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DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Herr Zeuge! Sie haben bereits eine Reihe von Fragen behandelt, die auch für die Verteidigung des Angeklagten Frick insofern von Bedeutung sind, als Dr. Frick Mitglied des Reichskabinetts gewesen ist.

Können Sie mir sagen auf Grund welcher Stellung, oder wie Ihre Stellung war, die Sie hier besonders befähigt, die gegebenen Antworten zu erteilen. Ich wollte fragen, können Sie mir sagen, wie war Ihre Stellung im Rahmen des Reichskabinetts, daß Sie diese Fragen beantworten können?

LAMMERS: Meine eigene?

DR. PANNENBECKER: Ja.

LAMMERS: Ich bin Staatssekretär in der Reichskanzlei gewesen und war die vermittelnde Stelle zwischen dem Führer und den Reichsministern mit zwei Ausnahmen; soweit der Führer nicht entweder einen unmittelbaren Weg zu den Herren hatte oder für die Betreffenden ein anderer Weg zum Führer, als über mich, vorgeschrieben war. Es gab eine Reihe von Dingen, die durch meine Hand nicht gegangen sind, sondern die die Herren Minister persönlich dem Führer unterbreitet haben. Das sind alle Angelegenheiten der großen Politik, der großen Außenpolitik vor allen Dingen gewesen und ich habe dann lediglich im Jahre 1937 bei Gelegenheit einer Änderung im Kabinett die Bezeichnung »Reichsminister« bekommen. An meinen Aufgaben aber hat sich nichts geändert. Ich habe insbesondere auch keine Ressorts gehabt.

DR. PANNENBECKER: Können Sie mir sagen, wann die überhaupt letzte Sitzung des Reichskabinetts stattfand?

LAMMERS: Die letzte Sitzung des Reichskabinetts war im November 1937. Allerdings hat im Jahre 1938, Anfang Februar, noch einmal eine sogenannte informatorische Ministerbesprechung stattgefunden, in der der Führer die damals vollzogene Änderung in der Reichsregierung mit Herrn von Blomberg und Herrn von Neurath bekanntgab. Die letzte Kabinettssitzung, in der sachlich beraten worden ist, und zwar der Entwurf eines Strafgesetzbuches, hat im November 1937 stattgefunden.

DR. PANNENBECKER: Können Sie mir etwas sagen über Versuche nach diesem Zeitpunkt, die Minister zusammenzubringen?

LAMMERS: Ich habe von diesem Zeitpunkt an dauernde Versuche gemacht, eine Konzentration des Reichskabinetts zuwege zu bringen, eine Reaktivierung möchte ich sagen. Der Führer hat das dauernd abgelehnt. Ich habe einen Entwurf fertig gehabt, sogar einen Erlaßentwurf, wonach die Minister wenigstens zur Besprechung untereinander zusammenkommen sollten, ein- oder zweimal im Monat unter Vorsitz des Reichsmarschalls Göring, oder, wenn der verhindert war, unter meiner formellen Leitung und in diesen Sitzungen sollten die Minister einmal zusammenkommen, und es sollten informatorische Vorträge stattfinden. Das hat der Führer abgelehnt. Die Minister hatten aber gleichwohl den dringenden Wunsch, untereinander zusammenzukommen. Mein weiterer Vorschlag war dann, ich würde die Minister ein- oder zweimal im Monat gesellschaftlich zu einem Bierabend einladen, so daß wir zusammenkommen und uns aussprechen könnten. Darauf hat der Führer mir erwidert: »Herr Lammers, das ist nicht Ihre Sache, sondern meine Sache, das werde ich machen, wenn ich das nächste Mal nach Berlin komme.«

VORSITZENDER: Wozu sind alle diese Einzelheiten über Biertrinken? Wenn sie nicht zusammengekommen sind, und wenn er versuchte, den Führer zu überreden, sie zusammenzubringen, und sie es doch niemals taten, dann ist das genügend. Wozu soll man auf Einzelheiten eingehen?

DR. PANNENBECKER: Ist danach die Auffassung richtig, daß die Reichsminister als einzelne in ihren Ressorts in ihrem Fachbereich zu arbeiten hatten; daß es dagegen ein Reichskabinett, das über die Fragen der Politik Beschluß faßte, informiert wurde und diskutierte, überhaupt nicht mehr gegeben hat?

LAMMERS: Die Minister waren im wesentlichen nichts anderes mehr als die obersten Verwaltungschefs ihrer Ressorts, und sie konnten im Reichskabinett der Reichsregierung sich nicht mehr auswirken als politische Minister, das habe ich vorhin zu schildern versucht; es haben keine Sitzungen mehr stattgefunden, die Besprechungen wurden sogar verboten. Wann sollten die Herren denn zu einem Meinungsaustausch kommen?

DR. PANNENBECKER: Ist Ihnen etwas bekannt über eine Äußerung Hitlers, daß er das Reichskabinett als einen Defaitistenklub bezeichnet hat, den er nicht mehr sehen wollte?

LAMMERS: Bei meinen Versuchen auf Reaktivierung der Reichsregierung durch gewisse Sitzungen hat der Führer mir gesagt, daß sie unterbleiben; es könnte eine Stimmung entstehen, die ihm nicht angenehm wäre. Mir gegenüber hat er das Wort Defaitistenklub nicht gebraucht. Ich habe aber von Reichsleiter Bormann gehört, daß er gesagt hat, die Minister sollen nicht zusammenkommen, das könnte ein Defaitistenklub werden.

DR. PANNENBECKER: Es ist hier schon wiederholt erörtert worden, daß ein Reichsminister nicht von sich aus eine Amtsniederlegung vornehmen könnte. Wissen Sie etwas darüber, ob Frick einen Versuch gemacht hat, sein Amt niederzulegen als Reichsminister?

LAMMERS: Frick hat trotz dieses Verbots des Führers wiederholt den Wunsch geäußert, von seinem Amt entbunden zu werden, wenn der Führer ihm nicht mehr das volle Vertrauen schenke und ihn nicht mehr empfange.

Er hat mir das wiederholt übermittelt, aber auf ein schriftliches Rücktrittsgesuch kann ich mich nicht entsinnen. Ich habe diese Wünsche des Herrn Frick auf Rücktritt aber jedesmal dem Führer übermittelt, obwohl solche Übermittlung der Führer stets sehr schroff zurückgewiesen hat.

DR. PANNENBECKER: Frick ist ja dann im August 1943 aus seinem Posten als Reichsminister des Innern ausgeschieden. Wissen Sie etwas darüber, wie er sich in diesem Zusammenhang selbst geäußert hat?

LAMMERS: Herr Frick hat mir damals selbst gesagt, ich scheide gern aus diesem Amt als Innenminister, aber bitte, sorgen Sie dafür, daß der Führer mich nicht, wie beabsichtigt, zum Reichsprotektor von Böhmen und Mähren macht. Ich will dieses Amt nicht. Ich will in den Ruhestand treten, und das habe ich dem Führer übermittelt. Da ließ der Führer Herrn Frick ins Hauptquartier kommen und noch bevor Herr Frick allein zum Führer hineinging, hat er mir gegenüber kundgetan, daß er das Amt des Reichsprotektors unter keinen Umständen annehmen möchte. Als er aber vom Führer herauskam, war er doch umgestimmt und hatte das Amt angenommen. Das ist, wenn ich nicht irre, im August 1943 gewesen.

