HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis

11. April 1946, 10.00 Uhr.]

1 Dr. Horn wollte sagen: »englische und französische Vorkommandos« an Stelle von »englische und amerikanische Vorkommandos« [Errata, Bd. 23, S. 627]

Einhundertfünfter Tag.

Donnerstag, 11. April 1946.

Vormittagssitzung.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Am vorigen Samstag, als ich durch Krankheit am Erscheinen verhindert war, ist die Frage aufgeworfen worden, in welcher Reihenfolge die Verteidigung für den Angeklagten Dr. Funk und Dr. Schacht durchgeführt werden solle, und Herr Präsident haben damals den Wunsch ausgesprochen, daß ich meine Stellungnahme hierzu möglichst bald dem Gerichtshof mitteile. Ich habe nun mit meinem Mandanten und mit dem Verteidiger des Dr. Schacht die Frage besprochen, und ich bin damit einverstanden und schlage vor, daß die Verteidigung zunächst für den Angeklagten Dr. Schacht durchgeführt werden soll, und daß die Verteidigung für den Angeklagten Funk aus Zweckmäßigkeitsgründen erst nach der Beweisführung für den Angeklagten Schacht erfolgen soll. Das wollte ich Ihnen mitteilen, Herr Präsident, damit der Gerichtshof darüber im Bilde ist. Danke schön!

VORSITZENDER: Ja, gewiß.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Ich möchte den Gerichtshof von der Tatsache in Kenntnis setzen, daß wir uns mit Dr. Thoma über eine Reihe von Fragen im Hinblick auf die Dokumente für den Angeklagten Rosenberg geeinigt haben. Verschiedene Angelegenheiten jedoch, bei denen wir keine Übereinstimmung erzielen konnten, werden eine Behandlung vor dem Gerichtshof erforderlich machen. Wir sind nun, wie ich gestern schon sagte, bereit, zu den Anträgen Dr. Schachts Stellung zu nehmen.

VORSITZENDER: Gut, wir werden eine Zeit dafür bestimmen.

Ich erteile jetzt Dr. Kauffmann das Wort.

DR. KAUFFMANN: Herr Präsident! Ich beginne nun die Verteidigung in der Beweisführung im Falle des Angeklagten Kaltenbrunner. Ich brauche nicht zu betonen, wie außergewöhnlich schwierig diese Verteidigung ist, mit Rücksicht auf die ungewöhnliche Schwere der gegen ihn erhobenen Anklage. Ich denke mir die Beweisführung so, daß ich mit Genehmigung des Gerichtshofs aus dem kurzen Dokumentenbuch vorher zwei kleine Dokumente verlese, daß ich dann mit Erlaubnis des Gerichtshofs den Angeklagten Kaltenbrunner auf den Zeugenstand rufe, und daß ich alsdann ein oder zwei Zeugen vernehme.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist damit einverstanden; ich möchte Sie jedoch darauf aufmerksam machen...:

[Störung im Übertragungssystem.]

Sie haben früher um die Erlaubnis gebeten, die von der Anklagebehörde vorgeladenen Zeugen Ohlendorf, Schellenberg, Wisliceny und Höllriegel ins Kreuzverhör nehmen zu dürfen. Daraufhin hat der Gerichtshof angeordnet, daß diese Zeugen zum Kreuzverhör wieder vorgeladen werden können, daß sie jedoch vor den von Ihnen genannten Zeugen vernommen werden sollen. Darum möchte der Gerichtshof jetzt wissen, ob Sie irgendeinen dieser Zeugen zum Kreuzverhör rufen wollen.

DR. KAUFFMANN: Nein, Herr Präsident, ich werde weder Ohlendorf, Wisliceny, Höllriegel noch Schellenberg rufen.

VORSITZENDER: Gut!

DR. KAUFFMANN: Darf ich nun diese beiden Dokumente verlesen? Es ist zunächst die eidesstattliche Bekundung des Zeugen Dr. Mildner im Dokumentenbuch. Ich bitte hiervon Kenntnis zu nehmen; die Bezeichnung ist Kr. 1. Ich verlese nun:

»Eidesstattliche Versicherung.

