HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Kurze Pause.]

Justice Jackson! Wäre es nicht das beste, wenn Sie Ihren Einspruch gegen die betreffenden Dokumente schriftlich erheben würden, und dann wird der Gerichtshof nach einer Verhandlung dazu Stellung nehmen.

JUSTICE JACKSON: Aber, Herr Vorsitzender, der Gerichtshof hat bereits einmal die Dokumente zurückgewiesen, und doch erhielten wir einen Auftrag, sie zu drucken. Die Anordnungen des Gerichtshofs werden nicht beachtet, und – ich will die Verteidiger nicht kritisieren – aber wir haben bisher keine Möglichkeit gehabt, diese Dokumente durchzusehen. Die Matrizen, deren Anfertigung ich gestern abend habe einstellen lassen, enthalten nichts von dem, was uns vorgelegt worden ist. Sie gehören in diesen Prozeß überhaupt nicht hinein und wir kommen zu keinem Ergebnis, wenn wir mit Dr. Thoma darüber diskutieren. Er ist der Ansicht, daß ihre Philosophie hier von Bedeutung ist.

Meiner Ansicht nach müßte der Gerichtshof, wenn ich das vorschlagen darf – ich bin vielleicht ein parteiischer Richter in diesem Fall und habe niemals behauptet, vollkommen unparteiisch zu sein –, daß der Gerichtshof einen Vertreter ernennt, der diese Dokumente auf ihre Erheblichkeit hin beurteilt. Wir können diese Frage nicht durch eine Besprechung mit Dr. Thoma beendigen. Mein Vorschlag ist, ein Beamter sieht die Dokumente durch bevor sie übersetzt werden. Falls dieser Beauftragte in einer Angelegenheit Zweifel hat, kann er sie an Sie zurückverweisen. Natürlich können wir in diesem Stadium nicht über eine endgültige Annahme oder Ablehnung entscheiden. Ich sehe ein, daß es eine zu große Belastung für den Gerichtshof wäre, alle diese Dokumente im voraus durchzusehen, aber andererseits ist es für die Vereinigten Staaten eine zu große Belastung, sie weiterhin zu drucken. Papier ist heute ein seltener Artikel. Über 25000 Blätter eines Buches sind gedruckt worden, das abgelehnt worden ist. Ich glaube, es gibt hier keine andere Möglichkeit, außer daß ein Anwalt, der in der Lage ist, die Erheblichkeit zu beurteilen, den Gerichtshof in der Vorentscheidung über die Drucklegung dieser Schriftstücke vertreten soll. Das ist jedenfalls besser, als es den Verteidigern zu überlassen.

Ich möchte es nicht einmal unternehmen, mich mit Dr. Thoma zusammenzufinden, da wir von vollkommen verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen. Er will den Antisemitismus rechtfertigen, während ich der Ansicht bin, daß dies hier nicht zur Diskussion steht. Die Ermordung von Juden, von menschlichen Wesen, ist hier der Gegenstand und nicht, ob die jüdische Rasse beim deutschen Volk beliebt ist oder nicht. Das interessiert uns nicht. Es handelt sich darum, daß wir diese Fragen einmal regeln.

OBERST Y. V. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Ich möchte mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs ein paar Worte zu dem, was Herr Jackson soeben gesagt hat, hinzufügen. Auch ich habe nicht die Absicht, die Verteidiger zu kritisieren, aber der Gerichtshof hat bereits erklärt, daß ein Fehler vorliegen könnte. Und ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs darauf lenken, daß diese Irrtümer sich allzu oft wiederholten. Ich möchte mir erlauben, Sie an die Dokumente im Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag zu erinnern, die vom Gerichtshof entschieden als unerheblich abgelehnt wurden. Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß viel Zeit für die Verlesung der von Dr. Stahmer und Dr. Horn vorgelegten Dokumente verbraucht worden ist. Ich möchte den Gerichtshof an eine andere Tatsache erinnern, als ein anderer Beschluß des Gerichtshofs verletzt wurde. Vielleicht geschah es irrtümlich, vielleicht auch nicht. Es handelte sich um ein Dokument, das von Dr. Seidl vorgelegt wurde und in die Presse gelangte, bevor es vom Gerichtshof als Beweismaterial angenommen worden war. Ich glaube, daß es sehr zweckmäßig wäre, wenn der Gerichtshof, um Zeit zu sparen, die Beachtung seiner Anordnungen etwas stärker gewährleisten könnte, und zwar nicht nur seitens der Anklagebehörde, die sie alle stets gewissenhaft durchführt, sondern auch seitens der Verteidigung.

