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[Zum Zeugen gewandt:]

Was ich wissen möchte ist folgendes: Haben Sie an General von Graevenitz und General Westhoff den Befehl gegeben, die Maßnahmen, die bezüglich dieser Offiziere ergriffen worden waren, in den Lagern bekannt zu machen?

KEITEL: Ja, aber mehrere Tage später und nicht an diesem Tage, als die Offiziere bei mir waren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wieviel später?

KEITEL: Ich glaube, es ist drei oder vier Tage später gewesen. Ich kann das nicht mehr genau sagen, jedenfalls erst auf die Tatsache hin, als ich erfuhr, daß Erschießungen stattgefunden haben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Drei oder vier Tage später, das würde gerade zu dem Zeitpunkt gewesen sein, als die Erschießungen eben begannen. Aber was wurde verlautbart, was haben Sie angeordnet zu veröffentlichen bezüglich der Maßnahmen, die getroffen worden waren?

KEITEL: Es sollte in dem Lager eine Warnung ausgehängt werden. Es war meiner Ansicht nach nicht von Erschießen die Rede, sondern nur eine Warnung, daß die Flüchtigen nicht in das Lager zurückkehren wurden. Ich kann mich an den Wortlaut nicht mehr genau entsinnen. Es ging zurück auf einen Befehl, den ich vom Führer bekam auf Grund einer Aussprache mit ihm über die Tatsache von Erschießungen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wäre das eine faire Wiedergabe Ihrer Erinnerung hinsichtlich des Befehls, wenn ich sage, daß es, gemäß Ihrer Erinnerung, wahrscheinlich war, daß diejenigen, die zu fliehen versuchten, dem SD überantwortet würden, und daß man bestimmt sehr ernste Maßnahmen ergreifen werde. Ist das eine faire Wiedergabe Ihrer Erinnerung über den Befehl?

KEITEL: Meine Erinnerung ist die, daß eine Warnung beziehungsweise eine Drohung ausgehängt werden sollte, daß die Betreffenden nicht in das Lager zurückkehren würden, die geflüchtet sind. Das war der Inhalt nach meinen Erinnerungen, die ich dann weitergegeben habe. Den Wortlaut habe ich nicht bestimmt. Es war ja auch nur die Lagerverwaltung beziehungsweise die Luftwaffe zu benachrichtigen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: General Westhoff hat sich mit einem mündlichen Befehl nicht zufriedengegeben und kam mit dem Entwurf für einen schriftlichen Befehl wieder zu Ihnen. Tat er das nicht?

KEITEL: Ich glaube nicht, daß er zu mir kam, sondern er hat mir das geschickt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihen Sie, aber als ich sagte »kam wieder zu Ihnen«, sprach ich ganz allgemein. Sie haben ganz recht, daß er Ihnen zur Begutachtung den Entwurf für einen schriftlichen Befehl vorlegen ließ. Das ist richtig, nicht wahr?

KEITEL: Ich glaube nicht, daß es ein Befehl war, sondern soweit ich mich erinnere, eine Notiz, ein Aktenvermerk. Ein Befehl jedoch war es nicht. Ich muß allerdings hinzufügen, daß ich erst durch die Vernehmung durch Herrn Oberst Williams daran erinnert worden bin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, General Westhoff sagte folgendes: Entgegen dem Befehl des Feldmarschalls Keitel schützte ich vor, nicht genau verstanden zu haben. Ich habe die Sache zu Papier gebracht und sagte zu Oberstleutnant Krafft: Ich möchte das Wort »erschießen« erwähnt haben, so daß Keitel es schwarz auf weiß sehen kann. Es mag sein, daß er dann eine andere Haltung einnehmen wird. Dann etwas weiter unten: Als ich die Sache zurückerhielt, hatte er folgende Randbemerkung gemacht: Ich habe nicht ausdrücklich »erschießen« gesagt, ich sagte: der Polizei oder der Gestapo zu übergeben. Dann fügte General Westhoff hinzu: Das ist schon ein teilweises Heruntersteigen. Dann haben Sie eine Notiz darauf gemacht: Ich habe nicht ausdrücklich »erschießen« gesagt, ich sagte: der Polizei oder Gestapo zu übergeben. Ist das richtig?

KEITEL: Ich kann ebensowenig wie General Westhoff den genauen Wortlaut dieser Notiz wiedergeben. Ich habe aber damals einen Randvermerk gemacht in dem Sinne: Ich habe nicht »erschießen« gesagt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verstehen Sie den Punkt, den ich Ihnen vorhalte, Angeklagter? Ich möchte, daß es Ihnen vollkommen klar ist. Mit Hecht oder nicht glaubte General Westhoff, daß Sie das Wort »schießen« erwähnt hätten, und um sich zu schützen, hat General Westhoff es auf Sie geschoben, und dann sagen Sie: Ich habe nicht ausdrücklich »erschießen« gesagt, ich sagte, dem SD oder der Gestapo übergeben.

KEITEL: Nein, ich habe auch nicht »erschießen« gesagt, sondern der Oberst Williams hat mir wörtlich gesagt, ich hätte an den Rand geschrieben: »Ich habe nicht erschießen gesagt.« Das steht in dem Protokoll meiner Vernehmung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Was ich wissen möchte, und das ist ganz klar, ist folgendes: Verneinen Sie, daß das Dokument im wesentlichen das wiedergibt, was Sie erklärt haben: Ich habe nicht ausdrücklich »erschießen« gesagt, ich habe gesagt: der Polizei oder der Gestapo zu übergeben. Haben Sie sich in diesem Sinn in dem Dokument geäußert?

KEITEL: Das ist wahrscheinlich, daß ich etwas Derartiges geschrieben habe, weil ich ja klarstellen wollte, was ich den beiden Offizieren gesagt habe. Was ich gesagt hatte, war nichts Neues, sondern es war die Klarstellung dessen, was ich gesagt hatte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun der nächste Punkt, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Hatten Sie einen Oberst namens von Reurmont in Ihrem Stab Kriegsgefangenenwesen?

KEITEL: Nein, der ist niemals in dem Stabe gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was war seine Stellung im OKW?

