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[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]

OBERST AMEN: Sie haben dieses Affidavit freiwillig unterzeichnet. Zeuge?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Und das Affidavit ist in jeder Hinsicht wahr?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Dieses Dokument, Hoher Gerichtshof, liegt uns in vier Sprachen übersetzt vor.

[Zum Zeugen gewandt.]

Über einige Angelegenheiten, die in dem Affidavit enthalten sind, haben Sie schon teilweise ausgesagt; ich werde daher einige Teile des Affidavits auslassen.

Wollen Sie mir bitte beim Verlesen folgen.

Haben Sie ein Exemplar des Affidavits vor sich liegen?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Ich lasse den ersten Absatz aus und beginne mit Absatz 2:

»Seit 1934 hatte ich unausgesetzt mit der Verwaltung von Konzentrationslagern zu tun und war in Dachau im Dienst bis 1938; dann als Adjutant in Sachsenhausen von 1938 bis zum 1. Mai 1940, zu welcher Zeit ich zum Kommandanten von Auschwitz ernannt wurde. Ich befehligte Auschwitz bis zum 1. Dezember 1943 und schätze, daß mindestens 2500000 Opfer dort durch Vergasung und Verbrennen hingerichtet und ausgerottet wurden; mindestens eine weitere halbe Million starb durch Hunger und Krankheit, was eine Gesamtzahl von ungefähr 3000000 Toten ausmacht. Diese Zahl stellt ungefähr 70 oder 80 Prozent aller Personen dar, die als Gefangene nach Auschwitz geschickt wurden, die übrigen wurden ausgesucht und für Sklavenarbeit in den Industrien der Konzentrationslager verwendet. Unter den hingerichteten und verbrannten Personen befanden sich ungefähr 20000 russische Kriegsgefangene (die früher von der Gestapo aus Kriegsgefangenenlagern ausgesondert waren); diese wurden in Auschwitz in Wehrmachttransporten, die von regulären Offizieren und Mannschaften der Wehrmacht befehligt wurden, eingeliefert. Der Rest der Gesamtzahl der Opfer umfaßte ungefähr 100000 deutsche Juden und eine große Anzahl meist jüdischer Einwohner aus Holland, Frankreich, Belgien, Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei, Griechenland oder anderen Ländern. Ungefähr 400000 ungarische Juden wurden allein in Auschwitz im Sommer 1944 von uns hingerichtet.«

Ist das alles wahr, Zeuge?

HÖSS: Ja, es stimmt.

OBERST AMEN: Ich lasse nun die ersten paar Zeilen des Absatzes 3 aus und beginne ungefähr in der Mitte:

»Vor Errichtung des RSHA waren das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapo) und das Reichskriminalpolizeiamt für die Verhaftungen, Verschickungen in Konzentrationslager und für die dort vollzogenen Bestrafungen und Hinrichtungen verantwortlich. Nach Bildung des RSHA wurden alle diese Funktionen wie bisher ausgeübt, aber gemäß den Befehlen, die von Heydrich als Chef des RSHA unterzeichnet waren. Während Kaltenbrunner Chef des RSHA war, wurden die Befehle betreffend Schutzhaft, Verschickungen, Bestrafung und Sonderhinrichtungen von Kaltenbrunner oder von Müller, dem Leiter der Gestapo, als Kaltenbrunners Vertreter, unterzeichnet.«

VORSITZENDER: Um ganz klar zu sehen: Ist das letzte Datum im Absatz 2 1943 oder 1944?

OBERST AMEN: 1944, denke ich.

Zeuge! Ist das Datum am Ende des Absatzes 2 richtig, daß »allein in Auschwitz im Sommer 1944 400000 ungarische Juden hingerichtet wurden«? Heißt es 1944 oder 1943?

HÖSS: 1944. Zum Teil geht diese Zahl auch auf 1943 zurück; nur zum Teil. Die genaue Zahl kann ich nicht angeben; das Ende war 1944, im Herbst 1944.