VORSITZENDER: Bitte, Dr. Thoma.

DR. THOMA: Hohes Gericht! Ich bin außerordentlich betroffen durch den Vorwurf, daß ich Anordnungen des Gerichts nicht befolgt habe. In dem Verfahren, welche Dokumente zugelassen werden sollen, habe ich eingehend dargelegt, welche philosophischen Werke ich zitieren will und warum. In der Anklage ist behauptet worden, Rosenberg habe seine Philosophie erfunden zum Zwecke des Angriffskrieges und zur Begehung von Kriegsverbrechen und so weiter. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, nachzuweisen, daß diese sogenannte völkische...

VORSITZENDER: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, wo die Anklage erklärt hat, er habe seine Philosophie erfunden, ob in der Anklageschrift oder im Verlauf des Anklagevorbringens.

DR. THOMA: Ich kann es nachweisen. Es kommt in der Churchill-Rede zum Ausdruck und auch in der Anklage von Justice Jackson sind ähnliche Ausdrücke enthalten, daß die Rosenbergsche Philosophie dazu geführt habe.

VORSITZENDER: Sie sagen, es erscheint in der Rede Churchills?

DR. THOMA: Ja.

VORSITZENDER: Was haben wir damit zu tun? Ich frage, ob die Anklagebehörde dies in der Anklageschrift oder im Verlauf des Anklagevorbringens behauptet hat, und Sie antworten mir, Churchill...

DR. THOMA: Nein, nicht Churchill, sondern Justice Jackson. In seinem Vortrag hat er ähnliche Dinge gesagt, die dem Sinn nach dasselbe bedeuten. Infolgedessen habe ich mich für verpflichtet gehalten, die Philosophie dem Gericht darzulegen, die schon vor Rosenberg ähnliche Argumente vorgebracht hat, und zwar die Philosophie aus der ganzen Welt.

Bezüglich der Vorlage des Dokumentenbuches hat sich folgendes ereignet: Ich wurde von der Übersetzungsabteilung aufgefordert, weil sie damals Zeit hatte, mein Dokumentenbuch möglichst bald einzureichen, noch bevor es dem Gericht überwiesen wird. So kam tatsächlich dieses Dokumentenbuch eher in die Übersetzungsabteilung, als es das Gericht hatte. Aber das Gericht hat mir ausdrücklich mit Beschluß vom 8. März 1946 bewilligt, daß ich Zitate aus diesen philosophischen Büchern bringen darf. Es hat mir nur alle antisemitischen Werke, den Goldstein, den Elbogen und den Homan-Harling nicht bewilligt. Daraufhin habe ich dem Gerichtshof sofort mitgeteilt, daß in meinem Dokumentenbuch Schriftstücke drin sind, Zitate drin sind, die mir der Gerichtshof nicht bewilligt hat.

Meine Hohen Herren, und jetzt etwas sehr Entscheidendes. Ich habe jetzt festgestellt, dieses Zitat, das Mr. Jackson gebraucht hat, das stammt von einem französischen Forscher M. Larouche.

Zweitens, ich habe in meinem Dokumentenbuch ausdrücklich die Stellen, die übersetzt werden sollen, mit Rotstift gekennzeichnet. Dieses Zitat, das Herr Jackson gebraucht hat, war nicht rot gekennzeichnet und sollte in das Dokumentenbuch nicht aufgenommen werden. Es ist dies ein bedauerlicher Irrtum.

