerichtsbarkeit war dafür vorgesehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich mal an, wie das formuliert ist, Angeklagter. Ich behaupte, daß es ganz klar ist. In einem Satz heißt es: »Ist die Abgabe an den SD wegen der Kriegslage und der Verkehrsverhältnisse nicht möglich, sind rücksichtslos andere wirksame Maßnahmen zu ergreifen.« Der zweite Satz: »Es gibt natürlich....«. Sehen Sie sich das Wort »natürlich« an. Ich vermute, daß es »natürlich« war im Deutschen. Stimmt das?

KEITEL: Ich habe nicht das Wort »natürlich« hier. Soweit ich sehen kann, sind zwei Worte eingefügt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber es steht dort: »Es sind natürlich keine Einwände gegen Todesurteile«, und das, was Sie sagen, ist selbstverständlich, daß keine Einwände gegen ein Standgericht gemacht werden; aber dazu sagen Sie ihm, daß er wirksame Maßnahmen rücksichtslos und unabhängig ergreifen soll. Wenn General Christiansen, nachdem er diesen Brief von Ihnen empfangen hatte, diese Eisenbahner auf der Stelle erschossen hätte, dann könnten weder Sie noch ein anderer Vorgesetzter ihn dafür getadelt haben. Ist das nicht wahr?

KEITEL: Er war nach dem letzten Satz verpflichtet, die standgerichtlichen Verfahren durchzuführen, denn es heißt »gegen die Verhängung von Todesurteilen im standgerichtlichen Verfahren bestehen unter diesen Verhältnissen keine Bedenken«. Das war meine Ansicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber was meinten Sie mit »rücksichtslos andere wirksame Maßnahmen selbständig zu ergreifen«? Was meinten Sie damit, wenn das nur ein gewöhnliches standgerichtliches Verfahren war?

KEITEL: Nein, nicht »außer«, sondern durch standgerichtliches Verfahren. Das erklärt der letzte Satz, so war es gemeint, denn das ist auch schon außergewöhnlich, wenn man ein Standgericht in solchen Fällen einsetzt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber selbst von Ihrem Standpunkt aus, ein militärisches Standgericht einzusetzen, um Eisenbahner zu erschießen, die lediglich nicht arbeiten wollten, das ist doch selbst für Sie ziemlich weitgehend, nicht wahr? Das geht ziemlich weit, nicht wahr?

KEITEL: Es war eine sehr harte Maßnahme, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß Sie, als Sie alle diese Zusätze machten... Ich habe Ihnen eine ganze Kette von Ergänzungen vorgelegt, die Sie zu dem Befehl machten, der den von Ihnen mißbilligten Nacht-und-Nebel- Erlaß ersetzt. Wollen Sie sagen, daß Sie mit jeder Ihrer Durchführungsbestimmungen und Antworten zu Hitler gegangen sind?

KEITEL: Ja. Ich bin bei jedem dieser Befehle zu ihm gegangen. Das muß ich betonen, ich habe keinen dieser Befehle herausgegeben, ohne ihn vorher vorgelegt zu haben, das muß ich ausdrücklich festlegen, daß es so war.

DR. NELTE: Herr Vorsitzender, ich glaube, es ist in der Übersetzung ein Mißverständnis entstanden. Die Übersetzung übersetzt »Standgericht« mit »Summary Court«. Ich glaube nicht, daß dieses Wort »Summary Court« das betrifft, was wir in der deutschen Sprache unter »Standgericht« verstehen. Ich weiß nicht, was man im Englischen und Amerikanischen unter »Summary Court« versteht, ich könnte mir aber denken, daß man damit eine Art summarisches Verfahren meint.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe das zum Vorteil des Angeklagten angenommen, daß das Gericht, von dem er gestern sprach, aus einem Offizier und zwei Soldaten bestand. Ich habe das angenommen. Falls ich mich irren sollte, wird der Angeklagte mich verbessern, nicht wahr, Angeklagter?

KEITEL: Ich habe gestern kurz von einem standgerichtlichen Verfahren gesprochen und das Kriterium eines Standgerichtes war, daß eine richterlich vorgebildete Persönlichkeit nicht immer zugegen sein muß, es aber erwünscht ist.

VORSITZENDER: Da Sie gerade von Übersetzungen sprechen: Der Angeklagte schien behaupten zu wollen, daß im deutschen Text kein Wort steht, das mit dem englischen Wort »naturally« übersetzt worden ist. Ist das richtig?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe es nachsehen lassen und man sagt mir, daß die Übersetzung richtig ist.

VORSITZENDER: Also steht im deutschen Text ein Wort, das durch »naturally« übersetzt ist? Ich möchte das von Dr. Nelte wissen.

