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[zum Zeugen gewandt]

Sind Sie fertig?

KALTENBRUNNER: Ja! Dort ist ein Irrtum auf Ihrer Seite, Dr. Kauffmann. Ich habe nicht meine Unterschrift bestritten, sondern ich habe erklärt, daß ich annehmen muß, daß ich diesen Befehl erst nach Ausgabe zur Kenntnis genommen habe, und daß im ursprünglichen Befehl vermutlich meine Unterschrift nicht enthalten gewesen ist. Das habe ich gesagt. Ich erinnere mich jetzt aber durch die Klausel »Beglaubigt... Angestellte«, daß es sich hier offenbar um einen damals von mir im Original unterschriebenen Erlaß gehandelt hat. Ich entsinne mich weiter aus den ersten Worten dieses Erlasses »Der Reichsführer-SS hat genehmigt...«, daß dieser Erlaß sich auf einen persönlichen Vortrag, den ich bei Himmler gehalten haben muß, gegründet hat, und daß ich bei diesem Vortrag, ich erinnere an das Datum 26. Juli 1943, offenbar den ersten Vorstoß bei Himmler unternommen habe auf Lockerung beziehungsweise Abänderung des Zustandes, daß in solchen Fällen, in denen bisher ja nur in Konzentrationslager eingeliefert wurde, nicht mehr in Konzentrationslager eingeliefert wird, sondern weil es sich um ausgesprochen leichte Fälle handeln mußte, in Arbeitserziehungslager, und daß er hier die erste Differenzierung zwischen Konzentrationslager und Arbeitserziehungslager machen solle. Es war also nach meiner Ansicht das Resultat meines ersten Vorstoßes bei ihm gegen das Konzentrationslagersystem.

Und drittens möchte ich hinweisen, daß dieser Erlaß die Nummer II c trägt, also kein Erlaß ist, der aus den polizeilich-exekutiven Ämtern, Staatspolizei oder Kriminalpolizei, gekommen ist, sondern aus der administrativen Ebene.

DR. KAUFFMANN: Es genügt völlig zur Aufklärung.

Die Anklage macht Sie verantwortlich für die Einweisung von rassisch und politisch unerwünschten Personen in Konzentrationslager. Wieviele Konzentrationslager waren Ihnen nach Ernennung zum Chef des Reichssicherheitshauptamtes bekanntgeworden?

KALTENBRUNNER: Zur Zeit meiner Ernennung habe ich drei Konzentrationslager gekannt. Am Ende meiner Amtstätigkeit waren es im gesamten Reich zwölf gewesen.

DR. KAUFFMANN: Wieviele gab es insgesamt?

KALTENBRUNNER: Es gab noch ein dreizehntes. Das war das SS-Straflager bei Danzig. Es gab insgesamt im Reich dreizehn.

DR. KAUFFMANN: Wie erklären Sie sich die Wandkarte, die Sie ja gesehen haben, mit vielen roten Punkten, die auch Konzentrationslager darstellen sollen?

KALTENBRUNNER: Diese Darstellung ist unbedingt irreführend. Ich habe die Karte hier hängen gesehen. Es sind oder müssen alle jene Rüstungsstätten, Fabriken, Orte, öffentliche Arbeiten und so weiter, in denen Häftlinge aus Konzentrationslagern zum Arbeitseinsatz eingesetzt waren, als Konzentrationslager bezeichnet worden sein. Anders kann ich mir diese Sintflut von roten Punkten nicht erklären.

DR. KAUFFMANN: Machen Sie einen Unterschied zwischen diesen kleineren Lagern und den eigentlichen Konzentrationslagern und weshalb?

KALTENBRUNNER: Dieser Unterschied ist vollkommen augenfällig, und zwar aus folgendem Grunde: Jeder Arbeiter, der in der Rüstungsindustrie eingesetzt gewesen ist, jeder Häftling hat dort im selben Unternehmen und im selben Betrieb wie jeder ausländische oder deutsche Arbeiter dieses Betriebes gearbeitet. Der Unterschied hat lediglich darin bestanden, daß der deutsche Arbeiter am Arbeitsschluß, Ende des Tages, zu seiner Familie heimging, während der Häftling des Arbeitslagers in das Lager zurückkehren mußte.