Drittens möchte ich darauf Bezug nehmen, daß... Ich bekomme eben einen neuen Hinweis, der wörtliche Ausdruck lautet: »Rosenberg hat die philosophische Technik der Verschwörung ausgearbeitet und hat damit ein Erziehungssystem für einen Angriffskrieg vorbereitet«. Das war der Ausdruck in der Rede von Herrn Jackson. Deshalb habe ich geglaubt, darauf hinweisen zu dürfen, daß diese ganze Philosophie bereits in der Luft lag und sogar als eine philosophische Notwendigkeit, die in Erscheinung treten mußte. Ich glaube also, daß ich mich von dem Vorwurf, daß ich irgendwie Anordnungen des Gerichts nicht befolgt habe, gereinigt habe.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, sind diese Dokumente zum Presseraum geschickt worden oder zur Übersetzungsabteilung?

DR. THOMA: Sie sind meines Erachtens in die Übersetzungsabteilung geschickt worden, weil die Übersetzungsabteilung erklärt hat, sie habe jetzt Zeit, und es komme aber bald ein furchtbarer Ansturm. Ich war mit meinen Dokumenten fertig, ich habe sie eingereicht.

VORSITZENDER: Justice Jackson hatte erklärt, daß anscheinend diese Dokumente in den Presseraum geschickt wurden und auf diese Art an die Öffentlichkeit gelangten. Auf jedem Dokumentenbuch findet sich außen der Vermerk, daß es nicht veröffentlicht werden dürfe, bevor es dem Gerichtshof in öffentlicher Sitzung vorgelegt worden ist, und dann nur der Teil, der tatsächlich zum Beweis benützt wurde. Daher werden Dokumente, die der Übersetzungsabteilung zugehen, nicht verbreitet oder sollten nicht verbreitet werden an die Presse, sie sollten nicht veröffentlicht werden, bevor sie dem Gerichtshof vorgelegt sind.

Es scheint, daß hier eine Anzahl von Mißverständnissen entstanden ist, und zwar vor allem aus dem Grund, weil Sie Ihre Dokumente der Übersetzungsabteilung übergeben haben, bevor sie dem Gerichtshof vorgelegt waren, und deshalb wurden einige Stücke übersetzt, die später vom Gericht abgelehnt wurden. Ist das richtig?

DR. THOMA: Nein, meine Herren, das stimmt nicht, sondern erstens war das tatsächlich ein interner Vorgang bei den verschiedenen Stellen der Übersetzungsbehörde. Ich habe dieses Dokumentenbuch, weil sie mich darum bat, der Übersetzungsabteilung übergeben und dann habe ich beim Generalsekretariat...

VORSITZENDER: Ich habe nicht gefragt, wer wen gefragt hat. Ich sage, daß die Übersetzungsabteilung diese Dokumente zur Übersetzung bekam, bevor sie dem Gerichtshof vorgelegt worden waren, und infolgedessen hat sie gewisse Dokumente übersetzt, die hernach vom Gericht abgewiesen wurden.

DR. THOMA: Abgewiesen wurden bekanntlich nur die drei antisemitischen Werke. Daß diese Dokumente irgendwie aus dem Gerichtssaal an die Presse kommen, habe ich natürlich nicht gewußt, sondern ich dachte, die Arbeit der Übersetzungsabteilung zu erleichtern. Ich habe dann auch dem Herrn Generalsekretär mitgeteilt, daß ich das Dokumentenbuch eingereicht hätte und habe ihn darauf hingewiesen. Aber die Zitate aus meinen philosophischen Büchern wurden mir ja dann später genehmigt. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß ich immer der Meinung war, daß das alles ein interner Vorgang bleibt und daß keineswegs die Dokumente so an die Presse kommen dürfen. Über diese Vorgänge war ich nicht unterrichtet.

Ich bin mir sehr bewußt, daß diese Zitate aus Büchern, die nicht in dem Sitzungssaal hier vorgetragen worden sind, auch nicht in die Presse kommen dürfen. An das habe ich mich auch gehalten. Es ist auch noch nichts vorgetragen worden in der Sitzung. Es dürfte auch noch nichts in die Presse kommen.

