HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

Heil Hitler!

Dein Kaltenbrunner.«

Nun, erinnern Sie sich an diese Mitteilung?

KALTENBRUNNER: Nein.

OBERST AMEN: Verneinen Sie es, den Brief geschrieben zu haben?

KALTENBRUNNER: Ja.

OBERST AMEN: Nun, ich glaube, diesmal, Angeklagter, steht Ihre eigene Unterschrift unter dem Original dieses Briefes. Haben Sie das Original?

KALTENBRUNNER: Ja.

OBERST AMEN: Ist das nicht Ihre Unterschrift?

KALTENBRUNNER: Nein, das ist nicht meine Unterschrift. Es ist eine Unterschrift entweder in Tinte oder in Faksimile; aber es ist nicht die meinige.

OBERST AMEN: Angeklagter, ich will Ihnen Beispiele Ihrer Unterschrift zeigen, die Sie während Ihrer Verhöre gegeben haben, und ich bitte Sie, mir zu sagen, ob das nun Ihre Unterschriften sind oder nicht.

KALTENBRUNNER: Ich habe Hunderte von solchen Unterschriften bereits abgegeben, und ich bin überzeugt, daß sie stimmen werden; dies mit Bleistift unterschriebene Dokument ist von mir unterfertigt.

OBERST AMEN: Nun, wollen Sie sie irgendwie anzeichnen, so daß der Gerichtshof sich die Unterschriften ansehen kann, von denen Sie zugeben, daß sie die Ihrigen sind, und sie mit der Unterschrift auf diesem Dokument 3803-PS, US-802 vergleichen kann?

KALTENBRUNNER: Die auf diesen Papieren mit Bleistift geschriebenen Unterschriften stammen von mir, sind meine eigenen.

OBERST AMEN: Alle?

KALTENBRUNNER: Alle drei.

OBERST AMEN: Gut.

KALTENBRUNNER: Aber nicht die mit Tinte geschriebenen.

OBERST AMEN: Sehr gut.

[Die Dokumente werden dem Gerichtshof unterbreitet.]

OBERST AMEN: Soll ich fortfahren, Euer Lordschaft?

VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte.

Fahren Sie fort, Oberst Amen!

OBERST AMEN: Angeklagter, Sie haben die Beweise über die Errichtung des Warschauer Ghettos und die Räumung des Ghettos gesehen.

VORSITZENDER: Gehen Sie zu anderen Dokumenten über?

OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Wir werden die Sitzung lieber für zehn Minuten unterbrechen.

[Pause von 10 Minuten.]

DR. THOMA: Herr Präsident, ich muß in den allernächsten Tagen mit meinem Beweisverfahren beginnen und weiß noch nicht, ob mein Dokumentenbuch 1 genehmigt wird. Ich bitte mir zu sagen, an welchem Tag oder zu welcher Stunde darüber verhandelt werden kann.

[Kurze Pause.]

VORSITZENDER: Dr. Thoma, der Gerichtshof glaubt, daß je nachdem, was Sie zu sagen haben, morgen um 12.30 Uhr, das ist Sonnabend vormittag, die richtige Zeit wäre, zu der wir die Zulässigkeit Ihrer Dokumente entscheiden können.

DR. THOMA: Ich danke schön.

OBERST AMEN: Hoher Gerichtshof! Ich möchte noch einen Augenblick auf das Dokument 3803-PS mit der Unterschrift des Angeklagten zurückkommen.

Angeklagter, haben Sie das Original dieses Beweisstücks vor sich?

KALTENBRUNNER: Jawohl.

OBERST AMEN: Wollen Sie sich die Unterschrift ansehen und mir sagen, ob Sie nicht handschriftlich gerade über der Unterschrift die Buchstaben »Dein« finden?

KALTENBRUNNER: Ja.

OBERST AMEN: So wie ich es verstehe, bedeutet das Wort »Dein« einen intimen Ausdruck, der nur unter eng befreundeten Personen üblich ist; ist das richtig?

KALTENBRUNNER: Es gibt im Deutschen nur zwei Phrasen in der Unterschrift, entweder »Ihr« oder »Dein«. »Dein« unterschreibt man dann, wenn man mit jemand das Du-Wort wechselt, also mit jemandem, mit dem man befreundet ist. Ich bin mit dem Bürgermeister von Wien, Blaschke, befreundet und offensichtlich...

OBERST AMEN: Richtig, nun wäre es nicht absolut lächerlich und undenkbar, daß ein Stempel oder ein Faksimile hergestellt würde, nicht nur mit der Unterschrift, sondern auch dem Worte »Dein« über der Unterschrift?

KALTENBRUNNER: Das wäre mindestens unsinnig, das gebe ich ohne weiteres zu, aber ich habe ja auch nicht gesagt, daß es eine Faksimile-Unterschrift sein muß. Sondern ich habe erklärt, es ist nicht meine Unterschrift, und daß sie entweder ein Faksimile ist oder sie ist mit einer anderen Unterschrift daruntergesetzt worden. Der Verfasser des Briefes ist – Sie ließen mich dabei nicht aussprechen – wie aus der Chiffre links oben hervorgeht, in der Abteilung IV a, 4 b zu suchen. Im gesamten Amt und jedem Menschen im Großdeutschen Reich ist es bekannt gewesen, daß der Bürgermeister von Wien, Blaschke, und ich schon aus der gemeinsamen Wiener politischen Tätigkeit her seit vielleicht zehn Jahren das Du-Wort gewechselt haben und als Du-Freunde bekannt sind. Wenn ich zum Beispiel also von Berlin abwesend gewesen bin, und der Brief war eilbedürftig, ich nehme das aus seinem Inhalt an, so hat sicherlich der Beamte es für gerechtfertigt befunden, diese Floskel darunterzuschreiben. Ich habe ihn dazu nicht ermächtigt. Es ist und bleibt von ihm natürlich eine Unmöglichkeit. Aber so allein kann ich es mir vorstellen.