Ich, der Unterzeichnete, Dr. Mildner, zur Zeit in Nürnberg in Haft, versichere an Eides Statt und zum Zwecke der Vorlage bei dem Nürnberger Internationalen Militärgerichtshof, auf die Fragen des Rechtsanwalts Dr. Kauffmann folgendes:

1. Frage: Machen Sie Angaben zu Ihrer Person.

Antwort: Ich bin rund 10 Jahre mit Aufgaben der Geheimen Staatspolizei betraut gewesen. Von 1938 bis 1945 unterstand ich dem Amt IV, das ist Geheime Staatspolizei des Reichssicherheitshauptamtes Berlin. Im Reichssicherheitshauptamt Berlin selbst war ich nur zirka 3 Monate, nämlich vom März bis Juni 1944. Im übrigen war ich meistens Leiter von Provinzialaußenstellen der Geheimen Staatspolizei.

2. Frage: Was können Sie zur Persönlichkeit Kaltenbrunners sagen?

Antwort: Aus eigener Erkenntnis kann ich folgendes bestätigen: Ich kenne den Angeklagten Kaltenbrunner persönlich; er war in seinem Privatleben ein untadeliger Mann. Nach meinem Dafürhalten geschah seine Berufung vom Höheren SS- und Polizeiführer zum Chef der Sicherheitspolizei und des SD, weil Himmler nach dem Tode seines Hauptrivalen Heydrich im Juni 1942 keinen Mann mehr neben oder unter sich duldete, der ihn in seiner Stellung hätte in Gefahr bringen können. Für Himmler war der Angeklagte Kaltenbrunner zweifellos der Ungefährlichste. Kaltenbrunner hatte keinen Ehrgeiz, durch besondere Taten sich Geltung zu verschaffen und eventuell Himmler zu verdrängen. Von Machthunger konnte bei ihm keine Rede sein. Es ist falsch, ihn als den ›kleinen Himmler‹ zu bezeichnen.

3. Frage: Welche Stellung nahm Kaltenbrunner zu dem Amt IV (Geheime Staatspolizei) ein?

Antwort: Mir ist zwar keine ausdrückliche Beschränkung in der Zuständigkeit des Angeklagten Kaltenbrunner hinsichtlich der dem Reichssicherheitshauptamt unterstehenden Ämter bekannt; andererseits kann ich sagen, daß der Amtschef IV, Müller, auf Grund seiner langen Erfahrung selbständig handelte und niemandem, also auch nicht einmal den Amtschefs der übrigen Ämter des Reichssicherheitshauptamtes, Einblick in seine Aufgaben und Methoden seines Amtes IV gewährte. Er hatte ja die unmittelbare Deckung durch Himmler.

4. Frage: Haben Sie jemals Exekutivbefehle Kaltenbrunners gesehen?

Antwort: Ich habe niemals einen Originalbefehl, also etwa handschriftlich unterzeichnet, des Angeklagten Kaltenbrunner gesehen. Ich weiß wohl, daß Schutzhaftbefehle Faksimile-Unterschriften trugen oder die Unterschrift in Maschinenschrift. Es war dies bereits eine aus der Zeit Heydrichs herrührende Gewohnheit.

5. Frage: Lagen die Exekutionsbefehle in der Hand Kaltenbrunners oder Himmlers? Wer war für die Errichtung und Führung der Konzentrationslager verantwortlich?

Antwort: Ich weiß, daß die Exekutionsbefehle in der Hand Himmlers lagen. Meines Wissens konnten ohne seine Genehmigung andere Organe des Reichssicherheitshauptamtes keine solchen Befehle erlassen. Ich weiß ferner, daß die Konzentrationslager einem besonderen Hauptamt, nämlich dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterstanden, das von Pohl geleitet wurde. Mit dem Reichssicherheitshauptamt haben die Konzentrationslager nichts zu tun gehabt. Das gilt für die gesamte Verwaltung, Verpflegung, Behandlung, Lagerordnung et cetera. Der Inspekteur der Konzentrationslager war Glücks. Der Dienstweg war also: Himmler, Pohl, Glücks, Lagerkommandant.

