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[Pause von 10 Minuten.]

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Ihnen nur noch einige Fragen über diesen Teil des Falles vorlegen, Angeklagter. Können Sie sich erinnern: Sie sagten dem Gerichtshof, daß am 21. April, als Sie Hitler sahen, er Ihnen eine Abschrift des Protokolls entweder vorgelesen oder überreicht habe, das Schmundt über die Grundlage der Operation des Falles »Grün« gegen die Tschechoslowakei ausgearbeitet hatte?

VORSITZENDER: Sir David, ist das nicht mehr eine Frage des Argumentierens als eine Frage des Kreuzverhörs? Der Zeuge sagt, soweit er an allen diesen Dingen teilgenommen hat, war es militärisch. Die Anklagebehörde sagt, daß seine Teilnahme politisch war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Wenn ich so sagen darf, das ist eine sehr richtige Bemerkung, die ich mit großem Respekt entgegennehme. Die Schwierigkeit besteht aber im folgenden: Wenn der Zeuge verschiedentlich gesagt hat, es handle sich um politische Dinge, und dann wieder, daß es nur militärische Dinge seien, so wollte ich die Punkte hervorkehren, die beweisen, daß es politische Dinge sind. Aber ich will nicht der Ansicht des Gerichtshofs zuwiderhandeln.

VORSITZENDER: Gut. Ich glaube, dem Gerichtshof liegen alle Dokumente vor, auf Grund deren er sich ein Urteil bilden kann, es sei denn, daß Sie neue Dokumente haben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Es sind keine weiteren Dokumente da. Ich werde der Anregung des Gerichtshofs sofort nachkommen, ich möchte jedoch auf ein Dokument hinweisen.

VORSITZENDER: Sir David! Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß das Kreuzverhör etwas zu lange dauert und sich zu sehr in Einzelheiten verliert.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich bedaure, wenn das der Fall ist, aber schließlich ist der Zeuge in seinem direkten Verhör zwei volle Tage lang vernommen worden und von der restlichen Verteidigung einen halben Tag lang, während die Anklagebehörde bisher nur vier Stunden gebraucht hat. Ich hoffe deshalb, daß Euer Lordschaft sich nicht zu sehr gegen uns entscheidet. Euer Lordschaft, das einzige Dokument, welches ich... Ich werde den erwähnten Punkt nicht weiter ausführen: es ist Seite 31 des Dokumentenbuches. Ich möchte nur betonen und der Gerichtshof wird sich erinnern, daß der Zeuge gesagt hat, die deutschen Vorbereitungen wären in einem solchen Stadium gewesen, daß er selbst und die andern Generale nicht an das Gelingen eines Feldzuges gegen die Tschechoslowakei glaubten. Euer Lordschaft! Ich weise darauf hin, daß an jenem Tage General Halder als Stabschef erklärt hat, daß die Operation unbedingt Erfolg haben wird und beinahe am zweiten Tag erfüllt werden könnte. Ich wollte nur den Gerichtshof auf diesen Punkt aufmerksam machen. Euer Lordschaft, ich möchte das nur erwähnen und ich glaube, es ist nur fair, daß der Gerichtshof sich dieses Punktes bewußt ist. Ich werde ihn nunmehr auf Grund der Stellungnahme von Euer Lordschaft fallen lassen, und ich werde auch auf alle anderen Punkte zu diesem Stadium des Falles nicht eingehen, auf die ich eingehen wollte. Ich werde mich jetzt mit einem ganz anderen Punkt beschäftigen und dann werde ich fertig sein.

Angeklagter! Das Dokument, das ich Ihnen eben überreichen ließ, ist ein Bericht über eine Besprechung zwischen Hitler und Ihnen am 20. Oktober 1939 über die künftige Form der polnischen Beziehungen. Ich verweise Sie auf Absatz 3, die zweite Unterredung, und möchte Ihnen eine Frage stellen, die sich daraus ergibt. Dieser Absatz lautet: Es müsse verhindert werden, daß eine polnische Intelligenz als Führerschicht aufwachse. Das Land müsse auf einem niedrigen Lebensstandard bleiben. Wir wollten dort nur Arbeitskräfte herausziehen.

Erinnern Sie sich noch, daß General Lahousen darüber eine Aussage machte? Er erklärte, daß Admiral Canaris energisch bei Ihnen protestiert hat, und zwar erstens gegen die geplanten Erschießungs- und Ausrottungsmaßnahmen, die in erster Linie gegen die polnische Intelligenz, den Adel und die Geistlichkeit gerichtet waren, wie auch gegen alle Elemente, die als Träger der nationalen Widerstandsbewegung betrachtet werden konnten. Auf Grund der Aussage Lahousens hat Canaris damals erklärt, die Welt werde eines schönen Tages die Wehrmacht, unter deren Augen diese Dinge vorgekommen seien, verantwortlich machen. Entsinnen Sie sich noch, daß Admiral Canaris Ihnen dies oder dem Sinne Entsprechendes gesagt hat?