KEITEL: Ich glaube, es war ein Oberst Reurmont... Oberst Reurmont war Abteilungschef und hatte mit dem Kriegsgefangenenwesen nichts zu tun. Er war Abteilungschef im Allgemeinen Wehrmachtsamt, Oberst Reurmont.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In Ihrem Amt?

KEITEL: In dem Amt Allgemeines Wehrmachtsamt unter dem General Reinecke, jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie, daß am 27. März, das heißt an einem Montag, eine Zusammenkunft stattfand, in der Oberst von Reurmont den Vorsitz führte und der Gruppenführer Müller von der Gestapo, Gruppenführer Nebe, und Oberst Wilde von dem Luftfahrtministerium, und zwar vom Kriegsgefangenenwesen, Inspektion 17, beiwohnten. Wissen Sie das?

KEITEL: Nein; davon habe ich nie etwas erfahren, das ist mir unbekannt geblieben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wollen dem Gerichtshof sagen, daß Sie diesen Oberst in Ihrem Büro hatten, einen Oberst vom Luftfahrtministerium, zwei äußerst wichtige Polizeibeamte, und daß sie eine Zusammenkunft hatten, um diese Sache zu besprechen, zwei Tage nach Ihrem ersten Zusammentreffen, einen Tag nachdem Sie von Graevenitz und Westhoff gesehen hatten, und Sie wollen davon nichts gewußt haben?

KEITEL: Nein, ich habe von dieser Zusammenkunft nichts gewußt. Ich kann mich nicht erinnern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, die meisten von uns kennen die Arbeitsmethoden von dienstlichen Stellen. Ich bitte Sie mit aller Fairness, sich folgendes zu überlegen. Sie wollen dem Gerichtshof sagen, daß Ihnen niemals über diese gemeinsame Besprechung zwischen Vertretern des OKW, hohen Polizeibeamten und hohen Beamten des Luftfahrtministeriums Bericht erstattet wurde, und daß Sie nie etwas davon gehört haben? Nun, denken Sie wirklich nach, bevor Sie antworten!

KEITEL: Ich kann mich beim besten Willen daran nicht erinnern. Ich bin durch die Mitteilungen über dieses Protokoll überrascht gewesen, und kann mich daran nicht erinnern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie, ich erwähnte es mit der Aussage von Oberst Welder bei dem Kreuzverhör Görings, er sagte, bei dieser Besprechung sei bekanntgegeben worden, daß diese Offiziere erschossen werden sollten, und daß viele von ihnen schon erschossen worden waren. Haben Sie niemals einen Bericht erhalten, daß diese Offiziere erschossen würden oder erschossen werden sollten?

KEITEL: Nein, nicht am 27. Wir haben schon vorher davon gesprochen, wann ich den ersten Bericht empfangen hatte. Ich wußte damals nichts davon an dem Tag und auch am Tage nach dieser eben hier genannten Besprechung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie stimmen zu, wie ich Sie verstehe, erfahren zu haben, daß sie am 29. erschossen werden sollten das wäre an einem Donnerstag?

KEITEL: Den Tag kann ich nicht mehr sagen. Ich weiß aber meiner Erinnerung nach, daß es später war, ich glaube es war mehrere Tage später.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, Angeklagter Keitel, nehmen wir alles zu Ihren Gunsten an; nehmen wir an, daß es am Sonnabend, den 31. oder sogar Montag, den 2. April, also neun Tage nach der Flucht war. Sie wußten doch dann, daß diese Offiziere erschossen wurden.

KEITEL: Ich habe es in diesen Tagen, vielleicht um den 31. herum, erfahren, und zwar als ich wiederum auf den Berghof zur Lagebesprechung kam, durch die Adjutantur des Führers. Da wurde mir aber nicht gesagt, es seien alle diese Offiziere erschossen worden, es seien einige auf der Flucht erschossen worden. Das sagte man mir etwa an diesem Tage vor Beginn der Besprechung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wurden nicht alle bis zum 13. April erschossen, was noch ungefähr vierzehn Tage später war. Sind Sie über die Tatsache unterrichtet worden, daß sie aus den Wagen stiegen, um auszutreten, und dann von jemanden mit einem Revolver durch einen Schuß in den Hinterkopf getötet wurden? Sind Sie davon unterrichtet worden?

KEITEL: Nein, ich erfuhr nur von dem Adjutanten, daß eine Meldung beim Führer vorläge, es seien Erschießungen auf der Flucht erfolgt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, wollen Sie zu einem anderen Punkt übergehen. Später, Sie erinnern sich, daß mein Kollege, Eden, im Namen der Britischen Regierung eine Erklärung im Unterhaus abgegeben hat, ungefähr Ende Juni. Erinnern Sie sich daran?

KEITEL: Jawohl, das weiß ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist es richtig, wie General Westhoff sagte, daß Sie Ihren Offizieren aufgetragen haben, keine Verbindung mit dem Auswärtigen Amt oder der Gestapo aufzunehmen und die Sache auf sich beruhen zu lassen und nicht zu versuchen, irgend etwas darüber zu erfahren. Ist das richtig?

KEITEL: Ich habe ihnen gesagt, daß, nachdem die Wehrmacht mit allen den Mitteln der Fahndung und der Wiederergreifung oder auch den Tatsachen, die sich dann vollzogen haben, nichts zu tun habe, die Dienststelle des Kriegsgefangenenwesens über diese Trage Auskunft nicht erteilen könne, da sie selbst nicht beteiligt sei und nicht wisse, was tatsächlich vor sich gegangen sei. Das habe ich gesagt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann lautet die Antwort also: Ja. Sie haben Ihren Offizieren tatsächlich gesagt, die Sache auf sich beruhen zu lassen und nicht mit dem Auswärtigen Amt oder der Polizei in Verbindung zu treten?

