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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat entschieden, daß das Dokument unzulässig ist.

OBERST AMEN: Das hätte mein letztes Dokument sein sollen, Herr Vorsitzender, daher ist das Kreuzverhör beendet, bis auf einen Punkt. Wir haben einen Zeugen namens Höß, der zur Entlastung des Angeklagten vorgeladen wird, und über den ich zwei Beweisstücke vorlegen möchte. Sollte er jedoch nicht gerufen werden, dann möchte ich diese zwei Beweisstücke über den Angeklagten vorlegen. Ich möchte daher gern wissen, ob wir eine definitive Erklärung haben können, ob Höß von der Verteidigung als Zeuge vorgeladen wird oder nicht.

VORSITZENDER: Dr. Kauffmann, beantragen Sie Höß vorzuladen?

DR. KAUFFMANN: Ja.

VORSITZENDER: Also ja.

DR. KAUFFMANN: An den Angeklagten habe ich keine Fragen mehr.

VORSITZENDER: Ich habe nicht verstanden, was Sie gesagt haben, Dr. Kauffmann.

DR. KAUFFMANN: Ich habe keine Frage mehr.

VORSITZENDER: Dann kann der Angeklagte auf seinen Platz zurückgehen.

OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Einen Augenblick bleiben Sie.

Herr Vorsitzender! Wir haben ein paar Fragen an den Angeklagten zu stellen.

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Wir waren der Auffassung, daß die Anklagevertreter sich dahingehend geeinigt haben, nur ein Kreuzverhör mit dem Angeklagten Kaltenbrunner vorzunehmen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wir bitten den Gerichtshof um Erlaubnis, ein paar Fragen an den Angeklagten stellen zu dürfen, welche nicht viel Zeit in Anspruch nehmen werden, jedoch zur Stellung weiterer Fragen notwendig sind.

VORSITZENDER: Nach Ansicht des Gerichtshofs sollten die Anklagevertreter sich vorher entscheiden, welche Fragen unbedingt nötig sind, und sie dann von dem Anklagevertreter stellen lassen, der das Kreuzverhör vornimmt. So wollten wir das Verfahren durchführen.

Sir David! Als wir mit Ihnen über diese Angelegenheit sprachen, haben Sie uns doch mitgeteilt, daß alle Anklagevertreter übereingekommen sind, daß bei diesem Angeklagten das Kreuzverhör nur von einem vorgenommen wird?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! So lautete die Übereinkunft. Ich verstehe jedoch, daß die Sowjetische Delegation besondere Fragen berühren will, und sie wollte den Gerichtshof daher ersuchen, ausnahmsweise zu gestatten, diese Fragen zu stellen. Das wurde mir von meinem sowjetischen Kollegen eben mitgeteilt.

VORSITZENDER: M. Dubost?

M. CHARLES DUBOST, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Meine Ausführungen werden sehr kurz sein, Herr Vorsitzender. Im Prinzip hat die Anklagebehörde einen Sprecher für das gesamte Verhör ernannt, aber es ist unmöglich, daß das ganze Verhör durch einen einzigen Vertreter der Anklagebehörde durchgeführt wird, denn wir vertreten hier vier verschiedene Nationen, deren Interessen sich zwar nicht widersprechen, aber doch voneinander verschieden sind. Der einzig befugte Sprecher für die Interessen jeder Nation kann nur der Vertreter dieser Nation sein. Ich denke daher, daß der Gerichtshof im Hinblick auf diese Erklärungen uns ausnahmsweise gestatten wird, von Zeit zu Zeit Fragen zu stellen, wenn wir darum ersuchen.

VORSITZENDER: M. Dubost! Sie wollen doch nicht beantragen, noch ein drittes Kreuzverhör zuzulassen? Sie sprechen doch nur ganz allgemein?

M. DUBOST: Herr Vorsitzender! Es handelt sich hier um eine grundsätzliche Frage. Die Anklagevertretung will sich kurz fassen, um die Verhandlung nicht aufzuhalten, bittet aber den Gerichtshof, eine Intervention zuzulassen, wenn es zur Wahrung der Interessen des Landes notwendig ist.

