[Der Zeuge verlaßt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Dr. Kauffmann.
DR. KAUFFMANN: Es stehen noch sechs Fragebogen aus, ich hoffe sie vorlegen zu dürfen, sobald sie eingegangen sind, und ich darf mir auch noch vorbehalten, im Anschluß an meinen Antrag vor zwei Tagen schriftlich den einen oder anderen Zeugen zu beantragen, und zwar aus der Zahl der Zeugen, die in den Affidavits vorkamen, die die Anklagebehörde vorgelegt hatte.
VORSITZENDER: Sie wollen also jemand ins Kreuzverhör nehmen, von dem die Anklagevertretung ein Affidavit vorgelegt hat?
DR. KAUFFMANN: Ja.
VORSITZENDER: Sprechen Sie von Affidavits, die schon vorgelegt wurden?
DR. KAUFFMANN: Die vor zwei Tagen erstmals vorgelegt wurden.
VORSITZENDER: Gut, der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie sich bald entscheiden sollten, ob Sie diese Leute ins Kreuzverhör nehmen wollen.
DR. KAUFFMANN: Gewiß, ich wollte an sich schon diesen Antrag stellen, aber das Gericht verwies mich darauf, diesen Antrag schriftlich zu stellen.
VORSITZENDER: Ich verstehe.
DR. KAUFFMANN: Sonst ist für heute meine Beweisaufnahme abgeschlossen. Ich danke.
VORSITZENDER: Sehr gut.
DR. KAUFFMANN: Danke schön.
VORSITZENDER: Sir David, Dr. Dix möchte die Angelegenheit seiner den Angeklagten Schacht betreffenden Dokumente geregelt sehen. Glauben Sie, daß das viel Zeit in Anspruch nehmen wird?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn ich mich mit Mr. Dodd beraten darf. – Ich denke nicht, daß es lange dauern wird, aber ich möchte mich dessen mit Erlaubnis Euer Lordschaft vergewissern.
VORSITZENDER: Was sagt Dr. Dix?
DR. DIX: Ich denke nicht, daß es lange dauern wird, vielleicht eine Viertelstunde, aber ich werde ja der Prosecution antworten, und daher hängt die Dauer meiner Antwort von der Länge der Ausführungen der Prosecution ab.
VORSITZENDER: Ja, es erscheint uns vorteilhaft, jetzt damit zu beginnen, sonst müssen wir später dafür Zeit aufwenden, und wir wissen heute noch nicht, wie lange das dann dauern wird. Wenn wir uns jetzt dieser Angelegenheit zuwenden, werden wir nicht sehr aufgehalten und könnten dann später Dr. Thoma fortsetzen lassen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mein Kollege, Herr Dodd, meint, es wird eine halbe Stunde dauern.
VORSITZENDER: Sehr gut. Dr. Thoma, Sie haben nichts dagegen einzuwenden?
DR. THOMA: Nein.
VORSITZENDER: Sehr gut.
MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich habe ein Inhaltsverzeichnis vorliegen, das von Dr. Dix für den Angeklagten Schacht eingereicht wurde.
Zunächst möchte ich die Beweisstücke besprechen, gegen die wir Einspruch erhoben haben.
VORSITZENDER: Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dieses Verzeichnis hier vorliegen habe. Haben Sie eine Abschrift, die wir haben können?
MR. DODD: Ich habe nur das eine Exemplar, das uns von Dr. Dix zur Verfügung gestellt wurde.
VORSITZENDER: Wurde es dem Gerichtshof bereits überreicht?
MR. DODD: Ich glaube nicht. Ich weiß es nicht.
VORSITZENDER: Vielleicht können Sie uns bekanntgeben, was das für Dokumente sind, ohne daß wir sie vorliegen haben. Können Sie beim Vorlegen der Dokumente auch die Nummern angeben?
MR. DODD: Ja, Herr Vorsitzender.