DR. PANNENBECKER: Frick wird nun auch seine Stellung als Generalbevollmächtigter für die Reichsverwaltung zur Last gelegt. Wissen Sie etwas über die Einsetzung dieses Amtes?

LAMMERS: Er hatte die Koordinierung anderer Ministerien zu besorgen als Reichsbevollmächtigter für die Verwaltung. Es war die folgende Zusammenfassung: Reichsministerium des Innern, Reichsjustizministerium, Reichserziehungsministerium, Reichskirchenministerium und Reichsstelle für Raumordnung. Die faßte er unter sich zusammen und vertrat sie sozusagen in dem Ministerrat für die Reichsverteidigung, der mit Ausbruch des Krieges 1939 gegründet wurde.

DR. PANNENBECKER: Können Sie mir sagen, auf Grund welcher Bestimmungen Frick zum Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung bestellt worden ist? Es sind da ja zwei Reichsverteidigungsgesetze, eines von 1935 und eines von 1938.

LAMMERS: Das Verteidigungsgesetz von 1935 ist mir nicht mehr in Erinnerung. Der Entwurf des nicht verkündeten Reichsverteidigungsgesetzes von 1938 überweist dem Reichsbevollmächtigten für die Verwaltung eine Fülle von Aufgaben, die aber nie auf ihn übergegangen sind, sondern er hat nur die Aufgabe einer Koordinierung der verschiedenen Ressorts übernommen, die ich vorhin aufgezählt habe.

Eine eigentliche Befugnis als Generalbevollmächtigter für die Reichsverwaltung hat er jedenfalls nie in dem Umfang ausgeübt in dem sie ihm im Reichsverteidigungsgesetz zugewiesen war.

DR. PANNENBECKER: Man spricht in diesem Zusammenhang dann auch von Befugnissen eines sogenannten Dreimännerkollegiums. Das bestand aus dem Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung, Frick, dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, zuerst Schacht, später Funk, und dem Chef OKW.

Können Sie darüber etwas sagen, welche Befugnisse diese drei ausgeübt haben?

LAMMERS: Der Ausdruck Dreimännerkollegium ist zunächst ein ganz falscher, das ist kein staatsrechtlicher Begriff, das ist ein aushilfsweiser, ein Referentenausdruck, ein Ausdruck der Referenten, wie er gebraucht worden ist. Diese drei Leute, der Generalbevollmächtigte für die Verwaltung, ferner der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft und der Chef OKW, haben jeder allein die Befugnis zum Erlaß der Verordnungen gehabt; sie waren aber dabei gebunden an das Einvernehmen mit den beiden anderen, also einer konnte im Einvernehmen mit den anderen Anordnungen in seinem Gebiete treffen. Eine Sitzung dieses Ausschusses, dieses sogenannten Dreimännerkollegiums, hat nie stattgefunden. Die Verordnungen, die erlassen worden sind, sind zahlenmäßig sehr geringfügig und sachlich ohne jede Bedeutung. Ich kann mich entsinnen, daß zum Beispiel von diesem Ausschuß die Frage der Herabsetzung der Richterzahl in den Disziplinarkammern geregelt worden ist, also beamtenrechtliche Sachen, eine zweite Aufgabe auf dem Gebiet..., im ganzen werden höchstens sechs bis acht Verordnungen darüber da sein, aber völlig unbedeutender Art.

DR. PANNENBECKER: Es gab dann ja auch außerdem später den Ministerrat für die Reichsverteidigung. Können Sie vielleicht diese beiden Gremien miteinander vergleichen, diese drei und den Ministerrat für die Reichsverteidigung?

LAMMERS: Sie meinen das Dreierkollegium für den Ministerrat?

DR. PANNENBECKER: Ja.

LAMMERS: Zunächst habe ich mal nach der Einrichtung des Ministerrates für die Reichsverteidigung das Prinzip gehabt, dieses Dreierkollegium nach Möglichkeit auszuschalten, weil es gar nicht nötig war. Der Ministerrat für die Reichsverteidigung hatte die Aufgabe, Rechtsverordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Er hat mit Reichsverteidigung im eigentlichen Sinne nichts zu tun gehabt. Militärische Angelegenheiten sind in diesem Ministerrat für die Reichsverteidigung nicht erörtert worden; ebenso ist nicht Außenpolitik und Propaganda behandelt worden. Es sind im wesentlichen Verordnungen gemacht worden mit Gesetzeskraft.

Sitzungen haben nur stattgefunden bis zum Dezember 1939, und von da ab ist lediglich für den Erlaß von Verordnungen der Weg des schriftlichen Umlaufverfahrens gewählt worden. Politische Debatten haben nie stattgefunden.

DR. PANNENBECKER: Es ist für die besetzten Gebiete im Reichsministerium des Innern eine Zentralstelle gebildet worden. Diese Zentralstelle ist von der Anklage angeführt zum Beweis dafür, daß Frick eine umfassende Verwaltungsbefugnis und damit Verantwortlichkeit gehabt habe für die besetzten Gebiete, über die Befugnisse der Zentralstelle. Können Sie darüber etwas sagen?

LAMMERS: Die Zentralstelle hatte im wesentlichen zwei Aufgaben. Erstens die Besorgung von Beamtenpersonal, und zweitens eine Hilfeleistung bei dem Erlaß von Gesetzen und Verordnungen in den besetzten Gebieten. Eine solche Stelle war nötig, weil die besetzten Gebiete Personal brauchten, und die Reichskommissare in den besetzten Gebieten unterstanden ja dem Führer persönlich; und der Schriftverkehr ging zum Teil durch mich. Wenn man die Personalbesorgung im Rahmen dieser Sache erledigen wollte, so hätte ich das machen müssen. Ich habe aber dafür keine Apparatur gehabt mit meinen zwölf höheren Beamten, und keinen Unterbau im Lande; ich hatte ja keine Exekutive in diesen Ländern. Da wurde der Innenminister eingeschaltet, weil er ja die Fülle des Beamtenapparates zur Verfügung hatte.

DR. PANNENBECKER: Sie sagten gerade, die Zentralstelle habe eine gewisse Hilfestellung gehabt bei der Erfassung von Verordnungen für die besetzten Gebiete. Konnte die Zentralstelle, sagen wir einmal, eine Verordnung für Norwegen erlassen?

LAMMERS: Worüber?

DR. PANNENBECKER: Über irgendein besetztes Gebiet, zum Beispiel Norwegen, eine Verordnung erlassen?

LAMMERS: Nein, an sich nicht, höchstens mit Zustimmung des Reichskommissars.

DR. PANNENBECKER: War es überhaupt üblich, daß die Zentralstelle irgendwann eine Verordnung erlassen hätte für ein bestimmtes besetztes Gebiet?

LAMMERS: Das ist meines Wissens nie geschehen- Ich kenne keinen einzigen Fall, wo die Zentralstelle eine Verordnung erlassen hätte.

DR. PANNENBECKER: Es wird eine Verordnung des Reichsministers des Innern angeführt, durch die die Staatsangehörigkeitenfrage geregelt worden ist, auch in Bezug auf die besetzten Gebiete.

LAMMERS: Ja, über die deutsche Staatsangehörigkeit, wahrscheinlich.

