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[Das Gericht vertagt sich bis

15. April 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertachter Tag.

Montag, 15. April 1946.

Vormittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Es ist berichtet worden, daß der Angeklagte Ribbentrop der Vormittagssitzung nicht beiwohnen wird.

VORSITZENDER: Ich will mich zuerst mit den Dokumenten des Angeklagten Rosenberg befassen.

Der Gerichtshof verfügt, daß alle Dokumente im Buch I, Band 1 und 2, abgelehnt werden sollen, bis zu dem Buche von Hellpach und dieses einschließlich, das heißt Beweisstücke 1 bis 6; dasselbe gilt für Beweisstück 7 (e) und Beweisstück 8.

Zweitens wird der Gerichtshof die Beweisstücke 7 sowie 7 (a) bis 7 (d) amtlich zur Kenntnis nehmen. Aber er verfügt, daß diese Beweisstücke 7 bis 7 (d) im gegenwärtigen Stadium nicht zu verlesen sind, jedoch vom Verteidiger in seinem Endplädoyer zitiert werden können.

Drittens genehmigt der Gerichtshof die Bücher II und III und verfügt viertens, daß der Angeklagte Rosenberg zuerst aufgerufen werden soll und zugelassene Dokumente ihm im Laufe seines Verhörs vorgelegt werden können. Das ist alles.

Bitte, Dr. Kauffmann!

DR. KAUFFMANN: Mit Zustimmung des Gerichts rufe ich zunächst den Zeugen Höß.

[Der Zeuge Höß betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Erheben Sie sich; wollen Sie Ihren Namen nennen?

ZEUGE RUDOLF HÖSS: Rudolf Franz Ferdinand Höß.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

Sie können sich setzen.

DR. KAUFFMANN: Herr Zeuge! Ihre Aussage wird von weittragender Bedeutung sein; Sie sind vielleicht der einzige, der bisher unbekannte Zusammenhänge aufklären kann und der bekunden kann, welcher Personenkreis die Befehle zur Vernichtung des europäischen Judentums gegeben hat, der weiter sagen kann, wie dieser Befehl durchgeführt wurde und in welchem Grad diese Durchführung geheimgehalten wurde.

VORSITZENDER: Dr. Kauffmann, stellen Sie bitte Fragen an den Zeugen.

DR. KAUFFMANN: Sie waren von 1940 bis 1943 Lagerkommandant von Auschwitz. Stimmt das?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Und in dieser Zeit sind Hunderttausende von Menschen dort in den Tod geschickt worden. Ist das richtig?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, daß Sie selbst keine genauen Aufzeichnungen über die Zahl dieser Opfer haben, weil Ihnen diese Aufzeichnungen verboten waren?

HÖSS: Das ist so richtig.

DR. KAUFFMANN: Ist es weiter richtig, daß ausschließlich ein Mann namens Eichmann hierüber Aufzeichnungen hatte; der Mann, der mit der Organisation und der Sammlung der Menschen beauftragt worden war?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Ist es weiter richtig, daß Ihnen Eichmann erklärte, insgesamt seien in Auschwitz über zwei Millionen jüdische Menschen vernichtet worden?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Männer, Frauen und Kinder?

HÖSS: Ja.

DR. KAUFFMANN: Sie waren Weltkriegsteilnehmer?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Und sind dann 1922 in die Partei eingetreten?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Sind Sie SS-Mitglied gewesen?

HÖSS: Seit 1934.

DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, daß Sie im Jahre 1924 zu einer längeren Zuchthausstrafe verurteilt worden sind wegen Ihrer Beteiligung an einem sogenannten Fememord?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Und Sie sind dann Ende 1934 in das Konzentrationslager Dachau gekommen?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Welche Aufgabe hatten Sie dort?

HÖSS: Ich war zuerst Gefangenenblockführer, nachher Rapportführer, und zuletzt Gefangeneneigentumsverwalter.

DR. KAUFFMANN: Und blieben Sie lange dort?

HÖSS: Bis 1938.

DR. KAUFFMANN: Von 1938 ab, welche Stellung bekleideten Sie dann? Und wo befanden Sie sich dann?

HÖSS: 1938 kam ich nach dem Konzentrationslager Sachsenhausen, wo ich zuerst als Adjutant des Kommandanten und nachher als Schutzhaftlagerführer Verwendung fand.

DR. KAUFFMANN: In welcher Zeit waren Sie in Auschwitz Lagerkommandant?

HÖSS: In Auschwitz war ich Kommandant vom Mai 1940 bis 1. Dezember 1943.

DR. KAUFFMANN: Wieviele Menschen, Häftlinge, waren zur Zeit der größten Belegung in Auschwitz?

HÖSS: Zur Zeit der stärksten Belegung waren in Auschwitz zirka 140000 Häftlinge, Männer und Frauen.

DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, daß Sie 1941 nach Berlin zu Himmler bestellt wurden? Geben Sie in kurzen Zügen den Inhalt dieser Besprechung an.

HÖSS: Jawohl. Im Sommer 1941 wurde ich zum persönlichen Befehlsempfang zum Reichsführer-SS, Himmler, nach Berlin befohlen. Dieser sagte mir dem Sinne nach, ich kann das nicht mehr wörtlich wiederholen, der Führer hat die Endlösung der Judenfrage befohlen. Wir, die SS, haben diesen Befehl durchzuführen. Wenn jetzt zu diesem Zeitpunkt dies nicht durchgeführt wird, so wird später das jüdische Volk das deutsche vernichten. Er habe Auschwitz deswegen gewählt, weil es bahntechnisch am günstigsten liegt und auch das ausgedehnte Gelände für Absperrmaßnahmen Raum bietet.