Ich persönlich werde keine Fragen stellen, die mir im Laufe des Verhörs durch meine Kollegen aus den Vereinigten Staaten etwa eingefallen sind. Ich möchte die Verhandlung nicht verlängern. Aber ich bin der Ansicht, daß der Gerichtshof es uns grundsätzlich freistellen könnte, Fragen zu stellen, die unsere Länder betreffen, da wir allein zuständig sind, die Interessen unserer Länder zu vertreten. Diese Kompetenz können wir nicht auf einen unserer Kollegen übertragen.

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Können Sie dem Gerichtshof mitteilen, was für Fragen oder was für besondere Punkte Sie in diesem Kreuzverhör berühren wollen?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gestern hat der Angeklagte in Beantwortung der Fragen von Oberst Amen seine Teilnahme an der Vernichtung der Juden im Warschauer Ghetto abgeleugnet und hervorgehoben, daß der Polizeichef im besetzten Polen, Krüger, angeblich Himmler direkt unterstellt war und mit ihm, Kaltenbrunner, in keiner Verbindung stand. In den polnischen Dokumenten, die mir soeben vorgelegt worden sind, und wegen denen die Sowjetische Delegation die Verfügung, die sie auch in Zukunft einhalten will, übergangen hat... In diesen polnischen Dokumenten sind...

VORSITZENDER: Ich verstehe diesen Gesichtspunkt. Sind noch andere Punkte vorhanden?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Der zweite Punkt bezieht sich auf ein Dokument, das schon vorher von der Sowjetischen Anklagevertretung vorgelegt wurde. Die Angelegenheit, die in diesem Dokument behandelt wird, wird durch die vorhergehende Frage zwar nicht berührt, jedoch ist sie vom Standpunkt der früher vorgelegten Dokumente von Interesse. Dieser zwei Fragen wegen möchte ich den Angeklagten verhören.

VORSITZENDER: Sie sind sich klar, daß wir um 12.30 Uhr vertagen müssen, um die Dokumente des Angeklagten Rosenberg zu besprechen. Sie können aber das Kreuzverhör vornehmen, wenn Sie es so kurz wie nur möglich gestalten.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Ich glaube, daß ich in fünfzehn Minuten fertig sein werde.

VORSITZENDER: Sehr gut.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Angeklagter! Gestern hat Oberst Amen dem Gerichtshof ein Dokument unterbreitet, welches Ihre tätige Teilnahme an der Liquidierung des Warschauer Ghettos feststellt. Vielleicht können Sie uns sagen, wem die Polizeibeamten unterstellt waren. Sie haben diesem Schriftstück widersprochen und Einzelheiten des langen und breiten erklärt, daß die Polizeiführer in den besetzten Gebieten dem Reichsführer-SS Himmler direkt unterstellt waren und nichts mit Ihnen zu tun hatten. Halten Sie diese Erklärung aufrecht?

KALTENBRUNNER: Ja, sie ist aber ergänzungsbedürftig: denn ich habe auch gestern gesagt, daß unter Himmler der Höhere SS- und Polizeiführer im Generalgouvernement gestanden hat, und daß diesem die SS- und Polizeiführer in den kleineren Gebieten unterstanden sind.

Dem Höheren SS- und Polizeiführer sind die Befehlshaber der einzelnen Teile, nämlich der Ordnungspolizei, der Sicherheitspolizei und der Waffen-SS unterstanden; ebenso dem SS- und Polizeiführer in kleineren Gebieten.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie werden sich vielleicht auch Ihrer zweiten Aussage erinnern, bei der Sie erklärt haben, daß Sie sich den äußerst radikalen Tendenzen Krügers bezüglich der polnischen Juden entgegensetzten und sogar versuchten, ihn zurückzuhalten.

