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[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie Abschnitt 2, Absatz 4 gefunden? Er lautet:

»Eben erhalte ich ein Fernschreiben des Generalfeldmarschalls Keitel, in dem der Erlaß einer Verordnung gefordert wird, nach welcher die Gefolgschaftsmitglieder und gegebenenfalls ihre Angehörigen (Sippenhaftung) für die in ihren Betrieben vorkommenden Sabotagefälle mitverantwortlich gemacht werden. Die Forderung hat nur Sinn und Erfolg, wenn ich tatsächlich gegebenenfalls Erschießungen vornehmen kann. Ist das nicht möglich, würde eine solche Verordnung sich genau gegenteilig auswirken.«

Neben dem Wort »wenn ich tatsächlich gegebenenfalls Erschießungen vornehmen kann« befindet sich eine Bleistiftnotiz von Ihnen: »Ja, das ist das Beste!«

Das ist nun das dritte Beispiel, wo ich behaupte, daß Sie, Sie selbst, die Erschießungen von Familienangehörigen gebilligt und gefördert haben. Was haben Sie zu dieser Ihrer eigenen Bleistiftnotiz zu sagen?

KEITEL: Ich habe diese Randbemerkung geschrieben. Ein entsprechender Befehl, der gegeben worden ist, lautet anders. Es ist eine Antwort erfolgt, die anders lautete. Diese Bemerkung habe ich geschrieben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das wollte ich wissen. Warum schrieben Sie diese Bemerkung »Ja! Das ist das Beste!«, mit der Sie die Erschießung von Angehörigen der Einwohner genehmigten, die sich in Norwegen gegen die Besatzungsarmee vergangen haben? Warum glaubten Sie, daß es das Beste sei, die Angehörigen zu erschießen? Warum?

KEITEL: Es ist nicht geschehen, es ist auch nicht angeordnet worden. Es wurde etwas anderes angeordnet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danach habe ich Sie nicht gefragt. Ich gebe Ihnen noch eine weitere Gelegenheit, zu antworten. Warum schrieben Sie mit Bleistift auf dieses Dokument: »Ja! Das ist das Beste!«

KEITEL: Das kann ich heute nicht mehr erklären, weil ich Hunderte von Schriftstücken täglich sehe. Ich habe das geschrieben und das bekenne ich hiermit.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Natürlich; falls es nicht etwas ganz anderes bedeutet, als das, was Sie geschrieben haben, so soll es heißen, daß Sie es selbst billigten und es für den besten Weg hielten, die Angehörigen vor ein Exekutions-Kommando zu stellen.

Euer Lordschaft! Ich glaube, Sie sagten, daß der Gerichtshof sich zu vertagen wünsche?

VORSITZENDER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin noch nicht am Ende, Euer Lordschaft. Ich habe Montag früh noch einige Dinge zu behandeln.

VORSITZENDER: Gut, der Angeklagte kann auf die Anklagebank zurückkehren und wir werden uns mit den anderen Anträgen befassen.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Sir David, wollen wir diese Anträge ebenso behandeln wie früher?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft. Als erster liegt der Antrag des Angeklagten Kaltenbrunner für einen Zeugen namens Höß vor, der früher Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz war, Euer Lordschaft! Dagegen hat die Anklagebehörde nichts einzuwenden.

VORSITZENDER: Also das ist der Antrag, der von einer großen Anzahl von Verteidigern gestellt werden muß?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Euer Lordschaft, Sie haben vollkommen recht.

Die Anklagevertretung ist der Ansicht, daß der Zeuge als früherer Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz in der Lage ist, zur Aufklärung des Gerichtshofs beizutragen, falls kein Einwand erhoben wird.

VORSITZENDER: Dr. Stahmer, ich sehe, daß Sie unter den Verteidigern sind, die ihn beantragten. Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

DR. STAHMER: Dem schriftlichen Antrag habe ich nichts hinzuzufügen.

