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[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

Wollen Sie uns Ihren vollen Namen nennen?

ZEUGE ADOLF WESTHOFF: Adolf.

VORSITZENDER: Ihren vollen Namen.

WESTHOFF: Adolf Westhoff.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir bitte diesen Eid nach:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

Sie können sich setzen.

General Westhoff, Sie haben vor Brigadegeneral Shapcott oder vor Hauptmann J. B. Parnell eine Erklärung abgegeben, stimmt das?

WESTHOFF: Der Name des Hauptmanns ist mir nicht bekannt. Ich habe in England eine Erklärung abgegeben.

VORSITZENDER: Ja, und zwar am 13. Juni 1945.

WESTHOFF: Das ist möglich, ja.

VORSITZENDER: Sie sprechen nicht englisch, nehme ich an?

WESTHOFF: Nein.

VORSITZENDER: Ich werde sie Ihnen verlesen; hat die Anklagevertretung ein anderes Exemplar dieses Dokuments?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

VORSITZENDER: Gut, Sir David, folgen Sie mir bitte beim Verlesen, und lenken Sie meine Aufmerksamkeit auf Stellen, die wirklich erheblich sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

VORSITZENDER: Es ist ein ziemlich langes Dokument, und ich möchte dem Zeugen nicht alles verlesen.

Der Gerichtshof möchte nämlich wissen, General Westhoff, ob Sie diese Erklärung aufrechterhalten, oder ob Sie wünschen, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Ich werde es Ihnen vorlesen, um Ihre Erinnerung aufzufrischen; und zwar werde ich die wesentlichen Stellen aus dieser Erklärung vorlesen.

WESTHOFF: Jawohl.

VORSITZENDER:

»Ich hatte die Leitung der Abteilung ›Allgemeines‹, als die Erschießung der RAF-Fliegeroffiziere in Stalag Luft III stattfand. Es war das erstemal, daß Feldmarschall Keitel mich rufen ließ. Ich ging mit General von Graevenitz, er wurde gerufen, und ich mußte ihn begleiten. Eine gewisse Anzahl Offiziere war aus dem Lager Sagan entflohen.«

Lese ich zu schnell?

»Ich kann mich nicht entsinnen, wieviele es waren, ich glaube jedoch ungefähr 80...«

DR. NELTE: Herr Vorsitzender Kann ich dem Gericht damit dienen, daß ich eine deutsche Übersetzung, die mir von der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt worden ist, dem Angeklagten übergebe?

VORSITZENDER: Ja, danke.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin Dr. Nelte sehr verbunden.

General Westhoff! Wollen Sie so schnell wie möglich die Erklärung durchlesen, Sie werden dann sehen, was die wirklich wesentlichen Stellen sind, und dann sagen Sie dem Gerichtshof bitte, ob diese Erklärung richtig ist.

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Herr Präsident! Da ist noch ein Teil der Erklärung, den ich auch von der Staatsanwaltschaft bekommen habe. Es ist eine sehr umfangreiche Zusammenstellung gewesen. Darf ich das dem Zeugen auch noch überreichen?

VORSITZENDER: Soll das heißen, daß er nicht das ganze Dokument hat?

DR. NELTE: Er hat noch nicht das ganze Dokument vor sich.

VORSITZENDER: Ja, natürlich.

DR. NELTE: Ich habe es von der Staatsanwaltschaft in drei Teilen bekommen, und diese drei Teile möchte ich ihm jetzt auch geben, wenn er es vollständig haben soll.

VORSITZENDER: Die Erklärung, die wir hier in Englisch haben, hat fünf Seiten, und zwar Schreibmaschinenseiten, und ist in folgender Weise beglaubigt:

»Dieser Anhang enthält eine genaue Übersetzung mündlicher Erklärungen, die mir von Generalmajor Westhoff am 13. Juni 1945 gemacht wurden, und zwar in Antwort auf die Fragen bezüglich der Erschießung von 50 RAF-Offzieren aus Stalag Luft III. Datum 23. September 1945. J. E. Parnell, Hauptmann, Intelligence Corps.«

Ist das auf...

DR. NELTE: Herr Präsident! Ich weiß nicht, ob der General Westhoff Vielleicht mehrfach vernommen worden ist. In diesem Dokument hat er auch über das ganze Kriegsgefangenenwesen gesprochen, also nicht nur über den Fall Sagan. Es handelt sich hier um einen fortlaufenden Bericht und der Zeuge...

