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[Das Dokument wird dem Zeugen übergeben.]

VORSITZENDER: Was meinen Sie mit Dokument 1450?

DR. NELTE: RF-1450 ist im Dokumentenbuch, in meinem Dokumentenbuch enthalten als Nummer 5; in meinem Dokumentenbuch.

VORSITZENDER: Sie meinen also RF-1450?

DR. NELTE: Jawohl, RF.

Dieses Dokument ist überschrieben »Zusammenfassung des Verhörs von General Adolf Westhoff durch Oberst Curtis L. Williams vom 2. November 1945«.

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Dr. Nelte. Der Gerichtshof ist der Ansicht, Dr. Nelte, daß Sie diesen Zeugen fragen können: »Haben Sie bei einem Verhör zu einem anderen Zeitpunkt eine andere Aussage gemacht oder nicht?« Aber das Dokument, auf das Sie sich jetzt beziehen, ist ein Dokument, das der Gerichtshof auf Grund Ihres eigenen Einspruchs nicht zugelassen hatte. Als die Franzosen dieses Dokument vorlegten, haben Sie Einspruch erhoben, und es wurde aus diesem Grunde nicht zugelassen. Es steht Ihnen daher jetzt nur der Weg zu folgender Fragestellung offen: »Haben Sie Oberst Williams das und das gesagt?«

DR. NELTE:

[zum Zeugen gewandt]

Ich habe hier eine Zusammenstellung derjenigen Punkte, die in dem Dokument oder in der Niederschrift des Oberst Williams nach Ihrer Angabe nicht richtig sein sollen. Ich frage Sie nun, was haben Sie oder haben Sie den Oberst Williams bei seiner Befragung...

VORSITZENDER: Dr. Nelte! Sie dürfen nicht sagen, daß es hier Abweichungen gibt. Sie müssen ihn darüber fragen und dürfen nicht selber Erklärungen abgeben.

DR. NELTE: Was haben Sie Oberst Williams auf seine Frage geantwortet, ob die Kriegsgefangenen in ihrer Gesamtheit dem OKW und dem Feldmarschall Keitel unterstellt gewesen sein sollen?

WESTHOFF: Die Kriegsgefangenenlager sind dem OKW nur insofern unterstellt gewesen, als das OKW das Kontrollrecht über sie hatte, und indem das OKW die Schutzmächte, das Internationale Rote Kreuz und die IMCE einsetzte. Befehlsgewalt oder Strafgewalt hatte das OKW über die Lager nicht.

DR. NELTE: Was haben Sie Oberst Williams auf die Frage nach dem Recht des OKW hinsichtlich der Inspizierung geantwortet?

WESTHOFF: Das Oberkommando der Wehrmacht war berechtigt zur Inspizierung; das geht auch aus meiner Dienstanweisung hervor, in der klar zum Ausdruck gebracht wird, daß der Inspekteur zur Besichtigung der Lager berechtigt ist.

DR. NELTE: Was haben Sie dem Oberst Williams auf die Frage, wem das Stalag Luft III Sagan unterstellt war, geantwortet?

WESTHOFF: Das Stalag Luft III Sagan unterstand dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe, weil der Oberbefehlshaber der Luftwaffe auf seinen eigenen Wunsch sämtliche Kriegsgefangenenlager der Luftwaffe unterstellt bekommen hatte, schon zu Beginn des Krieges.

DR. NELTE: Haben Sie dem Oberst Williams auf eine Frage geantwortet, Göring, Himmler, Keitel und Hitler haben beschlossen, die Offiziere, die in Sagan entflohen sind, zu erschießen?

WESTHOFF: Nein, das ist ein Irrtum. Herr Oberst Williams hat mich gefragt, was der Führer zum Feldmarschall Keitel gesagt hätte. Daraufhin habe ich klar geantwortet, daß ich hierüber keine Auskunft geben könnte, weil ich an dieser Besprechung nicht teilgenommen hätte. Ich könnte nur Auskunft geben über die Besprechung, die der Feldmarschall Keitel mit dem. General von Graevenitz gehabt hatte.

DR. NELTE: Haben Sie dem Oberst Williams geantwortet, daß Feldmarschall Keitel bei dieser Besprechung mit Graevenitz gesagt hat: »Dies ist mein Befehl?«

WESTHOFF: Nein, der Feldmarschall konnte einen Befehl über die Erschießungen nicht geben, da die Erschießungen ja nicht auf dem Sektor der Wehrmacht, sondern auf dem Sektor der Gestapo lagen.