VORSITZENDER: Danke. Dann wird der Gerichtshof sich jetzt damit befassen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Der nächste Antrag betrifft Dr. Naville. Dr. Naville wurde dem Angeklagten Göring als Zeuge bewilligt unter der Voraussetzung, daß er auffindbar ist. Es wurde festgestellt, daß er sich in der Schweiz befindet, und soviel ich weiß, hat er den Gerichtshof dahin verständigt, daß er in seiner Vernehmung hier als Zeuge für Göring keinen Sinn sehe. Und er wird jetzt von Dr. Nelte, dem Verteidiger des Angeklagten Keitel, beantragt zum Beweise dafür, daß Kriegsgefangene gemäß den Vereinbarungen der Genfer Konvention behandelt wurden. Dr. Naville war ein Vertreter des Roten Kreuzes. Dr. Nelte wird sich, wie ich höre, mit einer schriftlichen Befragung zufrieden geben und die Anklagevertretung hat dagegen nichts einzuwenden.

VORSITZENDER: Dr. Nelte?

DR. NELTE: Das ist richtig; ich bin damit einverstanden, wenn mir gestattet wird, daß ich Professor Dr. Naville die Fragen schriftlich vorlegen kann.

Ich bitte aber, hier noch etwas Ergänzendes sagen zu dürfen, nichts zu diesem Beweisantrag, sondern zu einem anderen Antrag, den ich der Anklagebehörde schon gestern oder vorgestern durch die Übersetzungsabteilung zugeleitet habe. Der Gerichtshof hatte meinen Beweisantrag, die Stenographen von Hitler als Zeugen zuzulassen, als unerheblich abgelehnt. Ich habe nun von einem der Stenographen einen Brief und eine eidesstattliche Versicherung erhalten. In dieser eidesstattlichen Versicherung ist ein Teil, der sich mit dem Verhalten befaßt, das Keitel gegenüber Hitler bei seinen Vorträgen und Vorstellungen an den Tag gelegt hat.

Es wird in der öffentlichen Kritik gesagt und es ist auch hier in diesem Gerichtssaal schon zum Ausdruck gekommen, daß die Angeklagten sich immer auf Tote berufen, wenn sie etwas zu ihrer Entlastung vorbringen wollen. Der Angeklagte Keitel möchte, daß Sie den Teil des Affidavits, den ich schon vorgelegt habe und den ich vorlegen will, als Affidavit zulassen, so daß es bei der Ablehnung des Zeugen bleiben kann, daß aber mir die Möglichkeit gegeben wird, diesen Teil des Affidavits im Einverständnis mit der Anklagebehörde vorzutragen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Wenn Dr. Nelte diesen Teil vorlegen wird, werden wir ihn erwägen, aber bis jetzt habe ich noch keine Gelegenheit dazu gehabt.

VORSITZENDER: Gut, wenn Sie das tun wollen, wenn Sie keine Einwendung machen wollen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehr gut, wollen Sie mir eine Abschrift davon geben lassen?

DR. NELTE: Gewiß.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Der nächste Antrag ist von dem Angeklagten von Schirach gestellt; und zwar auf Zulassung einer eidesstattlichen Erklärung von Dr. Hans Carossa. Der wesentliche Inhalt des Affidavits ist, daß der Angeklagte versucht hat, von Anordnungen der Partei bezüglich Literatur und Kunst unabhängig zu bleiben, und daß er als Gauleiter von Wien wiederholt zugunsten von Juden und Insassen von Konzentrationslagern intervenierte. Euer Lordschaft! Die Anklagevertretung erhebt keinen Einspruch gegen die Vorlage dieses Affidavits.

Das nächste ist ein Antrag des Angeklagten Funk, Herrn Messersmith Fragebogen zu unterbreiten, die sich mit Funks Beziehungen zur Partei und seiner Arbeit im Reichspropagandaministerium befassen. Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch, aber erinnert den Gerichtshof daran, daß der Angeklagte Funk bereits am 15. März um Erlaubnis bat, Herrn Messersmith ein Affidavit zu unterbreiten, das sich mit dem früheren Affidavit von Herrn Messersmith befaßt. Die Anklagebehörde hat damals keinen Einspruch erhoben, doch hat der Gerichtshof, soweit wir wissen, dem Antrag noch nicht stattgegeben. Ich wollte den Gerichtshof nur darauf aufmerksam machen, daß ein früheres Gesuch vorliegt...

