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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist zu dem Beschluß gekommen, daß es Zeit sparen wird, wenn die Angeklagten als erste Zeugen in der Sache jedes Angeklagten aufgerufen werden. Deshalb muß in Zukunft der Angeklagte zuerst aufgerufen werden, wenn nicht besondere Ausnahmegründe vorliegen. In diesem Falle kann der Verteidiger beim Gericht einen Antrag einbringen. Der Gerichtshof wird die Gründe prüfen, warum der Angeklagte irgendwann später als der erste Zeuge vernommen werden soll.

Ja, Dr. Dix?

[Zum Zeugen Lammers gewandt:]

DR. DIX: Herr Zeuge! Ich sagte oder ich begann zu sagen..., ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich zu schnell frage, nachdem Sie Ihre Antworten gegeben haben, und daß Sie zu schnell antworten, nachdem ich gefragt habe. Die Dolmetscher kommen nicht nach und die Stenographen auch nicht. Ich bitte Sie deshalb, genau so werde ich verfahren, nach jeder Frage von mir eine kurze Pause zu machen. Das Gericht wird bestimmt nicht diese Pause dahin auslegen, daß Sie Ihrer Antwort nicht sicher sind.

Sie haben gestern dem Tribunal eingehende Bekundungen gemacht über die verschiedenen Entlassungsgesuche von Schacht an Hitler und über verschiedene Friedensschritte und Friedensvorstellungen, mündliche und schriftliche, die Schacht während des Krieges über Sie Hitler unterbreitet hat oder unterbreiten wollte. Wir hielten zuletzt bei einer solchen Denkschrift vom Sommer 1941, und ich hatte das Empfinden, daß das Gericht verfahrensgemäß Bedenken hatte, daß ich den Inhalt dieser Denkschrift, die ich nicht mehr habe – die Kopie liegt in der schon öfters erwähnten Kassette, die beschlagnahmt worden ist auf dem Gut von Schacht, während des Einmarsches der Roten Armee, und trotz größten Bemühens konnte die Russische Delegation diese Kassette bisher nicht beschaffen –, also kurz, ich hatte den Eindruck, daß das Gericht verfahrensmäßige Bedenken hatte, wenn ich den Inhalt dieser Denkschrift durch Vorhaltung mir vom Zeugen bestätigen ließe.

Obgleich noch einige sehr hübsche Stellen drin sind, bin ich gern bereit, hier abzubrechen und diese Fragen Herrn Schacht vorzulegen, wenn das Gericht dies vorziehen würde. Ich bitte diesbezüglich um eine Entscheidung, dann würde ich aufhören, die Denkschrift zu befragen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hatte keine Einwände dagegen, daß Sie den Zeugen darüber fragen, der Gerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß Sie keine führenden Fragen stellen sollen, und daß Sie den Zeugen fragen sollen, ob er sich an das Dokument erinnert, und was der Inhalt des Dokuments war; Sie sollten ihm nicht vorhalten, daß es so und so in dem Dokument hieß, sondern nur fragen, was der Inhalt dieses Dokuments war.

DR. DIX: Die Grenze zwischen Suggestivfragen und Vorhalt des Inhalts eines Dokuments, was dem Zeugen nicht mehr genau in Erinnerung ist, ist ja sehr flüssig, und dann ziehe ich es vor mir den weiteren Inhalt der Denkschrift lieber von Herrn Schacht sagen zu lassen, und dann sind wir über diese Schwierigkeit hinweg. Ich breche dann zu diesem Punkt ab und komme zu einem anderen Gebiet.

Herr Zeuge! Sie haben gestern durchaus richtig, als Sie darüber befragt wurden, und zwar im Rahmen des Verteidigungskomplexes von Funk durch meinen Herrn Kollegen Sauter, ausgeführt wie im Jahre 1939 die diesbezügliche Praxis war daß Hitler ganz einfach dekretierte: Die Reichsbank hat soundso viel Kredit zu geben. Ich möchte aber vermeiden, daß hier ein falscher Eindruck über die frühere Stellung der Reichsbank zu dieser Frage beim Gericht entsteht. Sie wissen ja, daß die Reichsbank im Januar 1939 durch ein Dekret Hitlers ihre frühere Selbständigkeit verloren hat, ein Dekret, in welchem Hitler anordnete, daß er die Kredite bestimme, die die Reichsbank zu geben habe, und daß dieser interne Erlaß von Hitler dann durch ein Gesetz vom Juni 1939 verkündet und zur Gesetzeskraft erhoben wurde.

Ich möchte deshalb, so daß das Gericht einen richtigen Eindruck über die Gesamtstellung, auch die frühere Einstellung der Reichsbank, bekommt, an Sie die Frage richten: Wie war es denn vor dem Januar 1939, also in der Schacht-Periode, der bekanntlich im Januar gegangen ist als Reichsbankpräsident? Konnte da Hitler auch einfach dekretieren: Wir geben soundso viel Kredit! Oder war da die Reichsbank noch selbständig und konnte diesen Kredit verweigern beziehungsweise kündigen?