Die ersten vier Dokumente sind:
Nummer 1 ist ein Buch von Sir Nevile Henderson mit dem Titel »Das Scheitern einer Mission«.
Nummer 2 ist auch ein Auszug aus diesem Buch und ebenso Nummer 3.
Wir erheben Einspruch gegen alle drei, da sie nur die Ansichten Sir Nevile Hendersons darstellen und keine historischen Tatsachen wiedergeben.
Nummer 4 ist ein Auszug aus einem Buche, das von einem Mann namens Karl Bopp über Dr. Schacht geschrieben wurde. Wir erheben aus demselben Grunde Einspruch, da es die Meinung des Verfassers darstellt und hier fehl am Platze ist.
Beweisstück Nummer 5 ist ein Auszug aus einem Buche von Sumner Welles »Die Zeit der Entscheidung«. Unser Einwand gegen diesen Auszug stützt sich auf dieselben Gründe. Es enthält nur die Ansichten Sumner Welles' und ist, wie wertvoll es auch an manchen Stellen sein mag, hier nicht am Platze.
Beweisstück Nummer 6 ist das Buch von Viscount Rothermere, in das der Gerichtshof schon im Zusammenhang mit dem Antrag des Angeklagten Göring Einsicht genommen hat. Wir erneuern den damals erhobenen Einspruch und wiederholen, daß es nur die Meinung dieses Herrn darstellt und für diesen Gerichtshof keinen Wert besitzt.
Beweisstück Nummer 7 ist das Messersmith-Affidavit, das von der Anklagevertretung als Beweismittel vorgelegt wurde. Wir erheben dagegen natürlich keinen Einspruch.
Beweisstück Nummer 8 ist ebenfalls ein Anklagebeweisstück, wir erheben keinen Einspruch.
Ebenso nicht gegen Beweisstück Nummer 9.
Beweisstück Nummer 10 ist ein Affidavit oder nur eine Erklärung des verstorbenen Feldmarschalls von Blomberg. Wir erheben keinen Einspruch.
Wir erheben weiter keinen Einspruch bis zu Beweisstück Nummer 14, dem Tagebuch des Botschafters Dodd, und auch dies ist kein wirklicher Einspruch. Wir bitten nur um die Daten der Eintragungen, die man uns bis jetzt noch nicht gegeben hat, oder um die Seiten des Tagebuches, aus denen zitiert werden soll.
Wir gehen weiter bis zu Beweisstück Nummer 18. Gegen die dazwischen liegenden Beweisstücke haben wir natürlich nichts einzuwenden.
VORSITZENDER: Herr Dodd, wenn ich Sie richtig verstehe, handelt es sich um die Frage, was übersetzt werden soll, nicht wahr?
MR. DODD: Ja, wir geben unsere Einwände jetzt bekannt, weil wir den Übersetzern Arbeit ersparen wollen.
VORSITZENDER: Gut, gehen Sie weiter zu Nummer 18.
MR. DODD: Ja, Nummer 18 besteht aus drei Teilen, a, b und c. Es sind Erklärungen von Paul Boncour, Briand und Lord Cecil. Es sind Erklärungen über Deutschlands Recht zur Wiederaufrüstung. Wir erheben Einspruch, weil diese Erklärungen nicht von amtlichen Mitgliedern der Regierungen, dieser zwei Regierungen, abgegeben worden sind. Außerdem ist für den Auszug, der zitiert werden soll, kein Quellenwerk angegeben, und es scheint sich nur um Meinungsäußerungen zu handeln, die diese Männer nach ihrem Amtsrücktritt abgegeben haben.
Wir kommen jetzt zu Beweisstück Nummer 33. Das ist eine Rede Dr. Schachts aus dem Jahre 1937. Unsere einzige Frage lautet... wir stellen keineswegs die Erheblichkeit in Frage, aber wir möchten gerne wissen, ob das Original vorhanden ist oder nicht. Wir haben dies noch nicht feststellen können.