DR. KAUFFMANN: Es wird Ihnen zum Vorwurf gemacht, Sie hätten das Konzentrationslager Mauthausen gegründet, Sie hätten dieses Lager wiederholt besichtigt. Ein hier erschienener Zeuge, Höllriegel, hat bekundet, er habe Sie in diesem Lager gesehen. Er hat weiter bekundet, Sie gesehen zu haben bei der Besichtigung der Gaskammern, und zwar in Funktion. Es besteht ein Affidavit des bereits heute genannten Zutter, der Sie ebenfalls in dem Konzentrationslager Mauthausen gesehen haben will. Daraus schließt die Anklage, daß Sie auch über die gesamten menschenunwürdigen Zustände genauestens orientiert gewesen sein müssen. Ich frage Sie nun, sind diese Bekundungen richtig oder falsch? Wann haben Sie die Besichtigung vorgenommen und welche Beobachtungen haben Sie gemacht?

KALTENBRUNNER: Diese Bekundungen sind falsch. Ich habe in Österreich, bis 1943 wirkend, kein Konzentrationslager gegründet. Ich habe ab 1943 im Reich kein Konzentrationslager gegründet. Es ist jedes Konzentrationslager des Reiches, wie ich heute ganz genau weiß, und wie hier auch ganz bestimmt und fest erwiesen ist, von Himmler durch Befehlsgebung an Pohl gegründet worden. Dies trifft ebenfalls, und das muß ich hier besonders betonen, auf das Lager Mauthausen zu. Von der Gründung des Lagers Mauthausen ist jede österreichische Dienststelle nicht nur ausgeschaltet, sondern auf das unliebsamste überrascht gewesen, weil weder der Begriff des Konzentrationslagers in Österreich in diesem Sinne bekannt gewesen ist, noch die Notwendigkeit hierzu bestanden hat, irgendwo in Österreich ein Lager einzurichten.

DR. KAUFFMANN: Und nun in Deutschland, im Altreich?

KALTENBRUNNER: Wie meinen Sie das?

DR. KAUFFMANN: Das frage ich bezüglich der Kenntnis der Zustände.

KALTENBRUNNER: Von Zuständen in den Konzentrationslagern habe ich schrittweise mehr und mehr gehört. Es ist selbstverständlich, und zwar schon auf dem Wege des gesamten innerdeutschen und innenpolitischen Nachrichtenwesens habe ich von diesen Dingen hören müssen.

DR. KAUFFMANN: Haben Sie nicht, wie Höllriegel bekundet hat, die Gaskammern in Funktion gesehen?

KALTENBRUNNER: Ich habe niemals, weder in Funktion noch sonstwie, eine Gaskammer gesehen.

VORSITZENDER: Sie sprechen zu schnell. Machen Sie Pause zwischen Fragen und Antworten, und sprechen Sie nicht zu schnell. Er sagte, schrittweise habe er durch seinen Nachrichtendienst von den Zuständen in den Konzentrationslagern gehört. Ist das richtig?

DR. KAUFFMANN: Ja!

Sie sollen schrittweise von den Zuständen in den Konzentrationslagern Kenntnis bekommen haben, sagten Sie eben?

KALTENBRUNNER: Jawohl!

DR. KAUFFMANN: Haben Sie meine letzte Frage noch?

KALTENBRUNNER: Nein!

DR. KAUFFMANN: Ob Sie die Gaskammern in Funktion gesehen haben?

KALTENBRUNNER: Ja, darauf habe ich geantwortet. Ich habe niemals eine Gaskammer, auch nicht in Funktion, gesehen. Ich wußte von dem Bestehen einer solchen in Mauthausen niemals etwas. Eine diesbezügliche Bekundung ist restlos falsch. Ich habe das Haftlager in Mauthausen, also das eigentliche Konzentrationslager, überhaupt niemals betreten.