VORSITZENDER: Wie Sie doch sicher wissen, ist die erste Zulassung von Dokumenten, wenn sie unterbreitet werden, nur provisorisch. Dann müssen Sie Ihre Dokumente dem Gerichtshof in öffentlicher Sitzung unterbreiten, wie das Dr. Horn getan hat, dann entscheidet der Gerichtshof über ihre Zulässigkeit. Und diese andere Anordnung wurde zu dem Zweck getroffen, unnötige Übersetzungen zu vermeiden. Es wurde damals beschlossen, daß erst nach der provisorischen Entscheidung des Gerichtshofs über die provisorische Erheblichkeit eines Dokuments Sie jene Stellen, die Sie zitieren wollten, dann der Anklagebehörde vorlegen müßten, um ihr eine Möglichkeit zu geben, Einspruch zu erheben, so daß die Übersetzungsabteilung nicht unnötig belastet wird. Das wurde, wie Sie und auch Sir David Maxwell-Fyfe erklärt haben, in Ihrem Fall nicht ausgeführt, teilweise, weil, wie Sie sagen, die Übersetzungsabteilung bereit war, gewisse Arbeiten zu übernehmen. Aus diesem Grund wurden ihr Dokumente übergeben, die der Gerichtshof später für unzulässig erklärte.

JUSTICE JACKSON: Darf ich vielleicht einen Irrtum aufklären. Ich wollte nicht sagen, daß die Verteidiger die Dokumente zur Druckerei geschickt hatten, im Sinne einer Zeitungsdruckerei. Sie wurden in unsere Druckerei geschickt. So wurden sie natürlich gedruckt. Die 260 Exemplare, die wir Anweisung hatten, zu drucken, trugen den Vermerk, daß sie nicht veröffentlicht werden dürften vor ihrer Verwendung. Sie haben nicht die Presse erreicht, sondern nur die Druckerei, und ich wollte nicht sagen, daß sie an die Zeitungsdruckerei gingen.

VORSITZENDER: Ja, Dr. Dix?

DR. DIX: Hoher Gerichtshof! Bevor ein Beschluß gefaßt wird in der eben behandelten Diskussion, darf ich bitten, einige Bemerkungen von mir, nicht für den Fall Rosenberg, sondern allgemein für die Verteidigung entgegennehmen zu wollen. Es sind generell außerordentlich schwere Vorwürfe gegen die Gesamtverteidigung erhoben worden. Es ist der Ausdruck gefallen, die Anklagebehörde wäre nicht der Pressechef der Verteidigung. Es ist der Vorwurf gemacht worden, es würde von der Verteidigung versucht, Propaganda zu machen, und dann haben sich diese Vorwürfe sogar in den schwersten Vorwurf gesteigert, den man einem Mitwirkenden an einer Gerichtsverhandlung überhaupt machen kann, nämlich den Vorwurf des »Contempt of Court«.

Ich kann für die Gesamtverteidigung diesen schweren Vorwürfen das Beste und Stärkste entgegensetzen, was man Vorwürfen entgegensetzen kann, nämlich ein absolut reines und gutes Gewissen auf diesem Gebiete. Wer die Debatte der letzten halben Stunde mit angehört hat, hat erkannt, daß auch die Meinungsverschiedenheiten, die jetzt hier entstanden sind und über die das Gericht jetzt einen Beschluß verkünden wird, auch wiederum auf Mißverständnisse im Gerichtssaal zurückzuführen waren.

Mr. Jackson hat eben loyalerweise richtiggestellt, daß er unter Presse nicht die Zeitungspresse, sondern die Druckerpresse gemeint hat und mein Kollege Dr. Thoma hat dann auch aufgeklärt, daß diese Dokumente nur in die Übersetzungsabteilung gekommen sind, weil die Übersetzungsabteilung sehr verständig, sehr fleißig und vernünftig von ihrem Standpunkt aus gesagt hat, wir haben jetzt gerade mal nicht viel zu tun, gib mal her, dann können wir schon anfangen zu übersetzen. Ich glaube, wir könnten alle diese Schwierigkeiten vermeiden, wenn wir gegenseitig voraussetzen, daß wir beide Seiten, Prosecution und Verteidigung, mit dem besten Willen loyal ans Werk gehen und uns der Gedanke, die Befehle des Gerichts bewußt nicht zu befolgen, vollkommen fernliegt. Irrtümer und Mißverständnisse können immer vorkommen. Ich darf daran erinnern, daß dieses »Leakage« an die Presse, daß irgendwelche Veröffentlichungen an die Presse herausgegangen sind, bevor sie hier Gegenstand der Gerichtsverhandlung geworden sind, daß das zu Beginn des Verfahrens häufig vorgekommen ist. Ich will keine Beispiele bringen, das Gericht weiß das ja, es kam nicht von der Verteidigung, ich weiß nicht von wem, jedenfalls nicht von der Verteidigung, aber ich erhebe keine Vorwürfe. So etwas kommt vor, so ein Apparat muß sich erst einspielen. Böser Wille hat auch damals nicht vorgelegen. Aber ich darf daran erinnern, daß wir es gewesen sind, und zwar durch meinen Mund, die ganz energisch unterstrichen haben, daß doch nur das an die Presse kommen sollte, was hier in öffentlicher Verhandlung in den Prozeß eingeführt worden ist, und erst dann die Regelung des Gerichts in diesem Sinne erfolgte. Vorher war es eben anders.