DR. NELTE: Haben Sie bei Ihrer Vernehmung, insbesondere auch gegenüber Oberst Williams, klar zum Ausdruck gebracht, daß es sich niemals um einen Befehl Keitels selbst oder um einen Befehl handelte, den Keitel Ihnen auf höheren Befehl weitergegeben hat?

WESTHOFF: Es handelte sich um eine Information an den General von Graevenitz. Das steht auch ganz einwandfrei in meiner eidesstattlichen Erklärung.

DR. NELTE: Wenn ich Sie also richtig verstehe, erklären Sie, daß der Feldmarschall Keitel niemals einen eigenen Befehl gegeben oder zum Ausdruck gebracht hat, daß er Ihnen einen Befehl hinsichtlich einer Erschießung der Offiziere überhaupt geben wollte?

WESTHOFF: Nein, das konnte er auch nicht.

DR. NELTE: Es ist in der vorigen Befragung durch den Herrn Anklagevertreter von einem Bericht die Rede, den der Lagerkommandant Görlitz Ihnen erstattet haben soll. Es steht das auch in dem Protokoll. Haben Sie bei dem Lagerkommandanten Görlitz einen Bericht angefordert oder erhalten?

WESTHOFF: Mit dem Lagerkommandanten Görlitz habe ich persönlich gar keine Verbindung gehabt. Das muß eine Verwechslung sein mit der Äußerung des Herrn Naville von der Schweiz.

DR. NELTE: Ist es richtig, daß es sich bei der Besprechung zwischen Feldmarschall Keitel einerseits und General von Graevenitz und Ihnen andererseits um zweierlei Dinge handelte:

1. um die Angelegenheit der entflohenen Royal Air Force-Offiziere und

2. um die Frage, wie in Zukunft verfahren werden beziehungsweise die Fluchten verhindert werden sollen?

WESTHOFF: Jawohl, das stimmt.

DR. NELTE: Ich habe jetzt Fragen an Sie zu richten, bei denen ich Sie bitten möchte, wenn es möglich wäre, nur mit Ja oder mit Nein zu antworten. Ist es richtig, daß im Fall 1, also in der Angelegenheit der 50 Royal Air Force-Flieger, lediglich die Unterhaltung eine Kenntnisgabe war, was in den höheren Regionen geschehen sei?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Hat General von Graevenitz Ihnen nicht auf der Rückfahrt vom Hauptquartier gesagt: Was ist überhaupt zu machen, wenn die Gestapo einmal etwas in Händen hat?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Es war also danach klar, aus der Gesamtheit Ihrer Unterredung mit Keitel, daß es sich hier um einen Befehl Hitlers an Himmler handelte?

WESTHOFF: In Bezug auf die Erschießungen, ja.

DR. NELTE: Hat Professor Naville nach Besuch des Lagers Sagan Ihnen als seinen Eindruck gesagt, es wären hier wohl stärkere Kräfte am Werk, gegen die das OKW nichts machen könnte?

WESTHOFF: Jawohl, das hat er gesagt.

DR. NELTE: Hatte das OKW bezüglich der entflohenen Flieger, hinsichtlich Ergreifung und Behandlung, etwas zu veranlassen oder war es klar, daß diese Angelegenheit in dieser Beziehung leider für das OKW erledigt war?

WESTHOFF: Das OKW konnte nichts mehr veranlassen, weil ihm die ganze Angelegenheit aus der Hand genommen war.

DR. NELTE: Es ist also danach nicht richtig, daß nach dieser Unterredung Keitel, Graevenitz, Westhoff vom OKW noch einmal eine Konferenz einberufen worden ist?

WESTHOFF: Nein, eine Konferenz im OKW ist nicht mehr gewesen.

DR. NELTE: Es ist nun ein Dokument vorgelegt worden, in welchem der Oberst Walde – es ist Dokument D-731, Herr Präsident – bekundet hat – allerdings sagt er am Anfang, er habe sich die Vorgänge aus dem Gedächtnis rekonstruieren müssen, und nach seiner Erinnerung glaube er, daß das OKW eine Besprechung einberufen habe, die in der Prinz-Albrecht- Straße stattgefunden hätte. Wissen Sie etwas davon?

WESTHOFF: Von dieser Besprechung weiß ich nur durch Sie selbst. Die kann auch nicht durch das OKW einberufen worden sein, denn dann wäre sie bei uns in Torgau gewesen. Sie ist aber zweifellos in Berlin gewesen, wie Sie mir gesagt haben, und das ist keine Besprechung, die das OKW einberufen hat.