Nummer 34 ist eine Rede Adolf Hitlers. Sie ist sehr kurz, und ich will keinesfalls zu viel Einwendungen erheben, aber ich kann ihre Erheblichkeit nicht einsehen. Sie scheint sich auf keine der hier erörterten Streitfragen zu beziehen, und wenn Dr. Dix mit ihrer Vorlage keine uns bisher nicht bekanntgegebene Absicht verfolgt, wollen wir dagegen Einspruch erheben.
VORSITZENDER: Welches Thema behandelt die Rede, Herr Dodd?
MR. DODD: Sie befaßt sich ganz allgemein mit der Wiederaufrüstung, bringt aber nichts über Dr. Schacht oder irgendeine hier erhobene Beschuldigung. Es scheint bloß eine allgemeine Erklärung über, Wiederaufrüstung zu sein.
Wir erheben Einspruch gegen Beweisstück Nummer 37. Es ist ein Brief Dr. Schachts an Herrn Leon Fraser, und wir möchten wissen, ob das Original zur Verfügung steht oder nicht. Wenn es vorhanden ist, erheben wir natürlich keinen Einspruch.
Nummer 38 ist ein Zeitungsartikel, aus einer Züricher, also einer Schweizer Zeitung über die Gedanken Dr. Schachts. Wir erheben Einspruch dagegen. Vor allem ist der Verfasser unbekannt, und außerdem ist es nur ein Zeitungsbericht und scheint für uns hier unwesentlich und unwichtig zu sein.
Beweisstück Nummer 39 ist ein Brief, der von einem gewissen Richard Morton an den Solicitor of the Treasury von Großbritannien (Rechtsbeistand des Schatzamtes) geschrieben wurde. Er wurde dort an den Generalsekretär weitergeleitet, wie ich glaube. Auf jeden Fall erheben wir Einspruch, da wir dies Dokument für unzulässig halten.
Es soll die Beurteilung, die die Person Schachts durch Morton erfahren hat, wiedergeben und soll darlegen, in welcher Weise Schacht Morton geholfen hatte. Wenn Dr. Schachts Verteidiger Dr. Dix der Ansicht ist, Morton könne eine bedeutungsvolle und erhebliche Aussage machen, würden wir die Einreichung eines Fragebogens vorschlagen. Morton ist in London, und es würde unseres Erachtens dies ein besseres Vorgehen sein, als diesen Brief vorzulegen, der ohne Anleitung durch einen Fragebogen geschrieben wurde.
Wir kommen dann zu Beweisstück Nummer 49. Es ist ein Briefwechsel zwischen dem Herausgeber von Botschafter Dodds Tagebuch und Sir Nevile Henderson. Er ist in dem Band, der Dodds Tagebuch enthält, abgedruckt. Es erscheint mir ziemlich unklar, in welcher Hinsicht dieser Briefwechsel für uns erheblich sein soll, und was durch ihn aufgedeckt werden könnte.
VORSITZENDER: Ist dies ein langes Dokument?
MR. DODD: Nein, nicht sehr lang.
Ich bin nun etwas im unklaren über die letzten paar Beweisstücke von 54 bis 61. Wir wissen nur, daß Beweisstück Nummer 54 ein Protokoll der Aussage Görings vor diesem Gerichtshof ist und so weiter, das Protokoll verschiedener Aussagen vor dem Gerichtshof; drei Auszüge aus der Aussage Görings, und vier aus den Erklärungen des Leutnants Brady Bryson im Zusammenhang mit der von der Anklagevertretung gegebenen Darstellung des Falles gegen den Angeklagten Schacht.
Ich persönlich möchte behaupten, daß es unnötig ist, sie zu übersetzen oder mehr zu unternehmen, als auf sie zu verweisen. Sie sind schon ins Protokoll aufgenommen, und ich kann mir nicht vorstellen, was Dr. Dix im Sinne hat. Ich habe natürlich keinen Einwand vorzubringen, wenn er sich auf diese Auszüge bezieht, oder sonst zulässigen Gebrauch von ihnen macht.