VORSITZENDER: Das einzige Dokument, das als Beweisstück vorgelegt wurde, ist dieses Dokument, das ich in meiner Hand halte, und das ist der Anhang zu dem Bericht von Brigadegeneral Shapcott.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich habe mir den Teil des Dokuments, den Dr. Nelte hat, angesehen. Ich glaube, meine Kenntnisse der deutschen Sprache sind ausreichend, um dieses Teilstück zu identifizieren. Es ist dasselbe Dokument. Wenn Sie sich, Herr Vorsitzender, Seite 2 ansehen, werden Sie die Stelle »Generalinspekteur, General Roettig« finden. Dort beginnt dieser Teil, Herr Präsident, ich habe bis zum letzten Absatz verglichen: »Ich kann mich nicht an irgendwelche Einzelheiten erinnern«. Soweit meine deutschen Sprachkenntnisse ausreichen, steht hier dasselbe, so daß Sie, Herr Vorsitzender, also die letzte Hälfte dieses Dokuments vor sich haben.

VORSITZENDER: Ja. Dr. Nelte und Sir David! Das beste wird wohl sein, wenn Sir David die Stellen, auf die er sich stützt, dem Zeugen vorhält, und dann kann der Zeuge gefragt werden, ob sie stimmen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

VORSITZENDER: Und dann kann Dr. Nelte alle gewünschten Fragen stellen. Zeuge! Der Anklagevertreter wird jetzt an Sie Fragen über dieses Dokument stellen; Sie brauchen daher nicht weiterzulesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zeuge! Hatten Sie Gelegenheit, den ersten Absatz der Erklärung zu lesen?

WESTHOFF: Jawohl, ich habe das gelesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und stimmt es; ist es richtig?

WESTHOFF: Es sind einige Sachen darin, die nicht ganz richtig sind. Zum Beispiel steht auf der ersten Seite...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will es verlesen und dann sehen, wie weit es stimmt:

»Ich hatte die Leitung, als die Erschießung der RAF- Fliegeroffiziere in Stalag Luft III stattfand.« Stimmt das?

WESTHOFF: Da fehlt hier: »Als die Erschießung stattfand.«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun:

»Es War das erstemal, daß Feldmarschall Keitel mich rufen ließ. Ich ging mit General von Graevenitz. Er wurde gerufen, und ich mußte ihn begleiten.« Ist das richtig?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: »Eine gewisse Anzahl Offiziere war von dem Lager Sagan entflohen. Ich kann mich nicht entsinnen, wieviele es waren, ich glaube jedoch ungefähr 80.« Stimmt das auch?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, der nächste Satz:

»Als wir eintraten, war der Feldmarschall sehr aufgeregt und nervös und sagte: ›Meine Herren, das ist eine böse Angelegenheit.‹«

Ist das richtig?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann geht es weiter:

»Immer, wenn Kriegsgefangene entflohen sind, hatten wir Ärger damit – schließlich und endlich konnten wir sie doch nicht anbinden.«

Das ist Ihr eigener Kommentar. Und dann sprechen Sie weiter über das, was der Feldmarschall sagte:

»›Heute morgen warf mir Göring in Himmlers Gegenwart vor, daß wir wiederum Kriegsgefangene hätten entfliehen lassen. Das wäre unerhört.‹«

Dann setzen Sie Ihren Kommentar fort:

»Dann müssen sie sich gestritten haben, weil das Lager nicht unter unserer Aufsicht stand, es war doch ein Luftwaffenlager.«

Ist es richtig, daß der Feldmarschall sagte:

»Heute morgen warf mir Göring in Himmlers Gegenwart vor, daß wir wiederum Kriegsgefangene hätten entfliehen lassen.«

WESTHOFF: Nicht in Himmlers Gegenwart, sondern in Hitlers Gegenwart. Hitlers Gegenwart.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es sollte heißen »in Hitlers Gegenwart«?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann der nächste Satz:

»Alle Luftwaffenlager unterstanden direkt der Luftwaffe, jedoch der Inspekteur der Kriegsgefangenenlager war verantwortlich für alle Lager und für ihre Inspektion. Ich war damals noch nicht Inspekteur.«

All das wurde uns schon erklärt. Ich glaube nicht, daß hier hinsichtlich der Organisation irgend etwas unklar ist. Wir haben diese Frage von diesem Gerichtshof schon im einzelnen durchgesprochen. Ich will den Zeugen darüber nicht weiter befragen, es sei denn, der Gerichtshof wünscht es. Sie sagen dann:

»Ich war damals noch nicht Inspekteur. General von Graevenitz war Inspekteur und alle Lager fielen unter seine Verwaltung und Inspektion.«

Dann sagen Sie:

»Göring machte Keitel verantwortlich, daß er diese Leute hätte entfliehen lassen. Diese dauernden Ausbrüche geben einen schlechten Eindruck. Dann mischte sich Himmler ein. Ich kann nur das sagen, was der Feldmarschall uns sagte, und er beschwerte sich, daß er weitere 60000 bis 70000 Leute als Landwachen und so weiter zu besorgen habe.«