DR. KAUFFMANN: Wurde in dieser Besprechung Ihnen von Himmler gesagt, daß diese geplante Aktion als »Geheime Reichssache« behandelt werden müsse?

HÖSS: Jawohl, darauf machte er besonders aufmerksam. Er sagte mir, ich dürfte auch meinem direkten Vorgesetzten, dem Gruppenführer Glücks, nichts darüber sagen. Diese Besprechung wäre nur für uns beide, und ich hätte strengstes Stillschweigen jedermann gegenüber zu bewahren.

DR. KAUFFMANN: Welche Stellung hatte Glücks, den Sie eben nannten?

HÖSS: Gruppenführer Glücks war sozusagen der Inspekteur der KZ-Lager zu diesem Zeitpunkt und war dem Reichsführer direkt unterstellt.

DR. KAUFFMANN: Bedeutet »Geheime Reichssache«, daß niemand ohne Gefahr für Leib oder Leben auch nur die leisesten Andeutungen Dritten gegenüber machen darf?

HÖSS: Jawohl, »Geheime Reichssache« bedeutet für jeden, daß er mit keinem Menschen über diese Dinge sprechen durfte, und daß er selbst dafür haftete, mit seinem Kopf dafür haftete, daß nichts über diese Dinge anderen gegenüber verlautbart wurde.

DR. KAUFFMANN: Haben Sie Dritten, Unbeteiligten gegenüber jemals die Ihnen auferlegte Verpflichtung verletzt?

HÖSS: Nein, bis Ende 1942 nicht.

DR. KAUFFMANN: Warum nennen Sie diesen Zeitpunkt? Haben Sie nach diesem Zeitpunkt dritten Personen gegenüber Mitteilung gemacht?

HÖSS: Ende 1942 wurde meine Frau von dem damaligen Gauleiter Oberschlesiens durch Bemerkungen auf die Vorgänge in meinem Lager aufmerksam gemacht. Meine Frau frug mich dann später, ob dies der Wahrheit entspräche, und ich gab dies meiner Frau zu.

Das war mein einziger Bruch dieses dem Reichsführer gegebenen Versprechens, und ich habe sonst niemandem gegenüber davon gesprochen.

DR. KAUFFMANN: Wann haben Sie Eichmann kennengelernt?

HÖSS: Eichmann lernte ich ungefähr 4 Wochen später, als ich den Befehl vom Reichsführer bekommen hatte, kennen. Er kam nach Auschwitz, um mit mir die Durchführung des gegebenen Befehls zu besprechen. Eichmann war, wie mir der Reichsführer noch bei der Unterredung sagte, von ihm beauftragt, die Durchführung dieses Befehls mit mir zu besprechen, und alle weiteren Weisungen bekam ich von ihm, von Eichmann.

DR. KAUFFMANN: Beschreiben Sie ganz kurz, ob es richtig ist, daß die Lager von Auschwitz vollkommen isoliert waren, und welche Vorkehrungen getroffen worden sind, um die Durchführung der Ihnen übertragenen Aufgabe so geheim wie möglich zu halten.

HÖSS: Das Lager Auschwitz als solches lag drei Kilometer von der Stadt weg. Die Umgebung, zirka 20000 Morgen, war von allen Einwohnern, früheren Einwohnern, freigemacht, und das gesamte Gebiet konnte nur von SS-Männern beziehungsweise von Zivilangestellten mit besonderen Ausweisen betreten werden. Das eigentliche Lager Birkenau, wo später das Vernichtungslager gebaut wurde, lag nochmals zwei Kilometer von dem Lager Auschwitz entfernt. Die Anlagen selbst, das heißt die provisorischen Anlagen, die zuerst benutzt wurden, lagen im Wald eingebettet und waren auch von weither nirgends einzusehen. Dieses Gebiet war zudem noch als Sperrgebiet erklärt worden und durfte auch von SS-Angehörigen, die nicht einen Sonderausweis hatten, nicht betreten werden. Somit war nach menschlichem Ermessen niemand außer den erwähnten Personen in der Lage, dieses Gebiet zu betreten.

DR. KAUFFMANN: Und dann kamen die Eisenbahntransporte an. In welchen Zeiträumen kamen diese Transporte an und wieviele Menschen befanden sich jeweils etwa in einem solchen Transport?

HÖSS: In den ganzen Zeiträumen bis 1944 waren jeweils gewisse Aktionen in den einzelnen Ländern, so daß von einer fortlaufenden Reihenfolge der Einlieferung nicht gesprochen werden kann. Es handelt sich jeweils um vier bis sechs Wochen. In diesen vier bis sechs Wochen kamen täglich zwei bis drei Züge mit je zirka 2000 Personen an. Diese Züge wurden zuerst auf ein Abstellgeleis des Geländes Birkenau gefahren. Die Lokomotive, die die Züge brachte, fuhr wieder zurück. Die Bewachungsmannschaften, die die Transporte begleiteten, mußten sofort das Gebiet verlassen, und die eingelieferten Personen wurden durchwachen des Lagers übernommen. Sie wurden dort durch zwei SS-Ärzte geprüft auf Arbeitsfähigkeit. Die arbeitsfähigen Häftlinge marschierten sofort nach Auschwitz beziehungsweise nach dem Lager Birkenau, und die Nichtarbeitsfähigen wurden zuerst nach diesen provisorischen Anlagen, später dann in die neu erbauten Krematorien gebracht.

