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[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]

In Ziffer 3 am Ende erklären Sie, daß »die Befehle betreffend Schutzhaft, Verschickungen, Bestrafungen und Sonderhinrichtungen von Kaltenbrunner oder von Müller, dem Leiter der Gestapo, als Kaltenbrunners Vertreter«, unterzeichnet worden seien. Wollen Sie damit einen Widerspruch gegenüber dem, was Sie vorhin gesagt haben, zum Ausdruck bringen?

HÖSS: Nein. Es ergänzt sich so, daß ich auch immer wieder angegeben habe, daß ich nur wenige Exemplare mit der Unterschrift Kaltenbrunners gelesen habe, und die meisten mit der Unterschrift Müller.

DR. KAUFFMANN: In Ziffer 4 am Ende erklären Sie: »Alle Massenhinrichtungen durch die Vergasung fanden unter dem direkten Befehl, unter der Aufsicht und Verantwortlichkeit des RSHA Statt. Ich erhielt unmittelbar vom RSHA alle Befehle zur Ausführung dieser Massenhinrichtungen.« Ihre Aussagen, die Sie vorhin vor Gericht gemacht haben, haben zum Gegenstand gehabt, daß diese ganze Aktion unmittelbar von Himmler über den persönlich damit beauftragten Eichmann zu Ihnen kam. Halten Sie das nach wie vor aufrecht?

HÖSS: Jawohl.

DR. KAUFFMANN: Wollen Sie mit diesem letzten Satz in Ziffer 4 einen Widerspruch zum Ausdruck bringen gegenüber dem, was Sie vorhin bekundeten?

HÖSS: Nein, ich meine immer wieder in Verbindung mit dem RSHA, mit Massenexekutionen, den Obersturmbannführer Eichmann.

DR. KAUFFMANN: In Ziffer 7 am Ende führen Sie aus – ich will es nicht verlesen – Sie sprechen davon, daß trotz der Vernichtung im geheimen die Bevölkerung der Gegend etwas von der Vernichtung von Menschen gemerkt habe. Ich frage Sie, wurde nicht auch schon zu einer früheren Zeit, vor Beginn dieser besonderen Vernichtungsaktionen, eine derartige Aktion vorgenommen zur Beseitigung von Menschen, die auf normalem Wege in Auschwitz gestorben waren?

HÖSS: Jawohl, als die Krematorien noch nicht gebaut waren, hatten wir einen Großteil der Gestorbenen, die in dem provisorischen Krematorium im Lager nicht verbrannt werden konnten, in großen Gruben verbrannt, ein Großteil, ich weiß die Zahl nicht mehr, wurde in Massengräbern beigesetzt und dann später auch in diesen Gräbern verbrannt. Das war, bevor die Massenhinrichtung der Juden begann.

DR. KAUFFMANN: Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß aus dieser hier geschilderten Tatsache allein nicht geschlossen werden konnte, daß es sich um Anzeichen für die Vernichtung der Juden handelte?

HÖSS: Das konnte daraus überhaupt nicht geschlossen werden. Die Bevölkerung...

VORSITZENDER: Wie lautete Ihre Frage?

DR. KAUFFMANN: Meine Frage war, ob man aus den am Ende der Ziffer 7 festgelegten Tatsachen entnehmen konnte, daß es sich um diese sogenannte Judenvernichtung handelte. Ich knüpfte diese Frage an die vorherige Antwort des Zeugen an. Es ist meine letzte Frage.

VORSITZENDER: Der letzte Satz von Abschnitt 7 bezieht sich auf den faulen, ekelerregenden Gestank. Was wollen Sie hierüber fragen?

DR. KAUFFMANN: Ob seitens der Bevölkerung aus dieser Tatsache auf die Judenvernichtung geschlossen werden könnte.

VORSITZENDER: Diese Frage ist wirklich allzu offenkundig. Sie konnte natürlich nicht wissen, wer vernichtet wurde.