Ist das richtig? Hat der Feldmarschall das gesagt?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, der zweite Absatz:

»Feldmarschall Keitel sagte zu uns:

Meine Herren, diese Fluchtversuche müssen unterbunden werden. Wir müssen ein Exempel statuieren. Wir werden sehr strenge Maßnahmen ergreifen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Leute, die entflohen sind, erschossen werden. Wahrscheinlich ist die Mehrzahl von ihnen bereits tot.‹ Dies sagte uns Keitel während der Sitzung.«

Ist das richtig?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann sagen Sie:

»Wir waren erstaunt über diese Auffassung, die wir zuvor noch nie gehört hatten. Diese Angelegenheit mußte sich im März ereignet haben. Einige Tage nach der Flucht wurden wir zum Feldmarschall nach Berlin befohlen, jedoch nicht in dieser Sache, sondern wegen anderer Angelegenheiten. Wir wußten, daß die Kriegsgefangenen entflohen waren, und wir waren überrascht über diese während der Sitzung abgegebene Erklärung.«

Dann fahren Sie wieder mit Ihrem Bericht über diese Konferenz fort:

»General von Graevenitz wandte sofort ein und sagte: ›Aber Herr Feldmarschall, das kommt doch nicht in Frage. Entfliehen ist kein unehrenhaftes Vergehen. Das ist doch festgelegt in der Genfer Konvention.‹«

Ist es richtig, daß General von Graevenitz diese Worte gebraucht hat?

WESTHOFF: Der General von Graevenitz hat Einwendungen bezüglich der Genfer Konvention gemacht. Es fehlt aber in dem Bericht, daß der Feldmarschall dem General von Graevenitz gesagt hat, es handle sich um einen Führerbefehl. Das fehlt hier.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich den nächsten Satz ansehen, den ich Ihnen verlesen will. Sie sagten:

»Er (Graevenitz) machte diese Einwände, worauf Keitel sagte: ›Das geht mich einen Dreck an, wir haben diese Angelegenheit im Beisein des Führers besprochen, und es kann nicht mehr geändert werden.‹«

Ist das richtig?

WESTHOFF: Nein, der Feldmarschall hat gesagt, das ist mir gleichgültig. Das ist mir gleichgültig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, es würde uns helfen, Herr General, wenn Sie jetzt dem Gerichtshof nach Ihrem besten Erinnerungsvermögen die Antwort des Feldmarschalls auf die Einwendungen des Generals von Graevenitz mitteilen würden.

WESTHOFF: Ich habe dem Gericht darüber eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die ich vielleicht verlesen darf:

»Anläßlich der Anwesenheit des Generals von Graevenitz und mir im März 1944 im Hauptquartier machte der Feldmarschall Keitel...«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: General Westhoff! Der Gerichtshof wird vielleicht später darauf zurückkommen. Es würde uns helfen, wenn Sie jetzt bei dieser Erklärung bleiben könnten und uns sagen würden, ob sie richtig oder falsch ist. Auf alles andere werden wir später eingehen. Es handelt sich jetzt um folgenden Punkt, auf den Sie sich konzentrieren sollen: Was sagte der Feldmarschall, nachdem General von Graevenitz, wie Sie uns erzählten, seine Einwendung auf Grund der Genfer Konvention gemacht hatte? Was sagte er zu diesem Punkt?

Es würde für uns von großem Nutzen sein, wenn Sie uns diese Frage beantworten könnten.

WESTHOFF: Der Feldmarschall hat dann gesagt: »Das ist jetzt gleichgültig, wir müssen ein Exempel statuieren.«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, Sie sagten, daß er einen Führererlaß oder einen Führerbefehl oder etwas Ähnliches bei dieser Gelegenheit erwähnte? Hat er so etwas erwähnt?

WESTHOFF: Das hat er vorher schon gesagt, ganz am Anlang, daß es sich hier um einen Führerbefehl handle.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Im nächsten Absatz dieser Erklärung weisen Sie darauf hin... ich glaube, daß es Ihnen gegenüber fair ist, es zu verlesen; es ist der zweite Satz:

»In diesem Falle jedoch hatte niemand von unseren Leuten«, das heißt Angehörige der Wehrmacht, »Kriegsgefangene erschossen. Ich machte sofort Nachforschungen.«

Dann setzen Sie fort:

»Keiner von ihnen wurde von einem Soldaten erschossen, jedoch nur von Gestapoleuten oder von anderen Polizeiwachen. Das beweist, daß wahrscheinlich Himmler... natürlich weiß ich nicht, ob er den Vorschlag dem Führer unterbreitet hat, oder wie sie es vereinbarten – jedoch sollte es möglich sein, von Göring, der bei der Sitzung anwesend war, dies ausfindig zu machen. Natürlich weiß ich es nicht.«