DR. PANNENBECKER: Ja.

LAMMERS: Aber das war dann doch eine innerdeutsche Regelung.

DR. PANNENBECKER: Hatten die Zentralstellen irgendein Weisungsrecht, entweder an den deutschen Bevollmächtigten für das besetzte Gebiet, zum Beispiel des Reichskommissars für Norwegen?

LAMMERS: Nein, sie hatten ein solches Recht überhaupt nicht.

DR. PANNENBECKER: Oder hatte er ein Weisungsrecht an untere Dienststellen, deutsche Dienststellen oder die besetzten Gebiete selbst?

LAMMERS: Nein, das Weisungsrecht bestand nicht.

DR. PANNENBECKER: Die Anklage trägt weiter vor, daß die Zentralstelle auch in den Gebieten ein Weisungsrecht gehabt habe, für das die Zentralstelle überhaupt nicht gesondert bestimmt worden war. Ergibt sich irgendeine Rechtsvorschrift oder irgendwie eine Praxis, wo die Zentralstelle in die Befugnisse für die besetzten Gebiete eingegriffen hat?

LAMMERS: Mir ist kein Fall bekannt.

DR. PANNENBECKER: Ist es denn richtig, daß die Chefs der Zivilverwaltungen in den besetzten Gebieten immer Hitler, als dem Führer, unmittelbar unterstanden, gleichgültig, welche Dienstbezeichnung sie hatten?

LAMMERS: In den besetzten Gebieten unterstanden die Reichskommissare oder die sogenannten Chefs der Zivilverwaltung dem Führer unmittelbar.

DR. PANNENBECKER: Hatte Frick in seiner Eigenschaft als Reichsminister des Innern insofern irgendeine Befehlsgewalt für besetzte Gebiete, als in den besetzten Gebieten deutsche Polizei tätig war?

LAMMERS: Nein, in den besetzten Gebieten hatte die Polizeigewalt lediglich Himmler im Einvernehmen mit den Reichskommissaren. Der Reichsminister des Innern hat mit der Polizei in den besetzten Gebieten gar nichts zu tun gehabt.

DR. PANNENBECKER: Folgert daraus nicht eine Zuständigkeit des Reichsministers des Innern aus seiner Stellung insofern, als Himmler dem Reichsministerium unterstellt war, dem Reichsministerium des Innern?

LAMMERS: Ja, das wäre höchstens eine Machtbefugnis, gegeben für das Gebiet des Deutschen Reiches, aber für die besetzten Gebiete nicht, und inwieweit sie für das Deutsche Reich gegeben war, ist auch noch problematisch.

DR. PANNENBECKER: Darauf werden wir später im einzelnen kommen. Können Sie mir sagen, welche Befugnisse der Reichsminister des Innern auf dem Gebiet der Polizei hatte, während der Zeit, als die Polizei noch zur Zuständigkeit der Länder Preußen und so weiter gehörte, also von 1933 bis 1936?

LAMMERS: Ja, da ist die Zuständigkeit jedenfalls sehr gering gewesen, aber Näheres kann ich darüber nicht sagen.

DR. PANNENBECKER: Ja, das alte, wie das eben früher war, daß das Reich nur die Oberaufsicht hatte.

Sie wissen ja, daß dann später durch einen Erlaß Himmler zum Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern bestellt wurde. Wissen Sie, von wem diese Bezeichnung ausging, Reichsführer-SS und so weiter?

LAMMERS: Ja, damals habe ich mitgewirkt. Der Vorschlag dieses Titels stammt offenbar von Himmler. Ich habe gegen diesen Titel von vornherein Bedenken gehabt aus zwei Gesichtspunkten. Es werden zwei heterogene Sachen zusammengeworfen: Der Reichsführer-SS, eine Parteigliederung, und die Polizei, eine staatliche Angelegenheit. Der Reichsführer-SS, ein Mann, der in der Partei den Rang eines Reichsleiters hat, der dem eines Reichsministers gleichsteht; auf der anderen Seite der Chef der Polizei, der die Stellung eines Staatssekretärs im Innenministerium hatte und dem Innenminister unterstellt ist. Himmler bestand aber auf dieser Bezeichnung, und der Führer hat ihm Recht gegeben. Meine Bedenken gegen diese Bezeichnung haben sich in der Praxis gerechtfertigt, denn einmal war das Weisungsrecht des Reichsministers des Innern an die Polizei nun sehr problematisch geworden, weil der Reichsführer Himmler den Polizeioffizieren gegenüber zum Beispiel gleichzeitig SS-Führer war. Denen konnte er ja Befehle geben in seiner Eigenschaft als Reichsführer-SS, da hatte der Innenminister nicht mehr hineinzureden. Er hatte auch die Gepflogenheiten, daß er auch die anderen Beamten der Polizei meist zu SS-Führern machte. Man konnte also nie genau wissen, in welcher Eigenschaft handelt der Betreffende, handelt er als Mitglied der SS, oder handelt er als Polizei; und die Unterstellung im Innenministerium ist daher beinahe gegenstandslos geworden, denn, erstens hat Himmler den Zusatz: Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, diese letzten Worte weggelassen, hat sich geschäftsordnungsmäßig, gebäudemäßig vollkommen vom Innenminister abgesondert und hat sich auch nicht mehr unterstellt gefühlt.

Als der Reichsminister Frick darüber eine Beschwerde bei mir anbrachte, die ich an den Führer bringen sollte, da hat mir der Führer gesagt: Übermitteln Sie Herrn Frick, er möchte den Himmler als Chef der Polizei nicht zu sehr einschränken, die Polizei ist bei ihm gut aufgehoben, er solle ihm möglichst freie Hand lassen.

Damit war, wenn auch nicht mit einer ausdrücklichen Anordnung, so doch praktisch die Weisungsbefugnis des Reichsministers des Innern zum mindesten außerordentlich Stark eingeschränkt, wenn nicht gar als aufgehoben zu betrachten.

DR. PANNENBECKER: Sie sagten gerade, daß Himmler von sich aus eigenmächtig über die Organe der Polizei verfügte, ohne sich darum zu kümmern, was Frick wollte. Nun waren ja auch noch die Befehle an die Polizei da insofern, als Hitler selbst Weisungen erteilte. Gab er diese an Frick, als den zuständigen Minister, oder an Himmler?

LAMMERS: Normalerweise hat der Führer diese Weisung an Himmler gegeben. Wenn er Weisung mir gegeben hat und sie betraf den polizeilichen Sektor, so habe ich sie meist über den Reichsminister des Innern geleitet, oder ihm mindestens davon Kenntnis gegeben.

DR. PANNENBECKER: Wissen Sie etwas darüber, ob die Konzentrationslager im Etat des Reichshaushalts standen, oder ob sie im Etat der SS geführt wurden?

LAMMERS: Nach meinem Wissen, ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, sind die Mittel für die Konzentrationslager im Reichshaushalt nicht aufgebracht worden, sondern es war so, daß der Reichsfinanzminister eine Jahrespauschalsumme an die Partei zahlte, zu Händen des Reichsschatzmeisters, und der Reichsschatzmeister verteilte diese Summe auf die Parteigliederungen. Da hat der Reichsführer-SS von der SS einen Pauschalbetrag bekommen, mit dem hat er wahrscheinlich die Sache finanziert. Ich kann mich nicht entsinnen, daß ich im Reichsetat je irgendeinen Artikel gelesen hätte, wo etwas über die Konzentrationslager dringestanden hätte.