DR. KAUFFMANN: Bei meinem Verhör, das ich mit Ihnen unlängst anstellte, erklärten Sie mir, es seien etwa 60 Mann dazu bestimmt gewesen, die Transporte aufzunehmen. Und auch diese 60 Mann seien zur Geheimhaltung im Rahmen der allgemeinen, vorhin beschriebenen Geheimhaltung verpflichtet worden. Halten Sie dies heute noch aufrecht?

HÖSS: Jawohl, bei diesen 60 Mann handelte es sich um eine ständige Bereitschaft, die die nichtarbeitsfähigen Häftlinge nach dieser provisorischen, beziehungsweise später nach den anderen Anlagen brachten. Diese Bereitschaft, dazu zirka 10 Unterführer und Führer, Ärzte und Sanitätspersonal, waren wiederholt schriftlich und auch mündlich auf die strengste Geheimhaltung über diese gesamten Vorgänge verpflichtet worden.

DR. KAUFFMANN: Konnte ein unbeteiligter Außenstehender, der die Transporte ankommen sah, bestimmte Anhaltspunkte dafür gewinnen, daß die ankommenden Transporte vernichtet werden sollten, oder ist diese Möglichkeit deshalb so gering gewesen, weil in Auschwitz ein außergewöhnlich großer Verkehr der einlaufenden Transporte, Materialien und so weiter war?

HÖSS: Jawohl. Ein Beobachter, der nicht ausschließlich zu diesem Zweck Aufzeichnungen machte, konnte darüber keinen Überblick gewinnen, denn erstens kamen nicht nur Transporte, die zur Vernichtung bestimmt waren, an, sondern es kamen ja auch laufend Transporte von Neuzugängen von Häftlingen an, die im Lager gebraucht wurden. Weiter verließen ebenfalls wieder Transporte in genügender Anzahl mit arbeitsfähigen oder ausgetauschten Häftlingen das Lager. Die Züge selbst waren geschlossen, das heißt, die Türen an den Güterwägen waren geschlossen, so daß Außenstehende sich keinen Einblick über die transportierten Menschen verschaffen konnten. Weiter wurden täglich bis zu 100 Waggons an Materialien, Lebensmitteln und ähnlichem in das Lager transportiert, beziehungsweise verließen laufend die Werkstätten des Lagers, in denen Kriegsmaterial geschaffen wurde.

DR. KAUFFMANN: Und nach Ankunft der Transporte mußten die Opfer alles, was sie hatten, ablegen. Die Kleider niederlegen, sich völlig ausziehen, ihre Wertsachen abgeben? Ist das richtig?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Und gingen dann sofort in den Tod?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Ich frage Sie nach Ihrer Erfahrung, ob diese Menschen wußten was ihnen bevorstand?

HÖSS: Zum größten Teil nicht, denn es waren Vorkehrungen getroffen, die sie darüber im Zweifel ließen und bei ihnen nicht den Verdacht erregen konnten, daß sie in den Tod gehen sollten. So waren überall an den Türen und an den Wänden Schriften angebracht, die darauf hinwiesen, daß dies eine Entlausungs- beziehungsweise eine Badevorkehrung sei. Dies wurde in mehreren Sprachen den Häftlingen durch Häftlinge, die früheren Transporten angehörten und bei der ganzen Aktion als Hilfsmannschaften gebraucht wurden, verkündet.

DR. KAUFFMANN: Und der Tod durch Vergasung trat dann ein in einem Zeitraum von 3 bis 15 Minuten, sagten Sie mir unlängst. Ist das richtig?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Sie sagten mir weiter, daß schon vor diesem endgültigen Eintritt des Todes eine Betäubung der Opfer früher eingetreten sei?

HÖSS: Jawohl. So wie ich durch eigene Bemühung, beziehungsweise durch die Ärzte erfahren hatte, war je nach Temperatur und Zahl der in den Räumen vorhandenen Personen die Dauer des Eintritts der Betäubung, beziehungsweise des Todes, sehr verschieden. Die Betäubung fand in wenigen Sekunden beziehungsweise Minuten statt.

DR. KAUFFMANN: Haben Sie selbst jemals angesichts Ihrer eigenen Familie und Kinder Mitleid mit den Opfern gehabt?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Und weshalb haben Sie dennoch diese Aktion durchführen können?

HÖSS: Bei all diesen Zweifeln, die mir kamen, war immer wieder einzig ausschlaggebend der unbedingte Befehl und die dazugehörige Begründung des Reichsführers Himmler.

DR. KAUFFMANN: Ich frage Sie, ob Himmler das Lager besichtigt hat und sich auch von den Vorgängen der Vernichtung selbst überzeugt hat.

HÖSS: Jawohl. 1942 besuchte Himmler das Lager und hat sich einen Vorgang von Anfang bis zu Ende genau angesehen.

DR. KAUFFMANN: Gilt das gleiche für Eichmann?

HÖSS: Eichmann war wiederholt in Auschwitz und kannte die Vorgänge genau.

DR. KAUFFMANN: Hat der Angeklagte Kaltenbrunner jemals das Lager besichtigt?

HÖSS: Nein.

DR. KAUFFMANN: Haben Sie jemals bezüglich dieser Aufgabe mit Kaltenbrunner gesprochen?

HÖSS: Nein, nie. Ich war nur ein einziges Mal mit Obergruppenführer Kaltenbrunner zusammen.

DR. KAUFFMANN: Wann war das?

HÖSS: Das war ein Tag nach seinem Geburtstag im Jahre 1944.

DR. KAUFFMANN: Welche Stellung hatten Sie im Jahre 1944?

HÖSS: Im Jahre 1944 war ich Amtschef E 1 im Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt in Berlin. Meine Dienststelle war die frühere Inspektion der Konzentrationslager in Oranienburg.