Ich habe das aber nie als Beleidigung empfunden, sondern eben nur als eine gottgewollte Abhängigkeit der Menschen. Zum Beispiel war es für mich unmöglich, zu Beginn des Prozesses die Charter, die Grundlage unseres Prozesses, zu bekommen, aber schließlich wurde sie mir gegeben von der Presse, liebenswürdigerweise.

Also, wenn so ein schwieriger Apparat aufgezogen wird, gibt es natürlich immer wieder Fehler und Irrtümer. Wir haben doch nun mit Sir David bereits angefangen, in nützlicher Weise diese Fragen der Dokumente möglichst praktisch zu gestalten, indem wir uns erst unterhielten mit der Anklagebehörde, solange nur der deutsche Text vorlag, um herauszufinden, gegen welche Stellen die Anklagebehörde glaubt, Einwände erheben zu können. Da war die technische Schwierigkeit, war die sprachliche Schwierigkeit, lag nur der deutsche Text vor oder die verschiedenen Sprachen der Verhandlungspartner. Ich sprach dann mit der Anklagebehörde, und wir begriffen das Problem der anderen Verhandlungspartner. Aber auch das konnte man mit gutem Willen lösen, notfalls zog man einen Dolmetscher hinzu. Also es war ein ausgezeichneter und praktischer Weg, erstens, einmal der Übersetzungsabteilung unnötige Übersetzungen zu sparen, und zweitens, dem Gerichtshof unnötige Entscheidungen zu sparen. Und es ging ausgezeichnet, es lief gut an. Ich muß für die Verteidigung in Anspruch nehmen – ich glaube, das wird Sir David nicht bestreiten –, daß wir bei diesem Gedanken, erstmals inoffiziell vorher durch Unterhaltung mit der Anklagebehörde zu klären, eigentlich mit führend gewesen sind, also mitgearbeitet haben.

Die Verteidigung ist in diesem Prozeß in einer sehr schwierigen Lage. Ich glaube, jeder von Ihnen wird mir zugeben, daß ein menschliches Können beinahe übersteigendes Ausmaß an politischem Taktgefühl dazu gehört, in diesem Prozeß zu verteidigen, ohne jemals einen kleinen Fehler zu begehen. Jedenfalls, ich für mich nehme nicht in Anspruch, auf diesem Gebiet total sicher zu sein, und auch nicht einmal der Täter eines kleinen faux pas zu werden. Also eine sehr schwierige Situation, schwierig der Welt gegenüber, schwierig dem Gericht gegenüber, schwierig der deutschen Öffentlichkeit gegenüber.

Ich bitte Justice Jackson doch dringend, für diese schwierige Aufgabe Verständnis zu haben und nicht noch seinerseits Vorwürfe zu unterstreichen, die wir leider in der Presse, in der deutschen Presse des öfteren lesen müssen. Wir können nicht jedesmal wegen uns angreifender Artikel in den Zeitungen, wo unberechtigte Vorwürfe gegen uns erhoben werden, zu dem Gericht laufen und sagen: »Bitte hilf uns!« Das Gericht hat Wichtigeres zu tun, als nur dauernd die Verteidigung zu schützen.