DR. PANNENBECKER: Wissen Sie etwas darüber, daß Himmler mit dieser Begründung, daß die Mittel für die Konzentrationslager aufgebracht wurden, auch ein Einmischungsrecht des Reichsministers bestritten hat für dieses Gebiet?

LAMMERS: Das ist mir nicht bekannt.

DR. PANNENBECKER: Ich habe dann Fragen für ein anderes Gebiet. Wissen Sie etwas über die Bestrebungen Hitlers, schmerzlos unheilbar Geisteskranke zu beseitigen?

LAMMERS: Ja. Der Gedanke ist bei Hitler das erstemal aufgetaucht im Herbst 1939. Da bekam der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern, Dr. Conti, den Auftrag, diese Frage zu prüfen. Er sollte sich mit mir über die rechtliche Seite der Angelegenheit in Verbindung setzen. Ich habe mich gegen eine Ausführung dieser Sache ausgesprochen. Da aber der Führer darauf bestand, habe ich vorgeschlagen, dann müsse man die Angelegenheit mit allen Rechtsgarantien umgeben und durch ein Gesetz regeln. Ich habe auch einen dementsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten lassen, und darauf wurde dem Staatssekretär Conti der Auftrag abgenommen und wurde im Jahre 1940 dem Reichsleiter Bouhler übertragen. Der Reichsleiter Bouhler hat dem Führer Vortrag gehalten, wobei ich nicht zugegen war. Er kam dann zu mir, ich habe ihm meinen Gesetzesvorschlag vorgelegt und habe ihm meine Bedenken gegen die Angelegenheit vorgebracht, und er ist wieder abgereist. Ich habe dann dem Führer den Gesetzentwurf vorgelegt, der Führer hat den Gesetzentwurf nicht gebilligt; er hat ihn aber auch nicht ausdrücklich abgelehnt, er hat aber nachher unter meiner Ausschaltung eine Vollmacht erteilt zur Tötung unheilbarer Geisteskranker an den Reichsleiter Bouhler und an den bei ihm damals tätigen Begleitarzt Professor Dr. Brandt. An der Ausstellung dieser Vollmacht habe ich nicht mitgewirkt. Für mich war die Angelegenheit erledigt, da der Führer nicht wünschte und andere Leute mit der Ausführung beauftragt hatte.

DR. PANNENBECKER: Sie sagten eben, daß der Führer den Staatssekretär Dr. Conti im Reichsministerium des Innern beauftragt hat. Ist dieser Auftrag von Hitler über Frick an Conti gegangen?

LAMMERS: Das weiß ich nicht. Der Staatssekretär Conti ist telephonisch durch die Führeradjutantur oder durch Reichsleiter Bormann bestellt worden; ob das über Frick gegangen ist oder nicht, weiß ich nicht.

DR. PANNENBECKER: Wissen Sie überhaupt etwas darüber, ob Frick selbst an diesen Maßnahmen beteiligt worden ist in irgendeiner Form?

LAMMERS: Darüber ist mir nichts bekannt.

DR. PANNENBECKER: Ich habe dann ein letztes Gebiet, das des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren. Als Frick im August 1943 zum Reichsprotektor von Böhmen und Mähren bestellt wurde, sind da die formellen Befugnisse des Reichsprotektors die gleichen geblieben, wie sie vorher bestanden haben?

LAMMERS: Nein, sie sind bewußt geändert worden, und zwar dergestalt, daß der Reichsprotektor von jetzt ab nur eine mehr dekorative Persönlichkeit sein sollte. Die politische Leitung des Protektorats sollte auf den Staatsminister Frank übergehen. Der Reichsprotektor war nur die deutsche Spitze im Protektorat mit sehr geringen sachlichen Rechten. Er hatte eine Mitwirkung bei der Bildung der Protektoratsregierung. Er hatte ferner ein beschränktes, ein nicht sehr großes Recht, Beamte zu ernennen, das bezog sich im wesentlichen auf die mittleren und Unterbeamten, und dann hatte er das Gnadenrecht auszuüben, und allgemein war der Staatsminister für Böhmen und Mähren, Frank, verpflichtet, ihn, den Reichsprotektor, zu informieren. Das waren so im wesentlichen die Rechte, die der Reichsprotektor hatte, und im übrigen hat Hitler gewünscht, daß der Reichsprotektor sich nicht allzuviel im Protektorat aufhält. Ich habe ihm das sogar einige Male übermitteln müssen.

DR. PANNENBECKER: Sie sagten, daß der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, zur Zeit Fricks, die Spitze der deutschen Verwaltung war. Ist der Staatsminister Frank Frick unterstellt worden?

LAMMERS: Ja, er unterstand ihm, aber es war ungefähr so, im Verhältnis eines Staatsoberhauptes zum Regierungschef. Der Staatsminister Frank hatte die politische Sache in der Hand.

DR. PANNENBECKER: Ist es nicht so, daß der Staatsminister Frank unmittelbar dem Führer unterstellt worden ist?

LAMMERS: So ist es, glaube ich, nicht. Ich habe den Erlaß nicht gegenwärtig. Unmittelbar war er ihm nicht unterstellt, das kann ich nicht mehr genau sagen. Jedenfalls hat der Führer zur Erörterung politischer Angelegenheiten immer nur Frank empfangen, nicht den Reichsprotektor.

DR. PANNENBECKER: Ich habe diesen Erlaß nicht bei mir, ich werde das noch klären. Wissen Sie etwas darüber, daß Frick ausdrücklich diese Aufteilung der Befugnisse verlangt hatte, daß er sich zunächst geweigert hatte, die Stellung eines Reichsprotektors in Böhmen und Mähren anzunehmen, und daß erst, als er erklärte, er könne die Verantwortung nach außen hin nicht tragen, die er nach innen nicht habe, diese Aufteilung erfolgte unter den Befugnissen?

LAMMERS: Also, daß der Reichsminister Frick sich geweigert hat, diese Stellung zu übernehmen, habe ich ja schon einmal gesagt, und als dann dieser Erlaß kam, in dem die Rechte des Reichsprotektors festgelegt wurden, ein Erlaß, der nicht veröffentlicht wurde, da kam Herr Dr. Frick mit Recht mit dem Bedenken: Dann habe ich ja nach außenhin Verantwortungen, die gar nicht bekannt sind. Dann haben wir eine Pressenotiz erlassen und in dieser Pressenotiz war dann gesagt, der neue Reichsprotektor hat nur die und die Rechte, die ich vorher aufgezählt hatte, Beamtenernennungsrecht, Gnadenrecht, und dieses Recht, bei der Bildung der Protektoratsregierung mitzuwirken. Und damit war das nach außenhin kundgegeben, daß Frick diese volle Verantwortung nicht mehr hat, die vielleicht der frühere Reichsprotektor gehabt hat.

DR. PANNENBECKER: Wissen Sie etwas darüber, daß der Grund für die Aufteilung der Verantwortlichkeit im Protektorat darin lag, daß Hitler die nötige Härte für die Durchführung Frick nicht zutraute?

LAMMERS: Ja, das ist offensichtlich der Grund dafür gewesen.