KEITEL: Nein, so ist es nicht richtig, sondern der Chef des Amtes Ausland hat Verbindung mit dem Auswärtigen Amt gehabt. Ich habe nur angeordnet, daß die Offiziere über den Vorgang und über die Vorgänge in Verbindung damit keine Auskunft geben sollten, weil sie selbst nicht beteiligt waren und nur vom Hörensagen und von Gerüchten wissen konnten, was geschehen war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich hätte gedacht, daß meine frühere Frage, Sie haben gerade meine Frage dem Sinn nach wiederholt... Aber ich will darüber nicht streiten. Ich möchte zum nächsten Punkt kommen. Sie hatten doch einen Offizier in Ihrem Stab mit dem Namen Admiral Bürckner, nicht wahr?

KEITEL: Jawohl, der war Chef der Abteilung Ausland.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Er war der Verbindungsmann zwischen Ihrem Amt und dem Auswärtigen Amt?

KEITEL: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, haben Sie ihm den Auftrag gegeben, eine Antwort an England auf die Erklärung Edens vorzubereiten?

KEITEL: Das halte ich für möglich, daß ich ihm das gesagt habe, obwohl er ja keine Unterlagen bekommen konnte von den Dienststellen der Wehrmacht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte das nicht erneut lesen, ich habe die Antwort vor ein oder zwei Tagen schon verlesen. Schließlich wurde die Antwort – glaube ich – vom Auswärtigen Amt entworfen in Zusammenarbeit mit dem Oberstleutnant Krafft von Ihrem Amt, nicht wahr?

KEITEL: Nein, ich habe damals angeordnet, daß die Antwort zu bearbeiten sei...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich nicht an Krafft...

KEITEL: Das sollte behandelt werden von dem Reichssicherheitshauptamt, aber nicht von dem Kriegsgefangenenwesen. Ich habe dem Oberstleutnant Krafft keinen Auftrag gegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber ist er nicht nach Berchtesgaden gefahren, um dem Vertreter des Auswärtigen Amtes und Hitler bei Abfassung der Antwort zu helfen?

KEITEL: Das weiß ich nicht, ich habe ihn nicht gesehen und auch nicht gesprochen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen aber doch, daß, so behauptet zumindest General Westhoff, sich alle Ihre Offiziere an den Kopf gegriffen und »verrückt« gesagt haben, als sie die Antwort sahen. Sie haben diese Erklärung gesehen, nicht wahr: Als wir diese Note an England in den Zeitungen lasen, waren wir alle vollkommen verblüfft. Wir alle haben uns an den Kopf gegriffen und gesagt »verrückt«, wir konnten in der Sache nichts tun. All Ihre Offiziere und Sie selbst wußten, daß die Antwort eine vollkommene Lüge war, nicht wahr?

KEITEL: Sie wußten es alle. Ich habe auch die Antwort erfahren und war mir klar darüber, daß sie nicht auf Wahrheit beruhte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: So daß es darauf hinausläuft, Angeklagter, daß Sie bereit sind, folgendes zu sagen: Sie waren bei der Konferenz mit Hitler und Himmler anwesend. Das haben Sie gesagt. Und bei dieser Zusammenkunft hat Hitler gesagt, daß die Gefangenen, die von der Polizei ergriffen würden, in Händen der Polizei zu bleiben hätten. Sie hielten es für sehr wahrscheinlich, daß diese Gefangenen erschossen werden würden, und in diesem Sinne haben Sie diesen Zwischenfall als Abschreckungsmittel benutzt, um andere Kriegsgefangene von einer Flucht abzuhalten. Das alles haben Sie zugegeben, soweit ich Ihre Aussage heute früh verstanden habe. Nicht wahr?

KEITEL: Ja, ich gebe zu, ich bin nur noch nicht gehört worden dazu, wie ich mich gegenüber Hitler verhalten habe, das habe ich noch nicht ausgesprochen; und daß ich die Warnung nicht von mir aus gegeben habe, sondern daß sie eine Anordnung Hitlers war, und Grund eines neuerlichen schweren Zusammenstoßes zwischen Hitler und mir über die ersten Meldungen von Erschießungen; so ist es gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nicht nochmals auf die Einzelheiten eingehen. Ein anderer Punkt: Wann haben Sie von den Verbrennungen erfahren und davon, daß Urnen in das Lager gesandt wurden?

KEITEL: Das ist mir nicht bekanntgeworden. Ich kann mich nicht daran erinnern, das erfahren zu haben. Die Angelegenheit war ja nachher auch eine reine Sache der Luftwaffe, in die ich hineingezogen worden bin, durch meine Anwesenheit später. Ich weiß nicht, ob ich darüber irgend etwas gesehen oder gelesen habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie stimmen doch mit mir darin überein, daß jeder auf der Welt, der mit Kriegsgefangenenfragen zu tun gehabt hat, entsetzt sein würde bei dem Gedanken, daß die Leichen erschossener Offiziere verbrannt werden. Das heißt ja, Beschwerden von seiten der Schutzmächte und von allen anderen herausfordern, um es ganz primitiv zu fassen. Sie werden doch darin zustimmen, nicht wahr? Sie haben bestimmt mehr mit Kriegsgefangenen zu tun gehabt als ich. Geben Sie nicht zu, daß jeder entsetzt sein würde, der etwas mit Kriegsgefangenen zu tun hat, wenn die Leichen verbrannt werden sollen, und glauben Sie nicht, daß die Schutzmacht sofort Verdacht schöpfen würde?

KEITEL: Ich bin genau derselben Ansicht, daß das ungeheuerlich ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und wenn eine Dienststelle feststellt, daß ihre Lager fünfzig Urnen mit der Asche von verbrannten Leichen entflohener Kriegsgefangener erhalten, das wäre eine sehr ernste Sache, die doch den höchsten Stellen in jedem Dienst vorgetragen werden würde. Stimmt das?

KEITEL: Jawohl, obwohl ich mit den Kriegsgefangenenlagern der Luftwaffe an sich nichts zu tun hatte, außer dem Inspektionsrecht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie nicht weiter über die Luftwaffe befragen, aber ich möchte mich jetzt ganz kurz mit der Frage des Lynchens von alliierten Fliegern beschäftigen.

