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[Pause von 10 Minuten.]

DR. HAENSEL: Ich habe eine Frage an den Hohen Gerichtshof. Es ist für die SS eine zweite Verteidigung bestellt worden. Wird es als zulässig erachtet, daß für die zweite Verteidigung anschließend einige Fragen gestellt werden?

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat schon vor langer Zeit entschieden, daß nur ein Verteidiger angehört wird.

DR. HAENSEL: Ja.

FLOTTENRICHTER OTTO KRANZBÜHLER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN DÖNITZ: Zeuge! Sie sprachen eben davon, daß Angehörige der Marine eingesetzt gewesen sind zur Bewachung von Konzentrationslagern?

HÖSS: Jawohl.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Handelte es sich um KZs oder um Arbeitslager?

HÖSS: Es handelte sich um Arbeitslager.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sind Arbeitslager Barackenlager bei Rüstungsbetrieben?

HÖSS: Jawohl, wenn sie nicht selbst in den Gebäuden der eigentlichen Fabrikation untergebracht waren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich bin unterrichtet worden, daß Soldaten, die zur Bewachung von Arbeitslagern eingesetzt werden sollten, an die SS abgegeben wurden.

HÖSS: Das ist nur zum Teil richtig. Ein Teil dieser Männer, die Zahlen sind mir nicht geläufig, wurde in die SS übernommen, ein Teil wurde wieder zum Stammtruppenteil zurückgeschickt beziehungsweise ausgetauscht; das war immer im laufenden Wechsel.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Danke.

OBERST AMEN: Hoher Gerichtshof! Zuerst möchte ich im Namen unserer britischen Alliierten eine Reihe von Beweisstücken vorlegen, die sich auf die Waffen- SS beziehen, ohne sie zu verlesen. Es sind nur statistische unterlagen über die Zahl der in den Konzentrationslagern eingesetzten Wachmannschaften der Waffen-SS.

Ich bitte, dem Zeugen die Dokumente D-745 (a) und (b), D-746 (a) und (b), D-747, D-748, D-749 (b) und D-750 vorzulegen. Eines hiervon ist eine Aussage dieses Zeugen selbst.

[Die Dokumente werden dem Zeugen vorgelegt.]

Zeuge, die Aussage D-749 (b), die Ihnen soeben überreicht wurde, stammt doch von Ihnen?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Und Sie sind mit dem Inhalt der anderen vertraut?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Und Sie bezeugen, daß diese Zahlen wahr und richtig sind?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Schön. Diese Stücke werden nun Beweisstück US-810.

Zeuge, hat von Zeit zu Zeit irgendein hoher Nazi- Beamter oder Funktionär das Lager Mauthausen oder Dachau, während Sie dort waren, besichtigt?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Wollen Sie bitte dem Gerichtshof die Namen solcher Personen angeben?

HÖSS: Ich kann mich noch entsinnen an das Jahr 1935, als sämtliche Gauleiter Dachau unter Führung von Reichsführer Himmler besichtigt haben. An die einzelnen kann ich mich da nicht mehr entsinnen.

OBERST AMEN: Erinnern Sie sich, daß irgendein Minister eines dieser beiden Lager besichtigt hat, während Sie dort waren?

HÖSS: Ist jetzt diese Besichtigung 1935 gemeint?

OBERST AMEN: Zu irgendeiner Zeit, während der Sie in einem dieser Konzentrationslager waren?

HÖSS: Jawohl, 1938 der Minister Frick in Sachsenhausen mit dem Regierungspräsidenten.

OBERST AMEN: Erinnern Sie sich an andere Minister, die zu irgendeiner Zeit dort waren?

HÖSS: In Sachsenhausen nicht, aber in Auschwitz der Justizminister.

OBERST AMEN: Wer war dies?

HÖSS: Thierack.

OBERST AMEN: Und wer noch, erinnern Sie sich an noch jemanden?

HÖSS: Jawohl, ich kann jetzt den Namen nicht sagen.

OBERST AMEN: Nun, wer?

HÖSS: Ich habe das schon angegeben im Protokoll, aber mir ist der Name jetzt entfallen.

OBERST AMEN: Gut. Sie haben ausgesagt, daß viele der Hinrichtungsbefehle von Müller unterzeichnet waren, ist das richtig?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Stimmt es nicht, daß alle diese Hinrichtungsbefehle, die, wie Sie aussagten, unterzeichnet waren von...

DR. STEINBAUER: Entschuldigen Sie, Herr Präsident, es wurden hier Urkunden vorgelegt und der Zeuge über den Inhalt dieser Urkunden befragt. Die Verteidigung ist nicht in der Lage, der Verhandlung zu folgen, weil wir nicht wissen, was in diesen Urkunden steht. Ich bitte zu veranlassen, daß wir auch von diesen Urkunden Kenntnis bekommen.

VORSITZENDER: Sind den Angeklagten keine Abschriften dieser Dokumente übergeben worden?

OBERST AMEN: Ja, soviel ich weiß. Wir haben Abschriften hier. Es sind allerdings fünf deutsche Exemplare verteilt worden.

VORSITZENDER: Gut, die Sache kann geprüft werden.

OBERST AMEN: Zeuge, ich habe Sie soeben über die Hinrichtungsbefehle befragt, die, wie Sie aussagten, von Müller unterzeichnet waren. Verstehen Sie mich?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Entspricht es nicht den Tatsachen, daß all diese Hinrichtungsbefehle, die, wie Sie aussagen, die Unterschrift Müllers trügen, außerdem »Im Auftrag« oder »In Vertretung« des Chefs des RSHA, Kaltenbrunner, unterzeichnet waren?

HÖSS: Ja, es stand darunter bei den Exemplaren, die ich im Original in der Hand hatte. Nachdem ich in Oranienburg tätig gewesen war, stand darunter »I. V. Müller«, in Vertretung Müller.

OBERST AMEN: Mit anderen Worten, Müller hat nur als Vertreter des Chefs des RSHA, Kaltenbrunner, unterzeichnet. Ist das nicht richtig?

HÖSS: So muß ich das annehmen.

OBERST AMEN: Und Sie wissen natürlich, daß Müller dem Chef des RSHA, Kaltenbrunner, unterstand.

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Zeuge, Sie haben auf Verlangen der Anklagebehörde eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, nicht wahr?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Ich bitte, dem Zeugen Beweisstück 3868-PS, das US-819 wird, vorzulegen.