Ich bin in Mauthausen gewesen, aber nicht in diesem Haftlager, sondern im Arbeitslager. Der gesamte Komplex Mauthausen, soweit er mir heute in Erinnerung ist, erstreckt sich über ein Gelände von sechs Kilometern. Innerhalb dieser sechs Kilometer ist ein Raum von vielleicht viereinhalb oder fünf Kilometern Arbeitsstätten. Hier handelte es sich um die größten Granitsteinbrüche, die in Österreich vorkommen, und die im Eigentum der Stadtgemeinde Wien gestanden haben.

DR. KAUFFMANN: Es wird hier ein Bild gezeigt, auf dem Sie mit Himmler und Ziereis abgebildet sind?

KALTENBRUNNER: Darauf wollte ich eben zu sprechen kommen. Diese Steinbrüche gehörten der Stadtgemeinde Wien. Die Stadtgemeinde Wien hat ein wichtigstes Interesse daran gehabt, von dem Granitbezug für das gesamte Straßenpflaster Wiens nicht ausgeschlossen zu werden. Nun ist auf Grund des Reichsleistungsgesetzes, wie ich später hörte, durch das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, Pohl, dieser große Steinbruch aus dem Eigentum der Gemeinde Wien enteignet worden, und Wien ist durch längere Zeit hindurch von jedem Granitbezug ausgeschlossen gewesen. Nun hat sich die Stadtgemeinde an mich gewandt, ich soll bei Himmler dagegen vorstellig werden. Und so ist es gekommen, daß bei einer Besichtigungsreise Himmlers in Süddeutschland dieser auch Österreich und Mauthausen berührt hat und mich hinbestellte, und so ist es gekommen, daß ich mit Himmler in diesem Steinbruch gewesen bin. Ob ich dabei photographiert worden bin oder nicht, das weiß ich nicht; ich habe das Bild bis jetzt nicht gesehen und kann daher auch meine Person nicht identifizieren.

Darf ich das noch ergänzen. Himmler hatte weder bei diesem Anlaß noch bei irgendeinem anderen Anlaß mich je in ein Haftlager geführt, noch angeregt, ein solches Lager zu besichtigen. Wie ich später gehört habe, hat er das aus gewissen Absichten nie getan. Ich hätte auch niemals eine solche Inspektion mitgemacht, weil ich genau weiß, daß er bei mir, ebenso wie bei verschiedenen anderen Personen, die er zu solchen Besuchen eingeladen hat, »Potemkinsche Dörfer« aufgebaut hätte und in die Betriebe, in die Konzentrationslager, wie sie wirklich gewesen sind, außer einer Handvoll Männern des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, niemals irgend jemand die geringste Einsicht gewährte.

DR. KAUFFMANN: Darf ich dazu eine Frage stellen. Sie sprechen von der Handvoll Männer, gehörten Sie also nicht dazu?

KALTENBRUNNER: Ausgeschlossen, zu dieser Handvoll Männer gehörten Himmler, Pohl, Müller, Glücks und die Lagerkommandanten.

DR. KAUFFMANN: Bezüglich des Konzentrationslagers Mauthausen liegt ein Dokument vor, zu dem Sie jetzt Stellung nehmen wollen, das Dokument 1650-PS, das dem Gericht bereits vorliegt, vom 4. März 1944. Es betrifft den »Kugel-Erlaß«, den sogenannten »Kugel-Erlaß«. Einstufung des Lagers III:

»Maßnahmen gegen wiederergriffene, flüchtige kriegsgefangene Offiziere und nichtarbeitende Unteroffiziere mit Ausnahme britischer und amerikanischer Kriegsgefangener.«

Dieses Dokument ist dem Inhalt nach dem Gericht bereits bekannt. Ich glaube nicht, daß ich es zu verlesen brauche. Der Angeklagte Kaltenbrunner soll dazu eine Erklärung abgeben, ob ihm dieser Sachverhalt bekanntgeworden ist?

VORSITZENDER: Ich habe die Nummer nicht verstanden.

DR. KAUFFMANN: 1650-PS, US-246.