OBERST AMEN: Gut.

»4. Massenhinrichtungen durch Vergasung begannen im Laufe des Sommers 1941 und wurden bis zum Herbst 1944 fortgesetzt. Bis zum 1. Dezember 1943 beaufsichtigte ich persönlich die Hinrichtungen in Auschwitz und weiß auf Grund meines laufenden Dienstes in der Inspektion der Konzentrationslager im WVHA, daß diese Massenhinrichtungen wie oben erwähnt fortgeführt wurden. Alle Massenhinrichtungen durch Vergasung fanden unter dem direkten Befehl, unter der Aufsicht und Verantwortlichkeit des RSHA statt. Ich erhielt unmittelbar vom RSHA alle Befehle zur Ausführung dieser Massenhinrichtungen.«

Sind diese Erklärungen wahr und richtig, Zeuge?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN:

»5. Am 1. Dezember 1943 wurde ich Chef des Amtes I im Amt Gruppe D des WVHA, und in diesem Amt war ich verantwortlich für die Koordination aller Angelegenheiten, die sich zwischen dem RSHA und den unter der Verwaltung des WVHA stehenden Konzentrationslagern ergaben. Ich blieb in dieser Stellung bis zum Ende des Krieges. Pohl, als Chef des WVHA, und Kal tenbrunner, als Chef des RSHA, hielten oft gemeinsame Beratungen ab und traten mündlich und schriftlich häufig in Angelegenheiten, die Konzentrationslager betrafen, miteinander in Verbindung.«

Sie berichteten uns bereits von dem langen Bericht, den Sie Kaltenbrunner in Berlin übergeben haben; daher will ich den Rest des Absatzes 5 auslassen.

»6. Die ›Endlösung‹ der jüdischen Frage bedeutete die vollständige Ausrottung aller Juden in Europa. Ich hatte im Juni 1941 den Befehl erhalten, in Auschwitz Vernichtungsmöglichkeiten einzurichten. Zu jener Zeit gab es im Generalgouvernement schon drei weitere Vernichtungslager: Belzek, Treblinka und Wolzek. Diese Lager unterstanden dem Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD. Ich besuchte Treblinka, um festzustellen, wie die Vernichtungen ausgeführt wurden. Der Lagerkommandant von Treblinka sagte mir, daß er 80000 im Laufe eines halben Jahres liquidiert hätte. Seine Aufgabe war hauptsächlich die Liquidierung aller Juden aus dem Warschauer Ghetto. Er hat Monoxydgas verwendet und ich hielt seine Methoden für nicht sehr wirksam. Als ich daher das Vernichtungsgebäude in Auschwitz errichtete, nahm ich Zyklon B in Verwendung, eine kristallisierte Blausäure, die wir in die Todeskammer durch eine kleine Öffnung einwarfen. Es dauerte, je nach den klimatischen Verhältnissen, 3 bis 15 Minuten, um die Menschen in der Todeskammer zu töten. Wir wußten, wann die Menschen tot waren, weil ihr Schreien aufhörte. Wir warteten gewöhnlich ungefähr eine halbe Stunde, bevor wir die Türen öffneten und die Leichen entfernten. Nachdem man die Körper herausgeschleppt hatte, nahmen unsere Sonderkommandos den Leichen die Ringe ab und zogen das Gold aus den Zähnen dieser Leichname.«

Ist das alles wahr und richtig, Herr Zeuge?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Nebenbei bemerkt: Was geschah mit dem Golde, das aus den Zähnen der Leichen entfernt wurde? Wissen Sie das?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Wollen Sie es dem Gerichtshof sagen?

HÖSS: Das Gold wurde eingeschmolzen und dem Sanitätshauptamt der SS in Berlin zugeführt.