DR. NELTE: Ist es richtig, daß die von der Wehrmacht wiederergriffenen kriegsgefangenen Offiziere wieder in das Lager Sagan eingeliefert wurden und auch dort verblieben?

WESTHOFF: Jawohl, das ist richtig.

DR. NELTE: Sind wiederergriffene Kriegsgefangene, die in das Lager eingeliefert wurden, in irgendeinem Fall wieder herausgegeben worden?

WESTHOFF: Nein.

DR. NELTE: Ist es dagegen richtig, daß Sie vom OKW dem Lagerkommandanten strenge Anordnung gegeben haben, daß zurückgebrachte Kriegsgefangene unter keinen Umständen herausgegeben werden dürften?

WESTHOFF: Die Anordnung ist nicht von mir aus an die Lagerkommandanten gegangen, sondern an die Kommandeure der Kriegsgefangenen in den Wehrkreisen.

DR. NELTE: Aber über Sie an die Lager?

WESTHOFF: An die Lager, ja.

DR. NELTE: Es ist nun ein Befehl erwähnt worden, die Namen der entflohenen Flieger, die nicht mehr zurückgekommen waren, zu veröffentlichen. Sie haben vorhin gesagt »zum abschreckenden Beispiel«. Um diese Frage, um diese Anordnung, die ja von oben her erfolgte, klarzustellen in ihren Motiven, möchte ich Sie fragen, ob der Feldmarschall Keitel nicht zur Begründung gesagt hat: Ich hoffe aber, daß die Gefangenen einen solchen Schock bekommen, daß sie in Zukunft nicht mehr fliehen.

WESTHOFF: Jawohl, das hat der Feldmarschall gesagt.

DR. NELTE: Sie haben bekundet, beziehungsweise es ist Ihnen vorgelesen worden, daß Feldmarschall Keitel Ihnen und dem General von Graevenitz gesagt habe, es dürfte über die ganze Angelegenheit nichts schriftlich niedergelegt und mit keiner anderen Dienststelle gesprochen werden.

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Ist es nun richtig, daß Sie über diese Angelegenheit, nämlich über die Besprechung, eine Aktennotiz machten und sie Keitel vorlegen ließen?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Ist es richtig, daß Feldmarschall Keitel diese Tatsache nicht gerügt hat, wie man es doch eigentlich erwarten sollte, sondern auf diese Aktennotiz seinen Vermerk »K« auf die obere Ecke setzte?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Ist es ferner richtig, daß Sie, weil Sie berichten mußten, sich wiederholt mit dem Reichssicherheitshauptamt in Verbindung setzten, um etwas über das Schicksal dieser beklagenswerten Offiziere zu erfahren?

WESTHOFF: Nicht nur habe ich mich mit dem Reichssicherheitshauptamt in Verbindung gesetzt, ich habe, da ich selbst nicht durchgekommen bin, die Angelegenheit dann auch dem Allgemeinen Wehrmachtsamt gemeldet, aber soweit mir bekannt ist, ist auch das nicht durchgekommen.

DR. NELTE: Ist es ferner richtig, daß Sie den Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes, Dr. Naville, gebeten haben, im Zusammenhang mit diesem Vorkommnis das Lager Sagan zu besuchen?

WESTHOFF: Ich habe diesen Besuch veranlaßt, jawohl.

DR. NELTE: Ist es ferner richtig, daß Feldmarschall Keitel Sie angerufen und Ihnen gesagt hat, daß der Außenminister genaue Kenntnis des gesamten Vorgangs zur Abfassung einer Antwortnote benötige?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Und Sie sollten daher dem Auswärtigen Amt den Vorgang in allen Einzelheiten mitteilen?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Hat Keitel hierbei gesagt, daß Sie etwas verschweigen oder unrichtig darstellen sollten?

WESTHOFF: Nein.

DR. NELTE: War das OKW an der Abfassung der Note, wie sie schließlich herausgegangen ist, beteiligt?

WESTHOFF: Nein.

DR. NELTE: Ist es richtig, daß Ihr Stellvertreter, Oberstleutnant Krafft, zu einer vom Auswärtigen Amt berufenen Sitzung in Berchtesgaden lediglich zu dem Zweck beordert wurde, eventuell auf Rückfrage der Vertreter des Auswärtigen Amtes wahrheitsgemäße Auskunft zu erteilen, wenn diese gefordert wurde?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Ist es schließlich richtig, daß Oberstleutnant Krafft Ihnen berichtete, das Auswärtige Amt habe Hitler eine Note vorgelegt und Hitler habe diese verworfen und den Text dann selbst aufgesetzt?