VORSITZENDER: Sind die Auszüge lang?
MR. DODD: Ich weiß es nicht. Es handelt sich nur darum, sie noch einmal aus dem Protokoll abzuschreiben. Sie sind schon im Protokoll des Gerichtshofs.
VORSITZENDER: Ja.
MR. DODD: Sie liegen mir nicht vor, Herr Vorsitzender.
Das ist unsere augenblickliche Stellungnahme zu dem Antrag von Dr. Schachts Verteidiger. Wenn irgendwelche Fragen vorliegen, bin ich zur Beantwortung gern bereit, ich bin nämlich hier nicht auf viele Einzelheiten eingegangen.
VORSITZENDER: Das ist richtig. Dr. Dix kann nun antworten. Ja, Dr. Dix?
DR. DIX: Was die Einwendungen von Nummer 1 bis 6 anlangt, so gebe ich Mr. Dodd ohne weiteres zu, daß es sich bei ihnen mehr um eine Angelegenheit der Argumentation als um Beweismittel handelt. Schacht wird auf die Tatsache, daß prominente Männer auch des Auslands die gleichen Ansichten vertreten haben, die ihn zu seiner Gesamthaltung auch in der Aufrüstungsfrage veranlaßt haben, argumentierenden Bezug, nehmen. Er wird sie zitieren und auch ich werde voraussichtlich in meinem Schlußplädoyer diese Stellen zum Zwecke der Argumentation zitieren. Wenn deshalb Mr. Dodd sagt, es ist weniger ein Beweismittel als eine Argumentation, so hat er recht, aber wir streiten uns ja jetzt nach meiner Auffassung nicht darüber, was offiziell verfahrensmäßig dem Gericht als Beweismittel unterbreitet werden soll, sondern wir streiten uns ja nur darüber, beziehungsweise, wir unterhalten uns jetzt darüber, ob diese Dokumente übersetzt werden sollen, damit, wenn entweder Schacht bei seiner Vernehmung sie zitiert, oder, wenn ich sie bei meinem Plädoyer zitiere, das Gericht in der Lage ist, diesem Zitat bequem zu folgen. Wir haben die Beobachtung gemacht, daß das Gericht, was ja auch durchaus naheliegend ist, es gern sieht, wenn Schriftstücke, die hier vorgetragen werden, ihm in Übersetzung vorliegen, damit es genau folgen kann. Also hinsichtlich dieser Stücke 1 bis 6, und das gilt auch, um das vorwegzunehmen, für sämtliche Stücke in Exhibit Nummer 18, kämpfe ich nicht um die Zulassung als Beweismittel, sondern ich empfehle nur, im allseitigen Interesse die Übersetzung zuzulassen, damit im Falle ihrer Zitierung sie dem Gericht vorgelegt werden können; also eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Das gilt für 1 bis 6 und für sämtliche unter 18.
VORSITZENDER: Aber, Dr. Dix, hat der Gerichtshof nicht schon entschieden, daß sowohl die Tagebücher von Viscount Rothermere als auch die Rede oder das Buch von Paul Boncour nicht als Beweismittel zugelassen sind und auf sie nicht Bezug genommen werden darf?