DR. PANNENBECKER: Ich habe dann keine weiteren Fragen.

DR. FRITZ SAUTER, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN FUNK UND VON SCHIRACH: Ich habe in Ergänzung dessen, was der Zeuge bereits ausgeführt hat, nur noch einige Fragen zu stellen. Herr Dr. Lammers, der Angeklagte Funk war ab 1933 Pressechef der Reichsregierung. Das ist Ihnen bekannt?

LAMMERS: Ja.

DR. SAUTER: Sie waren ja damals selbst schon in Ihrem Amt.

LAMMERS: Ja.

DR. SAUTER: Hat der Angeklagte Funk in dieser Eigenschaft als Pressechef der Reichsregierung irgendeinen Einfluß auf die Beschlüsse des Reichskabinetts und auf den Inhalt der Gesetzesvorlagen des Reichskabinetts gehabt?

LAMMERS: Die Frage ist zu verneinen. Er hat höchstens einen Einfluß gehabt vom pressemäßigen Standpunkt aus, für eine zugkräftige Überschrift eines Gesetzes, oder irgendeine volkstümliche Fassung oder ähnliches. Aber auf den Inhalt bei den Gesetzen hatte er gar nicht mitzustimmen. Er war in seiner Amtsstellung als Pressechef zuerst Ministerialdirektor und nachher Staatssekretär, er hatte ja beim Inhalt gar nicht mitzureden.

DR. SAUTER: Warum wurde er dann als Pressechef der Reichsregierung überhaupt zugezogen zu den damaligen Sitzungen des Reichskabinetts?

LAMMERS: Ja, wegen der künftigen Presseberichterstattungen.

DR. SAUTER: Also nur, um die Presse zu informieren über die Verhandlungen und Beschlüsse des Reichskabinetts, ohne irgendeinen Einfluß auf die Beschlüsse oder auch nur auf die Vorlagen zu haben?

LAMMERS: Ja, das ist richtig.

DR. SAUTER: Aber ohne einigen Einfluß zu haben auf Entscheidungen oder Gesetze vorzuschlagen.

LAMMERS: Ja, richtig.

DR. SAUTER: In dieser Eigenschaft als Pressechef der Reichsregierung hat, wie Sie wissen, der Angeklagte Funk auch regelmäßig Pressevorträge bei dem damaligen Reichskanzler Hitler zu halten gehabt. Ist Ihnen bekannt, wann diese regelmäßigen Vorträge des Pressechefs der Reichsregierung bei Hitler aufgehört haben?

LAMMERS: Sie haben allerspätestens aufgehört nach einem Jahre. Die Vorträge waren gemeinschaftlich; Funk und ich, wir hatten in der ersten Zeit in der Woche einige Male, oft drei-, viermal, Vortrag beim Führer, und das hat den Sommer 1933 durch angedauert. Im Winter wurden die Vorträge seltener, nachher fanden sie aber etwas häufiger statt, um dann 1934 mit dem Tode von Hindenburgs restlos aufzuhören.

DR. SAUTER: Wer hat dann diese Pressevorträge bei Hitler gehalten?

LAMMERS: Der Pressechef Dr. Dietrich.

DR. SAUTER: Unter Ausschaltung des Dr. Funk?

LAMMERS: Jawohl.

DR. SAUTER: Herr Dr. Lammers, der Angeklagte Funk wurde dann später auch Reichsbankpräsident. Wissen Sie etwas davon, wer über die Kredite zu entscheiden hatte, welche die Reichsbank dem Reiche gegeben hat beziehungsweise geben sollte?

LAMMERS: Die Entscheidung lag beim Führer. Praktisch hat sich das so vollzogen: Der Reichsfinanzminister reichte den Antrag auf Kreditbewilligung ein, und zwar in zwei Exemplaren; ein Schreiben gerichtet an den Reichsfinanzminister mit einem entsprechenden Auftrag, das zweite Schreiben gerichtet an den Reichsbankpräsidenten mit einem solchen Auftrag.

DR. SAUTER: Herr Dr. Lammers, diese technischen Einzelheiten interessieren uns wohl nicht. Uns interessiert bloß: Hat Dr. Funk als Reichsbankpräsident irgendeinen Einfluß gehabt bezüglich der Frage, ob und in welcher Höhe das Deutsche Reich von der Reichsbank Kredite zu beanspruchen hatte. Nur das interessiert uns.

LAMMERS: Ich kann das nur von dieser technischen Seite aus entscheiden. Das einzige, was bei mir eingegangen ist, waren diese beiden Urkunden vom Finanzminister. Sie waren eine reine Unterschriftssache und sind vom Führer in einer Sekunde unterschrieben worden, um dann zurückgesandt zu werden. Ich habe nie einen Auftrag gehabt, mit Herrn Funk zu verhandeln oder mit Herrn Schacht oder mit dem Finanzminister. Es war eine reine Unterschriftsangelegenheit, das ist alles.

DR. SAUTER: Ihres Wissens sind also diese Weisungen von Hitler ausgegangen, nicht vom Reichsbankpräsidenten?

LAMMERS: Die Weisungen sind vom Führer gezeichnet worden.

DR. SAUTER: Herr Dr. Lammers, Sie haben vorhin schon einmal vom sogenannten Dreierausschuß oder vom Dreimännerkollegium gesprochen, das in späteren Jahren gebildet worden ist. Bezüglich dieses Dreierausschusses behauptet die Anklage, daß diesem Ausschuß der Angeklagte Funk auch angehört hat und sozusagen die letzte Entscheidungsinstanz für die Gesetzgebung der Reichsregierung im Kriege war.

LAMMERS: Davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Ich hatte ja vorhin ausgeführt, daß diese drei Herren nur jeder für sich das Recht hatten, Verordnungen zu erlassen mit Zustimmung der beiden anderen, und daß es nur ganz wenige und ganz unbedeutende Verordnungen waren.

DR. SAUTER: Sie meinen Verordnungen niederen Grades? Verordnungen in seinem Ressort?

LAMMERS: Ja.

DR. SAUTER: Dann, Herr Dr. Lammers, hat der Angeklagte Göring bei seiner Vernehmung bereits bekundet, daß die Befugnisse des Dr. Funk als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft, ich glaube im Jahre 1938, in der Hauptsache auf den Beauftragten für den Vierjahresplan übergegangen seien, daß also jedenfalls diese Befugnisse des Dr. Funk im großen und ganzen nun mehr auf dem Papier gestanden hätten. Mich würde interessieren: Sind diese Befugnisse des Generalbevollmächtigten für den Vierjahresplan auch formell, nicht bloß tatsächlich, sondern auch formell auf den Bevollmächtigten für den Vierjahresplan, also auf Göring, übergegangen?

LAMMERS: Das beruhte auf einer Verordnung des Führers und auf besonderem Führerbefehl.

DR. SAUTER: Wann war das ungefähr?

LAMMERS: Ja, der Vierjahresplan war 1936 gebildet worden, und 1940 wurde er auf vier weitere Jahre verlängert. Diese besonderen Befugnisse, die nachher Herr Funk abgegeben hat an den Vierjahresplan, beruhten auf einer Vereinbarung, die der Reichsmarschall Göring mit dem Minister Funk getroffen hat, einer Vereinbarung, die nach meiner Kenntnis die Billigung des Führers gefunden hat.