KALTENBRUNNER: Ich habe erklärt, daß ich im Sinne Franks für die Ablösung, das heißt für die Wegversetzung Krügers aus dem Generalgouvernement eingetreten bin.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte dem Angeklagten das Tagebuch Franks vorzulegen. Ich ersuche ihn nun Seite 13 aufzuschlagen und dort die Erklärungen Krügers zu lesen und dann Seite 16. Aus dieser Seite 16 will ich drei Absätze verlesen. Lesen Sie es und passen Sie auf, ob es richtig übersetzt ist:

»Die Entjudung habe ohne Zweifel auch zur Beruhigung geführt.«

KALTENBRUNNER: Diese Stelle ist mir hier nicht vorgelegt worden. Ich habe Seite 13 des Dokuments in der Hand.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wir wollen Ihnen Seite 16 zeigen. Ich beginne noch einmal:

»Die Entjudung habe ohne Zweifel auch zur Beruhigung geführt. Sie sei für die Polizei eine der schwierigsten und unangenehmsten Aufgaben gewesen, habe aber auf Befehl des Führers durchgeführt werden müssen, weil es im europäischen Interesse notwendig sei...

Man sei gezwungen gewesen, die Juden auch aus der Rüstungsindustrie und den wehrwirtschaftlichen Betrieben herauszuziehen.«

Ich überspringe einen Absatz und bitte Sie, das gleiche zu tun.

»Man sei gezwungen gewesen, die Juden auch aus der Rüstungsindustrie und den wehrwirtschaftlichen Betrieben herauszuziehen, falls sie nicht ausschließlich im kriegswichtigen Interesse eingesetzt seien. Die Juden seien dann in großen Lagern zusammengefaßt worden und würden von dort für die Tagesarbeit in diesen Rüstungsbetrieben abgegeben. Der Reichsführer-SS wünsche aber, daß auch die Beschäftigung dieser Juden aufhöre. Er – Krüger – habe mit Generalleutnant Schindler eingehend über diese Frage gesprochen und glaube, daß dieser Wunsch des Reichsführers-SS wohl im Endeffekt nicht erfüllt werden könne. Es gebe unter den jüdischen Arbeitskräften Spezialarbeiter, Feinmechaniker und sonstige qualifizierte Handwerker, die man heute nicht ohne weiteres durch Polen ersetzen könne.«

Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit besonders auf den folgender Satz:

»Er bitte deshalb SS-Obergruppenführer Dr. Kaltenbrunner, dem Reichsführer-SS diese Lage zu schildern und ihn zu ersuchen, von der Wegnahme dieser jüdischen Arbeitskräfte Abstand zu nehmen.

Man habe von den Juden die physisch besten Kräfte im Betrieb gelassen, die sogenannten Makkabäer, die ausgezeichnet arbeiteten, weiter auch weibliche Kräfte, von denen man festgestellt habe, daß sie physisch viel stärker seien als der Jude. Die gleiche Erfahrung habe man übrigens auch bei der Räumung des Ghettos in Warschau gemacht. Diese Aufgabe sei übrigens sehr schwierig gewesen.«

Ich lasse wieder einen Satz weg und lese weiter:

»Man habe festgestellt, daß auch dort Jüdinnen mit der Waffe in der Hand bis zum letzten gegen die Männer der Waffen-SS und Polizei gekämpft hätten.«

Beweisen diese Auszüge nicht, daß Krüger Sie als seinen Chef betrachtete, und daß er, als der größte Teil der Juden in Polen bereits ermordet worden war, und nur einige gute Spezialarbeiter am Leben geblieben waren, sich durch Sie als seinen Chef an Himmler mit der Bitte wandte, diese Juden am Leben zu lassen. Beweist das nicht, Zeuge, die Tatsache, daß Krüger Sie als seinen Chef betrachtete, daß er auf dem Wege über Sie vorging?

KALTENBRUNNER: Nein, Herr Ankläger, sondern dieses Dokument beweist etwas ganz anderes. Erstens, er sagt hier selbst, daß die Räumung des Ghettos in Warschau diesem Zeitpunkt vorangegangen sei; zweitens, er sagt, er bitte mich, zu Himmler zu gehen und bei ihm Vorstellungen zu machen. Was ich gesprochen habe, steht aber nicht drinnen, und daß ich zu diesem Zeitpunkt bei Himmler zum erstenmal erklären konnte »nun weiß ich, was los ist«, und wie ich dagegen aufgetreten bin, steht nicht in diesem Dokument drinnen. Man muß mir doch die Möglichkeit geben, jetzt zu erklären und hier zu beweisen, daß ich gegen diese Aktion eingeschritten bin; und wenn Sie bei der Befragung Franks oder der Zeugen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Einen Augenblick, Angeklagter, das haben Sie alles schon einmal gesagt.