Aber gerade der Vorwurf, daß hier nationalsozialistische Propaganda gemacht wird, oder gerade der Vorwurf, daß hier antisemitische Propaganda gemacht wird: Ich glaube, ich kann mit bestem Gewissen versichern, daß es keinem der Verteidiger, gleichgültig welcher weltanschaulichen oder politischen Überzeugung in der Vergangenheit, auch nur in den Sinn kommt, diesen Gerichtssaal dazu zu benützen, um für die begrabene Welt, ich unterstreiche die begrabene Welt des Dritten Reiches, ideologisch Propaganda zu machen. Es wäre nicht nur unrecht, sondern es wäre schlimmer als ein Unrecht, ich möchte sagen, um mit Talleyrand zu sprechen, es wäre eine untragbare Dummheit, das zu tun.

Gerade aber, weil wir angegriffen werden, weil wir uns nicht wehren können und weil wir anständigerweise nicht das Gericht bei jedem Angriff bitten können, uns in Schutz zu nehmen, bitte ich Justice Jackson, die Atmosphäre doch etwas zu bereinigen und uns eine Erklärung abzugeben, daß diese schwerwiegenden Vorwürfe, Mißachtung des Gerichts, antisemitische Propaganda, oder nationalsozialistische Propaganda und so weiter, nicht ernstlich erhoben werden sollen.

Ich glaube, in dem kameradschaftlichen Zusammenarbeiten, in dem wir bisher mit der Anklagebehörde gestanden haben... Ich jedenfalls muß offen bekennen, daß ich dankbar an diese Zusammenarbeit zurückdenke und außerordentlich die Förderung und Kameradschaftlichkeit, wie mir die Herren entgegengekommen sind, anerkenne. Das soll doch erhalten bleiben. Wo kämen wir denn hin, wenn wir hier in einem Kampfstadion wie Kampfhähne uns gegenüberstehen. Wir verfolgen doch alle dasselbe Ziel.

Also, ich bitte Justice Jackson nicht nur darum, sondern so wie ich ihn kenne, wird er es auch ohne meine Bitte tun, eine Erklärung abzugeben, um diese höchst peinliche und nicht nur die Verteidigung, sondern sicher den ganzen Saal drückende Beschuldigung zu – sagen wir mal – zu bereinigen.

Ich danke Ihnen, meine Herren Richter, daß Sie mir so lange Ihr Gehör geschenkt haben, aber ich glaube, die Sache war bedeutungsvoll genug, um ein weiteres reibungsloses und die Sache förderndes Zusammenarbeiten zwischen der Anklagebehörde und der Verteidigung zu gewährleisten.

DR. THOMA: Hohes Gericht! Ich bitte, mir nochmals ganz kurz zur tatsächlichen Berichtigung das Wort zu geben.

Ich möchte genau zitieren, aus welcher Stelle hervorgeht, daß Rosenberg allein verantwortlich gemacht wird hier für die falsche Ideologie. Es heißt in der amerikanischen Sonderanklage (Band V, Seite 53 des deutschen Protokolls): Rosenberg hat das deutsche Erziehungssystem umgestaltet, um das deutsche Volk dem Willen der Verschwörung gefügig zu machen und um das deutsche Volk für einen Angriffskrieg psychologisch vorzubereiten.

Das ist ein Zitat, das mir augenblicklich zur Verfügung steht.

Zweitens, nur noch ein Wort. Ich bin gezwungen, gegen den Vorwurf von Justice Jackson noch persönlich Stellung zu nehmen und ich muß hier etwas sagen, was ich in diesem Gerichtssaal nicht gesagt hätte, nämlich, daß ich Herrn Rosenberg wiederholt gesagt habe: Herr Rosenberg, ich kann Ihren Antisemitismus nicht verteidigen, das müssen Sie selbst machen! Ich habe mich deshalb sehr beschränkt in den Dokumenten, habe es aber für meine Pflicht gehalten, Rosenberg alle Hilfsmittel zu geben, daß er sich in diesem Punkt selbst verteidigen kann.

Ich möchte nochmals hinweisen, diese Stelle, die Justice Jackson vorhin zitiert hat, war nicht rot angestrichen in dem Dokumentenbuch und ist aus Versehen in die Übersetzung gekommen.