DR. KAUFFMANN: Und was war das Thema dieser Besprechung, von der Sie eben sprachen?

HÖSS: Es handelte sich um einen Bericht des Lagers Mauthausen über sogenannte namenlose Häftlinge und deren Einsatz in der Rüstungsindustrie. Obergruppenführer Kaltenbrunner sollte darüber eine Entscheidung fällen. Aus diesem Grunde kam ich mit dem Bericht des Kommandanten von Mauthausen zu ihm, er fällte aber keine Entscheidung, sondern verwies mich auf später.

DR. KAUFFMANN: Bezüglich der Frage der örtlichen Lage von Mauthausen wollen Sie zur Klarstellung noch erklären, in welchem Bezirk Mauthausen liegt. Ist das Oberschlesien oder Generalgouvernement?

HÖSS: Mauthausen...

DR. KAUFFMANN: Auschwitz, Entschuldigung, ich habe mich versprochen, ich meine Auschwitz.

HÖSS: Auschwitz liegt im ehemaligen Polen. Später, nach 1939 wurde es der Provinz Oberschlesien einverleibt.

DR. KAUFFMANN: Ist es richtig, wenn ich annehme, daß die Verwaltung, Verpflegung und so weiter der Konzentrationslager ausschließlich dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterstand?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Einem Amt, das völlig getrennt ist von dem Reichssicherheitshauptamt?

HÖSS: Sehr richtig.

DR. KAUFFMANN: Und Sie waren dann von 1943 bis Ende des Krieges einer der Chefs der Inspektion im Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt?

HÖSS: So ist es richtig.

DR. KAUFFMANN: Wollen Sie damit sagen, daß Sie über alle Vorgänge der Konzentrationslager nach Art der Behandlung und der Methoden besonders gut orientiert sind?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Ich frage Sie deshalb zunächst, ob Sie Erfahrungen haben bezüglich der Behandlung der Häftlinge, ob bestimmte Methoden Ihnen zur Kenntnis gekommen sind, wonach die Häftlinge gequält, grausam behandelt worden sind. Sie wollen Ihre Aussage gliedern in die Zeit bis zum Jahre 1939 und in die Zeit nach 1939.

HÖSS: Bis zum Kriegsbeginn 1939 war die Lage in den Lagern, was Verpflegung, Unterbringung und Behandlung der Häftlinge betraf, wie in jedem anderen Gefängnis oder einer Strafanstalt des Reiches auch. Die Häftlinge wurden zwar streng behandelt, aber an eine methodische Verprügelung oder schlechte Behandlung war nicht zu denken. Der Reichsführer hat wiederholt Befehle herausgegeben, daß jeder SS- Mann, der sich an einem Häftling vergreift, bestraft würde, und es sind auch verschiedentlich SS-Männer, die sich an Häftlingen vergingen, bestraft worden.

Die Verpflegung und Unterkunft war zu diesem Zeitpunkt völlig denen anderer Häftlinge der Justizverwaltung gleichgestellt.

Die Unterbringung in den Lagern war in den Jahren auch noch normal; denn es gab zu der Zeit noch nicht diese Massenzuströmungen wie dann während des Krieges und bei Ausbruch des Krieges. Als der Krieg begann und Masseneinlieferungen politischer Häftlinge, und später in den besetzten Gebieten von Häftlingen der Widerstandsbewegung einsetzte, kamen die Baulichkeiten, die Erweiterungen der Lager nicht mehr mit der Zahl der eingelieferten Häftlinge mit. In den ersten Jahren des Krieges war dies immer noch zu überbrücken durch improvisierte Maßnahmen, später aber war dies kriegsbedingt nicht mehr möglich, da fast keinerlei Baumaterialien mehr zur Verfügung standen. Des weiteren, daß immer wieder und sehr einschneidend die Lebensmittelrationen für die Häftlinge von den Landeswirtschaftsämtern erheblich gekürzt wurden.

So trat dann der Zustand ein, daß immer mehr Häftlinge in den Lagern nicht mehr widerstandsfähig genug waren, den nun allmählich entstehenden Seuchen Widerstand zu bieten.

Der Hauptgrund, weswegen die Häftlinge später am Ende des. Krieges so schlecht instand waren und so viele Tausende krank und abgemagert in den Lagern vorgefunden wurden, liegt darin, daß der Reichsführer bei jeder Gelegenheit und immer wieder sein Ziel vor Augen führte und auch durch den Chef des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, Obergruppenführer Pohl, den einzelnen Lagerkommandanten und Verwaltungsführern bei sogenannten Kommandantensitzungen auch erklärte, so war dies, daß jeder Häftling unbedingt bis zum äußersten seiner Kräfte in den Rüstungsbetrieb eingeschaltet werden müßte. Jeder Kommandant hatte alles daranzusetzen, daß dies ermöglicht wurde. Es war nicht so, daß man darauf ausging, möglichst viele Tote zu haben oder Häftlinge zu vernichten, sondern dem Reichsführer kam es immer wieder darauf an, möglichst jede Hand für die Rüstung einsetzen zu können.

DR. KAUFFMANN: Nun besteht darüber kein Zweifel, daß, je länger der Krieg dauerte, die Zahl der mißhandelten und auch gequälten Häftlinge zunahm. Ist Ihnen hierüber nicht einmal bei Ihren Inspektionen der Konzentrationslager an Beschwerden und dergleichen etwas bekanntgeworden, oder galten die geschilderten Zustände mehr oder weniger für erhebliche Exzesse?