DR. SAUTER: Herr Dr. Lammers, Sie haben dem Gerichtshof bereits erzählt, daß, ich glaube seit 1938, keine Kabinettssitzung mehr stattgefunden hat, und daß schließlich Hitler auch die formlosen Besprechungen der Minister unter sich verboten hat. Können Sie uns etwas darüber sagen, ob, und eventuell wie oft, der Angeklagte Dr. Funk in den sieben Jahren seiner Ministertätigkeit Gelegenheit hatte, mit Hitler zu sprechen, ihm Vortrag zu halten und so weiter?

LAMMERS: Also, im ersten Jahre, habe ich bereits gesagt, hat er als Pressechef häufig Vortrag gehalten.

DR. SAUTER: Später als Reichswirtschaftsminister?

LAMMERS: Später als Reichswirtschaftsminister ist er außerordentlich selten zu Hitler gekommen. Er ist zu vielen Besprechungen nicht zugezogen worden, und zwar zu Besprechungen, zu denen er eigentlich hätte zugezogen werden müssen. Er hat sich bei mir häufig darüber beschwert. Ich habe mir die möglichste Mühe gegeben, ihn in solche Besprechungen, soweit es an mir lag, einzuschalten. Das ist mir aber nicht immer gelungen.

DR. SAUTER: Herr Dr. Lammers, mir ist aufgefallen, daß wir hier Protokolle verlesen bekommen haben, wo ausdrücklich, ich glaube zwar von Ihnen, im Protokoll vermerkt war, daß der angeklagte Funk als Reichswirtschaftsminister Sie gebeten hat, daß er an dieser oder jener wichtigen Besprechung teilnehmen darf, und daß Sie dann ausdrücklich im Protokoll vermerkt haben, der Führer habe das abgelehnt oder der Führer habe das verboten. Ich darf Ihnen ein Beispiel anführen, das mir in der Erinnerung ist. Es ist das eine Sitzung vom 4. Januar 1944, Dokument 1292-PS, wo es sich um Fragen des Arbeitseinsatzes handelt. Und in diesem Protokoll steht auch wieder von Ihnen der Vermerk, daß der Antrag Funks auf Teilnahme abgelehnt wurde. Können Sie sich an solche Fälle erinnern, und können Sie die Gründe dafür angeben?

LAMMERS: Ja, ich erinnere mich an solche Fälle, ich weiß nur nicht, ob sie in dem Protokoll gestanden haben. Wahrscheinlich habe ich Herrn Funk mitgeteilt, daß ich mir die größte Mühe gegeben hätte, daß er zu diesen Besprechungen zugezogen würde. Hitler hat es jedoch abgelehnt.

DR. SAUTER: Die Begründung?

LAMMERS: Der Führer hat vielfach Einwendungen gemacht; es wären verschiedene Gründe gegen Funk vorhanden. Er stünde Funk skeptisch gegenüber und wolle ihn nicht haben.

DR. SAUTER: Herr Zeuge, im April 1941 sollen Sie dem Angeklagten Dr. Funk eine Mitteilung gemacht haben, daß Rosenberg einen Auftrag von Hitler zur einheitlichen Behandlung der Probleme der Ostgebiete erhalten habe. Diese Mitteilung sollen Sie damals außer an Funk auch noch an Göring und Keitel gemacht haben. Und aus dieser Tatsache hat nun die Anklagebehörde den Schluß gezogen, daß Funk zu den entscheidenden Personen gehört habe, die mit der Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen Rußland befaßt wurden.

Können Sie uns sagen, ob und eventuell warum Sie damals auch dem Angeklagten Funk diese Mitteilung zugehen ließen?

LAMMERS: Entweder hatte ich vom Führer einen Auftrag, was ich nicht glaube, oder ich habe geglaubt, daß Funk diese Mitteilung vom wirtschaftlichen Standpunkt aus interessieren wird, denn ich habe sie ihm aus besonderer persönlicher Beziehung heraus übermittelt; an irgendwelche besonderen Gründe kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Diese Mitteilung habe ich sicher auch noch anderen gemacht, aber nicht schriftlich. Wahrscheinlich haben andere diese Mitteilung mündlich bekommen. Von einem Angriffskrieg ist ja bei Erteilung des Auftrags vom Führer an Rosenberg überhaupt nicht die Rede gewesen, denn er sollte nur eine Art politischer Beauftragter für die Ostgebiete sein; er sollte die Verhältnisse der dortigen Völker studieren.

DR. SAUTER: Herr Dr. Lammers, etwa zur selben Zeit, also im Frühjahr 1941, kurz vor Beginn des Rußlandkrieges, sollen Sie mit dem Angeklagten Funk einige weitere Unterredungen gehabt haben, und zwar darüber, wie sich möglicherweise die außenpolitische Lage in Bezug auf Rußland in der nächsten Zeit stellen wird. Und bei der Gelegenheit sollen Sie auch dem Angeklagten Funk etwas erzählt haben, warum Hitler an die Möglichkeit eines Krieges mit Rußland glaubt. Was haben Sie denn damals dem Angeklagten Funk über diese Kriegsvorbereitungen erzählt zu der einen oder anderen Zeit?

LAMMERS: Es kann nur das gewesen sein, was ich damals selbst gewußt habe: das war die Mitteilung des Führers, daß in Rußland Truppenzusammenziehungen beobachtet worden seien, die einen Schluß darauf ziehen ließen, daß es mit Rußland zu kriegerischen Verwicklungen kommen könnte. So hatte sich der Führer wörtlich ausgedrückt. Er hat sich gesagt, daß es mit Rußland zum Klappen kommt, und daß er deshalb wünsche, daß ein Mann, und das sei Rosenberg, sich mit den Ostfragen beschäftige, weil möglicherweise ein solcher Krieg..., kriegerische Komplikationen mit Rußland beständen. Das werde ich wohl Funk mitgeteilt haben. Ich wüßte nicht, was ich ihm mehr gesagt haben könnte.

DR. SAUTER: Sie sollen damals, Herr Dr. Lammers, nicht nur von Truppenzusammenziehungen auf russischer Seite an der deutschen Ostgrenze gesprochen haben, sondern auch von dem russischen Einmarsch in Bessarabien.

LAMMERS: Ja, es ist möglich, daß das auch gewesen ist. Südosten jedenfalls, und daß ich vielleicht auch davon gesprochen habe, daß die Besprechungen, die mit Rußland stattgefunden hätten, mit Molotow, daß die unbefriedigend gewesen seien.

DR. SAUTER: Sie sollen in diesem Zusammenhang, weil Sie schon auf diese Besprechungen mit Molotow zu reden kommen, dem Angeklagten Funk insbesondere erzählt haben, daß Rußland sehr große Ansprüche auf dem Balkan und hinsichtlich der Ostsee gestellt habe und daß deshalb, wegen dieser Ansprüche, Hitler mit der Möglichkeit eines Krieges rechne. Kann das stimmen?

LAMMERS: Es ist möglich, daß wir davon gesprochen haben; bestimmt kann ich mich nicht entsinnen.

DR. SAUTER: Dann, Herr Dr. Lammers, Sie wissen, daß dabei auch eine Einrichtung getroffen wurde unter dem Titel: Zentrale Planung. Das ist Ihnen bekannt?

LAMMERS: Ja.