WESTHOFF: Soweit mir erinnerlich, stimmt das.

DR. NELTE: Im zweiten Teil der Besprechungen zwischen Keitel, Graevenitz und Westhoff handelte es sich um die Frage, wie in Zukunft verfahren werden sollte. Sie haben dazu ausgesagt, daß ein Befehl entworfen werden sollte, und daß es sich um gewisse Zuständigkeitsfragen handelte, die mit dem Reichssicherheitshauptamt besprochen werden müßten. Sagen Sie mir in diesem Zusammenhang, was hatte überhaupt das Reichssicherheitshauptamt oder Himmler mit dem Kriegsgefangenenwesen zu tun?

WESTHOFF: Himmler war verantwortlich für die Sicherheit des Reiches und hatte insofern die sämtlichen Kriegsgefangenen, die Fahndung nach sämtlichen flüchtigen Kriegsgefangenen.

DR. NELTE: Kam er dadurch mit Ihrem OKW-Kriegsgefangenenwesen irgendwie in Konflikt?

WESTHOFF: Insofern als wir oft, wenn Kriegsgefangene entflohen waren und wir fragten, wo sie geblieben sind, daß, wir keine Auskünfte bekamen, oder solche Auskünfte, mit denen wir nichts... die wir nicht verwerten konnten.

DR. NELTE: Heißt das, daß es möglich war, daß Himmler beziehungsweise seine Organe Ihnen keine Mitteilungen machten, wenn sie Kriegsgefangene ergriffen?

WESTHOFF: Das ist ohne weiteres möglich, es ist von uns auch wiederholt angenommen worden.

DR. NELTE: Haben Sie einmal bei der Bearbeitung oder dem Entwurf von Anordnungen, welche die Behandlung entflohener Kriegsgefangener zum Gegenstand hatten, die Worte »Stufe römisch III« gebraucht?

WESTHOFF: Nein.

DR. NELTE: Wissen Sie, ob die Bedeutung dieser Worte, die einem Todesurteil gleichkamen, im OKW überhaupt bekannt waren?

WESTHOFF: Mir sind sie nicht bekanntgewesen. Ich bin das erste Mal in London danach gefragt worden und habe auch da antworten müssen, daß ich keine Auskunft darüber geben könnte.

DR. NELTE: Wenn Sie sagen, Sie persönlich, dann glauben Sie doch auch die Organisation, der Sie im OKW angehörten?

WESTHOFF: Jawohl.

DR. NELTE: Ich habe hier ein Dokument, 1514-PS. Es handelt sich hierbei um einen Sammelbefehl des Wehrkreiskommandeurs VI über die Behandlung geflüchteter Kriegsgefangener. Sie sehen auf diesem Befehl eine ganze Reihe von Bezugsstellen aus früheren Jahren, bis 1942. Ich frage Sie nun, mußte nach Ihrer Kenntnis und Erfahrung ein Befehl, der am 4. März 1944 ergangen sein soll, nicht auch hier aufgeführt sein, wenn er seinem Inhalt nach sehr wichtig war?

WESTHOFF: Wenn es sich hier um einen Geheimbefehl handelte, jawohl.

DR. NELTE: Ist es in der deutschen...

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Dr. Nelte, kommen Sie nicht sehr weit vom Thema ab, über das der Zeuge befragt wurde. Er wurde doch über eine Unterredung befragt, die er mit Feldmarschall Keitel hatte, und jetzt fragen Sie ihn über etwas, das, soweit ich sehe, nichts damit zu tun hat.

DR. NELTE: Ich glaube, ich werde klarmachen, daß es etwas mit dem zweiten Teil dieser Unterredung zu tun hat, nämlich mit der Behandlung ergriffener geflüchteter Offiziere. Es sind das vorbereitende Fragen, die ich stellen muß, um klarzustellen nach meiner Auffassung...

VORSITZENDER: Aber es ist ein sehr langes Kreuzverhör eines Zeugen, den Sie nicht aufrufen wollten. Der Gerichtshof will, daß Sie Ihr Kreuzverhör so kurz wie möglich halten.

DR. NELTE: Ich werde es so kurz, wie es im Interesse des Angeklagten möglich ist, gestalten.