OBERST AMEN:

»7. Eine andere Verbesserung gegenüber Treblinka war, daß wir Gaskammern bauten, die 2000 Menschen auf einmal fassen konnten, während die zehn Gaskammern in Treblinka nur je 200 Menschen aufnahmen. Die Art und Weise, in der wir unsere Opfer auswählten, war folgende:

Zwei SS-Ärzte waren in Auschwitz tätig, um die einlaufenden Gefangenentransporte zu untersuchen. Die Gefangenen mußten an einem der Ärzte vorbeigehen, der bei ihrem Vorbeimarsch sofort die Entscheidung fällte. Die Arbeitsfähigen wurden ins Lager geschickt. Andere wurden sofort in die Vernichtungsanlagen geschickt. Kinder in sehr jungen Jahren wurden stets vernichtet, da sie auf Grund ihrer Jugend unfähig waren, zu arbeiten. Noch eine andere Verbesserung gegenüber Treblinka war, daß in Treblinka die Opfer fast immer wußten, daß sie vernichtet werden sollten, während wir uns in Auschwitz bemühten, die Opfer zum Narren zu halten, und sie im Glauben zu lassen, sie hätten ein Entlausungsverfahren durchzumachen. Natürlich erkannten sie auch häufig unsere wahren Absichten, und wir hatten aus diesem Grunde manchmal Aufruhr und Schwierigkeiten. Sehr häufig wollten Frauen ihre Kinder unter den Kleidern verbergen, aber wenn wir sie fanden, wurden die Kinder natürlich zur Vernichtung geschickt. Wir sollten diese Vernichtungen im geheimen ausführen, aber der faule und Übelkeit erregende Gestank, der von der ununterbrochenen Körperverbrennung ausging, durchdrang die ganze Gegend, und alle Leute, die in den umliegenden Gemeinden lebten, wußten, daß in Auschwitz Vernichtungen im Gange waren.«

Ist das alles wahr und richtig?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Ich werde die Absätze 8 und 9 auslassen. Sie berichten von medizinischen Experimenten, über die Sie schon ausgesagt haben.

»10. Rudolf Mildner war ungefähr von März 1941 bis September 1943 Chef der Gestapo in Kattowitz. In dieser Eigenschaft sandte er häufig Gefangene nach Auschwitz zur Einkerkerung oder Hinrichtung. Er besuchte Auschwitz bei verschiedenen Gelegenheiten. Der Gestapo-Gerichtshof, das SS-Standgericht, das Personen verhörte, die verschiedener Verbrechen beschuldigt wurden, wie Kriegsgefangene, die geflüchtet waren et cetera, trat häufig in Auschwitz zusammen und Mildner wohnte den Verhandlungen gegen solche Personen oft bei, die gewöhnlich gemäß dem Urteilsspruch in Auschwitz hingerichtet wurden. Ich führte Mildner durch die gesamte Vernichtungsanlage in Auschwitz, an der er sehr interessiert war, da er Juden aus seinem Gebiet zur Hinrichtung nach Auschwitz senden mußte.

Ich verstehe englisch, in welcher Sprache obenstehender Text niedergelegt ist. Die obigen Angaben sind wahr; diese Erklärung gab ich freiwillig und ohne Zwang ab. Nach Durchlesen der Angaben habe ich dieselben unterzeichnet und vollzogen in Nürnberg, Deutschland, am fünften Tage des April 1946.«

Ich frage Sie jetzt, Zeuge, ist alles, was ich Innen vorgelesen habe, wahr nach Ihrem besten Wissen?

HÖSS: Jawohl.

OBERST AMEN: Das schließt mein Kreuzverhör ab, mit Ausnahme eines Beweisstückes, das unsere britischen Alliierten vorlegen möchten, und zwar die Zusammenfassung der Beweisstücke, die ich zu Beginn des Kreuzverhörs vorgelegt habe. Das wird US-810. Es ist eine Zusammenfassung der früheren Beweisstücke, die ich hinsichtlich der Waffen-SS bei Beginn meines Kreuzverhörs zur Vorlage gebracht habe.

Ich höre nun, Herr Vorsitzender, daß die Sowjetische und die Französische Delegation eine oder zwei Fragen mit besonderem Bezug auf ihr Land an den Zeugen richten wollen.