LAMMERS: Die gesetzlichen Vorschriften, die in dieser Hinsicht bestanden, sind mir nicht so in der Erinnerung, daß ich darüber eine erschöpfende Auskunft geben kann, wann sie und wie sie geändert worden sind. Ich kann aber nur das eine bestätigen, daß zu der Zeit, als Herr Schacht Reichsbankpräsident war, Herr Schacht bezüglich der Bewilligung der Kredite dem Führer irgendwelche Schwierigkeiten gemacht haben muß. Ich bin bei den Unterredungen zwischen dem Führer und Schacht nicht zugegen gewesen. Ich weiß aber aus Äußerungen, die der Führer getan hat, daß er bei Schacht hinsichtlich der Kreditbewilligung auf große Schwierigkeiten und Hemmungen gestoßen ist, Hemmungen, die ja letzten Endes zum Rücktritt von Schacht als Reichsbankpräsident geführt haben. Dagegen weiß ich, daß mit dem Augenblick, als Herr Funk Reichsbankpräsident wurde, diese Schwierigkeiten nicht mehr vorhanden waren. Sie waren also offenbar durch die gesetzlichen Bestimmungen ausgeräumt und sie waren durch die Befehle ausgeräumt, die der Führer erteilt hat; denn als Herr Funk Reichsbankpräsident war, vollzogen sich die Kreditbewilligungen lediglich in der Form, wie ich sie gestern geschildert habe, bei der ich das technische Verfahren dargelegt habe, das im wesentlichen darin bestand, daß die Aufträge für Reichsanleihen und andere Kreditbewilligungen für den Führer nur eine reine Unterschriftsangelegenheit waren. Sie waren eine Angelegenheit...

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß der Zeuge Ihre Fragen richtig beantworten kann. Ich glaube nicht, daß er Ihre Frage, wie Sie sie gestellt haben, nämlich nach der Lage vor 1939, beantworten kann. Sie müssen sich, glaube ich, auf die Erlasse und Dokumente stützen.

DR. DIX: Einen Moment, Herr Lammers, ich werde das gleich klarstellen. Sie haben jetzt Bekundungen gemacht, wie es praktisch gehandhabt wurde 1939 in den Büchern. Ist Ihnen nicht mehr in Erinnerung, daß die Reichsbank früher selbständig war gegenüber der Reichsregierung?

LAMMERS: Das ist mir in Erinnerung. Es ist mir auch in Erinnerung, daß gesetzliche Änderungen erfolgt sind, ich weiß nur nicht mehr, wann sie erfolgt sind. Ich kann auch ohne Einsicht der Gesetzbücher nicht genau sagen, welchen Inhalt diese gesetzlichen Bestimmungen hatten, namentlich welche zahlenmäßigen Begrenzungen. Ich weiß nur, daß die Stellung des Reichsbankpräsidenten später erheblich herabgedrückt worden ist gegenüber den Befehlen des Führers.

DR. DIX: Das genügt hierzu. Dann aus der gleichen Sparte: Es ist ja sehr schwer, und zwar auch schon für einen Deutschen, der hier die ganze Zeit gelebt hat, besonders aber für einen Ausländer, die Machtapparatur des Dritten Reiches zu verstehen, und ich glaube, daß nach Ihren gestrigen Bekundungen auf die Fragen des Kollegen Sauter doch noch nicht alles gesagt ist, und daß Sie auch noch mehr sagen können zur Aufklärung des Tribunals. Wenn ich nicht wüßte was Sie wissen, sondern ein dritter Außenseiter wäre, würde ich aus Ihren gestrigen Bekundungen den Eindruck mitnehmen, ja das war also so: Der Reichsinnenminister hatte der Polizei nicht zu befehlen, der Reichswirtschaftsminister leitete nicht selbständig die Wirtschaft, sämtliche Reichsminister hatten keine Amtsgewalt und keine Anweisungsbefugnisse gegenüber den Reichskommissaren für die besetzten Gebiete.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Ich möchte respektvoll bemerken, daß tatsächlich Dr. Dix hier Zeugnis ablegt. Ich glaube, daß er vielleicht die Fragen etwas präziser stellen könnte, wir würden schneller vorwärtskommen und die Antworten würden klarer sein.

DR. DIX: Ich werde meine Fragen schon präzise stellen. Ich kann aber diese Frage nicht präzise stellen, wenn ich nicht erst durch Vorhalt feststelle, was bisher noch nicht gesagt worden ist; sonst kann die präziseste und kürzeste Frage nicht gestellt werden, sonst wird namentlich auch vom Gericht nicht verstanden, worauf ich hinauswill. Also, ich kann Mr. Dodd versichern, ich werde nichts Ungewisses fragen, sondern ich werde eine sehr präzise Frage stellen. Fahren wir sogleich fort.