Erinnern Sie sich, diese Antworten gegeben zu haben?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sagen Sie weiter:

»Jedenfalls eines ist klar, daß keiner unserer Leute sie erschossen hat, sie müssen alle von Männern der Polizei erschossen worden sein.«

Und im letzten Satz erklären Sie:

»In diesem besonderen Fall sind nur diejenigen zurückgebracht worden, die von unseren Leuten, das heißt Soldaten, eingefangen worden waren.«

Im nächsten Absatz erklären Sie, daß Sie keine Autorität besaßen, der Polizei Befehle zu erteilen, und wiederholen, daß Mitglieder der Wehrmacht keinen von ihnen erschossen hätten. Im dritten Satz sagen Sie:

»Ich hatte mir sofort einen Bericht senden lassen und ich sagte zu General von Graevenitz: ›Herr General, das einzige, was wir nun machen können, ist, darauf zu achten, daß, soweit wir zuständig sind, diese schmutzigen Angelegenheiten nicht durchgeführt werden.‹«

Stimmt das? Beschreibt das Ihre Handlungsweise genau, Herr General?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen oder zwei Sätze später sagen Sie, daß Sie sich vor ein »fait accompli« gestellt sahen. Nachdem Sie, General, den Protest des Generals von Graevenitz, der zu Feldmarschall Keitel gesagt hatte: »Das ist ganz unmöglich, wir können keine Leute erschießen«, wiederholt haben, fahren Sie folgendermaßen fort:

»Und wie die Erschießungen vollzogen wurden, das hörte ich von dem Vertreter der Schutzmacht, Herrn Naville aus der Schweiz.«

Stimmt das?

WESTHOFF: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf welche Weise hörten Sie von den Erschießungen?

WESTHOFF: Ich hatte mich an die Gestapo gewandt und wollte die Unterlagen für die Erschießungen haben für das Auswärtige Amt. Und die habe ich nicht bekommen. Der Vertreter der Schweiz, Herr Naville, den ich in das Lager geschickt hatte, kam auf der Rückreise bei mir vorbei, und von dem habe ich das einzige erfahren, was ich von diesem Falle überhaupt gehört habe, nämlich, daß anscheinend ein Kriegsgefangener, der in das Lager zurückgekommen war, gesehen hätte, daß die entflohenen Flieger aus dem Görlitzer Gefängnis auf einem Lastkraftwagen schwer gefesselt und bewacht herausgefahren worden seien. Das ist das einzige, was ich überhaupt von dieser Sache erfahren habe, und ich habe bisher nicht erfahren, auf welche Art und Weise die Flieger umgekommen sind. Die Gestapo hat sich geweigert, mir darüber Auskünfte zu geben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber es ist im allgemeinen richtig, daß das, was Sie überhaupt erfahren haben, von dem Vertreter der Schutzmacht stammt. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, ob sein Name Naville war oder nicht? Aber das stimmt doch?

WESTHOFF: Ich habe die Frage nicht verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Alles, was Sie erfahren haben, und Sie sagten uns, daß es sehr wenig war, erfuhren Sie durch den Vertreter der Schweiz, der Schutzmacht. Ist das richtig?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nun zu den nächsten Stellen der Erklärung übergehen, als Sie versucht haben, mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu treten. Wenn Sie den Absatz weiterlesen, werden Sie sehen, daß Sie gesagt haben:

»Auf jeden Fall, wir erhielten keine Auskunft, und so wurde dem Feldmarschall erklärt, daß ein solches Verfahren ganz unmöglich sei, und daß wir mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung treten müßten. Daraufhin betonte er ausdrücklich, daß es verboten sei, mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu treten.«

Ist das richtig?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nun zwei weitere Sätze verlesen:

»Dann wurde die Angelegenheit vor das House of Commons in England gebracht und von unserer Seite wurde eine Note abgesandt. Dann wurde ich ganz unerwartet von Admiral Bürkner, von der Amtsgruppe Ausland im OKW, die in Verbindung mit dem Auswärtigen Amt stand, angerufen. Er telephonierte mich am Abend an und sagte: ›Der Feldmarschall hat mir den Auftrag gegeben, sofort eine Antwort an England vorzubereiten. Um was handelt es sich? Ich weiß überhaupt nichts über diese Angelegenheit.‹ Ich sagte: ›Herr Admiral, es tut mir leid, aber General von Graevenitz erhielt strengsten Befehl, mit niemand darüber zu sprechen. Außerdem war es nicht erlaubt, irgend etwas in dieser Angelegenheit schriftlich niederzulegen. Außerdem wurden wir selbst vor eine vollendete Tatsache gestellt. Dieser Befehl war anscheinend von Himmler gegeben worden, und die Sachlage war derart, daß wir nichts mehr unternehmen konnten!‹«

Ist dieser Bericht richtig?