JUSTICE JACKSON: Ich will auf keinen Fall ungerecht sein gegen die Gegenseite, denn ich weiß, daß Sie eine schwierige Aufgabe haben. Ich hoffe jedoch, daß sie dem Gerichtshof vorliegt – ich werde alle Charakterisierungen fortlassen und mich nur auf die Tatsachen beziehen, nämlich auf die Verfügung vom 8. März 1946, dritter Absatz. Ich verweise das Gericht auf die Tatsache, daß er wie folgt lautet: »Die folgenden Dokumente sind als unerheblich abgelehnt worden: Rosenberg: ›Kunstwart‹, ›Geschichte der Juden in Deutschland‹, ›Geschichte des jüdischen Volkes‹.« Dies sind die einzigen drei, die zu nennen ich mir jetzt die Zeit nehmen möchte.

Zwei Tage nach dieser Anordnung, am 10. März 1946, hat der Verteidiger des Angeklagten Rosenberg dem Gerichtshof ein ziemlich langes Schriftstück vorgelegt, in dem er neuerlich das Ansuchen stellte, ihm die Zitate aus den genannten Büchern zu gestatten.

Am 23. März 1946 hat dieser Gerichtshof diesen Antrag wieder als unerheblich abgelehnt.

Ich werde jetzt die Matrizen vorlegen, die wir laut Auftrag vom 8. April 1946 drucken sollten. Sie sind ein bißchen schwierig zu lesen. Das erste ist ein Zitat aus der ›Geschichte des jüdischen Volkes‹, eines der abgelehnten Bücher. Das nächste ist ein Zitat aus dem ›Kunstwart‹, ein anderes der abgelehnten Bücher. Und das dritte ist aus der ›Geschichte der Juden in Deutschland‹, aus dem dritten von diesen Büchern, die ich genannt habe.

Wir haben keine Zeit gehabt, alle diese Matrizen zu prüfen, aber eine kurze Prüfung hat ergeben, daß es sich meistenteils, wenn nicht sogar ausschließlich, um Zitate aus den abgelehnten Büchern handelt.

Ich gebe dazu keine Charakterisierung ab. Ich verweise ganz einfach auf diese Tatsachen.

VORSITZENDER: Justice Jackson! Hängt nicht alles davon ab, an welchen Daten diese Dokumente in die Übersetzungsabteilung gegeben wurden? Da, wie Dr. Thoma sagt, die Übersetzungsabteilung ihm angeboten habe, Dokumente anzunehmen, übergab er sie, bevor sie vom Gericht abgelehnt waren. Und falls das so ist, dann würde daraus folgen, nicht wahr...

JUSTICE JACKSON: Euer Lordschaft! Ich weiß nicht, was er gesagt hat. Ich hatte nicht verstanden, daß die Dokumente vor dem 8. März 1946 übergeben wurden. Jedenfalls, selbst wenn sie übersetzt wurden, der Druckauftrag an uns ist vom 8. April 1946 und wurde uns zusammen mit den Dokumenten gegeben. Nach der Zurückweisung war bestimmt Zeit genug, den Aufwand an Geld und Arbeit aufzuhalten, nämlich Dokumente zu drucken, die sogar zweimal abgelehnt worden waren.

Ich möchte es nicht weiter charakterisieren, die Tatsachen sprechen für sich selbst.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, können Sie uns über die Daten Aufklärung geben? Können Sie uns in diesem Punkt helfen? Justice Jackson hat behauptet, daß, nachdem diese drei Dokumente das erstemal abgelehnt wurden, Sie erneut einen Antrag für diese am 10. März 1946 gemacht haben, und daß am 23. März 1946 dieser endgültig abgelehnt wurde.

Sagen Sie uns jetzt, wann haben Sie diese Dokumente der Übersetzungsabteilung übergeben?