DR. DIX: Mir ist nur eine Entscheidung des Gerichts bekannt, daß es keine Darlegungen über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Versailler Friedens entgegennehmen will. An diese Entscheidung des Gerichts werden wir uns selbstverständlich halten. Aber das Zitat dieser Stellen wird nicht dazu dienen, um Ausführungen über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Versailler Friedens zu machen, weder beabsichtigt dies Schacht, noch ich. Also um ein Beispiel zu bringen:
Eine bestimmte Einstellung Schachts wird von der Anklage in dem Sinne gewertet, daß er mit seiner Unterstützung der Aufrüstung die Aggression unterstützt und gewollt hat. Das will er widerlegen, indem er sich darauf beruft, daß auch der und der prominente Ausländer die gleiche Ansicht vertreten habe, und dieser doch unmöglich mit dieser Ansicht eine deutsche Aggression habe beabsichtigen können. Das ist nur ein Beispiel. Jedenfalls nicht zum Zwecke akademischer Ausführungen über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Friedens von Versailles, die ich sowieso nicht beabsichtigt hätte, denn ich fühle, daß für derartige Ausführungen eine Resonanz nicht vorhanden ist. Ich lege keine Ausführungen zugrunde, von denen ich annehme, daß sie keine Resonanz haben. Darf ich fortfahren?
Ich komme dann zum Dokument Nummer 18. Ich bitte um Entschuldigung. Ich hörte nur soeben die Ausführungen des Herrn Dodd und muß sofort antworten. Ich muß mir alles erst zusammensuchen. Ich habe mir hier notiert, daß bei Ziffer 18, wovon ich soeben sprach, was also zusammen mit den Stücken 1 bis 6 vermißt wird von Herrn Dodd, die Quellenangabe nämlich, das mag daran liegen, daß er nur das Inhaltsverzeichnis vor sich hatte. In den Zitaten selbst sind die Quellenwerke angegeben.
Nun komme ich zu Nummer 37. Das ist der Brief Schachts an einen gewissen Fraser. Da habe ich Herrn Dodd dahingehend verstanden, daß er keine Einwendung erhebt, sondern nur wissen möchte, wo sich das Original befindet. Ja, es ist ein Brief Schachts an Fraser, den verstorbenen Präsidenten der First National Bank. Das Original dieses Briefes, wenn es noch vorhanden ist, befindet sich im Nachlaß des Herrn Fraser und ist für mich nicht zugänglich, für niemanden.
Einen Moment, Herr Vorsitzender. Schacht sagt mir, er habe nur die Kopie, und zwar die eigenhändig unterschriebene Kopie, also eine sogenannte Auto- Kopie. Diese Auto-Kopie ist in der Schweiz während des Krieges wegen ihres Inhalts aufgehoben worden. Diese von Schacht persönlich unterschriebene Auto- Kopie ist hier, von ihr stammt diese Abschrift im Dokumentenbuch und die Übereinstimmung des Wortlautes ist von Professor Kraus beglaubigt. Also ich glaube, daß damit der Identifizierung der Kopie im Rahmen der Möglichkeit Genüge getan ist. Dies zu Nummer 37.
Dann habe ich mir notiert, daß bei Nummer 34, einen Moment bitte, auch die Quelle vermißt worden ist. Das ist dasselbe, wie schon oben gesagt wurde. In dem Dokumentenbuch ist die Quelle angegeben, nämlich die »Dokumente der deutschen Politik«. Also dieses Sammelwerk, das ja sehr viel als Beweismaterial benutzt worden ist. Nun sind Einwendungen erhoben gegen...
VORSITZENDER: Dr. Dix! Gegen Beweisstück 34 war nicht Einspruch erhoben worden, weil das Original nicht vorhanden war, sondern weil es eine Rede von Hitler über Wiederaufrüstung wiedergibt und nicht erheblich erschien.
DR. DIX: Ja, das ist richtig. Vielen Dank, Herr Vorsitzender.