HÖSS: Diese sogenannten Mißhandlungen und Quälereien in den Konzentrationslagern, die überall im Volk und später durch die Häftlinge, die von der Besatzung befreit wurden, verbreitet wurden, waren nicht, wie angenommen, Methode, sondern es waren Ausschreitungen einzelner Führer, Unterführer und Männer, die sich an Häftlingen vergriffen.

DR. KAUFFMANN: Kam so etwas Ihnen niemals zur Kenntnis?

HÖSS: Wenn irgendein Vorgang zur Kenntnis kam auf irgendeine Art und Weise, so wurde der Betreffende natürlich sofort von seinem Posten enthoben beziehungsweise an irgendeine andere Stelle versetzt, so daß er, wenn er nicht bestraft wurde, wenn nicht Beweismaterial dafür vorlag, daß er bestraft werden konnte, so wurde er eben an eine andere Stelle versetzt und von den Häftlingen weggenommen.

DR. KAUFFMANN: Worauf führen Sie denn die besonders schlechten und unwürdigen Zustände zurück, die von den einrückenden alliierten Truppen festgestellt wurden und teilweise in Filmen festgehalten worden sind?

HÖSS: Die katastrophale Lage zu Ende des Krieges war dadurch hervorgerufen worden, daß durch die Zerstörung des Bahnnetzes, durch die dauernden Bombardierungen der Werke eine ordnungsmäßige Versorgung dieser Massen – ich denke an Auschwitz mit 140000 Häftlingen – nicht mehr gewährleistet war, wenn auch durch improvisierte Maßnahmen, Lastwagenkolonnen und ähnliche Dinge von den Kommandanten alles versucht wurde, dies zu bessern; es war nicht mehr möglich. Die Zahl der Kranken war ins Uferlose gestiegen, es gab nur noch wenige Medikamente, die Seuchen grassierten. Die arbeitsfähigen Häftlinge wurden immer wieder gebraucht. Es mußten sogar auf Befehl des Reichsführers Halbkranke noch an irgendwelchen Stellen der Industrie, wo sie noch arbeiten konnten, verwendet werden, so daß auch dadurch alles an Raum in den Konzentrationslagern, was überhaupt als Unterbringungsraum zur Verfügung stand, durch kranke und sterbende Häftlinge überbelegt war.

DR. KAUFFMANN: Ich fordere Sie auf, sich die hinter Ihnen angebrachte Karte anzusehen. Die roten Punkte bedeuten Konzentrationslager. Ich frage Sie zunächst, wieviel Konzentrationslager im eigentlichen Sinne es am Ende des Krieges gab?

HÖSS: Es gab zu Ende des Krieges noch 13 Konzentrationslager. Alle anderen hier aufgezeichneten Punkte bedeuten sogenannte Arbeitslager bei den dort vorhandenen Rüstungsbetrieben. Die Konzentrationslager, die dreizehn bestehenden, wie ich schon sagte, waren der Sammelpunkt und der Mittelpunkt von irgendeinem Bezirk, so in Bayern das Lager Dachau, in Österreich das Lager Mauthausen, und die ganzen Arbeitslager in diesem Gebiet unterstanden dem Konzentrationslager. Dieses Lager hatte nun diese Außenlager zu versorgen, das heißt, die Arbeitskräfte zuzuführen, die kranken Häftlinge auszutauschen und mit Kleidung zu versehen, ebenso wurden die Wachen von dem betreffenden Konzentrationslager gestellt. Die Verpflegung war von 1944 ab fast ausschließlich Sache der einzelnen Rüstungsbetriebe, um die Häftlinge in den Genuß der Kriegszulagen an Verpflegung zu bringen.

DR. KAUFFMANN: Was ist Ihnen über sogenannte medizinische Versuche an lebenden Häftlingen bekanntgeworden?

HÖSS: Medizinische Versuche wurden in verschiedenen Lagern durchgeführt, so in Auschwitz die Sterilisationsversuche von Professor Klaubert und Dr. Schumann. Dann weitere Versuche an Zwillingen von dem SS-Arzt Dr. Mengele.

DR. KAUFFMANN: Ist Ihnen der Arzt Dr. Rascher bekannt?

HÖSS: In Dachau war der Luftwaffenarzt Dr. Rascher, der Versuche an zum Tode verurteilten Häftlingen machte über Widerstand des menschlichen Körpers in Luftdruckkammern und Kältebehandlung.

DR. KAUFFMANN: Haben Sie selbst Erfahrung darüber, ob derartige Versuche innerhalb des Lagers im größeren Kreise bekanntgeworden sind?

HÖSS: Solche Versuche liefen, wie alle anderen Dinge, natürlich unter »Geheime Reichssache«. Es war aber nicht zu vermeiden, daß Versuche, die in einem großen Lager durchgeführt wurden und die die Häftlinge ja irgendwie sehen mußten, bekannt wurden. Wie weit diese Versuche an die Außenwelt gelangten, ist mir unbekannt.

DR. KAUFFMANN: Sie erklärten mir, daß auch Exekutionsbefehle im Lager Auschwitz eingetroffen seien, daß diese Befehle bis zum Kriege selten waren, später dann aber häufiger wurden; stimmt das zunächst?

HÖSS: Jawohl. Bis zum Beginn des Krieges waren Exekutionen fast überhaupt nicht durchgeführt worden, nur in ganz krassen Fällen. Ich erinnere mich an einen Fall in Buchenwald, als ein SS-Mann von Häftlingen überfallen und erschlagen worden war, daß die Häftlinge nachher aufgehängt wurden.

DR. KAUFFMANN: Aber während des Krieges, das werden Sie zugeben, wuchs die Zahl der Exekutionen nicht unerheblich.