6. Frage: Hat Kaltenbrunner befohlen, irgendwelche Konzentrationslager zu evakuieren?

Antwort: Mir ist nicht bekannt, daß der Angeklagte Kaltenbrunner irgendwelche Befehle bezüglich der Räumung der Konzentrationslager erteilt hätte.

7. Frage: Hat Kaltenbrunner den Befehl erteilt, alle dänischen Bürger jüdischen Glaubens zu verhaften und in das Konzentrationslager Theresienstadt zu bringen?

Antwort: Nein. Ich kann diese Frage deshalb genau beantworten, weil ich selbst im September 1943 als Angehöriger der Gestapo mit dieser Sache in Dänemark beschäftigt war. Der Befehlshaber der Sipo und SD hatte im September 1943 den Befehl erhalten, alle dänischen Juden zu verhaften und nach Theresienstadt zu befördern. Ich flog nach Berlin, um die Rückgängigmachung dieses Befehls durchzusetzen. Kurze Zeit darauf traf in Dänemark ein Befehl Himmlers ein, wonach die Judenaktion durchzuführen sei. Kaltenbrunner hat also den Befehl nicht erteilt. Ich habe mit ihm nicht gesprochen, er war auch überhaupt nicht in Berlin anwesend.

Gelesen und für richtig befunden,

Nürnberg, 29. März 1946.

gez.: Dr. Mildner.«

Dann folgt die Beglaubigung.

Die nächste eidesstattliche Versicherung stammt von Dr. Höttl.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Wir stehen vor einem neuen Problem. Ich glaube nicht, daß eine solche Frage schon vorher aufgetaucht ist. Die Anklagevertretung hat einen Gegenfragebogen für diesen Dr. Mildner vorgelegt. Wir sind uns über das weitere Verfahren nicht schlüssig. Sollen wir unseren Gegenfragebogen jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt vorlegen?

VORSITZENDER: Ich denke, Sie sollten ihn jetzt verlesen.

MR. DODD: Gut!

DR. KAUFFMANN: Herr Präsident! Ich darf noch etwas dazu sagen. Ich höre erstmals, daß auch Fragen von der Anklagebehörde gestellt wurden und diese Fragen von demselben Zeugen beantwortet sind. Ich glaube, das ist der erste Fall in dieser Beziehung, der dem Gerichtshof vorgetragen wurde.

Wäre es nicht angemessen gewesen, mir auch die Antwort zur Kenntnis zu geben, nachdem ich meine eidesstattliche Versicherung der Anklagebehörde lange Zeit vorher zur Verfügung gestellt habe?

VORSITZENDER: Gewiß, es sollte so sein. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß sie sofort nach Eintreffen an Sie hätte weitergeleitet werden sollen.

DR. KAUFFMANN: Soll die Antwort dennoch vorgelesen werden? Ich möchte an sich formell dagegen Einspruch einlegen und bitte den Gerichtshof um eine Entscheidung.

VORSITZENDER: Herr Dodd, warum wurde die Antwort Dr. Kauffmann nicht vorgelegt?

MR. DODD: Dieser Gegenfragebogen wurde erst gestern aufgenommen, und das Material ist erst heute früh fertiggestellt worden. Wir bedauern das. Wenn er fertig gewesen wäre, dann würde er ihm sofort zugeleitet worden sein, und wir haben natürlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ihm nun zur Einsichtnahme etwas Zeit zur Verfügung gestellt wird.

VORSITZENDER: Dr. Kauffmann! Unter diesen Umständen werden wir das Verlesen dieser Gegenfragebogen verschieben, damit Sie Einsicht nehmen können. Wenn Sie es für richtig halten, können Sie gegen irgendeine Frage oder Antwort Einspruch erheben, und wir werden die Angelegenheit dann einer Prüfung unterziehen.

DR. KAUFFMANN: Danke schön! Darf ich nunmehr das zweite und letzte Dokument verlesen?

»Eidesstattliche Versicherung.

Ich, der Unterzeichnete, Dr. Wilhelm Höttl, erkläre auf die an mich gestellten Fragen des Rechtsanwalts Dr. Kauffmann zwecks Vorlage beim Internationalen Militärgerichtshof folgendes an Eides Statt:«

VORSITZENDER: Können Sie die Nummer dieses Dokuments nennen?