DR. NELTE: Man sagt mir, daß vielleicht eine falsche Einstellung oder Beurteilung dadurch hervorgerufen werden konnte, daß im englischen und amerikanischen Recht ein »Summary Court« nicht berechtigt ist, überhaupt Todesurteile auszusprechen. Man sagt mir hier, daß ein »Summary Court«...

VORSITZENDER: Entschuldigen Sie, Dr. Nelte, ich habe diese Frage nicht gestellt. Die Frage lautete, ob im deutschen Text ein Wort steht, das im Englischen mit »naturally« übersetzt worden ist. Ist das nicht eine klare Frage?

DR. NELTE: Im deutschen Text heißt es »unter solchen Verhältnissen selbstverständlich«. Es ist nicht richtig meines Erachtens, daß die Übersetzung ins Englische das Wort »naturally« gebraucht und hintenan setzt statt an den Anfang, so daß man meinen könnte, es heiße: »Es gibt natürlich keine Einwendungen«, während es im Deutschen heißt: »Gegen die Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen im standgerichtlichen Verfahren bestehen unter solchen Verhältnissen selbstverständlich keine Bedenken.«

VORSITZENDER: Dann ist die Antwort auf meine Frage: »Ja«. Im deutschen Text steht also doch ein Wort, das mit »naturally« übersetzt ist.

DR. NELTE: Ja, aber die Worte »naturally« und »unter such circumstances« sind im englischen Text auseinandergerissen, während sie in der deutschen Version zusammengehören. Das »natürlich« bezieht sich auf die Worte »unter solchen Umständen«.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich komme jetzt zu einem anderen Punkt. Sie haben uns gestern gesagt, daß Sie hinsichtlich der Zwangsarbeit deswegen daran interessiert waren, weil ein Mangel an Arbeitskräften bestand, und daß Sie aus der Industrie Männer für die Wehrmacht herausnehmen mußten. Ihre Dienststelle mußte Militär einsetzen, um Leute für Zwangsarbeit zusammenzubringen?

KEITEL: Ich glaube, es ist nicht ganz richtig verstanden, sondern das Ersatzamt im Oberkommando der Wehrmacht...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie es abstreiten wollen, lasse ich Ihnen das Dokument vorlegen. Ich lege Ihnen die Ansichten des Generals Warlimont vor; sehen Sie nach, ob das stimmt. Ich denke, das spart letzten Endes Zeit. Sehen Sie sich Dokument 3819-PS an, GB-306, Seite 9 des englischen Textes. Es ist der Bericht über eine Versammlung in Berlin am 12. Juli 1944. Sie müssen das Dokument hinter den Briefen des Angeklagten Speer und des Angeklagten Sauckel durchsehen, den Bericht über eine Sitzung in Berlin. Ich glaube, es ist Seite 10 des deutschen Textes. Es beginnt mit einer Rede Dr. Lammers, dann kommt eine Rede des Angeklagten Sauckel, dann eine Rede des Zeugen von Steengracht, dann eine Rede von General Warlimont: »Der Vertreter des Chefs OKW, General Warlimont, nahm Bezug auf einen kürzlich ergangenen Führerbefehl«.

Haben Sie die Stelle gefunden? Ich werde sie Ihnen vorlesen, wenn Sie sie haben.

KEITEL: Ja, ich habe den Absatz gefunden: »Der Vertreter des Chefs OKW...« heißt es da.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:

»Der Vertreter des Chefs OKW, General Warlimont, nahm Bezug auf einen kürzlich ergangenen Führerbefehl, wonach alle deutschen Kräfte sich in den Dienst der Aufgabe der Gewinnung von Arbeitskräften zu stellen hätten. Wo die Wehrmacht stehe und nicht ausschließlich durch dringende militärische Aufgaben in Anspruch genommen sei (wie z.B. durch den Ausbau der Küstenverteidigung) stehe sie zur Verfügung, sie könne aber nicht eigens für die Zwecke des GBA. abgestellt werden.

General Warlimont machte folgende praktische Vorschläge:

a) Die zur Bandenbekämpfung eingesetzten Truppen übernehmen zusätzlich die Aufgabe der Gewinnung von Arbeitskräften in den Bandengebieten. Jeder, der nicht einwandfrei den Zweck seines Aufenthaltes in diesen Gebieten nachweisen kann, wird zwangsweise erfaßt.

b) Wenn Großstädte wegen der Schwierigkeit der Lebensmittelversorgung ganz oder teilweise evakuiert werden, wird die arbeitseinsatzfähige Bevölkerung unter Mithilfe der Wehrmacht zum Arbeitseinsatz gebracht.

c) Unter den Flüchtlingen aus frontnahen Gebieten wird die Erfassung zum Arbeitseinsatz unter Mithilfe der Wehrmacht besonders intensiv betrieben.«

Nachdem ich nun diesen Bericht von General Warlimont verlesen habe, wollen Sie immer noch sagen, daß die Wehrmacht...