HÖSS: Mit Beginn des Krieges fing das schon an.

DR. KAUFFMANN: War die Grundlage dieser Exekutionsbefehle in vielen Fällen ein gerichtliches Urteil der deutschen Gerichte?

HÖSS: Nein, bei den in den Lagern durchgeführten Exekutionen hat es sich um Anordnungen des Reichssicherheitshauptamtes gehandelt.

DR. KAUFFMANN: Mit welcher Unterschrift versehen gelangten diese Exekutionsbefehle in Ihre Hände? Ist es richtig, daß gelegentlich Exekutionsbefehle einliefen mit der Unterschrift Kaltenbrunners, daß es sich hierbei aber nicht um einen Originalbefehl, sondern um ein Fernschreiben, also mit Maschinenunterschrift handelte?

HÖSS: Es ist so richtig. Originalexekutionsbefehle kamen nie nach dem Lager. Diese Befehle kamen entweder im Original zur Inspektion der Konzentrationslager und wurden dann durch Fernschreiben an die betreffenden Lager weitergegeben, oder in dringendsten Fällen direkt vom Reichssicherheitshauptamt an die betreffenden Lager, und die Inspektion wurde nur benachrichtigt, so daß die Unterschriften in den Lagern überall nur im Fernschreiben waren.

DR. KAUFFMANN: Um die Unterschriften nochmals festzustellen, wollen Sie dem Gericht sagen, ob die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Exekutionsbefehle schon in früheren Jahren bis zum Ende des Krieges entweder die Unterschrift Himmlers oder die Unterschrift Müllers trugen?

HÖSS: Es kamen nur ganz wenige Fernschreiben, die ich je gesehen habe, vom Reichsführer und noch weniger von dem Angeklagten Kaltenbrunner. Die meisten, ich kann hier fast sagen, fast alle, waren unterschrieben: »gez. Müller«.

DR. KAUFFMANN: Ist das der Müller, von dem Sie vorhin berichteten, wiederholt mit ihm über derartige Angelegenheiten gesprochen zu haben?

HÖSS: Gruppenführer Müller war der Chef des Amtes IV im Reichssicherheitshauptamt, der mit allen Dingen, die mit Konzentrationslagern zusammenhingen, mit der Inspektion zu verhandeln hatte.

DR. KAUFFMANN: Würden Sie sagen, daß Sie deshalb den Gestapochef Müller besuchten, weil Sie auf Grund Ihrer Erfahrung der Auffassung waren, daß dieser Mann auf Grund seiner jahrelangen Tätigkeit fast selbständig handelte.

HÖSS: Es ist so richtig. Ich habe mit Gruppenführer Müller über alle Konzentrationslagerangelegenheiten zu verhandeln gehabt, und er war in allen diesen Dingen unterrichtet und hat auch meist sofort seine Entscheidung gefällt.

DR. KAUFFMANN: Um es noch einmal klarzustellen, haben Sie über diese Dinge jemals mit dem Angeklagten verhandelt?

HÖSS: Nein.

DR. KAUFFMANN: Ist Ihnen bekanntgeworden, daß gegen Ende des Krieges Konzentrationslager geräumt wurden, und wenn ja, wer hat diese Befehle erteilt?

HÖSS: Dazu ist folgendes zu sagen: Ursprünglich bestand der Befehl des Reichsführers, daß das Lager im Falle von Feindannäherung oder im Falle, daß irgendwie aus der Luft angegriffen würde, dem Feinde zu überlassen sei. Später, auf den Fall Buchenwald hin, der dem Führer vorgetragen worden war, wurde.....

Nein, bei Beginn des Jahres 1945, als verschiedene Lager in den Bereich der Feindeinwirkung kamen, wurde dieser Befehl umgestoßen, und der Reichsführer beauftragte die Höheren SS- und Polizeiführer, die im Ernstfalle für die Sicherheit der Lager zuständig waren, zu entscheiden, ob eine Räumung oder eine Überlassung in Frage käme.

Auschwitz und Groß-Rosen wurden geräumt. Buchenwald sollte ebenfalls geräumt werden, dann kam der Befehl des Reichsführers, daß grundsätzlich keine Lager mehr zu räumen wären. Es sind nur die prominenten Häftlinge und Häftlinge, die auf keinen Fall den Alliierten in die Hände fallen dürfen, vorher in andere Lager abtransportiert worden. Dies geschah auch im Falle Buchenwald. Nachdem Buchenwald besetzt war, wurde dem Führer Bericht erstattet, daß Häftlinge sich bewaffnet hätten und in der Stadt Weimar Plünderungen durchgeführt hätten. Daraufhin kam der strikteste Befehl des Führers an Himmler, in Zukunft dürfte kein Lager mehr dem Feinde überlassen werden. Es dürfte kein marschfähiger Häftling in irgendeinem Lager, mehr zurückbleiben. Das war kurz vor Beendigung des Krieges, kurz bevor Nord- und Süddeutschland voneinander getrennt wurden. Es handelt sich um das Lager Sachsenhausen. Der Gestapochef, Gruppenführer Müller, rief mich abends an, der Reichsführer hätte befohlen, daß sofort das Lager Sachsenhausen zu räumen wäre. Ich machte den Gruppenführer Müller darauf aufmerksam, was das bedeuten würde. Sachsenhausen könne sich auf kein anderes Lager mehr zurückziehen, es sei denn auf die nur wenig aufnahmefähigen Rüstungsbetriebe, also Arbeitslager in Rüstungsbetrieben. Die meisten Häftlinge müßten in Wäldern irgendwo untergebracht werden. Das würde Tausende und aber Tausende von Toten und vor allen Dingen eine Unmöglichkeit darstellen, diese Menschenmassen zu verpflegen. Er sagte mir zu, daß er nochmals diese Maßnahmen dem Reichsführer vortragen würde. Er rief mich wieder an und sagte mir, der Reichsführer hätte das abgelehnt und verlange von den Kommandanten, daß sein Befehl sofort durchgeführt würde. Von diesem Zeitpunkt an sollte auch Ravensbrück in diesem Sinne geräumt werden, konnte aber nicht mehr durchgeführt werden. Inwieweit die Lager in Süddeutschland geräumt wurden oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis, da wir, die Inspektion, keinerlei Verbindung mehr mit Süddeutschland hatten.