VORSITZENDER: General Rudenko! Sie werden sich daran erinnern, daß die Anklagevertretung dem Gerichtshof die Versicherung gegeben hat, sie werde, soweit Zeugen in Frage kommen, mit Ausnahme von ein oder zwei bestimmten Angeklagten, nur ein Kreuzverhör durchführen, und jetzt liegt, seitdem wir diese Zusicherung erhalten haben, bereits der zweite Fall vor, in dem die Anklagevertretung mehr als ein Kreuzverhör durchzuführen wünscht.

GENERAL RUDENKO: Das ist richtig, Herr Vorsitzender. Die Anklagebehörde hat seinerzeit diese Feststellung getroffen. Die Anklagevertretung hat sich jedoch das Recht vorbehalten, in besonderen Fällen, wenn es ihr notwendig erscheint, anders zu handeln. Da die Anklagebehörde hier vier verschiedene Länder vertritt, hat sie sich das Recht vorbehalten, dem Angeklagten oder dem Zeugen auch Einzelfragen, die das Land eines Anklagevertreters besonders berühren, zu stellen.

VORSITZENDER: Können Sie uns die Art der Fragen, die die Sowjetische Anklagevertretung stellen will, mitteilen? Ich meine nicht die genauen Fragen, sondern nur deren Thema.

GENERAL RUDENKO: Ich verstehe. Oberst Pokrowsky, der diese Fragen stellen wird, wird Ihnen sofort darüber berichten.

OBERST POKROWSKY: Herr Vorsitzender! Ich kann Ihnen mitteilen, daß wir an einigen Fragen, die sich auf die Vernichtung von Millionen von Sowjetbürgern und auf einige damit verbundene Einzelheiten beziehen, interessiert sind. Im Auftrage der Französischen Delegation möchte ich zwei bis drei Fragen mit dem Ziele der Präzisierung stellen im Zusammenhang mit den Dokumenten, die seinerzeit von der Französischen Anklagebehörde dem Gerichtshof als F-709 (a) vorgelegt worden sind. Das ist alles, worüber ich Fragen stellen will. Diese Fragen sind jedoch für die Sowjetische und Französische Anklagevertretung von großer Wichtigkeit.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof hat, wie gerade festgestellt wurde, mit Zustimmung der Anklagevertretung die Entscheidung getroffen, daß bei Zeugen nur ein Kreuzverhör vorgenommen werden soll. Im Statut gibt es keine Bestimmung, die jedem Anklagevertreter das besondere Recht gibt, ein Kreuzverhör zu führen. Andererseits weist Artikel 18 den Gerichtshof an, strenge Vorkehrung zu treffen, um eine unnötige Verzögerung zu verhindern. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist das Thema im vorliegenden Falle vollständig erschöpft worden, und deshalb erachtet der Gerichtshof es für richtig, die für diesen Fall niedergelegte Regel beizubehalten. Daher wünscht der Gerichtshof kein weiteres Kreuzverhör.

Wünschen Sie ein Rück-Kreuzverhör durchzuführen, Dr. Kauffmann?

DR. KAUFFMANN: Ich werde mich ganz kurz fassen.

Zeuge! In der eidesstattlichen Versicherung, die soeben vorgelegt wurde, sagen Sie in Ziffer 2 »mindestens eine weitere halbe Million starb durch Hunger und Krankheit«. Ich frage Sie, in welcher Zeit trat dieser Hungertod ein? Soll das auch auf das Ende des Krieges verlegt werden, oder war diese Tatsache schon zu einem früheren Zeitpunkt von Ihnen konstatiert worden?

HÖSS: Nein, es beruht alles auf den letzten Jahren des Krieges, also von Ende 1942 angefangen.

DR. KAUFFMANN: In Ziffer 3... Haben Sie die eidesstattliche Versicherung noch vorliegen?

HÖSS: Nein.

DR. KAUFFMANN: Darf ich bitten, sie nochmals dem Zeugen zu geben?