Ja, die Erheblichkeit konnte Herr Dodd natürlich nicht erkennen. Die Erheblichkeit konnte nur Schacht erkennen, weil er allein seine innere Entwicklung kennt. Es handelt sich hier um eine Rede Hitlers, in der eine Stelle vorkommt, die den langsam sich entwickelnden Verdacht Schachts, diese Politik könnte auf eine Aggression, auf einen Angriffskrieg nicht nur hinausgehen, sondern eventuell sogar von Hitler gewollt sein, besonders durch diese Stelle der Reichstagsrede Hitlers vom 28, Februar 1938 hervorrief. Also für die gesamte Darstellung seiner inneren Einstellung gegenüber Hitler und seiner Politik, beginnend mit dem Jahre 1933, seiner Anhängerschaft bis zu dem Wendepunkt, dem Beginn des Mißtrauens, bis zur Opposition, die sich steigert zu fortgesetzten Putschvorbereitungen, bedeutet bei der Darstellung dieser inneren Entwicklung diese Rede einen sehr erheblichen Markstein. Aus diesem Grunde meine ich, ist sie schließlich als Beweismittel begründet. Das ist Nummer 34.
Nun kommt Nummer 38. Das ist der Artikel aus den »Basler Nachrichten«. Ein Beweismittel, meines Erachtens, von größter Erheblichkeit. Ich werde jedenfalls um die Zulassung dieses Beweismittels kämpfen bis zum letzten Hauch von Roß und Mann. Thema: vor dem Krieg: Kampf gegen den Krieg. Während des Krieges: Kampf und Versuche, Herbeiführung eines möglichst baldigen Friedens. Kampf gegen eine Ausbreitung des Krieges.
Nun hatte Schacht im Jahre 1941, also vor dem Eintritt Rußlands in den Krieg und auch vor dem Eintritt der Vereinigten Staaten in diesen Krieg, eine Unterhaltung mit einem amerikanischen Nationalökonomen geführt, an die er sich erst erinnert hat, als er jetzt von einem Bekannten diesen Artikel, der in den »Basler Nachrichten« vom 14. Januar 1946 erschienen ist, mitgebracht bekommen hat. Er sagt: Selbstverständlich, jetzt entsinne ich mich. Ich habe vor vier Jahren, nämlich im Frühjahr 1941, mit einem amerikanischen Nationalökonomen diese Unterhaltung geführt. Den Namen hat er auch vergessen. Die Unterhaltung zeigt wieder sein Bemühen auch noch im Jahre 1941, insbesondere gegen jede Kriegsausweitung die Fäden zu spinnen und die Verbindungen anzuknüpfen, die den von ihm erstrebten Zweck, insbesondere durch Eröffnung von Kontakten mit den Vereinigten Staaten und der Umgebung Präsident Roosevelts, herbeizuführen.
Wir haben kein anderes Beweismittel, die Tatsache dieser Unterhaltung zu beweisen, denn wir können auch den Professor nicht rufen, weil Schacht seinen Namen vergessen hat. Es ist aber der Professor selbst, welcher, allerdings anonym, in dieser Nummer vom 14. Januar 1946 spricht.
VORSITZENDER: Dr. Dix, was ist der wesentliche Inhalt dieser Unterhaltung, die, wie Sie sagen, in dieser Zeitung wiedergegeben wird?
DR. DIX: Es ist ein ziemlich langer Artikel, ich darf nur einige Punkte herausgreifen, dann wird das Gericht die Natur dieser Unterhaltung erkennen. Der Professor erzählt in diesem Zeitungsartikel, daß damals Schacht außerordentlich kritisch gegen das nationalsozialistische Regierungssystem eingestellt war. Er fügte hinzu, daß er über die Frage der Aufrechterhaltung eines solchen Systems geäußert habe, daß es zu einer vollständigen Abtötung jeder geistigen Aktivität führe. Er ist dann weiter dazu übergegangen, dem Herrn Professor auseinanderzusetzen, daß dieser Krieg völlig sinnlos sei und daß er sogar sinnlos und auch für ein siegreiches Deutschland nutzlos sei, von einem höheren Standpunkt aus betrachtet. Er hat dem Professor auseinandergesetzt, daß jedes Mittel benutzt werden müsse, um den Krieg abzustoppen, dann würden sich die Regierungen in einer geordneten Welt, in einer durch einen gerechten Frieden geordneten Welt, von allein liberalisieren, und deshalb schlägt er am Schluß vor, daß unbedingt ein Versuch gemacht werden sollte, den Kontakt zwischen den Nationen, insbesondere mit repräsentativen Männern der Vereinigten Staaten, aufzunehmen, ehe Rußland und Amerika in den Krieg eintreten würden.