DR. KAUFFMANN: Es ist hier behauptet worden, und das ist meine letzte Frage, der Angeklagte Kaltenbrunner habe den Befehl erteilt, Dachau und zwei weitere Nebenlager durch Bomben beziehungsweise Gift zu zerstören. Ich frage Sie, haben Sie hierüber etwas gehört; wenn nicht, halten Sie einen solchen Befehl für möglich?

HÖSS: Ich habe nie über so etwas gehört, ich weiß auch nichts von einem Räumungsbefehl, wie ich schon erwähnte, von Süddeutschland, und außerdem halte ich es für ausgeschlossen, ein Lager in dieser Form irgendwie vernichten zu können.

DR. KAUFFMANN: Ich habe keine weitere Frage mehr.

VORSITZENDER: Hat noch einer der Verteidiger Fragen an den Zeugen zu richten?

DR. MERKEL: Herr Zeuge! War die Staatspolizei als Reichsbehörde an der Vernichtung der Juden in Auschwitz in irgendeiner Form beteiligt?

HÖSS: Ja, insofern, daß ich meine gesamten Befehle über die Durchführung der Aktion von dem Obersturmführer Eichmann bekam.

DR. MERKEL: War die Verwaltung der Konzentrationslager dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterstellt?

HÖSS: Jawohl.

DR. MERKEL: Sie sagten bereits, daß Sie nichts mit dem Reichssicherheitshauptamt zu tun hatten.

HÖSS: Nein.

DR. MERKEL: Ich bitte, das auch noch zu unterstreichen, daß die Staatspolizei an sich mit der Verwaltung der Lager, mit der Unterbringung und Verpflegung und Behandlung der Häftlinge insofern nichts zu tun hatte, sondern daß das ausschließlich Sache des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes war.

HÖSS: Das ist so richtig.

DR. MERKEL: Wie erklären Sie sich dann, daß Sie trotzdem mit Müller verschiedene Fragen, die die Konzentrationslager betroffen hatten, besprochen haben?

HÖSS: Das RSHA beziehungsweise das Amt IV hatte die Exekutive für alle Einweisungen der Häftlinge, ihre weitere Einteilung in die einzelnen Lagerstufen 1, 2, 3, weiter die Bestrafungen, die von Seiten des RSHA durchzuführen waren. Weiter Exekutionen, die weitere Unterbringung von Sonderhäftlingen und alle die sich hieraus ergebenden Fragen kamen durch das Reichssicherheitshauptamt, beziehungsweise das Amt IV.

DR. MERKEL: Wann wurde dieses Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt geschaffen?

HÖSS: Das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt besteht seit 1933 unter verschiedenen Bezeichnungen. Die Inspektion der Konzentrationslager wurde aber erst seit dem Jahre 1941 dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterstellt.

DR. MERKEL: Diese Konzentrationslager unterstanden also von Anfang an lediglich diesem Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt, das heißt also der SS und nicht der Staatspolizei.

HÖSS: Jawohl.

DR. MERKEL: Sie erwähnten vorhin den Namen Dr. Rascher. Kennen Sie persönlich diesen Arzt?

HÖSS: Jawohl.

DR. MERKEL: Wissen Sie, daß Dr. Rascher vor Beginn seiner Tätigkeit in Dachau in die SS übernommen wurde?

HÖSS: Davon habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, daß er später... ich habe ihn noch gesehen in der Uniform eines Luftwaffenarztes. Später soll er dann in die SS übernommen worden sein. Ich habe ihn aber dann nicht mehr gesehen.

DR. MERKEL: Ich habe keine Frage mehr. Danke schön.

RECHTSANWALT LUDWIG BABEL, VERTEIDIGER FÜR DIE SS: Herr Zeuge! Sie haben eingangs Ihrer Aussagen angegeben, daß der Reichsführer-SS Himmler, als Sie zu ihm befohlen wurden, Ihnen gesagt habe, daß die Durchführung dieses Befehls des Führers der SS überlassen und der SS befohlen worden sei. Was ist unter »SS« in dieser allgemeinen Formulierung zu verstehen?

HÖSS: Nach den Ausführungen des Reichsführers konnte es sich ja nur um die Mannschaften der Bewachung der Konzentrationslager handeln. Bei der Durchführung dieser Aufgabe konnte es sich nach dem gegebenen Befehl nur um Mannschaften der Konzentrationslager handeln, nicht um die Waffen- SS.

RA. BABEL: Wieviel Angehörige der SS und welche Verbände der SS waren in den Konzentrationslagern eingesetzt?

HÖSS: Zu Ende des Krieges waren ungefähr 35000 Mann SS und, meiner Schätzung nach, ungefähr 10000 Mann vom Heer. Luftwaffe und Marine bei den Arbeitslagern als Bewachung eingesetzt.