DR. SAUTER: Der Angeklagte Funk wurde auch zum Mitglied der Zentralen Planung, und zwar, glaube ich, Ende 1943 ernannt. Ist es nun richtig, daß Funk bei- seinem Eintritt in die Zentrale Planung an dem Einsatz von Arbeitern in die deutsche Produktion überhaupt nicht mehr interessiert war und warum?

LAMMERS: Ich glaube, daß Herr Funk an der Zentralen Planung nur soweit Interesse hatte, als er Rohstoffe für die zivile Produktion bekam.

DR. SAUTER: Für die zivile Produktion im Inland?

LAMMERS: Ja, für das Inland. Das war sein Interesse an der Zentralen Planung, da er ja nur die Verteilung der Wirtschaftsgüter hatte und die zivile Produktion auf den Minister Speer übergegangen war.

DR. SAUTER: Wann?

LAMMERS: Ja, das wird in dem Augenblick gewesen sein, als der Minister für Bewaffnung und Munition umgebildet wurde in einen Minister für Rüstung und Kriegsproduktion. Das kann 1942 gewesen sein. Da hatte Funk natürlich an den Rohstoffen großes Interesse, an dem Arbeitseinsatz hat er, meines Erachtens, nur ein geringes Interesse gehabt, weil er ja gar nicht genug Rohstoffe hatte, um die zivile Produktion überhaupt arbeiten zu lassen.

DR. SAUTER: Und dann, Herr Dr. Lammers, habe ich noch eine letzte Frage. Können Sie sich erinnern, daß der Angeklagte Funk im Jahre 1944 – es soll etwa im Februar und dann auch noch einige Male in der Folgezeit gewesen sein – Sie aufgesucht und Ihnen sein Leid geklagt hat über die unbefriedigende Stellung, die er als Reichswirtschaftsminister und als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft habe, und daß er bei dieser Gelegenheit mit Ihnen die Frage besprochen hat, ob er es mit seinem Gewissen verantworten kann, daß er sein Amt als Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident behält und wenn ja, warum er das tut, und warum er sein Amt nicht freiwillig zur Verfügung stellt? Vielleicht äußern Sie sich über diese Fragen?

LAMMERS: Ich habe mit Funk mehrfach über diese Fragen gesprochen.

DR. SAUTER: Wann?

LAMMERS: Im Jahre 1943, aber hauptsächlich nachher im Jahre 1944. Ich weiß, daß er schwere Sorgen in dieser Hinsicht hatte, und er wollte gern auch einmal Gelegenheit finden, das an den Führer selbst heranzubringen. Und wenn er geblieben ist, so ist er nur geblieben, weil er sich sagte, im Krieg kann er den Posten nicht niederlegen. Das schickt sich nicht für einen guten Deutschen, sein Amt niederzulegen während der Kriegszeit, aber er hatte den innigsten Wunsch, imstande zu sein, dem Führer über die wirtschaftliche Lage zu berichten, und hauptsächlich über die besonderen Eindrücke, die die Gauleiter in den einzelnen Gauen hatten. Und er hatte den innigsten Wunsch, dem Führer einmal einen Vortrag zu halten, überhaupt etwas zu hören über die Kriegslage, und über die Frage einer Beendigung des Krieges zu sprechen. Das war seit Anfang September, und ich habe mir mehrfach die Mühe gegeben, es beim Führer anzubringen, und es ist mir nachher fast gelungen, indem ich den wahren Grund maskiert und einen wichtigen anderen vorgeschützt habe, einige Finanzfragen. Ich überbrachte es dem Führer, der Führer hat das aber gemerkt und hat das, trotzdem Herr Funk tagelang bei mir gewartet hat auf den Vortrag, abgeschlagen, wahrscheinlich auf die Bemühungen Bormanns hin, den Vortrag abzulehnen. Funk ist es mit dem besten Willen nicht gelungen, zum Führer zu kommen, und mir ist es nicht gelungen, ihn zum Führer zu bringen.

DR. SAUTER: Ich habe sonst keine weiteren Fragen, Herr Präsident.

DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Herr Präsident! Wenn Sie um 5.00 Uhr schließen wollen, bis 5.00 Uhr bin ich nicht fertig. Ich würde es nicht gern zerreißen. Ich stelle anheim, ob länger verhandelt werden soll, oder ob jetzt abgebrochen werden soll.

VORSITZENDER: Ich denke, es ist besser, Herr Dr. Dix, Sie setzen das Verhör fort. Wir haben ungefähr noch zehn Minuten.

DR. DIX: Herr Zeuge, andere Zeugen und auch Sie, Sie kraft besonderer Erfahrung, haben in Ihrer Stellung als Chef der Reichskanzlei seit der Machtergreifung bis zum Zusammenbruch bekundet, daß Rücktrittsgesuche von Hitler verboten waren. Ich möchte deshalb hierzu keine weiteren Fragen stellen, sondern nur auf die Rücktrittsgesuche von Schacht, die tatsächlich erfolgt sind, eingehen. Ich bitte Sie, zunächst mal nur mit Ja oder Nein die generellen Fragen zu beantworten.

Hat Schacht Entlassungsgesuche eingereicht oder nicht?

LAMMERS: Ja.

DR. DIX: Ich möchte nun mit Ihnen die einzelnen Entlassungsgesuche durchgehen. Ich kann nicht von Ihnen erwarten, daß Sie ohne Erinnerungshilfe die einzelnen Gelegenheiten noch in Erinnerung haben. Ich bitte deshalb mir zu gestatten, daß ich Ihnen eine kleine Erinnerungshilfe schon bei der ersten Frage gebe. Erinnern Sie sich bitte an den März 1937, wo Schacht die Reichsbankkredite gestoppt beziehungsweise gekündigt hatte, und Sie ihn aus diesem Anlaß aufsuchten. War das das erste Rücktrittsgesuch?

LAMMERS: Das ist mir sehr genau in Erinnerung, weil das Rücktrittsgesuch von Herrn Schacht Hitler sehr unangenehm war, und er mir den Auftrag gab, die Angelegenheit mit Schacht in Ordnung zu bringen. Ich war deshalb einige Male bei Schacht persönlich. Schacht lehnte die Zurücknahme des Rücktrittsgesuches ab. Als Grund gab er an, er könne die Kreditpolitik des Führers nicht mehr mitmachen, er befürchte eine Inflation, und davor müsse er das deutsche Volk schützen. Er müsse das Gesetz des Handelns...

VORSITZENDER: Dr. Dix, ist es notwendig, alle diese Einzelheiten zu besprechen? Wir nehmen an, daß Schacht verschiedentlich angeboten hat, zurückzutreten. Ist es nötig, über Einzelheiten eines jeden Rücktritts zu sprechen?

DR. DIX: Dann werden wir das lassen. Es genügt mir dann, Herr Dr. Lammers, wenn Sie bestätigen, daß im März 1937 das erste Entlassungsgesuch war.

LAMMERS: Und dann wurde ein Kompromiß getroffen. Es wurde zunächst das Amt des Herrn Schacht auf ein Jahr verlängert, obwohl das Gesetz vier Jahre vorschrieb.

DR. DIX: Ich bitte Sie, sich des weiteren an den August 1937 zu erinnern. Da hatte Göring eine Bergbauverordnung erlassen. Hinsichtlich der war Schacht der Auffassung gewesen, daß sie in sein Ressort unzulässigerweise eingriffe. Ist da ein zweites Rücktrittsgesuch erfolgt?