WESTHOFF: Hier ist wieder das Wort »Himmler« mit »Hitler« verwechselt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es müßte Hitler heißen. Aber abgesehen davon ist er doch richtig? Handelt es sich im großen und ganzen um einen genauen Bericht über die Unterredung zwischen Admiral Bürkner und Ihnen?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erklären dann weiter, daß Admiral Bürkner von Ihnen über die Sache Bericht erstattet haben wollte, und daß Sie nur das gewußt hätten, was Ihnen der Vertreter der Schweiz gesagt hatte, und daß Sie verschiedene Versuche unternommen hätten, mit der Gestapo in Verbindung zu treten.

Und dann, gegen Ende dieses Absatzes:

»Dann trat das Auswärtige Amt selbst mit ihr in Verbindung und übernahm den Fall. Später fuhr einer meiner Leute, Oberstleutnant Krafft, während meiner Abwesenheit nach Berchtesgaden. Zu diesem Zeitpunkt sollte eine Note an England vorbereitet werden. Als wir dann diese Note an England lasen, waren wir völlig überrascht. Wir faßten uns alle an den Kopf: Verrückt. Wir konnten in dieser Angelegenheit nichts unternehmen.«

Ist das richtig? Sagten Sie das und trifft das zu?

WESTHOFF: Die Angelegenheit ist dann dem Auswärtigen Amt übergeben worden, und das Auswärtige Amt hat den Auftrag bekommen, eine Note an England auszufertigen. Zu dieser Besprechung ist anscheinend der Oberstleutnant Krafft als Sachverständiger für den Fall Sagan, um die vielleicht noch vorhandenen Zweifel zu klären, mit herangezogen worden. Das soll aber nicht etwa heißen, daß da der Oberstleutnant Krafft in irgendeiner Form an der Ausfertigung der Note beteiligt war. Das ist eine Angelegenheit des Auswärtigen Amtes gewesen. Das Auswärtige Amt hat ihn nur herbeigezogen, damit, wenn an dem Sachverhalt noch irgendwelche Zweifel waren, diese an Ort und Stelle geklärt werden könnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Den nächsten Teil der Erklärung will ich nicht verlesen, Herr General, es sei denn, daß der Gerichtshof es wünscht. Sie haben nämlich klar die Tatsache hervorgehoben, daß Ihrer Meinung nach der Generalinspekteur, General Roettig, mit der Sache überhaupt nichts zu tun hatte. Und wenn Sie mir bestätigen, daß das der Inhalt der nächsten zwei Absätze ist, will ich diese mit Ihnen nicht im einzelnen durchsehen. Sie stellen fest, daß General Roettig nichts damit zu tun hatte. Stimmt das?

WESTHOFF: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, dann wollen Sie sich den ersten Satz ansehen. Ich glaube, daß es hier deutlich steht. Schauen Sie den ersten Satz an:

»Generalinspekteur Roettig hatte nichts, überhaupt nichts damit zu tun. Bei dieser Gelegenheit hatte er seine Hand überhaupt nicht im Spiel. Er war vollkommen ausgeschlossen worden, weil ihm diese Angelegenheit scheinbar in der Morgenbesprechung beim Führer, das heißt in Gegenwart des Führers, in der zwischen Himmler, Feldmarschall Keitel und Göring stattfindenden Konferenz, aus der Hand genommen wurde.«

Ist das richtig? Ich wollte nur kurz sagen, daß Sie versuchten, und zwar, wenn es stimmt, mit Recht versuchten, Ihrer Meinung dahingehend Ausdruck zu geben, daß General Roettig nichts damit zu tun hatte. Stimmt das, das heißt der Satz, den ich Ihnen vorgelesen habe?

Sagten Sie »Ja«?

WESTHOFF: Der Generalinspekteur war verantwortlich für Fluchtverhinderung, hatte aber nichts mit dieser Angelegenheit zu tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann gibt es keine Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Ich habe nämlich dasselbe behauptet. Bitte sehen Sie sich nun den nächsten Absatz an. Er handelt auch von General Roettig; dann sprechen Sie über die Lage der Offiziere. Sie sagen folgendes:

»Ich weiß nur, daß ein Befehl bestand, nach welchem nur Offiziere, und ich glaube, nur diejenigen, die von der Gestapo aufgegriffen wurden, ihr ausgeliefert werden sollten.«

Dann sprechen Sie über Nachrichtendienst, und damit will ich Sie nicht belästigen. Sehen Sie sich nun bitte den nächsten Absatz an:

»Ich erhielt einen Bericht aus dem Lager, daß soundso viele Männer beim Fluchtversuch erschossen worden wären. Von der Gestapo hörte ich überhaupt nichts. Es spielt sich folgendermaßen ab: Die Berichte werden in das Lager gesandt. Dann benachrichtigt uns das Lager, daß eine gewisse Anzahl von Männern wieder aufgegriffen wurde und eine gewisse Anzahl erschossen worden war. Die Dinge wurden in dieser Weise weitergegeben. Die Gestapo übermittelte mir keine wie auch immer geartete Nachricht; sie sagte uns nur gelegentlich, wenn wir Nachforschungen anstellten, daß sie eine gewisse Anzahl wieder aufgegriffen hätte.«

Nun lesen Sie bitte den nächsten Satz sehr sorgfältig:

»Der Feldmarschall gab uns genaue Anweisung zur Veröffentlichung einer Liste im Lager, die als Warnung die Namen der Erschossenen enthalten sollte. Das wurde durchgeführt. Es war ein direkter Befehl, den wir befolgen mußten.«

Stimmt das?

WESTHOFF: Es ist uns befohlen worden, daß von allen Erschossenen zum abschreckenden Beispiel in dem Lager eine Liste ausgehängt werden sollte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann der nächste Satz:

»Offenbar wurden die Körper verbrannt und die Asche in Urnen ins Lager geschickt.«

Dann sprechen Sie von einem Übereinkommen über das Begräbnis. Sie sagen sodann, daß diese Frage die größten Schwierigkeiten verursachte. Einen oder zwei Sätze weiter sagen Sie, daß Angelegenheiten dieser Art immer an höhere Dienststellen weitergeleitet wurden. Sie gingen an die Parteikanzlei, und dann war dort der Teufel los. Die Einäscherung von Kriegsgefangenen war nämlich verboten.

Sie sprechen dann weiter davon, daß Sie die Frage angeschnitten hätten, es sei dies ein Verstoß gegen die Genfer Konvention. Sie sagten folgendes:

»Wenn immer ich mich an das Offizierskorps wandte und sagte: ›Meine Herren, wir handeln nur gemäß der Konvention‹, so kam am folgenden Tag irgend jemand von der höheren Instanz, von der Parteikanzlei, an und sagte: ›Meine Herren, die Konvention ist ein Papierfetzen, der uns nichts angeht‹.«

Stimmt das? War das so gang und gäbe?

WESTHOFF: Das ist nicht ganz richtig, das Oberkommando der Wehrmacht hat den Standpunkt vertreten, die Konvention zu beachten; das Kriegsgefangenenwesen als solches in Deutschland war aber nur nach außen in den Händen des Oberkommandos der Wehrmacht. Bestimmend über die Kriegsgefangenen waren die Parteidienststellen und die Wirtschaftsdienststellen. So mußte zum Beispiel meine Dienststelle jede Verfügung, die herausging, an den Vertreter der Parteikanzlei vorlegen, und der bestimmte, wie die Verfügung herauszugehen hatte, nicht etwa das Oberkommando der Wehrmacht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nicht auf Einzelheiten eingehen. Sie hatten eine Zusammenkunft mit dem Stellvertreter Bormanns, Friedrich, in der Parteikanzlei. Im nächsten langen Absatz, der anfängt: »Die Lager der Luftwaffenkriegsgefangenen unterstanden der DLW-Verwaltung.« ... Wir haben diese Frage, Herr Vorsitzender, bereits im einzelnen – vom Standpunkt der Luftwaffe aus – behandelt. Ich habe nicht die Absicht, es wieder vorzubringen.

Wollen Sie nun den nächsten Absatz betrachten, wo Sie über die Frage der Auslieferung von Kriegsgefangenenlagern an Himmlers Organisation gesprochen haben. Sie finden da die Stelle: »Es wurde uns gesagt: ›Alle Männer, die ausbrechen, sind zu erschießen‹.« In meiner englischen Übersetzung ist es der Beginn des nächsten Absatzes. Haben Sie es gefunden? Nach einem langen Absatz über Luftwaffenlager.

WESTHOFF: Welche Seite bitte?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Leider sind die Seiten verschieden numeriert, aber es beginnt: »Es wurde uns gesagt: ›Alle Männer, die ausbrechen, sind zu erschießen‹.« Es ist der drittletzte Absatz des Dokuments. Am Ende des Dokuments werden Sie einen Absatz sehen: »Ich kann mich nicht erinnern...« und vor diesem: »Wir vereinbarten mit dem Feldmarschall«, es ist der Absatz vor diesem:

»Es wurde uns gesagt: ›Alle Männer, die ausbrechen, sind zu erschießen‹.«

Haben Sie es gefunden?