RA. BABEL: Was war die Aufgabe dieser Wachmannschaften? Soviel ich unterrichtet bin, war die Aufgabe verschieden. Erstens die eigentliche Bewachung und dann teilweise auch die Verwaltung im Innenlager.

HÖSS: Jawohl, es ist so richtig.

RA. BABEL: Wieviel Bewachungsmannschaften waren in den Innenlagern ungefähr auf 1000 Häftlinge, wollen wir mal sagen, konzentriert? Auf 1000 Häftlinge, wieviel Wachmannschaften sind da ungefähr gekommen?

HÖSS: So kann man das nicht abschätzen. Nach meiner Erfahrung war es ungefähr so, daß 10 Prozent des gesamten Wachpersonals für Zwecke des Innendienstes, also Verwaltung, Beaufsichtigung der Häftlinge innerhalb des Lagers, für ärztliches Personal des Lagers, für alle diese Dinge notwendig waren.

RA. BABEL: Also 90 Prozent waren für die Außenbewachung da, die das Lager auf den Türmen außen bewacht haben, und die bei Arbeitseinsätzen die Häftlinge begleitet haben.

HÖSS: Ja.

RA. BABEL: Haben Sie nun beobachtet, ob seitens dieser Wachmannschaften Mißhandlungen vorgekommen sind, in größerem Umfange oder kleinerem Umfange, oder sind diese Mißhandlungen in der Hauptsache auf die sogenannten Kapos zurückzuführen?

HÖSS: Wenn Mißhandlungen vorkamen, ich selbst habe keine von Wachmannschaften an Häftlingen beobachtet, so war das nur in kleinem Maße möglich, denn es wurde von allen den lagervorgesetzten Dienststellen darauf geachtet, daß möglichst wenige SS-Männer direkt an die Häftlinge herankamen, denn im Laufe der Jahre hatte sich das Personal der Wachmannschaft dermaßen verschlechtert, daß man diese Maßstäbe, die man früher an die Lagerwachmannschaften anlegte, nicht mehr aufrechterhalten konnte. Wir hatten Tausende von Wachmännern, die kaum deutsch konnten, die aus aller Herren Länder als Freiwillige in die Verbände eingezogen waren, oder es handelte sich um ältere Jahrgänge, 50- bis 60jährige Männer, die am Dienst völlig uninteressiert waren, so daß man als Lagerkommandant dauernd darauf zu achten hatte, daß diese Männer auch den geringsten Anforderungen des Dienstes gerecht wurden. Daß es darunter Elemente nun gab, die sich an Häftlingen vergriffen, lag auf der Hand, geduldet sind die aber nie worden. Weiter war es unmöglich, diese Menschenmassen durch SS-Männer zu dirigieren, bei der Arbeit oder im Lager; es mußten daher überall Häftlinge eingesetzt werden, die die anderen Häftlinge wiederum dirigierten, zur Arbeit anwiesen, und die Verwaltung des Lagers im Innern lag fast ausschließlich in deren Hand. Da sind natürlich sehr viele Mißhandlungen vorgekommen, die auch gar nicht abzustellen waren, denn des Nachts war fast überhaupt kein SS-Angehöriger im Lager. Es durften nur bei bestimmten Vorkommnissen SS-Männer das Lager betreten, und so waren alle Häftlinge mehr oder weniger diesen Häftlingsvorgesetzten ausgesetzt.

RA. BABEL: Sie haben schon Angaben gemacht über Vorschriften, die für die Wachmannschaften bestanden haben. Nun hat aber auch überall eine Lagerordnung bestanden. In dieser Lagerordnung waren doch auch Strafen vorgesehen für Häftlinge, die sich gegen die Lagerordnung verstießen. Welche Strafen waren da vorgesehen?

HÖSS: Als erstes die Überweisung in die Strafkompanie, das heißt, strengere Arbeit und Beschränkung der Unterkunft und ähnliches; dann Haft im Zellengebäude, Dunkelhaft, bei ganz Widerspenstigen Fesselung, Anbinden. Die Strafe des Anbindens wurde im Jahre 1942 oder 1943 ich kann das nicht mehr genau sagen, vom Reichsführer verboten. Dann gab es noch ein sogenanntes Strafstehen am Lagereingang und als letztes Mittel die sogenannte Prügelstrafe. Diese Prügelstrafe konnte aber kein Kommandant selbständig verhängen, sondern konnte dieselbe nur beantragen. Bei Männern wurde die Entscheidung darüber durch den Inspekteur der Konzentrationslager, Gruppenführer Schmidt, gefällt und, soweit es sich um Frauen handelte, hatte sich ausschließlich der Reichsführer die Entscheidung vorbehalten.

RA. BABEL: Es wird Ihnen auch bekannt sein, daß auch für Angehörige der SS zwei Straflager bestanden haben, die man auch teilweise als Konzentrationslager bezeichnet hat, nämlich in Dachau und in Danzig- Matzkau.

HÖSS: Jawohl.

RA. BABEL: War die Lagerordnung, die für diese bestanden hat und die Behandlung der SS-Angehörigen, die in solchen Lagern untergebracht waren, anders als die einschlägigen Bestimmungen der übrigen Konzentrationslager?

HÖSS: Jawohl, diese beiden Straflager unterstanden nicht der Inspektion der Konzentrationslager, sondern einem SS- und Polizeigericht. Ich selbst habe keines dieser beiden Konzentrationslager besichtigt und gesehen.

RA. BABEL: Ihnen ist über die Lagerordnung bezüglich dieser Lager nichts bekannt?

HÖSS: Da ist mir nichts bekannt.

RA. BABEL: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird eine Pause von zehn Minuten einschalten.