Angeklagter! Ich möchte Sie an einen Bericht über eine Besprechung vom 6. Juni erinnern, Dokument 735-PS, das gegen den Angeklagten von Ribbentrop vorgebracht worden ist. Es ist ein Bericht von General Warlimont, unter der Nummer GB-151, bezüglich der Kriterien, die zur Bestimmung des Begriffs »Terrorflieger« zu verwenden sind. Sie müssen sich doch an das Dokument erinnern, denn Sie haben sich selbst mit der Notiz am Freitag beschäftigt..

KEITEL: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:... gegen gerichtliche Verfahren, worüber Sie bereits Ausführungen gemacht haben.

KEITEL: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagten in Ihrer Aussage, Sie erinnern sich doch, Sie sagten uns, Sie wollten keine Gerichtsverfahren, weil das ein schwieriges Problem für die Kriegsgerichte und auch mehrere Monate Aufschub bedeutet hätte, da das Todesurteil der Schutzmacht gemeldet werden mußte.

KEITEL: Ja, so habe ich mich ausgedrückt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sagten Sie, daß Sie eine Besprechung mit Göring gehabt haben, der erklärt hätte, daß das Lynchen abgelehnt werden müßte. Das sagten Sie am Freitag, nicht wahr?

KEITEL: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war doch nicht ganz richtig, nicht wahr? Denn ich möchte Ihnen jetzt zeigen, was sich tatsächlich ereignet hat. Das Dokument, das Sie mit Anmerkungen versehen hatten, war vom 6. Juni. Und am 14. Juni...

KEITEL: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:... es ist Dokument D-774, das GB-307 wird und die Initialen von Warlimont trägt. Ihre Dienststelle sandte einen Entwurf an das Auswärtige Amt zu Händen des Botschafters Ritter über die Formulierung des Begriffs Terrorflieger. Wenn Sie es durchsehen, heißt es hier, daß eine eindeutige Festlegung der Tatbestände notwendig sei, die eine verbrecherische Handlung darstellen sollen. Dann das Konzept D-775, GB-308, an den Oberbefehlshaber der Luftwaffe, zu Händen von Oberst von Brauchitsch, das erklärt:

»Auf Grund der geführten Vorbesprechungen und nach Benehmen mit dem Reichsaußenminister und dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD«, dem Angeklagten Kaltenbrunner, »sollen folgende Tatbestände als Terrorhandlungen anzusehen sein, die bei der Veröffentlichung eines Falles von Lynchjustiz zu beachten sind beziehungsweise die die Übergabe von kriegsgefangenen feindlichen Fliegern aus dem Fliegeraufnahmelager Oberursel an den SD zur Sonderbehandlung rechtfertigen.«

Und dann zählten Sie auf, was als Übereinkunft erreicht wurde, und sagen:

»Es wird gebeten, die Zustimmung des Herrn Reichsmarschalls zu dieser Formulierung der Tatbestände herbeizuführen, sowie auch den Kommandanten des Fliegeraufnahmelagers Oberursel zu entsprechenden Verfahren mündlich anzuweisen.

Ferner wird gebeten, zu dem für die Handhabung der Veröffentlichungen beabsichtigten Verfahren, wie es sich aus dem abschriftlich beigefügten Schreiben an den Reichsaußenminister ergibt, gleichfalls die Zustimmung des Herrn Reichsmarschalls herbeizuführen.«

Und dann, wenn Sie sich D-776, GB-309 ansehen, das ist ein Schreiben von Ihnen an das Auswärtige Amt, ein Konzept zu Händen von Ritter, vom 15. Juni, mit demselben Zweck. Sie baten ihn um Bestätigung bis zum 18. Und dann Dokument D-777, GB-310, das ist ein ähnliches Konzept an Göring gerichtet, zu Händen des Oberst von Brauchitsch, mit der Bitte um Beantwortung bis zum 18. Dann Dokument D-778, GB-311, ist eine Notiz über einen Telephonanruf Ritters des Inhalts, daß die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes um einige Tage verzögert werden wird. Dann haben Sie D-779, GB-312, das erste Schreiben des Angeklagten Göring vom 19. Juni.

»Der Reichsmarschall hat zu obigem Schreiben vermerkt:

Die Reaktion der Bevölkerung haben wir sowieso nicht in der Hand. Es muß aber tunlichst verhindert werden, daß die Bevölkerung auch gegen andere Feindflieger... vorgeht«,

wollen Sie bitte das Wort ›andere‹ beachten, das sind Feindflieger, die nicht unter die Gruppe feindlicher Terrorflieger fallen, »... gegen andere Feindflieger, für die sieh nicht der obige Bestand ergibt.«

»Obiger Tatbestand kann meines Erachtens auch jederzeit durch ein Gericht behandelt werden, da es sich hier um Mordtaten«, ich bitte das Wort »auch« zu beachten, »handelt, die der Gegner seinen Fliegern verboten hat.«

Dann in D-780, GB-313, finden Sie eine weitere Abschrift einer Notiz des Auswärtigen Amtes, die ich schon in Einzelheiten vorgelesen habe, als ich den Fall des Angeklagten Ribbentrop vortrug. Es ist mit Randbemerkungen Ihres Offiziers, des Generals Warlimont, versehen. Ich möchte nicht das Ganze nochmals wiederholen.

Dann in D-781, GB-314, wollte Ihre Stelle es völlig klarstellen, was der Angeklagte Göring meinte, und Sie haben wieder an ihn, zu Händen von Oberst von Brauchitsch geschrieben:

»Aus dem dortigen Schreiben ist leider nicht zu ersehen, ob der Herr Reichsmarschall den mitgeteilten Tatbeständen, die bei der Veröffentlichung eines Falles von Lynchjustiz als Terrorakte angesehen werden sollen, zugestimmt hat und bereit ist, dem Kommandanten des Fliegeraufnahmelagers Oberursel zu entsprechendem Verfahren mündlich anzuweisen.

Es wird erneut gebeten, die Zustimmung des Herrn Reichsmarschalls herbeizuführen und tunlichst bis zum 27. ds. Mts. mitzuteilen.«

Dann Dokument D-782, GB-315, das besagt, der Außenminister werde in ein oder zwei Tagen antworten.

Im Dokument D-783 vom 26., es erhält die Nummer GB-316, kommt die Antwort, es ist eine Notiz über einen Telephonanruf von der Adjutantur des Reichsmarschalls, Hauptmann Bräuner.