DR. THOMA: Die Dokumente wurden meines Erachtens vor dem 8. März in die Übersetzungsabteilung gegeben. Es war eine Sitzung über die Zulässigkeit von Dokumenten und um diese Zeit, bevor darüber entschieden war, war die Übersetzungsabteilung bei meiner Sekretärin und hat sie gebeten, das Dokumentenbuch einzureichen, weil sie erfahren hatten, daß es fertig sei. Dann habe ich hier in diesem Sitzungssaal um diese philosophischen Zitate gekämpft und hatte den Eindruck, daß das Gericht auf diese Dokumente nicht eingehen will. Daraufhin habe ich noch einmal ein schriftliches Ersuchen an das Gericht gerichtet, damit mir die Dokumente bewilligt werden. Als mir dann mitgeteilt wurde, daß die antisemitischen Bücher nicht genehmigt würden – und das war einige Tage später als das Datum dieses Beschlusses –, habe ich dem Gericht die Mitteilung gemacht, ich machte darauf aufmerksam, daß Bücher in der Übersetzung seien, die nicht bewilligt waren.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, natürlich sind Sie nicht imstande, uns jetzt die genauen Daten zu geben, und wir werden uns noch näher mit der Sache befassen.

DR. THOMA: Ich bitte nochmals zur Kenntnis zu nehmen, daß ich ja selbst darauf hingewiesen habe, daß in dem Dokumentenbuch Zitate sind, die nicht genehmigt worden sind. Ich bitte daraus zu entnehmen, daß ich nichts Unberechtigtes tun wollte.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, ich glaube, wenn die Dokumente abgewiesen worden sind, dann wäre es doch richtig gewesen, sie aus Ihrem Dokumentenbuch zu entfernen, oder mit der Übersetzungsabteilung in Verbindung zu treten und sie davon zu unterrichten, daß die Dokumente zurückgenommen werden sollten.

Der Gerichtshof hält es jedenfalls für das beste, den Vorschlag von Justice Jackson zu erwägen. Das heißt, um der Anklagebehörde ihre Aufgabe der Entscheidung oder des Einspruchs gegen Dokumente zu erleichtern, die der Übersetzungsabteilung zugeleitet werden, soll diese Angelegenheit von einem Beauftragten des Gerichtshofs als Sachkundiger geprüft werden.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß Justice Jackson oder ein Ausschuß der Anklagevertreter einen schriftlichen Antrag stellen sollten auf Streichung aller unerheblichen Dokumente im Dokumentenbuch des Angeklagten Rosenberg, gegen die sie Einspruch erheben.

Gegenwärtig wird der Gerichtshof das System beibehalten, das mit dem Einverständnis der Ankläger eingerichtet wurde.

Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich meiner Ansicht nach recht hatte, als ich sagte, daß der Verbindungsausschuß der Anklagebehörde mit dem Gerichtshof am 29. März 1946 – ich habe das Dokument vor mir – den Wunsch aussprach, die Anordnung, die vom Gerichtshof getroffen worden war, zu ändern, nämlich die Anordnung Nummer 297, die am 8. März 1946 erlassen wurde.

DR. THOMA: Ich bin tatsächlich zu dem Offizier gegangen und habe ihm gesagt, die Dokumente müßten heraus, die dürfen nicht drinnenbleiben. Dann hat sich aber herausgestellt, daß sie schon zu Hunderten von Exemplaren gebunden und gerichtet waren, und dann hat man gesagt, ja sie werden hier nicht zitiert, die können schon drinbleiben, weil sie hier nicht zitiert werden. Ich habe ausdrücklich darum gebeten, daß sie aus dem Dokumentenbuch heraus müssen.

VORSITZENDER: Natürlich, ich wollte damit nicht sagen, daß der Gerichtshof von der Anklagebehörde verlangt, schriftliche Anträge zu stellen, daß Dokumente entfernt werden, die bereits schon abgelehnt sind. Diese sind auch ohne Antrag zu entfernen; aber soweit andere Dokumente enthalten sind im Rosenbergschen Dokumentenbuch, gegen welche die Anklagebehörde Einspruch erhebt, kann sie nach Belieben Einspruch einlegen, über den in offener Sitzung verhandelt werden müßte.

Wie ich schon gesagt habe, die Zulassung eines Dokuments ist nur eine vorläufige und die Anträge betreffend der endgültigen Zulassung der Dokumente müssen in offener Sitzung gestellt werden.

Der Gerichtshof wird sich vom Generalsekretär einen Bericht geben lassen über diese Daten und diese Sachen. Und jetzt werden wir zehn Minuten Pause eintreten lassen.