Er bedauert dann weiter, daß Roosevelt, Verzeihung... er nennt dann weiter Roosevelt und seine Freunde als den gegebenen Mann, der die große Aufgabe erfüllen könnte, einem derartigen, geschickt und vorsichtig eingeleiteten Unternehmen den Weg ebnen zu können. Es ist derselbe Versuch, der enthalten ist in dem vorhin zitierten Brief an Fraser; denn Fraser gehörte auch, sagen wir mal zu den Leuten, die Eintritt bei Präsident Roosevelt hatten. Es ist also der letzte verzweifelte Versuch, im Glauben an das Vertrauen, das er persönlich bei Roosevelt genoß, seinerseits zu einer Herbeiführung des Friedens beizutragen, ehe es zu spät war.
Gegenüber dem Vorwurf der Aggression ist natürlich eine solche Haltung von außerordentlicher Erheblichkeit, und deshalb meine ich, daß das Gericht mir unbedingt diesen Artikel als Beweismittel zulassen sollte. Wir können ja nicht annehmen, daß dieser Professor die Unwahrheit gesagt hat. Es bestünde natürlich technisch die Möglichkeit, daß man versucht, von den »Basler Nachrichten« den Namen zu erfahren, aber ich fürchte, die »Basler Nachrichten« werden den Namen nicht geben, bevor sie nicht bei dem Herrn Professor in Amerika rückgefragt haben. Ob er es erlaubt, daß sein Name preisgegeben wird, steht dahin, also wir werden die größten Schwierigkeiten haben. Und da die Lebenserfahrung dafür spricht, daß das, was der Professor hier in den »Basler Nachrichten« schildert, wahr ist, warum soll er jetzt nicht die Wahrheit sagen. Außerdem ist er ein angesehener Mann. So glaube ich, ist dieses Beweisstück doch einer persönlichen Befragung des Professors vollkommen gleichwertig. Ich bitte also dringendst, dieses Beweismittel zuzulassen, nicht nur zur Übersetzung zuzulassen, sondern auch als Beweismittel zuzulassen. Das war also Nummer 38.
Bei Morton. Ich bin durchaus einverstanden, daß wir an Morton einen Fragebogen schicken. Ich glaube nur, daß es eine überflüssige Bemühung ist; denn ich brauche diesen Brief von Morton eigentlich nur zum Nachweis der Tatsache, daß Lord Montague Norman, als er von einer BIZ-Sitzung im Jahre 1939 nach England zurückkehrte... dieser Morton, der ein sehr angesehener Bürger Frankfurts a./Main war und dann ausgewandert ist und von der Metallgesellschaft erzählt hat, daß Schacht in größter persönlicher Gefahr seiner politischen Haltung sich befindet. Das ist die Tatsache, die ich hauptsächlich mit diesem Brief nachweisen soll, das steht im Briefe drin. Dieser Brief ist nicht von Morton an mich oder an Schacht gerichtet gewesen, sondern es ist ein Brief, der an den »Solicitor of the Treasury« gegangen ist und von dort der Prosecution hierhergegeben worden ist, und die Prosecution war so freundlich, uns diesen Brief zur Kenntnis zu bringen. Morton hierher als Zeugen zu zitieren, hielten wir für einen zu großen Apparat, und ich mache gerne einen Fragebogen, aber ich glaube, daß wir viel einfacher und genau so zuverlässig zum Ziele kommen, wenn das Gericht mir gestattet, ein bis zwei kleine Stellen dieses Briefes hier zu verlesen. Aber ich stelle anheim, von mir aus ebenso gern einen Fragebogen nach London zu schicken. Das ist also Nummer 39.