OBERST AMEN: Nun, Angeklagter, endlich geben Sie zu, daß es nicht eine Faksimile-Unterschrift ist, nicht wahr?

KALTENBRUNNER: Es ist ganz ungewöhnlich, einen Stempel mit »Dein« zu schneiden, es wäre vollkommen unmöglich, also hat der Beamte selbst diese Unterschrift darunter gesetzt. Daß ich mit Blaschke per Du bin, ist jedem bekannt, daher mußte er auch das Wort »Dein« darunter schreiben, wenn es schon meine Unterschrift ist. Dann, bitte sehen Sie sich auch die Zahl 30 oben an, Sie werden aus vielen meiner Schriftproben entnehmen können, daß ich bestimmt nicht so schreibe.

OBERST AMEN: Angeklagter, ist es nicht genau so lächerlich anzunehmen, daß jemand, ein Beamter, wie Sie ihn nennen, der einen solchen Brief in Ihrem Namen unterschreibt, wagen würde, Ihre Unterschrift nachzuahmen?

KALTENBRUNNER: Das nicht, aber Herr Ankläger, es wäre selbstverständlich, einem Oberbürgermeister von Wien und einem Mann gegenüber, von dem auch dieser Beamte vielleicht genau weiß, daß ich mit diesem Blaschke per »Du« bin, mit Maschinenschrift meinen Namen unter einen persönlicher gehaltenen Brief gesetzt hätte. Das wäre ebenso unmöglich. Er hatte aber, wenn ich nicht in Berlin bin, nur die zwei Möglichkeiten, entweder mit Maschine zu schreiben, oder so zu tun, als ob Kaltenbrunner hier gewesen wäre.

OBERST AMEN: Ist es nicht so, Angeklagter, daß Sie einfach hier über Ihre Unterschrift unter diesem Brief lügen, genau so, wie Sie über fast alles andere, worüber Sie Zeugnis abgelegt haben, den Gerichtshof angelogen haben? Ist das nicht eine Tatsache?

KALTENBRUNNER: Herr Ankläger, ich bin diese Beleidigungen, die Sie mir jetzt mit dem Wort »Lüge« ins Gesicht schleudern, seit einem Jahr gewohnt. Ich bin seit einem Jahr in Hunderten von Verhören hier und in London mit diesem und noch viel ärgeren Schimpfworten belegt worden. Meine Mutter, die im Jahre 1943 gestorben ist, ist eine Hure genannt worden, und Dutzende ähnliche Sachen sind geäußert worden. Mir ist diese Bezeichnung nicht neu, aber ich möchte Ihnen erklären, daß ich in einer Angelegenheit, wie diese hier, bestimmt nicht die Unwahrheit sprechen werde, wenn ich dem Gericht gegenüber in viel größeren Dingen die Glaubwürdigkeit beanspruche.

OBERST AMEN: Ich stelle mich auf den Standpunkt, Angeklagter, daß, wenn Ihre Aussage so direkt im Gegensatz zu den von zwanzig bis dreißig anderen Zeugen und noch viel mehr Dokumenten steht, es kaum glaubhaft ist, daß Sie die Wahrheit sprechen und daß jeder Zeuge und jedes Dokument falsch oder unwahr sein sollte. Finden Sie das nicht auch?

KALTENBRUNNER: Nein, das kann ich deshalb nicht zugeben, weil ich bisher das Gefühl haben muß, daß jedes von Ihnen mir gegenüber heute produzierte Dokument von mir auch sofort bei der ersten Sicht in den wichtigsten Gründen widerlegt werden konnte. Und ich bitte Sie und hoffe, auch beim Gericht Erfolg zu haben, daß ich dann auch noch auf die einzelnen Dinge und mit dem einzelnen Zeugen in nähere Berührung gebracht werde, damit ich mich dagegen zu Ende wehren kann.

In dem gesamten Voruntersuchungsverfahren hat Ihr Herr Mitarbeiter stets meine Person restlos falsch gesehen und geglaubt, daß ich um Kleinigkeiten oder um kleine Umstände streite oder rechte. Der Begriff eines ökonomischen Prozeßverfahrens ist mir ja in dieser Form unbekannt gewesen. Hätte er sich in großen Zügen mit mir über wirkliche echte Wahrheitsfindung unterhalten, ich glaube, er wäre auch auf bedeutend größere und wichtigste Zusammenhänge rascher gekommen.

Ich bin vielleicht der einzige Angeklagte, der vor allen sofort erklärte, als am Tage der Anklageüberreichung gesagt worden ist, und als er gefragt wurde: Sind Sie bereit, auch weiterhin der Staatsanwaltschaft Aussagen zu machen?, habe ich sofort und mit meiner Unterschrift – bitte produzieren Sie sie – erklärt: Ich stelle mich ab heute nach Anklageüberreichung der Staatsanwaltschaft zu jeder Auskunft zur Verfügung. Ist es nicht so? Bestätigen Sie es bitte? Der Herr dort hat mich ja vernommen!