DR. KAUFFMANN: Ja, Kr. Nummer 2.

»1. Frage: Machen Sie nähere Angaben zu Ihrer Person. Wie war Ihre dienstliche Stellung im SD? Woher kannten Sie Kaltenbrunner?

Antwort: Ich bin am 19. März 1915 in Wien geboren; von Beruf Historiker. Meine Beschäftigung bis zum deutschen Zusammenbruch war die eines Referenten im Amt VI (Nachrichtendienst Ausland) des Reichssicherheitshauptamtes. Nach dem Anschluß Österreichs im Jahre 1938 ging ich freiwillig zum SD. Von der Nationalen Katholischen Jugendbewegung kommend, stellte ich mir das Ziel, einen maßvollen politischen Kurs für meine Heimat durchzusetzen.

Kaltenbrunner lernte ich im Jahre 1938 kennen; er kannte meine vorgenannte Zielsetzung.

Im Jahre 1941 wurde ich auf persönliche Anweisung Heydrichs wegen ›konfessioneller Gebundenheit und mangelnder politischer und weltanschaulicher Verläßlichkeit‹ vor das SS- und Polizeigericht gestellt und mußte als einfacher Soldat einrücken. Nach Heydrichs Tod wurde ich begnadigt und anfangs 1943 von dem Amtschef VI des Reichssicherheitshauptamtes, Schellenberg, zu dessen Amt kommandiert. Ich hatte hier die Leitung des Vatikanreferats, sowie einiger Länderrefera te auf dem Balkan.

Mit der Ernennung Kaltenbrunners zum Chef des Reichssicherheitshauptamtes anfangs 1943 kam ich mit ihm laufend in dienstliche Berührung, zumal er bemüht war, die Gruppe der Österreicher im Reichssicherheitshauptamt näher an sich zu ziehen.

2. Frage: Geben Sie eine Schätzung der Zahlenverhältnisse innerhalb der Zentrale des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin an.

Antwort: Bei der Zentrale in Berlin hatte das Amt IV (Gestapo) ungefähr 1500 Angehörige; das Amt V (Kriminalpolizei) 1200, die Ämter III und VI (Nachrichtendienst Inland und Nachrichtendienst Ausland) je 3- bis 400.

3. Frage: Was versteht man unter SD und welches waren seine Aufgaben?

Antwort: Heydrich organisierte im Jahre 1932 den sogenannten Sicherheitsdienst (genannt SD). Seine Aufgabe war, die oberste deutsche Führung sowie die einzelnen Reichsressorts über die Vorgänge im gesamten In- und Ausland zu unterrichten.

Der SD war ein reiner Nachrichtenapparat und hatte keinerlei Exekutive. Zu den sogenannten Einsatzkommandos im Osten waren lediglich einzelne Personen, die dem SD angehörten, abkommandiert, die damit eine Exekutive übernahmen und für diese Zeit aus dem SD ausschieden. Einsatzgruppen sind Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD« – Verzeihung, ich habe mich versprochen – »Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD gab es bis zuletzt; auch in Afrika, sogar 1944 noch in Ungarn und in der Slowakei. Diese Kommandos hatten mit Exekutionen nichts zu tun. Ihre Aufgaben waren inzwischen allgemein sicherheitspolizeilicher Natur geworden. Die Exekutionen wurden meines Wissens nur in Rußland durchgeführt, und zwar auf Grund des sogenannten Kommissar-Befehls von Hitler. Ob diese Kommandos seit der Ernennung Kaltenbrunners zum Chef des Reichssicherheitshauptamtes ihre Tätigkeit eingestellt haben oder noch fortsetzten, weiß ich nicht.

4. Frage: Ist Ihnen die Judenvernichtungsaktion Eichmanns bekannt?

Antwort: Genaueres über die Aktion Eichmanns ist mir erst seit Ende August 1944 bekannt. Damals machte Eichmann nur persönlich nähere Angaben darüber. Eichmann erklärte unter anderem, daß die ganze Aktion ein besonderes Reichsgeheimnis und nur ganz wenigen Menschen bekannt sei.