»Der Feldmarschall verbot, irgend etwas darüber schriftlich niederzulegen. Überhaupt nichts. Nur das Lager war zu benachrichtigen, damit man dort im Bilde war. Ich besprach die Sache noch einmal mit Graevenitz. Genaue Einzelheiten darüber kann ich Ihnen nicht mehr angeben. Wir nahmen Fühlung mit der Gestapo über die Rückführung der Leichen. Wir mußten sie wiederhaben. Dann ging von Graevenitz an die Front.«

Ich möchte, daß Sie sich dann den nächsten Satz sorgfältig ansehen:

»Ich sagte dann zu Oberstleutnant Krafft: ›Ich mache das so nicht weiter. Ich werde mich auf alle Fälle decken, so daß wir später nicht in diese Sache verwickelt werden. Es ist wahr, daß der Feldmarschall verboten hat, in dieser Angelegenheit etwas schriftlich niederzulegen, aber ich muß es schriftlich haben. Es muß vom Führer unterzeichnet werden.‹«

Das haben Sie also Krafft gesagt; es ist verhältnismäßig unwichtig.

WESTHOFF: Das ist nicht ganz richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sagen Sie uns, was Sie geändert haben wollen.

WESTHOFF: Ich wollte eine schriftliche Sache haben, die vom Feldmarschall gezeichnet war, und habe aus dem Grunde eine Aktennotiz ausgegeben, in der die Besprechung festgelegt war, und hatte somit eine Unterschrift des Feldmarschalls bei meiner Dienststelle für eventuelle Fälle, damit ich etwas Schriftliches in der Hand hatte. Was auch tatsächlich stimmte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun schauen Sie sich mal den nächsten Satz an. Ich glaube, daß das vollkommen mit dem übereinstimmt, was Sie gesagt haben:

»Entgegen Feldmarschall Keitels Befehlen – ich gab vor, nicht alles richtig verstanden zu haben – arbeitete ich die Sache auf dem Papier aus. Ich sagte zu Oberstleutnant Krafft: ›Ich möchte das Wort ›Erschießen‹ eingeschlossen haben, so daß Keitel es schriftlich sehen kann. Er kann dann eine andere Haltung einnehmen.‹ Als ich die Sache zurückerhielt, hatte er folgende Bemerkung an den Rand geschrieben: ›Ich habe nicht ausdrücklich ›Erschießen‹ gesagt, ich habe gesagt, der Polizei oder der Gestapo übergeben‹.«

WESTHOFF: Das stimmt nicht ganz.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Welche Änderungen schlagen Sie vor, Herr General?

WESTHOFF: Das habe ich klar ausgesagt in meiner eidesstattlichen Erklärung, daß der Feldmarschall auf den Rand geschrieben hat: »Erschießen habe ich nicht gesagt, aber der Gestapo überstellen.«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist das nicht dasselbe, wie es in der Erklärung steht? Es sagt: »Er hat an den Rand geschrieben: ich habe nicht ausdrücklich ›Erschießen‹ gesagt. Ich habe gesagt, ›der Polizei oder der Gestapo übergeben‹.«

WESTHOFF: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß das ganz klar ist, Herr General. Der Entwurf des Befehls oder die Aktennotiz, die Sie dem Feldmarschall übersandten, enthielt das Wort »Erschießen«.

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun kommt nur noch ein kleines Stück. Sie fahren fort:

»Wir kamen mit dem Feldmarschall überein, die Sache nochmals dem Führer zu unterbreiten. Wir hatten das Gefühl, daß da irgend etwas nicht ganz in Ordnung sei.«

Und dann sagen Sie, Sie hätten sich mit den unteren Polizeibehörden in Verbindung setzen müssen, und ungefähr zehn Zeilen weiter unten sagen Sie das Folgende:

»Ich konnte schließlich in dieser Sache nicht das gewünschte Ziel erreichen und ging daher selbst nach Berlin – es war das einzige Mal, daß ich Kaltenbrunner sah – und sagte zu Kaltenbrunner: ›Diese Angelegenheit steht immer noch aus. Sie muß dem Führer unterbreitet werden. Es kann so nicht weitergehen. Eine Entscheidung muß irgendwann gefaßt werden, aber abgesehen davon bin ich der Ansicht, man sollte die ganze Angelegenheit fallen lassen. Das Ganze ist Wahnsinn. Es hat uns schon so viele Unannehmlichkeiten verursacht und ist so ungeheuerlich, daß ich der Ansicht bin, die Angelegenheit müßte entweder auf irgendeine Art rückgängig gemacht werden, oder es müßte dem Führer abgeraten werden, sie noch weiter zu verfolgen.‹«

Ist das im wesentlichen wieder eine richtige Wiedergabe Ihrer Unterredung mit dem Angeklagten Kaltenbrunner?