»Der Reichsmarschall ist mit der mitgeteilten Formulierung über den Begriff Terrorflieger und mit dem vorgeschlagenen Verfahren einverstanden. Bittet noch heute um Unterrichtung über getroffene Maßnahmen.«

Also, es ist nicht richtig, Angeklagter, daß der Angeklagte Göring nicht mit diesem Verfahren einverstanden war. Hier haben wir den Anruf von seiner Adjutantur, der von Ihrer Dienststelle aufgenommen wurde, und worin es heißt, daß er mit der mitgeteilten Formulierung und mit den getroffenen Maßnahmen einverstanden sei. Das muß richtig sein, nicht wahr?

KEITEL: Ja, ich habe dieses Schreiben zwar nicht gesehen, aber ich verstehe unter den getroffenen Maßnahmen die Überweisung in das Fliegerkriegsgefangenenlager Oberursel, nicht Lynchjustiz. Ich darf vielleicht über die Besprechung dann noch etwas sagen, die ich mit dem Reichsmarschall hatte...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist ganz klar. Ich möchte nicht noch einmal die ganze Korrespondenz durchgehen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, Ihre Briefe erwähnen das Lynchen und die Maßnahmen, die für die öffentliche Bekanntmachung des Lynchens zu treffen sind, wie auch das andere Verfahren, die Absonderung dieser Leute in Händen des SD bis zur Bestätigung des Verdachtes, daß sie Terrorflieger seien. Das ist ganz klar. Ich habe Ihnen aus fast zehn Brieten vorgelesen, in denen ausdrücklich erwähnt wird, daß der Reichsmarschall auf die beiden Punkte aufmerksam gemacht wurde, auf die Veröffentlichung des Lynchens und die Absonderung von den anderen Kriegsgefangenen. Er sagte, daß er dem vorgeschlagenen Verfahren zustimme.

KEITEL: Darf ich noch dazu etwas sagen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bitte, tun Sie das.

KEITEL: Ich erinnere mich an die Aussprache mit dem Reichsmarschall Göring auf dem Berghof sehr genau. Wir erwarteten Hitler zu einer Ansprache an die Generale. Das muß in dieser Zeit gewesen sein. Es sind in dieser Erörterung zwei Punkte besprochen worden: Der Punkt 1 war die Auffassung zu der gewünschten, wie ich sie nennen soll, oder gedachten oder in Aussicht genommenen Lynchjustiz, und die zweite Frage war die, daß es meinen Einflüssen auf Hitler nicht gelungen war, diese Angelegenheit endlich zu beseitigen. Diese beiden Punkte habe ich mit Göring an diesem Tage besprochen. Wir stellten fest, daß die gesamte Methode, die hier erörtert war, die Voraussetzung geben sollte für eine Freigabe der Lynchjustiz, daß wir darüber Übereinstimmung hatten, daß wir Soldaten das ablehnten, und zweitens, daß ich ihn dringend bat, seinen Einfluß auf Hitler nochmals geltend zu machen, von diesen Dingen Abstand zu nehmen. Diese Besprechung hat auf dem Berghof vor dem Saal, in dem der Führer die Generale sprach, stattgefunden. Daran erinnere ich mich sehr genau.

Der Briefwechsel, der zwischendurch gewesen ist, den habe ich eben durchgesehen. Ich kenne nur Bruchstücke daraus, sie sind die damals fortlaufenden schriftlichen Hin- und Hererörterungen über eine von Hitler gewünschte Maßnahme, die dann, Gott sei Dank, nicht zur Tatsache geworden ist, weil entsprechende Anweisungen nicht erteilt wurden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich bitte das nächste Dokument ansehen, D-784, GB-317? Das ist eine Vortragsnotiz von General Warlimont für Sie. In Absatz 1 heißt es, daß das Auswärtige Amt zugestimmt hat. Botschafter Ritter habe am 29. Juni fernmündlich mitgeteilt, daß der Reichsaußenminister diesen Entwurf gebilligt habe; in Absatz 2 heißt es:

»Der Reichsmarschall ist mit der vom OKW mitgeteilten Formulierung über den Begriff der Terrorflieger und mit dem vorgeschlagenen Verfahren einverstanden.«

Das wurde an Sie gesandt, und auf diesem Dokument findet sich eine Bleistiftnotiz, die von Warlimont abgezeichnet wurde:

»Wir müssen nun endlich zur Tat kommen. Was ist dazu noch nötig?«

Haben Sie nicht daraufhin gehandelt?

KEITEL: Nein, es sind...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Warum haben Sie, wenn Sie nicht daraufhin gehandelt haben, vier Tage später die Luftwaffe gefragt, ob das Lager Oberursel instruiert worden ist? Sehen Sie sich D-785, GB-318, an...

VORSITZENDER: Sir David! Es scheint vom Angeklagten abgezeichnet zu sein... das Dokument D-784.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Meine Kopie ist mit »W«, Warlimont, abgezeichnet.

VORSITZENDER: Meine Kopie des Dokuments D-784 ist oben mit »K« über der Notiz Warlimonts abgezeichnet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: O ja, verzeihen Sie, Euer Lordschaft. Es ist mein Fehler, Sie haben vollkommen recht. Ehe ich also von D-784 abgehe, dieses Dokument ist Ihnen vorgelegt und von Ihnen abgezeichnet worden?

KEITEL: Nein, ich habe auf dem Dokument D-784 nur mein »K« gemacht, zum Zeichen, daß ich es gesehen habe. Ich habe nichts daraufgeschrieben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das Dokument wurde Ihnen vorgelegt, Sie haben also das Dokument gesehen? Sie wußten, daß sowohl das Auswärtige Amt als auch Göring diesem Verfahren zustimmten?