LAMMERS: Ja.

DR. DIX: Und da hat Schacht auch einen Brief geschrieben, und zwar einen Brief an Göring, am 5. August, von dem er eine Kopie an Hitler gegeben hat. Können Sie sich daran erinnern?

LAMMERS: Ja, dieser Brief war der Grund, daß Hitler Schacht nachher entlassen hat.

DR. DIX: Nun kommen wir zum Krieg. Hat da auch während des Krieges Schacht seine Entlassungsgesuche wiederholt? Ich darf Sie bitten, sich an den Sommer 1941 zu erinnern, und an die Denkschrift von Schacht an Hitler über die Notwendigkeit eines schleunigen Friedensschlusses.

LAMMERS: Das erste Rücktrittsgesuch erfolgte wegen des Verbotes zum Abhören ausländischer Sender. Dadurch war Herrn Schacht das Abhören der ausländischen Sender verboten worden, und darüber hatte Herr Schacht sich beschwert. Und er reichte ein Rücktrittsgesuch ein, ob schriftlich oder mündlich, das weiß ich nicht; das Gesuch wurde abgelehnt, und nachher hat er eine Denkschrift eingereicht, in der er über das Ende des Krieges und die wirtschaftliche und politische Lage sprach. Und auf diese Denkschrift habe ich Herrn Schacht antworten müssen, daß der Führer sie gelesen und nichts darauf zu erwidern habe. Darauf hat Herr Schacht im Jahre 1942 mich nochmals gefragt, ich möchte den Führer fragen, ob der Führer geneigt sei, nochmals eine Denkschrift entgegenzunehmen. Darauf hat mir der Führer den Auftrag gegeben, Herrn Schacht zu schreiben, er möchte weitere Denkschriften unterlassen.

DR. DIX: Ich könnte, Herr Präsident, dem Zeugen die Hauptpunkte dieser Denkschrift vom Sommer 1941 in das Gedächtnis zurückrufen. Wenn der Gerichtshof die Einzelheiten dieser Denkschrift weiß, die wir ja nicht haben, und die wir nur aus dem Gedächtnis des Zeugen ermitteln können... Ich würde sie ihm gern vorhalten, wenn aber der Gerichtshof der Ansicht ist...

VORSITZENDER: Haben Sie die Denkschrift bei sich?

DR. DIX: Nein, wir haben die Denkschrift nicht... auch nur im Gedächtnis, das heißt, Schacht erinnert sich ja daran.

VORSITZENDER: Wenn die Denkschrift verloren ist, und wenn Sie beweisen können, daß sie verloren ist, dann dürfen Sie den Inhalt dem Zeugen vorhalten. Wenn der Inhalt nicht erheblich ist, dann wäre es nicht gut, auch nicht für den Zeugen. Ist der Inhalt der Denkschrift erheblich?

DR. DIX: Die Punkte, die ich vortragen will, die halte ich für recht erheblich. Es ist auch nicht sehr lang, es ist nicht lang.

VORSITZENDER: Was die Frage des Beweises angeht, so ist, denke ich, die Regel, falls das Dokument verlorengegangen ist, daß Sie den Inhalt desselben beweisen und dem Zeugen vorhalten können. Ja, Sie können ihm die Hauptpunkte vorhalten, Dr. Dix.

DR. DIX: Also, die Frage, die Sie mir stellen, ist sehr verantwortlich. Ich kann im Moment nur versichern, daß nach meiner Überzeugung die Denkschrift verlorengegangen ist. Ob ich das beweisen kann, die negative Tatsache, daß sie verloren ist kann ich im Moment nicht beantworten. Ich bin überzeugt, daß sie verloren ist.

VORSITZENDER: Wahrscheinlich wird Herr Schacht sagen, daß sie verlorengegangen ist. Sie selbst können das natürlich nicht beweisen, aber vielleicht können Sie es durch Schacht beweisen.

DR. DIX: Ja, Schacht wird es beweisen, wenn er in den Zeugenstand kommt.

Das war im September 1941, also nach den großen Rußlanderfolgen der deutschen Armee. Da schrieb Schacht in dieser Denkschrift an Hitler, Hitler stände jetzt auf der Höhe seines Erfolges. Dies sei der günstigste Augenblick für ihn, zu einem Friedensschluß zu gelangen. Bei einer weiteren Dauer des Krieges...

MR. DODD: Meiner Ansicht nach wäre es richtiger, wenn der Anwalt erst den Zeugen fragen würde, ob er sich an den Inhalt des Dokuments erinnert, bevor er ihn vorliest.

VORSITZENDER: Ich halte das für richtig, ja.

DR. DIX: Ich habe ihn ja nicht an den Inhalt erinnert. Ich wollte ihm nur die einzelnen Punkte ins Gedächtnis zurückrufen; das hat Dr. Lammers schon gesagt.

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie ihm Satz für Satz vorhalten und nicht alle auf einmal.

DR. DIX: Also, es ist ja auch kein Vorlesen, meine Herren, sondern es ist die Wiedergabe des Inhaltes, so wie ihn Schacht in Erinnerung hat. Ich kann ihn ja nicht vorlesen, weil ich ihn nicht kenne.

VORSITZENDER: Wollen Sie den Zeugen erst mal fragen, ob er sich an den Inhalt erinnert, ohne es in die Form einer führenden Frage zu kleiden?

DR. DIX: Gewiß, ich will ihn fragen. Aber ich glaube, er hat schon geantwortet, daß er sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnert, da wollte ich sein Gedächtnis unterstützen, indem ich ihm die hauptsächlichsten Punkte in Erinnerung rufe.

VORSITZENDER: Fragen Sie ihn erst, wie weit er sich noch erinnern kann.

DR. DIX: Also, Herr Dr. Lammers, was haben Sie, ohne daß ich Ihnen die Hauptpunkte vorhalte, in Erinnerung?

LAMMERS: Ja, ich glaube, daß in der Denkschrift Herr Schacht die wirtschaftlichen Kapazitäten des In- und Auslandes auseinandergesetzt hat, daß er darauf hingewiesen hat, daß der Moment im Jahre 1941, ich glaube, es war der Herbst, der günstigste sei, um zu Friedensverhandlungen, zu einer Beilegung des Krieges zu kommen. Er hat auch die Weltlage etwas erläutert, aber das ist mir nun nicht mehr in Erinnerung, wie. Er hat die anderen Mächte skizziert, politisch. Er hat von Amerika, von Italien, von Japan gesprochen und hat das so gegeneinander abgewogen. Und als der Führer die Denkschrift angesehen hat, legte er sie beiseite und sagte: »Das habe ich ja alles schon mißbilligt, das will ich nicht haben!« Einzelheiten weiß ich nicht.

DR. DIX: Wenn Sie »andere Mächte« erwähnen, erinnern Sie sich, daß er geschrieben hat, das Ausscheiden Italiens sei nur eine Frage der Zeit, da die Gegengruppe um den König nicht ruhen würde, bis Mussolini zu Fall komme?

LAMMERS: Ja, es ist möglich, daß das daringestanden hat. Mit Bestimmtheit kann ich das nicht sagen.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Der Gerichtshof wird nun die Sitzung vertagen.