[Zum Zeugen gewandt:]
Ist es in der deutschen Befehlsgebung nicht üblich, daß man bei Bezugnahme auf einen Befehl übergeordneter Stellen das Datum und das Aktenzeichen angibt?
WESTHOFF: Jawohl, immer.
DR. NELTE: Hätten Sie jemals an Vertreter der Schutzmächte und des Internationalen Roten Kreuzes eine Auskunft erteilt, daß Kriegsgefangene, von denen Sie wußten, daß sie ergriffen waren, nicht wieder ergriffen worden seien?
WESTHOFF: Nein.
DR. NELTE: Ist Ihnen etwas davon bekannt – und jetzt lasse ich Ihnen das letzte Dokument überreichen, 1650-PS...
[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]
VORSITZENDER: Dr. Nelte, wozu haben Sie ihm 1514-PS gezeigt. Es wurden keine erheblichen Fragen über dieses Dokument gestellt?
DR. NELTE: Ich habe aus diesem Dokument die Bestätigung der Einlassung des Angeklagten durch den Zeugen erhalten, daß, wenn am 4. März 1944 ein Befehl ergangen wäre, wie er hier vorgelegt wurde, er in dem Dokument enthalten gewesen sein mußte.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof betrachtet dies als Zeitvergeudung, Dr. Nelte.
DR. NELTE: Ich bin in einigen Minuten fertig, Herr Präsident.
[Zum Zeugen gewandt:]
Wollen Sie bitte auf diesem Dokument Seite 3 ansehen, unter Nummer 2. Da steht:
»Das OKW ist gebeten worden, die Kriegsgefangenenlager anzuweisen, im Interesse der Tarnung die Wiederergriffenen nicht unmittelbar nach Mauthausen, sondern der örtlich zuständigen Staatspolizeistelle zu übergeben.«
Ist Ihnen jemals in Ihrer Tätigkeit beim OKW von einer solchen Bitte oder einem solchen Befehl etwas bekanntgeworden?
WESTHOFF: Mir ist das nicht bekannt, das liegt ja auch schon in einer Zeit, in der ich nicht Chef war.
DR. NELTE: Sie mußten doch bei der Übernahme am 1. April 1944 alle wichtigen Vorgänge kennen oder davon Kenntnis nehmen?
WESTHOFF: Jawohl.
DR. NELTE: Ist Ihnen dabei bekanntgeworden, daß ein solches Dokument vorgelegen hat?
WESTHOFF: Nein, kenne ich nicht.
DR. NELTE: Und nun die letzte Frage. Sehen Sie sich dieses Dokument auf der ersten Seite an. Es ist ein Fernschreiben des Chefs Sipo und SD vom 4. März 1944 und hat in dem ersten Teil folgenden Wortlaut:
»Das OKW hat folgendes angeordnet: Jeder wiederergriffene, flüchtige kriegsgefangene Offizier... ist nach seiner Wiederergreifung dem Chef der Sipo und des SD mit dem Kennwort ›Stufe römisch III‹ zu übergeben.«
Der Angeklagte Keitel hat hier ausgesagt, daß er eine solche Anordnung des OKW nicht kennt. Ich frage Sie, haben Sie in den Vorlagen, in den Vorgängen, die Ihnen bei Ihrer Amtsübernahme am 1. April 1944 vorgelegt werden mußten, einen solchen Befehl, eine solche Anordnung gefunden?
WESTHOFF: Eine solche Anordnung habe ich nicht gefunden, aber ein derartiger Befehl bestand zweifelsohne.
DR. NELTE: In welcher Weise?
WESTHOFF: Soweit ich mich erinnere hat der General von Graevenitz diesen Befehl entweder aus dem Hauptquartier oder vom Allgemeinen Wehrmachtsamt mitgebracht.
DR. NELTE: Wie ist das möglich, daß ein solcher Befehl sich dann nicht in Ihrer Vorlage befand?
WESTHOFF: Weil der Befehl bestand, daß dieser Befehl nur mündlich zu bestehen habe.
DR. NELTE: Wollen Sie mir mal sagen, in welcher Weise das vor sich gehen mußte, wenn ein solcher Befehl mündlich gegeben wurde?
WESTHOFF: Er konnte mündlich weitergegeben werden.
DR. NELTE: Also Ihre Stelle?
WESTHOFF: Er wurde weitergegeben dann durch den Chef des Kriegsgefangenenwesens.
DR. NELTE: Chef?
WESTHOFF: Jawohl.
DR. NELTE: Und Sie wissen, daß ein solcher Befehl weitergegeben worden ist?
WESTHOFF: Der General von Graevenitz hat einen solchen Befehl mitgebracht, und meines Wissens ist der Befehl auch weitergegeben worden.
DR. NELTE: Dann mußten Sie doch wissen, was »Stufe römisch III« bedeutet?
WESTHOFF: Nein, das weiß ich eben nicht, ich sage ja, ich weiß nur, daß ein Befehl zur Überstellung an die Gestapo bestanden hat, kann mich aber nicht an Einzelheiten erinnern, weil ich einen schriftlichen Befehl niemals gesehen habe.
DR. NELTE: Können Sie denn dann sagen, daß dieser Befehl, wie er dort Ihnen vorliegt, vom OKW ausgegangen ist?
WESTHOFF: Nein, das kann ich nicht.
DR. NELTE: Ich danke.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt für zehn Minuten vertagen.