KEITEL: Das habe ich gelesen, ich habe darauf geschrieben »K«.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und vier Tage später, in D-785, hat Ihre Abteilung durch von Brauchitsch bei Göring angefragt, ob diese Anordnungen ausgeführt wurden:

»Es wird um Mitteilung gebeten, ob der Kommandant des Fliegeraufnahmelagers Oberursel inzwischen im Sinne der Ausführungen des OKW, WFSt, vom 15. 6. angewiesen worden ist, oder wann dies beabsichtigt wird.«

KEITEL: Dieses Schreiben habe ich zwar nicht gesehen, es erscheint mir aber dadurch erneut die Richtigkeit meiner Auffassung bestätigt, daß in den Anfragen an den Reichsmarschall Göring immer nur die Frage gemeint war, das Verfahren der Überweisung in das Lager Oberursel und nicht die Frage, ob er die Lynchjustiz wünsche, anerkenne oder für berechtigt hielte. Das geht aus dieser Frage hervor. Die Frage selbst kenne ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Möchten Sie jetzt noch Dokument D-786, GB-319, ansehen. Am nächsten Tag gingen Sie noch weiter. Dies ist eine Notiz vom 5. Juli über eine Zusammenkunft am 4. Juli. Es heißt hier:

»Der Führer hat... folgendes angeordnet:

Nach Pressemeldungen beabsichtigten die Anglo- Amerikaner als Gegenaktion gegen ›V 1‹ künftig auch kleine Orte ohne wehrwirtschaftliche und militärische Bedeutung aus der Luft anzugreifen. Falls sich diese Nachricht bewahrheitet, wünscht der Führer Bekanntgabe durch Rundfunk und Presse, daß jeder Feindflieger, der sich an einem solchen Angriff beteiligt und dabei abgeschossen wird, keinen Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangener hat, sondern, sobald er in deutsche Hände fällt, getötet und als Mörder behandelt wird. Diese Maßnahme soll für alle Angriffe auf kleinere Orte gelten, die weder militärische Ziele noch Verkehrsziele, Rüstungsziele und dergleichen darstellen, mithin keine kriegswichtige Bedeutung haben.

Es ist zur Zeit nichts zu veranlassen, vielmehr nur eine derartige Maßnahme mit WR und Ausw. Amt zu besprechen.«

Anstatt die zu treffenden Maßnahmen zu mäßigen, haben Sie sie noch verschärft. Ich meine nicht Sie, sondern Hitler.

KEITEL: Ich erinnere mich zwar nicht daran, aber wenn die Notiz damals gemacht worden ist, wird etwas Derartiges von ihm in der Lagebesprechung geäußert worden sein, aber ich erinnere mich an den Vorfall nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Ihnen nur folgenden Punkt vorhalten. Sie haben zweimal erwähnt, am Freitag und heute wieder, daß kein Befehl der Wehrmacht erlassen wurde. Zur Ermutigung der Bevölkerung zu Lynchakten an abgestürzten Fliegern habe es keiner Befehle der Wehrmacht bedurft. Zur Erreichung dieses Zieles wäre es lediglich nötig gewesen, die Polizei an der Verhaftung der Mörder zu hindern. Nicht wahr? Ein Befehl der Wehrmacht wäre nicht nötig gewesen, um Ihre Bevölkerung zu ermutigen, abgestürzte Flieger zu ermorden. Ist das richtig?

KEITEL: Nein, es kam nur in Frage die Wehrmacht, die an sich allein berechtigt war, einen abgeschossenen oder abgestürzten und gelandeten Flieger in Gewahrsam zu nehmen und ihn durch die Wehrmacht der Lynchjustiz und der Bevölkerung zu entziehen und zu verhindern, daß etwas Derartiges passierte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie werden mir zustimmen, daß die Aussichten zu überleben, sobald ein amerikanischer oder britischer Flieger dem SD übergeben worden war, sagen wir, eins zu einer Million waren. Er würde getötet werden, nicht wahr?

KEITEL: Das habe ich damals nicht gewußt, das habe ich hier erst erfahren. Das habe ich damals nicht gewußt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie werden mir zustimmen, daß dies tatsächlich geschah. Wenn ein Flieger dem SD übergeben worden wäre, wäre er getötet worden, nicht wahr?

KEITEL: Das habe ich nicht gewußt, daß es so ist, aber in dieser Richtung...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich meine nicht, was Sie glauben. Wir wissen jetzt, was geschehen würde.

KEITEL: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben uns mehrere Male gesagt, daß Sie nichts über den SD wußten. Sie waren sogar einmal eine Art von Appellations- Gerichtshof für den SD in Frankreich. Stimmt das? Sie bestätigten die Tötungen durch den SD in Frankreich, ist das richtig?

KEITEL: Ich erinnere mich nicht, daß ich da eine Bestimmung vorgenommen haben soll.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Französisches Beweisstück RF-1244. Ich habe leider keine deutsche Abschrift, aber es lautet wie folgt:

»In den Strafsachen gegen die französischen Staatsangehörigen:

1) Jean Maréchal, geb. am 15. 10. 1912«, es ist vom 6. August 1942, Paris,

2) Emanuel Thépault, geb. 4. 6. 1916,

hat Generalfeldmarschall Keitel in Wahrnehmung der ihm von dem Führer als Oberbefehlshaber des Heeres übertragenen Befugnisse am 26. beziehungsweise 27. Juni 1942 die Bewilligung eines Gnadenerweises für die beiden zum Tode Verurteilten abgelehnt und angeordnet, daß die Vollstreckung des Todesurteils nur im Rahmen von allgemeinen Sühnemaßnahmen erfolgen soll.«

Sie wurden vom Gerichtshof der deutschen Kommandantur in Evreux zum Tode verurteilt und dieses Schriftstück wurde dem Kommandanten der Sicherheitspolizei und des SD zugesandt. Ist das nicht ein Beweis, daß Sie mit der Bestätigung von Todesurteilen befaßt waren und Ihre Bestätigung an den SD weitergaben?