WESTHOFF: Es handelt sich aber hier nicht direkt um diesen Fall, sondern um einen Befehl, der im Anschluß daran von Wagner herausgegeben werden sollte, und der auf zwei Wegen an den Führer gebracht werden sollte, einmal auf dem Weg über den Chef OKW, und das andere Mal über Himmler. Dieser Befehl war im Entwurf dem Feldmarschall Keitel vorgelegt, und dieser Entwurf war dann zur Gestapo gegangen. Die Gestapo las auch den Entwurf und machte dann nichts weiter. Ich habe auch nie herausfinden können, warum nicht, und aus diesem Grunde habe ich Herrn Kaltenbrunner seinerzeit selbst darauf angesprochen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: War das der endgültige Befehl, daß entflohene Kriegsgefangene der Polizei oder Gestapo übergeben werden sollen?

WESTHOFF: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe. Passen Sie auf, General Westhoff, Sie haben sich doch hier in Wirklichkeit mit der Zukunft beschäftigt, mit dem, was in der Zukunft getan werden sollte?

WESTHOFF: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich glaube nicht, daß wir weiter in Einzelheiten gehen müssen, es sei denn, der Gerichtshof wünscht es. Der Rest der Aussage, Herr Vorsitzender, hat nur einen allgemeinen Bericht über die Haltung der britischen Kriegsgefangenen zum Inhalt, und ich habe zu diesem Teil nichts zu sagen.

Herr Vorsitzender! Es hat sich noch ein anderes Problem ergeben, und vielleicht würde der Gerichtshof es für richtig halten, es jetzt zu erörtern. Mein Kollege, Oberst Pokrowsky, möchte an diesen Zeugen über einige ganz andere Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Behandlung von russischen Kriegsgefangenen Fragen stellen. Vielleicht wird der Gerichtshof jetzt hierfür den passenden Zeitpunkt sehen.

VORSITZENDER: Es wird wahrscheinlich besser sein, wenn Dr. Nelte, sofern er Fragen hat, diese an den Zeugen stellt, bevor Oberst Pokrowsky sein Kreuzverhör beginnt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, Herr Vorsitzender, wir sollten diese Frage erst klären.

VORSITZENDER: Hat Oberst Pokrowsky Fragen in Bezug auf den Angeklagten Keitel zu stellen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben natürlich Bezug auf die Stellung des OKW zu den Kriegsgefangenen, aber sie haben nichts mit Sagan zu tun.

VORSITZENDER: Dr. Nelte, haben Sie irgendwelche Fragen an den Zeugen zu stellen?

DR. NELTE: [zum Zeugen gewandt] Herr Zeuge! Das, was Ihnen soeben vorgelesen worden ist, wurde als »Statement«, Erklärung, bezeichnet und hier vorgelegt. Haben Sie jemals diese Erklärung in zusammenhängender Form mündlich oder schriftlich abgegeben?

WESTHOFF: Ich bin einzeln vernommen worden, und diese Vernehmung, die mir vorgelegt worden ist, ist eine Zusammenfassung meiner Aussagen, die aber dadurch natürlich hier und da Fehler hatte, weil sie unter Weglassung der Fragestellung zusammengefaßt worden ist.

DR. NELTE: Also es handelt sich um eine Zusammenfassung dessen, was Sie als Antwort auf Fragen in verschiedenen Vernehmungen geantwortet haben?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Ist Ihnen diese Zusammenfassung einmal vorgelegt worden?

WESTHOFF: Nein.

DR. NELTE: Ich hatte den Eindruck, daß die Absätze, die Ihnen eben vorgelesen worden sind, manchmal sehr lang waren und daß Sie eigentlich die Antwort immer nur auf den letzten Teil dieses Absatzes gegeben haben. Ich möchte Sie nun fragen, ob Sie nicht lach diesen Vernehmungen in London noch einmal vernommen worden sind?

WESTHOFF: Ich bin hier vernommen worden in Nürnberg.

DR. NELTE: Von Herrn Oberst Williams?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Und was hat Herr Oberst Williams Ihnen am Schluß dieser Vernehmung gesagt, worum hat er Sie gebeten?

WESTHOFF: Am Schluß hat Herr Oberst Williams mich beauftragt, in kurzen Zügen den Kernpunkt der Vernehmung herauszustellen und in einer eidesstattlichen Erklärung zusammenzufassen.

DR. NELTE: Und haben Sie diese eidesstattliche Erklärung vor Herrn Oberst Williams beschworen?

WESTHOFF: Jawohl, die habe ich beschworen.

DR. NELTE: Nun will ich zunächst mit Ihnen die Vernehmung durchgehen, die Sie Herrn Oberst Williams gegenüber abgegeben haben und die im Dokument RF-1450 niedergelegt ist. Ich lasse Ihnen dieses Dokument überreichen.