KEITEL: Nein, ich weiß nur das, was Herr Lahousen hier ausgesagt hat, von Admiral Canaris weiß ich nichts mehr.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat Lahousen Sie niemals gewarnt, daß die Wehrmacht eines Tages für die gegen Polen ergriffenen Maßnahmen verantwortlich gemacht werden könnte?

KEITEL: Nein, das war auch meine Ansicht, daß die Wehrmacht dafür verantwortlich gemacht würde, wenn solche Aktionen ohne ihre Zustimmung und ohne ihre Genehmigung stattfänden. Das war auch der Anlaß zu der Besprechung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dieser Punkt hat Ihnen viel Sorge bereitet? Nicht wahr?

KEITEL: Außerordentlich viel Sorge, denn ich hatte sehr schwere Auseinandersetzungen darüber gehabt, aber nicht zu diesem Zeitpunkt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Könnte man es also in folgende Worte fassen, daß, wenn Sie damals all das gewußt hätten, was Sie heute wissen, Sie sich dann geweigert haben würden, trotz allem, was Sie uns vorhin gesagt haben, Sie sich geweigert haben würden, mit irgendwelchen Aktionen etwas zu tun zu haben, die Konzentrationslager, Massenmorde und Elend von Millionen von Menschen zur Folge hatten, oder würden Sie, selbst, wenn Sie all das gewußt hätten, was Sie heute wissen, diese Aktionen trotzdem durchgeführt haben?

KEITEL: Nein, ich bin der Überzeugung, wenn die Deutsche Wehrmacht und ihre Generalität das gewußt hätte, dann hätte sie sich gegen diese Dinge zur Wehr gesetzt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danke.

MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Herr Vorsitzender! Ich habe nur eine Frage.

Vor einigen Tagen, am Morgen des 3. April, als Sie von Ihrem Anwalt vernommen wurden, sagten Sie, wenn wir Sie richtig verstanden haben, Sie hätten das Gefühl, die Verantwortung für die in Ihrem Namen erlassenen Befehle übernehmen zu müssen, für Befehle, die Sie weitergegeben haben und die Hitler erlassen hatte. Am Freitag nachmittag, als Sir David das Kreuzverhör mit Ihnen führte, sagten Sie, wenn wir Sie richtig verstanden haben, daß Sie als alter Berufssoldat die Traditionen und die Prinzipien dieses Berufes als Verpflichtung dahin aufgefaßt hätten, einen Befehl nicht durchzuführen, den der Soldat als verbrecherisch erkennt. Haben wir richtig verstanden?

KEITEL: Ja, ich habe das verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann wäre es richtig zu sagen, daß Sie unter der Verpflichtung Ihres Eides als Berufssoldat wissentlich verbrecherische Befehle ausführten.

KEITEL: Das kann man in dieser Form wohl nicht sagen, sondern man muß sagen, daß die Staatsform und die Befugnisse des Staatsoberhauptes, wie wir es damals hatten, diejenige gesetzgebende Vollmacht in sich vereinigte, die den ausführenden Organen das Bewußtsein brachte, keine ungesetzlichen Handlungen zu vollziehen, wenn der zur gesetzlichen Vollmacht Berechtigte eine solche Anordnung getroffen hat. Das Bewußtsein, daß hier auch Handlungen begangen worden sind, die mit dem Recht nicht vereinbar waren, ist selbstverständlich auch bei mir dagewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe Sie also, daß Sie wissentlich verbrecherische oder rechtswidrige Befehle ausgeführt und weitergegeben haben. Fasse ich damit richtig zusammen?

KEITEL: Ich darf noch sagen, daß ich nicht der inneren Überzeugung war, hiermit kriminell zu werden, weil es das Staatsoberhaupt selbst war, das für uns alle Mächte der Gesetzgebung an sich vereinigte, und infolgedessen bin ich nicht der Überzeugung gewesen, selbst damit verbrecherisch zu werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte mich mit diesem Punkt nicht weiter befassen und Ihnen nur sagen, daß Ihre Erwiderung die Frage nicht beantwortet.

Sie haben uns gesagt, daß einige dieser Befehle Verletzungen des bestehenden Völkerrechts darstellten. Ein Befehl, der auf dieser Basis erlassen wird, ist ein verbrecherischer, ein gesetzwidriger Befehl, nicht wahr?

KEITEL: Ja, das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, dann haben Sie Befehle ausgeführt, kriminelle Befehle, die eine Verletzung der Grundprinzipien Ihres Berufssoldaten- Kodex waren, ohne Rücksicht darauf, von wem sie ausgingen.

KEITEL: Ja.

VORSITZENDER: Herr Dr. Nelte, wollen Sie noch ein weiteres Verhör vornehmen?

DR. NELTE: Herr Präsident, meine Herren Richter! Ich werde zum objektiven Tatbestand keine Fragen mehr an den Angeklagten stellen. Es scheint mir, daß nach seiner offenen Aussage dieser objektive Tatbestand soweit geklärt ist, als dies in diesem Verfahren überhaupt möglich ist.

Bezüglich des subjektiven Tatbestandes bedarf es aber, nach meiner Auffassung, vor allen Dingen nach der letzten Frage des Herrn amerikanischen Anklagevertreters noch einer Ergänzung.