KEITEL: Der ganze Vorfall und der Vorgang ist mir rätselhaft. Es ist in mehreren Fällen so gewesen, daß der Führer, dem ich ja alle Urteile, die er als Oberbefehlshaber, Oberster Befehlshaber, zu bestätigen hatte, vorgelegt habe, daß ich vielleicht eine Unterschrift geleistet habe: I. A. des Oberbefehlshabers des Heeres; Keitel, im Auftrag, das wäre möglich, sonst ist mir Derartiges nicht bekannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, es sieht nicht ganz so aus. Ich will Sie an die Worte erinnern: Feldmarschall Keitel im Rahmen der ihm am 26. und 27. Juni 1942 verliehenen Machtbefugnisse. Dieses Datum. Es handelt sich um die Ihnen vom Führer verliehenen Machtbefugnisse. Haben Sie diese Befugnisse nicht gehabt?

KEITEL: Nein, es sind mir keine Machtbefugnisse verliehen worden in diesem Sinne, das ist ein Irrtum. Ich kann wohl eine Unterschrift geleistet haben: Der Oberbefehlshaber des Heeres, I. A. Keitel, Feldmarschall.

VORSITZENDER: Gehen Sie jetzt weiter?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, ich war im Begriff, weiterzugehen.

VORSITZENDER: Gut. Ist nicht D-775 dafür erheblich, und zwar die letzte Zeile des ersten Absatzes?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich bin sehr dankbar.

VORSITZENDER: In D-775 sagt der Angeklagte, so wie ich es auffasse, daß er nichts über das Schicksal dieser Kriegsgefangenen nach ihrer Übergabe an den SD gewußt habe. Das sind die letzten Worte des Absatzes.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehr wohl, Euer Lordschaft.

Der Wortlaut ist folgender:

»... bei den in das Fliegeraufnahmelager Oberursel eingelieferten Gefangenen..., deren Übergaben an den SD zur Sonderbehandlung zu rechtfertigen.«

Wir wissen nun, Angeklagter, daß »Sonderbehandlung« Tod bedeutete. Wußten Sie im Jahre 1944 nicht, was »Sonderbehandlung« bedeutete?

KEITEL: Doch, das ist mir bekanntgewesen, was »Sonderbehandlung« bedeutete. Das weiß ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, in dem Dokument EC-338, das Ihnen mein Freund General Rudenko, ich glaube, Samstag oder Freitag nachmittag vorhielt, ist noch ein anderer Punkt. Erinnern Sie sich, daß General Rudenko dieses Dokument vorlegte? Es handelt sich um den Bericht des Admirals Canaris über die Behandlung von Kriegsgefangenen im Hinblick auf die Stellung der Sowjetunion, die nicht zu den Signatarmächten der Genfer Konvention gehörte. Sie erinnern sich an die Bemerkung des Admirals Canaris Ihnen gegenüber, daß, obgleich Rußland keine Signatarmacht war, schon seit dem 18. Jahrhundert sich eine Praxis herausgebildet habe, wonach die Kriegsgefangenschaft weder ein Akt der Rache noch der Strafe sei, sondern lediglich eine Sicherheitshaft darstellt. Erinnern Sie sich an das Schriftstück? Es handelt sich um einen Bericht von Canaris an Sie vom 15. September 1941, in dem er die Stellung der Kriegsgefangenen eines Landes darlegt, das die Genfer Konvention nicht unterzeichnet hat. Erinnern Sie sich, daß Sie erklärten, daß Sie mit ihm übereinstimmten, daß Sie aber der Erklärung hinzufügen müßten, daß dies auf Grund der gegenwärtigen Situation sinnlos sei, weil es aus der militärischen Anschauung von der ritterlichen Kriegsführung entstanden sei, und daß es sich hier aber um die Zerstörung einer Weltanschauung handle. Sie erklärten, daß Sie dies auf Hitlers Anweisung hinzufügten. Erinnern Sie sich daran?

KEITEL: Ich hatte ihm den Vorgang vorgelegt und gebeten, daß er ihn lesen solle, und dann habe ich nachher diese Notiz daraufgeschrieben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl. Nun ist hier ein Absatz 3 aa.

Ich möchte, daß Sie sich ihn bezüglich des Punktes, den ich jetzt behandeln werde, ins Gedächtnis zurückrufen:

»Die Aussonderung der Zivilpersonen und politisch unerwünschten Kriegsgefangenen, sowie die Entscheidung über ihr Schicksal erfolgt durch die Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD...«

Das ist mit Rotstift unterstrichen – von Ihnen unterstrichen – und daneben am Rand Ihre Bleistiftnotiz: »Sehr zweckmäßig«; das heißt: Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD, sehr zweckmäßig.

Dann sagt Admiral Canaris:

»... nach Richtlinien, die den Wehrmachtstellen unbekannt sind«, und neben dieser Stelle: »den Wehrmachtstellen unbekannt«, Ihre handschriftliche Bemerkung: »keineswegs«. Erinnern Sie sich, daß Sie diese Bemerkungen gemacht haben?

KEITEL: Im Augenblick kann ich mich daran nicht erinnern. Ich habe die Bemerkung bezogen auf die Tatsache, daß es der Wehrmacht unbekannt sei. Das hielt ich für richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie, das ist vollkommen klar. Admiral Canaris sagt, daß es der Wehrmacht unbekannt sei und Sie bemerken am Rand mit Bleistift: »keineswegs«. Sie können diesbezüglich nicht von Hitler angewiesen worden sein. Das muß Ihre eigene Meinung gewesen sein, als Sie mit Bleistift »keineswegs« hinschrieben. Sie müssen angenommen haben, daß sie der Wehrmacht bekannt waren.

KEITEL: Keineswegs. Ich kann es jetzt nicht aufklären, ich habe damals in der Eile die Bemerkung geschrieben. Ich kann das auch nicht identifizieren oder definieren. Ich kann auch keine näheren Erklärungen geben, weil ich es nicht weiß. Ich habe die Vorstellung davon, daß ich die Notiz gemacht habe oder machen wollte in dem Sinne, es sei der Wehrmacht dies nicht bekannt und das sei richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nun mit Ihnen ganz kurz den letzten meiner Punkte durchgehen und eine Frage an Sie stellen. Sie haben dem Gerichtshof, ich glaube, vielleicht wenigstens 25 Male erklärt, daß Sie sich für Politik nicht interessiert haben, und daß Sie einfach ihre Befehle für militärische Vorbereitungen entgegennahmen. Ich möchte Ihnen hierüber einige Fragen stellen.