VORSITZENDER: Sprechen Sie von einem Affidavit oder von einem Fragebogen vom 15. März?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Fragebogen.

VORSITZENDER: Fragebogen? Das muß doch sicherlich schon von uns erörtert worden sein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenigstens wurde mir das von meinem Büro mitgeteilt. Dort haben sie nicht...

VORSITZENDER: Gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sollte es noch nicht vom Gerichtshof behandelt worden sein, wollen wir darauf hinweisen, daß eines noch aussteht. Wir haben gegen beide nichts einzuwenden.

Sodann beantragt der Angeklagte Rosenberg eine Weisung Hitlers an Rosenberg vom Juni 1943. Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch. Es wird mir gesagt, daß wir einen früheren Antrag augenblicklich nicht finden können, aber wir haben im Augenblick nichts dagegen einzuwenden.

Als nächstes, Euer Lordschaft, liegt ein Antrag von Neuraths vor auf einen Fragebogen an Professor Kossuth, einen langjährigen Bewohner Prags. Es werden Fragebogen beantragt. Euer Lordschaft, wir erheben keinen Einspruch gegen Fragebogen.

Und dann, Euer Lordschaft, liegt ein umgekehrter Antrag vor, wenn ich so sagen darf, von Herrn Dr. Dix für den Angeklagten Schacht, und zwar für ein Affidavit von Herrn Hülse, anstatt seiner Vorladung als Zeuge. Euer Lordschaft! Wir erheben dagegen keinen Einspruch.

DR. DIX: Das ist der Zeuge Hülse. Er war mir als Zeuge bewilligt. Um abzukürzen und zu vereinfachen, habe ich mich entschlossen, auf diesen Zeugen zu verzichten, weil ein Affidavit vorlag, ein Affidavit einging. Während dieser Verzicht lief, traf dieser Zeuge hier in Nürnberg ein. Jetzt ist er hier und ich glaube, es ist jetzt am besten, er bleibt hier und es wird mir gestattet, ihn so zu vernehmen, daß ich ihm sein Affidavit vorhalte, ihn frage, ob er es bestätigt, und mir erlaubt wird, ihm noch einige zusätzliche Fragen zu stellen. Ich glaube, das ist praktischer, als wenn der Zeuge jetzt nutzlos hier ist und zurückgeschafft wird und von ihm nur das Affidavit übrigbleibt. Ich wollte ja auch die Umständlichkeit des Herbeischaffens ersparen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie ziehen also Ihren Antrag auf ein Affidavit zurück?

VORSITZENDER: Ist der Zeuge Hülse ein Gefangener oder nicht? Ist er interniert?

DR. DIX: Er ist ein freier Zeuge, nicht in Gefangenschaft. Er bewegt sich auch in Nürnberg frei.

VORSITZENDER: Kann er hier bleiben, bis der Fall Schacht behandelt wird?

DR. DIX: Ich hoffe. Er hat mir gesagt, er kann und will hier bleiben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Wir haben nichts dagegen einzuwenden. Der Gerichtshof hat ihn bereits als Zeugen genehmigt. Wenn Dr. Dix ihn als Zeugen wünscht, so erheben wir natürlich keinen Einspruch.

Und dann ein Antrag des Angeklagten Streicher für ein Affidavit von einem Dr. Herold. Kurz gesagt, die Anklagebehörde schlägt Fragebogen anstatt eines Affidavits vor. Dann würden wir keinen Einspruch erheben.

Euer Lordschaft! Ich habe nur noch eine Sache vorzubringen. Ich hatte gestern abend eine äußerst nützliche Unterredung mit Dr. Dix, als wir, auf Veranlassung des Gerichtshofs, die Dokumente durchgingen. Dr. Dix war äußerst behilflich, uns den Zweck seiner Dokumente zu erklären und was sie darstellten. Ich möchte anregen, daß die Verteidiger uns auch über den Zweck ihrer Zeugen aufklären, wenn sie die Dokumente erklären. Ich will sie in keiner Weise in Verlegenheit bringen, – wenn sie jedoch freiwillig die Bedeutung ihrer Zeugen, entweder Herrn Dodd oder mir auseinandersetzen würden, so könnten wir viel Zeit sparen, indem wir bereits dann mitteilen könnten, ob wir der Aussage des betreffenden Zeugen zustimmen oder vielleicht Einwendungen dagegen erheben würden.