KEITEL: Ich bin mir nicht bewußt, daß die Wehrmacht jemals einen Befehl sozusagen zum Zusammentreiben von Arbeitskräften bekommen hat. Ich möchte sagen, mir ist keine derartige Forderung bekannt und ich habe auch nicht irgendeine Bestätigung dafür gefunden. Die Besprechung als solche ist mir unbekannt und ebenso die Vorschläge, die Sie erwähnten. Es ist mir neu, soweit es mich betrifft.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist doch ganz klar, daß General Warlimont vorschlägt, daß die Wehrmacht Zwangsarbeiter zusammentreiben soll, nicht wahr?

KEITEL: Aber meines Wissens ist das nicht geschehen. Ich weiß nicht, daß ein Befehl dazu gegeben worden ist. Nach dem Protokoll ist es ein Vorschlag des Generals Warlimont gewesen, ja.

VORSITZENDER: Sir David, unter diesen Umständen sollten Sie vielleicht die drei Zeilen nach der Stelle, die Sie eben erwähnt haben, verlesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, ich werde es tun, die nächste Zeile:

»Gauleiter Sauckel nahm diese Vorschläge mit Dank an und äußerte die Erwartung, daß damit schon gewisse Erfolge erzielt werden könnten.«

KEITEL: Darf ich auch dazu noch etwas sagen? Ich möchte bitten, daß zu gegebener Zeit der Gauleiter Sauckel gefragt wird, ob und in welchem Umfange tatsächlich Truppen der Wehrmacht in diesen Dingen mitgewirkt haben. Mir ist es nicht bekannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Kein Zweifel; der Angeklagte Sauckel wird zu gegebener Zeit noch über eine Reihe von Fragen verhört werden. Im Augenblick frage ich Sie: Sie sagen, Sie wissen nichts darüber?

KEITEL: Nein, ich erinnere mich nicht, daß in dieser Frage ein Befehl gegeben worden ist; daß Erörterungen stattgefunden haben, schließe ich aus den Ausführungen von Warlimont.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte jetzt an Sie einige Fragen richten über die Ermordung verschiedener Kriegsgefangener. Ich möchte das ganz klar haben. Wollten Sie gestern den Befehl zur Erschießung von Kommandos vom 18. Oktober 1942 rechtfertigen? Wollten Sie damit sagen, daß das richtig und gerechtfertigt war, oder nicht?

KEITEL: Ich habe gestern ausgeführt, daß weder der General Jodl noch ich dachten, daß wir in der Lage wären oder es für möglich hielten, einen schriftlichen Befehl dafür zu entwerfen oder vorzulegen. Wir haben das nicht getan, weil wir es nicht rechtfertigen und nicht begründen konnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die nächste Frage, die ich Ihnen vorlege, ist folgende: Haben Sie den Befehl, daß Kommandos erschossen werden sollten, gebilligt und für richtig gehalten?

KEITEL: Ich habe nicht mehr widersprochen, einmal aus Gründen der Androhung der Bestrafungen und zweitens, weil ich den Befehl nicht mehr hätte abändern können ohne persönliche Befehle von Hitler.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie diesen Befehl für richtig gehalten?

KEITEL: Ich habe ihn nach meiner inneren Auffassung nicht für richtig gehalten, aber nachdem er gegeben war, habe ich nicht widersprochen und nicht in irgendeiner Weise dagegen Stellung genommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen, daß in Ihren eigenen Befehlen Bestimmungen über den Einsatz von Fallschirmspringern zu Sabotagezwecken getroffen waren, nicht wahr? Ihre eigenen Befehle enthielten diese Bestimmung über den Einsatz von Fallschirmspringern für Sabotagezwecke. Erinnern Sie sich nicht an, den Fall »Grün« gegen die Tschechoslowakei? Ich will es Ihnen vorlegen, wenn Sie wünschen, aber ich würde vorziehen, daß Sie versuchen, sich selbst daran zu erinnern. Erinnern Sie sich nicht an Ihre eigenen Befehle, die eine Anweisung darüber enthielten, daß Fallschirmspringer zu Sabotagezwecken in der Tschechoslowakei eingesetzt werden sollten?

KEITEL: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein?

KEITEL: Nein, an den Befehl erinnere ich mich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde es Ihnen zeigen.

Euer Lordschaft, es ist Seite 21 und 22 des Dokumentenbuches.

KEITEL: Welches Dokumentenbuch, bitte?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Es sollte in Ihrem ersten Dokumentenbuch sein, ganz am Anfang. Es ist ein Teil des Falles »Grün« und zwar Dokument 388-PS; es ist Punkt 11. Es muß ungefähr Seite 15 oder 16 oder 20 sein. Sie erinnern sich an das Schmundt-Protokoll, es ist in einzelne Punkte unterteilt.

Hoher Gerichtshof, es steht unten auf Seite 21.