Die Zahl der Angehörigen dieses Kommandos liegt nach meinem Dafürhalten insgesamt kaum über 100 Personen.

5. Frage: Was wissen Sie über die Beziehungen Eichmanns zu Kaltenbrunner?

Antwort: Das dienstliche Verhältnis der beiden kenne ich nicht. Doch dürfte Eichmann keinen unmittelbaren dienstlichen Kontakt mit Kaltenbrunner gehabt haben. Er bat mich mehrfach, ihm bei Kaltenbrunner eine Unterredung zu verschaffen, Kaltenbrunner lehnte dies stets ab.

6. Frage: Welches war das Verhältnis Kaltenbrunners zu dem Chef der Geheimen Staatspolizei Müller?

Antwort: Über ihr dienstliches Verhältnis kann ich keine näheren Angaben machen Es steht aber fest, daß Müller durchaus selbständig handelte. Er hatte seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Geheimen Staatspolizei große Erfahrung. Er stand bei Himmler in Ansehen. Kaltenbrunner schätzte ihn nicht. Kaltenbrunner hatte weder fachliche Vorbildung für polizeiliche Fragen noch überhaupt Interesse hierfür. Sein Hauptaugenmerk und sein volles Interesse fand jedoch der Nachrichtendienst, insbesondere soweit er das Ausland betrat.

7. Frage: Wem unterstanden die Konzentrationslager?

Antwort: Die Konzentrationslager unterstanden ausschließlich dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS, also nicht dem Reichssicherheitshauptamt und deshalb nicht Kaltenbrunner. Dieser hatte also auf diesem Gebiet keine Befehlsgewalt oder Zuständigkeit. Die in den Konzentrationslagern vorgekommenen Grausamkeiten billigte Kaltenbrunner, wie ich ihn menschlich einschätze, bestimmt nicht. Ob er diese gekannt hat, weiß ich nicht.

8. Frage: Hat Kaltenbrunner einen Befehl erteilt oder weitergeleitet, wonach notgelandete Feindflieger bei einer Lynchjustiz seitens der Bevölkerung keinen Schutz erhalten sollten?

Antwort: Nein, ich habe derartiges von Kaltenbrunner niemals gehört, obwohl ich mit ihm sehr häufig zusammen war. Nach meiner Erinnerung hat aber Himmler einen solchen Befehl erteilt.

9. Frage: Hat Kaltenbrunner Befehle erteilt, Juden zu töten?

Antwort: Nein, er hat derartige Befehle nicht erteilt und konnte auch meines Erachtens derartige Befehle von sich aus nicht geben. In dieser Frage, das heißt der physischen Vernichtung des europäischen Judentums, stand er meiner Meinung nach im Gegensatz zu Hitler und Himmler.

10. Frage: Welche Kirchenpolitik betrieb Kaltenbrunner?

Antwort: Als Vatikanreferent hatte ich öfter Gelegenheit, mit ihm dienstlich hierüber zu sprechen. Meinem Vorschlag, im Frühjahr 1943 bei Hitler eine Änderung der Kirchenpolitik herbeizuführen, um auf dieser Basis den Vatikan für eine Friedensvermittlung zu gewinnen, trat er sofort bei. Bei Hitler hatte Kaltenbrunner keinen Erfolg, da Himmler stärkstens gegen ihn Stellung nahm. Den gleichen Mißerfolg hatte der Deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, mit dem ich die Sache abgesprochen hatte, Freiherr von Weizsäcker, den Bormann deshalb sogar beaufsichtigen ließ.

11. Frage: Hat Kaltenbrunner in die Außenpolitik im Sinne der Befriedung eingegriffen?

Antwort: Ja, in der Ungarnfrage zum Beispiel ist es ihm gelungen, im März 1944, als die deutschen Truppen Ungarn besetzten, Hitler zur Mäßigung zu bewegen und den geplanten Einmarsch rumänischer und slowakischer Verbände zu verhindern. Dank seiner Unterstützung gelang es mir, eine geplante Ungarische Nationalsozialistische Regierung noch ein halbes Jahr zu verhindern.«