KALTENBRUNNER: Ich bin noch nicht fertig. Ich bin noch nicht fertig dazu, Wenn Sie die Zeugen zum Komplex Generalgouvernement fragen werden, werden Sie sehr genau erfahren, daß ich bei dieser Gelegenheit überhaupt das erste und einzige Mal im Generalgouvernement war und daß ich die Erfahrungen von dort nunmehr zum Gesprächs-, zum Vortragsgegenstand bei Himmler genommen habe. Sie können mich ja nicht anklagen, einerseits, daß ich von den Dingen Kenntnis hatte, wenn Sie mir andererseits nicht die Möglichkeit geben, zu sagen, wie ich darauf reagiert habe. Ich bin doch in den beiden letzten Kriegsjahren in die Situation gekommen, Einblick in die Vorgänge des Reiches und dann später, ganz am Schluß, auch des Generalgouvernements zu erlangen. Sie lassen mir aber gar keine Möglichkeit, zu sagen: Wie hat dieser Mann sich nun dazu gestellt, der das Unglück hatte, am Ende des Krieges nunmehr ein solches Amt zu bekommen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Einen Augenblick, warum handelte denn Krüger durch Sie?

KALTENBRUNNER: Und dann ist in diesem Dokument ja gar nicht ausgedrückt, in welcher Rolle ich dort gewesen bin. Er spricht ja nicht ein einziges Mal, daß ich als sein Polizeivorgesetzter dort gewesen bin, sondern er weiß nur das eine, daß ich selbstverständlich und als Chef des Meldedienstes sehr oft auch bei Himmler Vortrag zu halten habe. Er bittet mich auch bei dieser Gelegenheit, diese Vorträge zu halten. Aber Krüger war, was ja sicherlich in dem Dokument steht, Staatssekretär für das Sicherheitswesen im Generalgouvernement, er war doch Staatssekretär dort, und als Staatssekretär ist er dem Generalgouverneur unterstellt gewesen, und als Staatssekretär...

VORSITZENDER: Sie sprechen viel zu schnell, und Sie halten zuviel Reden.

KALTENBRUNNER:... und als Staatssekretär für die Polizeiangelegenheiten im Generalgouvernement ist er doch unmittelbar Himmler unterstanden, das muß ja...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, kurz zu antworten, Hat Krüger Sie ersucht, Himmler über diese Sache zu berichten? Ich stelle nur diese Frage an Sie.

KALTENBRUNNER: Soviel ich weiß, hat es sich bei dieser Sitzung um eine große Zusammenkunft von Verwaltungsbeamten gehandelt, und da hat jeder jeden, der dem Führer oder Himmler und so weiter zunächst gewesen ist...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Bitte, beantworten Sie meine Frage mit Ja oder Nein. Hat er Sie gebeten, es Himmler zu berichten oder nicht?

KALTENBRUNNER: Das weiß ich also nicht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das wissen Sie also nicht, dann möchte ich Ihnen eine zweite Frage stellen.

KALTENBRUNNER: Ich kann aus dem Wortlaut nur entnehmen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Einen Moment.

KALTENBRUNNER: Sie lassen mich ja nicht ausreden!

VORSITZENDER: Was sagten Sie zu der letzten Frage? Lautete die Frage nicht: »Gingen Sie dorthin?«, Oberst Smirnow?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich hatte folgende Frage gestellt, Herr Vorsitzender: Wurde Kaltenbrunner von Krüger gebeten, Himmler darüber zu berichten? Ich bat ihn, mit Ja oder Nein zu antworten und keine Reden zu halten.

VORSITZENDER: Oberst Smirnow, wie hat Ihre letzte Frage gelautet?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich fragte, ob Krüger Kaltenbrunner gebeten hat, Himmler darüber zu berichten. Meine zweite Frage... fragen Sie mich wegen meiner zweiten Frage, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Ich wollte, daß er Ihre Frage beantwortet. Wollen Sie ihm noch einmal sagen, welche Frage Sie beantwortet haben wollen. Stellen Sie ihm nur eine Frage, nicht zwei. Können Sie mich nicht hören?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Stellen Sie ihm eine Frage und sehen Sie zu, daß er sie beantwortet.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: