[Zum Zeugen gewandt:]
Wissen Sie, wer Dr. Grotius war, und ob er im OKW oder im Heer beschäftigt war?
WESTHOFF: Nein, ich habe den Namen Dr. Grotius nie gehört, auch nie mit ihm zu tun gehabt.
VORSITZENDER: Haben Sie das Dokument vor sich?
WESTHOFF: Nein, ich habe es nicht mehr.
VORSITZENDER: Sehen Sie sich mal die Buchstaben vor dem Namen Dr. Grotius an. Deuten sie darauf hin, daß er ein Mitglied des OKW war?
OBERST POKROWSKY: Herr Vorsitzender! Ich habe keine Fragen über Dr. Grotius gestellt, da der Zeuge, wie er mir sagte, erst viel später in die Heeresleitung eingetreten ist, und zwar 1943. Dieses Dokument stammt aber vom 20. Februar 1942.
VORSITZENDER:
[zum Zeugen gewandt]
Bedeuten diese Buchstaben vor dem Namen Grotius, daß er dem OKW angehört hat?
WESTHOFF: Ich weiß nicht, was die Buchstaben bedeuten sollen. Das OKW hat ja auch gar nichts zu tun mit dieser Sache.
VORSITZENDER: Wissen Sie, was die Buchstaben im Dokument oben links bedeuten, und zwar die, die ich soeben verlesen habe?
WESTHOFF: Rü III?
VORSITZENDER: Ja.
WESTHOFF: Das ist wahrscheinlich..., Rüstungsamt III wird das wahrscheinlich heißen.
VORSITZENDER: Das würde wohl in Verbindung mit dem OKW stehen?
WESTHOFF: Ich bin darüber nicht orientiert, weil ich mit Rüstungsämtern nie etwas zu tun gehabt habe. Das Oberkommando der Wehrmacht hat nur den Schriftverkehr, wenigstens meine Dienststelle, hat nur den Schriftverkehr gehabt mit dem Generalbeauftragten des Arbeitseinsatzes und mit dem Reichsministerium Speer. Wie die sich im einzelnen gegliedert haben, ist mir unbekannt.
VORSITZENDER: Haben Sie etwas über Dr. Mansfeld gewußt, oder ihn gekannt?
WESTHOFF: Ich habe die Frage nicht verstanden.
VORSITZENDER: Kannten Sie Dr. Mansfeld?
WESTHOFF: Nein, kenne ich nicht, habe auch nie dessen Namen gehört.
OBERST POKROWSKY: Die Frage über Dr. Mansfeld könnte wahrscheinlich an den Angeklagten Sauckel gestellt werden.
VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Technisch gesprochen kann der Gerichtshof Ihrer Behauptung, daß die Buchstaben auf dem Briefkopf OKW bedeuten sollen, keinen Glauben schenken Es mag tatsächlich so sein, aber Sie können keinen Beweis dafür erbringen. Vielleicht können Sie es aber auf andere Weise beweisen.
OBERST POKROWSKY: Der Organisationsplan des OKW ist dem Gerichtshof bereits vorgelegt worden. Die Personen, die diese Abkürzungen entziffert haben, sind in dieser Tätigkeit genügend erfahren, und ich glaube, daß die Aussage des Zeugen vor dem Gerichtshof den vollständigen Beweis für die Tatsache erbracht hat, daß das fragliche Dokument das Amt III des OKW betrifft. Es würde dies natürlich sehr leicht festzustellen sein, wenn man das Dokument mit dem Organisationsplan des OKW vergleicht. Wir werden diesen Vergleich durchführen.
VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen. Der Gerichtshof vertagt sich nunmehr und wünscht, daß der andere Zeuge, Wielen, um 14 00 Uhr vorgeladen wird.
[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich möchte fragen, Herr Vorsitzender, ob Sie die Worte, für die diese Buchstabengruppen gesetzt sind, wissen wollen. Ich kann Ihnen, Herr Vorsitzender, falls Sie es wünschen, an Hand des letzten Dokuments, 1201-PS, diese Worte nennen.
VORSITZENDER: Danke schön.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich glaube, Sie brauchen nur die Stelle zu betrachten, wo der Name Dr. Grotius steht.
VORSITZENDER: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: »Wi Rü Amt« bedeutet »Wirtschaftsrüstungsamt«. Das ist, wie Sie, Herr Vorsitzender, sich erinnern werden, die Abteilung des Generals Thomas vom OKW.
Die Buchstaben »KVR« bedeuten »Kriegsverwaltungsrat«.
Ich glaube, es unterliegt keinem Zweifel, daß das Dokument aus der Abteilung des Generals Thomas vom OKW kommt.
DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich bitte, zu diesem Schreiben auch Aufklärung geben zu dürfen. Ich möchte nur auf Bedenken aufmerksam machen: Es muß festgestellt werden, von welcher Stelle aus der Kopf, also die erste Zeile, herrührt, während die zweite Zeile, auf die sich Sir David Maxwell-Fyfe eben bezogen hat, mit »Az« beginnt. Az bedeutet »Aktenzeichen«, also eine Bezugnahme auf ein Schreiben vom Wirtschafts- und Rüstungsamt. Das erklärt aber noch nicht den Hersteller dieses Schreibens, der sich lediglich danach richten kann, wie der Kopf, also die erste Zeile, zu deuten ist.
VORSITZENDER: Verstehen Sie es?
DR. LATERNSER: Ja, ich verstehe es.
VORSITZENDER: Sehr gut.
DR. LATERNSER: Man kann also den Hersteller dieses Schreibens nur finden, wenn man klärt, was die erste Zeile bedeutet, weil die zweite nur die Bezeichnung des Aktenzeichens ist, was sich auch aus den ersten beiden Buchstaben ergibt, »Az«, das bedeutet »Aktenzeichen« und es scheint also in diesem Schreiben Bezug genommen worden zu sein auf ein Schreiben des Wirtschafts- und Rüstungsamts. Das ist alles, was ich hierzu zu sagen habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Vorsitzender, weitere Auskünfte wünschen. Mir scheint es ganz klar. Das heißt, dies Schrittstück stammt aus den Akten der von mir genannten Abteilung, dem Wirtschafts- und Rüstungsamt.
VORSITZENDER: Ja. Sie meinen also, daß es sich auf dieselben Buchstaben bezieht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dieselben Buchstaben, ja.
VORSITZENDER: Man erklärt mir soeben, Dr. Laternser habe gesagt, die Buchstaben »Az i K 32/510« ständen nur als Aktenzeichen dieses Amtes.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Herr Vorsitzender. Um festzustellen, aus welchem Amt dieser Akt stammt, wird nochmals hinzugesetzt »WiRü«, das heißt Wirtschaftsrüstungsamt, und es ist die Rüstungsabteilung III.
VORSITZENDER: Ja.
Sir David! Der Gerichtshof glaubt, es wäre das beste, den Zeugen hereinzurufen, und den Vertretern der Anklage und der Verteidigung freizustellen, ihn zu verhören.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn es Ihnen, Herr Vorsitzender, recht ist, wird mein Kollege Herr Roberts diesen Zeugen vernehmen. Er hat ganz kurze Stellen aus den Aussagen zur Verlesung ausgewählt.
VORSITZENDER: Sehr gut.