DR. KAUFFMANN: Das genügt mir. Ich habe keine Frage mehr.

DR. PANNENBECKER: Hohes Gericht! Ich bitte zusätzlich fragen zu dürfen, weil im Kreuzverhör der Zeuge erklärt hat, daß der Angeklagte Frick das Konzentrationslager Sachsenhausen und Oranienburg im Jahre 1938 besucht habe.

Zeuge, konnte man bei einer Besichtigung zum damaligen Zeitpunkt 1937/38 im Konzentrationslager Oranienburg etwas von Greueltaten feststellen?

HÖSS: Nein.

DR. PANNENBECKER: Warum nicht?

HÖSS: Weil von Greueltaten zu dieser Zeit überhaupt nicht gesprochen werden konnte.

DR. PANNENBECKER: Ist es richtig, daß in der damaligen Zeit das Konzentrationslager Oranienburg sich noch in einer mustergültigen Ordnung befunden hat, und daß dort im wesentlichen Arbeiten verrichtet worden sind zur Kultivierung des Landes?

HÖSS: Es ist das richtig. Es wurde dort aber hauptsächlich in Werkstätten, Holzfertigungswerkstätten gearbeitet.

DR. PANNENBECKER: Können Sie im einzelnen etwas darüber angeben, was in der damaligen Zeit bei solch einem offiziellen Besuch gezeigt wurde?

HÖSS: Jawohl. Der Besuch wurde durch das eigentliche Häftlingslager geführt, besichtigte dort die Unterkünfte, die Küchen, das Lazarett und anschließend die gesamten Wirtschaftsgebäude. Vor allen Dingen die Arbeitsstätten, wo die Häftlinge beschäftigt waren.

DR. PANNENBECKER: Waren damals die Unterkünfte schon überbesetzt, und die Lazarette?

HÖSS: Nein, zu diesem Zeitpunkt war eine normale Belegung dort.

DR. PANNENBECKER: Wie sahen denn etwa diese Unterkünfte aus?

HÖSS: Zu diesem Zeitpunkt sah die Unterkunft nicht anders aus als eine Truppenunterkunft auf einem Truppenübungsplatz. Die Häftlinge hatten noch Bettwäsche und alle hygienischen Maßnahmen, die notwendig waren. Es war zu diesem Zeitpunkt alles noch tadellos in Ordnung.

DR. PANNENBECKER: Das ist alles. Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

MR. BIDDLE: Zeuge! Wie groß war die Zahl der Arbeitslager, die jemals bestanden?

HÖSS: Ich kann die Zahl nicht genau angeben, aber nach meiner Schätzung werden es ungefähr 900 gewesen sein.

MR. BIDDLE: Und wie groß war die Belegschaft dieser 900 Lager?

HÖSS: Das kann ich auch nicht sagen. Die waren so verschieden, von 100 Häftlingen angefangen bis zu Lagern mit 10000 Häftlingen. Ich kann darüber keine Zahl nennen, wieviel insgesamt in den Arbeitslagern untergebracht waren.

MR. BIDDLE: Wessen Verwaltung unterstanden die Arbeitslager, welchem Amt?

HÖSS: Die Arbeitslager unterstanden, soweit es die Bewachung, Führung und Bekleidung betraf, dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt. Die Arbeit, Arbeitsleistung und die Ernährung hatten die Firmen, die Rüstungsfirmen, die diese Häftlinge beschäftigten.

MR. BIDDLE: Und war die Lage in diesen Arbeitslagern zu Ende des Krieges den von Ihnen vorher geschilderten Zuständen in den Konzentrationslagern ähnlich?

HÖSS: Jawohl, weil keine Möglichkeit mehr war, die kranken Häftlinge nach den eigentlichen Konzentrationslagern zu bringen. Deswegen war Überbelegung und die Sterblichkeit sehr groß in den Arbeitslagern.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.