Was Nummer 49 anlangt, so ist diese Korrespondenz zwischen Sir Nevile Henderson und dem Herausgeber des Tagebuches des verstorbenen Botschafters Dodd von erheblichster Bedeutung für die Zuverlässigkeit der Angaben des Doddschen Tagebuches, was ja mehrfach, nicht von mir, sondern von der Prosecution gegen Schacht nach meiner Erinnerung zitiert worden ist. Ich möchte gleich hier, um ja kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, hervorheben, daß es uns vollkommen fernliegt, die Zuverlässigkeit der Persönlichkeit des verstorbenen Botschafters Dodd anzugreifen, der sowohl Dr. Schacht als auch mir persönlich bekannt war, und dem wir nur mit Empfindungen entgegentreten, einen absoluten Ehrenmann uns gegenüber zu haben; aber das Hohe Gericht weiß ja, daß dieses Tagebuch, beruhend auf flüchtigen Notizen des Botschafters, herausgegeben worden ist von seinen Kindern nach seinem Tode. Es können also Fehler passieren, und welch erhebliche Fehler passieren, das ergibt sich aus dieser Korrespondenz zwischen Nevile Henderson und dem Herausgeber des Tagebuches, wo eben Sir Nevile Henderson darauf hinweist, daß eine Unterhaltung oder mehrere Unterhaltungen, die Dodd nach diesem Tagebuch mit ihm geführt haben soll, durchaus falsch dargestellt sind. Ich glaube, man kann keinen besseren Beweis für die objektive, ich wiederhole, nur die objektive Unzuverlässigkeit dieses Tagebuches haben, als diese Korrespondenz zwischen Sir Nevile Henderson und dem Herausgeber. Also zu dem Behufe der Glaubwürdigkeit eines Beweismittels der Anklage, zur Zurückführung des Wertes dieser Glaubwürdigkeit auf ihr richtiges Maß, bitte ich, mir dieses Dokument als Beweismittel zuzulassen.
Was die Nummern 54 bis 61 anlangt, so beabsichtige ich in keiner Weise mit diesen Stücken Beweismittel anzuführen. Mir ist genau so recht, wenn sie nicht übersetzt werden, ich habe auch hier nur den Gedanken der Erleichterung der Arbeit für das Gericht gehabt. Schacht wird von mir vernommen, auf diese Stellen der Aussagen Görings bezugnehmend. Wenn das Gericht glaubt, es entbehren zu können, diese Stellen dann im Moment vor sich zu haben und es überhaupt nur im Protokoll hören will, oder aber die Protokolle herbeischaffen will, die ja im Hause sind, so brauchen diese Stücke nicht übersetzt zu werden. Es wird also eine reine Frage, wie das Gericht es für sich selbst am praktikabelsten hält. Wir haben die Auszüge gemacht, wenn das Gericht wünscht, sollen sie übersetzt werden.
So bleiben dann nur noch die Affidavits. Herr Dodd hat über sie nicht gesprochen, ich glaube aber, daß das Gericht weiß, daß Sir David und ich über die Zeugen und Affidavits hier vor Gericht in offener Sitzung auseinandersetzten, daß die Affidavits an sich schon zugelassen waren, natürlich mit dem Rechte der Prosecution, nach Kenntnisnahme des Inhalts der Affidavits entweder ihrerseits Gegenfragen zu stellen, oder den Zeugen ihrerseits zum Zwecke des Kreuzverhörs zu rufen. Das steht selbstverständlich frei. Wir haben uns ja mit den Affidavits an Stelle des persönlichen Erscheinens nur begnügt, um Zeit zu sparen. Wenn die Prosecution wünscht, daß die Zeugen, hinsichtlich deren wir Affidavits haben, erscheinen, so ist die Verteidigung hiermit durchaus einverstanden.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.