Wenden wir uns zuerst dem österreichischen Problem zu. Hier will ich mich nur auf ein Dokument beziehen. Sie erinnern sich an die Bemerkungen im Tagebuch des Angeklagten General Jodl über die vorgetäuschten Truppenbewegungen, welche nach Jodl – ich entnehme Ihrer Bemerkung, daß General Lahousen einen anderen Standpunkt einnahm – eine unmittelbare Wirkung in Österreich hatten. Erinnern Sie sich daran? Sie müssen sich daran erinnern.

KEITEL: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie schlugen, wenn ich nicht irre, diese vorgetäuschten Truppenbewegungen vor?

KEITEL: Nein, ich habe sie weder erdacht noch vorgeschlagen, sondern es war eine Anweisung vom Führer, als er mich am Abend entließ. Ich würde selbst nicht daran gedacht haben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben die Dokumentenbücher, die ich Ihnen gegeben habe? Es ist 113 vom deutschen Dokumentenbuch. Es ist 131 des englischen Buches, Euer Lordschaft, das größere Dokumentenbuch. Das ist Ihr Dokument vom 13., Angeklagter.

KEITEL: Jawohl, ich erinnere mich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und darin wird gesagt, wenn Sie sich Absatz 1 ansehen:

»Keine tatsächlichen Bereitschaftsmaßnahmen in Heer und Luftwaffe durchführen. Keine Truppenbewegungen und Verschiebungen.

Falsche, aber glaubwürdige Nachrichten lancieren, die auf militärische Vorbereitungen gegen Österreich schließen lassen:

durch Vertrauensmänner in Österreich,

durch unser Zollpersonal an der Grenze,

durch Reiseagenten.

Solche Nachrichten können sein...

Sollen Nachrichten vorgetäuscht werden durch Gerüchte...«

Sie haben das Hitler vorgelegt, und am 14. hat Hauptmann Eberhard telephonisch mitgeteilt, daß der Führer in allen Punkten zugestimmt habe. Sie haben die Art dieser falschen Vorbereitungen vorgeschlagen, um eine politische Wirkung in Österreich zu erzielen, nicht wahr?

KEITEL: Ich habe diesen Vorschlag gemacht auf Grund der mir gegebenen Anweisungen und der dazu gegebenen Anregung, als ich nach Berlin zurückgekehrt war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte mich nur ganz kurz damit beschäftigen, und ich glaube auch, daß es genügt. Ich möchte nur denselben Gesichtspunkt bezüglich der Tschechoslowakei anführen.

Bevor Sie Chef OKW wurden, waren Sie unter von Blomberg im Kriegsministerium. Hatten Sie die Pläne von Blomberg für die Invasion der Tschechoslowakei, die Anweisung vom 24. Juni 1937, gesehen?

KEITEL: Jawohl, die habe ich gekannt, es war keine Anweisung für die Invasion, sondern es waren die sogenannten Mobilmachungsvorarbeiten alljährlicher Art, die kenne ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und der zweite Absatz lautet:

»Aufgabe der Deutschen Wehrmacht ist es, ihre Vorbereitungen so zu treffen, daß die Masse aller Kräfte schnell, überraschend und mit stärkster Wucht in die Tschechoslowakei einbrechen kann...«

Man sollte meinen, daß dies eine Vorbereitung für eine Invasion war. Wir wollen jetzt nur wissen, ob Ihnen dieser Plan bekannt war. Sie kannten doch diesen Plan, nicht wahr?

KEITEL: Ich glaube bestimmt, daß ich ihn damals gelesen habe, obwohl ich mich natürlich nicht mehr an die Einzelheiten erinnere.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben diesem Gerichtshof erklärt, daß Sie zum erstenmal durch die Unterredung mit dem Führer am 21. April 1938 über die Pläne des Führers gegen die Tschechoslowakei im Jahre 1938 hörten. Es ist sehr leicht, etwas zu vergessen und ich will nicht sagen, daß Sie in diesem Punkt lügen, Angeklagter. Aber das ist doch nicht genau, nicht wahr? Sie hatten am 4. März bereits eine Korrespondenz über diesen Fall mit dem Angeklagten Ribbentrop, schon sechs Wochen vorher, stimmt das nicht? Über die Verbindung mit dem ungarischen Oberkommando, nicht wahr?

KEITEL: Ich kann mich nicht darauf besinnen, ich habe keine Ahnung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich das nur an. Verstehen Sie, worum es mir geht? Sie behaupten, daß Sie sich nicht mit Politik befaßt haben, aber wenn Sie das Dokument ansehen, das ich Ihnen sogleich geben werde, 2786-PS, so werden Sie bemerken, daß es anscheinend ein Brief des Angeklagten von Ribbentrop an Sie ist:

»Sehr verehrter General!

Anbei übersende ich Ihnen zu Ihrer vertraulichen Kenntnis eine Niederschrift über eine Besprechung mit dem hiesigen Ungarischen Gesandten. Wie Sie daraus ersehen werden, hat Herr Sztojay angeregt, mögliche Kriegsziele gegenüber der Tschechoslowakei zwischen der deutschen und ungarischen Armee besprechen zu lassen...

Falls wir uns mit den Ungarn über mögliche Kriegsziele... unterhalten, besteht die Gefahr, daß hiervon auch andere Stellen Mitteilung erhalten.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir kurz mitteilen würden, ob hier irgendwelche Bindungen eingegangen worden sind.«

Und der Außenminister fügt das Protokoll der Besprechung mit dem Gesandten bei.

KEITEL: An diesen Vorgang erinnere ich mich insofern, als es sich um eine Einladung von General Ratz handelte. Ich wußte gar nicht, was besprochen werden sollte. Von Blomberg war von Ratz eingeladen, und ich habe Hitler dann in Unkenntnis aller Dinge gefragt, ob ich jetzt einen solchen Besuch machen sollte. Hitler hat dem zugestimmt und es für zweckmäßig gehalten. Eine operative, generalstabsmäßige Besprechung hat nicht stattgefunden. Das war ein Jagdbesuch bei General Ritter von Ratz.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird nun eine Pause einschalten.