Ich erwähne das jetzt nur, weil wir jetzt wegen der Dokumente Zusammenkünfte haben. Wenn diese auch auf Zeugen erweitert werden könnten, so bin ich sicher, daß wir eine äußerst nützliche Zusammenarbeit erzielen könnten.

VORSITZENDER: Sir David, Sie regen an, daß sie Ihnen die Art der Zeugenaussagen erklären sollen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

VORSITZENDER: Und, falls die Anklagebehörde sie nicht ablehnt, sie in einem Affidavit zusammenzufassen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, so daß wir wahrscheinlich auf den Zeugen verzichten und seine Aussage in ein Affidavit bringen könnten. Natürlich hat man mir allgemein den Zweck der Zeugen erklärt, weil ich ja die Gesuche bereits behandelt habe. Aber wenn sie etwas ausführlicher sein könnten, wie das so oft geschieht, wenn sie die Zeugen sehen, wenn sie mich wissen lassen würden, was das Gebiet der Zeugenaussage sein wird, so könnte ich es wahrscheinlich entweder ganz oder teilweise bewilligen, und ihnen so viel Arbeit und dem Gerichtshof viel Zeit ersparen.

VORSITZENDER: Ich denke, der Gerichtshof wird wissen wollen, ob die Verteidigung dieses Vorgehen für annehmbar hält und ob es die Verteidigung verkürzen wird. Vielleicht könnte uns Dr. Dix sagen, ob er dies für möglich hält.

DR. DIX: Ich kann natürlich jetzt keine Erklärung über die innere Einstellung meiner Kollegen abgeben, weil ich nicht in ihren Hirnen lesen kann. Ich kann Ihnen im Augenblick sagen, daß ich diese Art der Unterhaltung, die ich mit Sir David gestern die Ehre hatte zu führen, die auch ich als außerordentlich praktisch und fördernd empfunden habe, meinen Kollegen empfehlen werde. Ich persönlich möchte annehmen, daß auch meine Kollegen dieses Verfahren gern einschlagen werden, es sei denn, daß besondere Gründe dagegen sprechen, die natürlich immer möglich sind. Mehr kann ich im Moment nicht erklären.

VORSITZENDER: Verstehen Sie, was Sir David anregt, nämlich, daß solch eine Rücksprache sich nicht nur auf die Dokumente, sondern auch auf die Zeugen beziehen soll. Wenn Sie in Ihren Anträgen etwas ausführlicher als bisher den Gegenstand der Aussage angeben könnten, wäre die Anklagebehörde unter diesen Umständen vielleicht in der Lage, zu erklären, daß sie in solchen Fällen die Aussage nicht bestreiten würde. Sie könnte dann in einem Affidavit aufgenommen werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Gestatten Sie mir, daß ich mich hier einschalte. Wenn sie bereit wären, die Erläuterung einer bestimmten Zeugenaussage vorzulegen, so würde die Anklagebehörde sicher in vielen Fällen bereit sein zu sagen: »Gut, legen Sie diese Erläuterung dieses Punktes vor, wir wollen sie zulassen, und zwar ohne jede Formalität«.

VORSITZENDER: Dr. Dix, vielleicht könnten Sie und die anderen Verteidiger diese Angelegenheit erörtern.

DR. DIX: Ich habe es genau so verstanden, wie Euer Lordschaft es eben gesagt haben. Ich habe sowohl die Zeugen als auch die Urkunden mit Sir David besprochen, und das war sehr nützlich, und in dem Sinne werde ich...

VORSITZENDER: Wenn das alles ist, was wir im Augenblick zu tun haben...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft!

VORSITZENDER:... dann wird sich der Gerichtshof jetzt vertagen.