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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Ich werde mich zuerst mit den Dokumenten für den Angeklagten Schacht befassen.

Folgende Dokumente sind zu übersetzen: Nummer 7, Nummer 8, Nummer 9, Nummer 14, Nummer 18, Nummer 33, Nummer 34, Nummer 37, Nummer 38, Nummer 39 und Nummer 49.

Die Dokumente Nummer 54 bis 61, die schon ins Protokoll aufgenommen sind, sollen nicht übersetzt werden, sondern Dr. Dix wird gebeten, in seinem Dokumentenbuch Hinweise auf diese Dokumente zu geben.

Die Dokumente Nummer 1 bis 6 werden überhaupt nicht übersetzt.

Das ist so zu verstehen, daß die Dokumente, die ich nicht erwähnt habe, übersetzt werden; die Dokumente, die ich nicht besonders erwähnt habe, werden übersetzt.

Nun, Dr. Thoma?

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich übergebe zunächst aus den mir heute morgen bewilligten Dokumenten Abschriften aus Werken von Rosenberg: »Tradition und Gegenwart«, »Schriften und Reden«, »Blut und Ehre«, »Gestaltung der Idee«, »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«; zum Beweise dafür, daß der Angeklagte sich nicht an einer Verschwörung gegen den Frieden und den kriegspsychologischen Vorbereitungen beteiligt hat. Diese Auszüge enthalten Reden, die der Angeklagte gehalten hat vor Diplomaten, vor Studenten, vor Juristen, und sollen den Nachweis bringen, daß er dort für einen sozialen Frieden gekämpft hat, daß er insbesondere nicht wollte, daß weltanschauliche Kämpfe außenpolitische Feindschaft nach sich ziehen sollten, er hat mit Verachtung von einer Kirchenaustrittspropaganda gesprochen, ist für Gewissensfreiheit eingetreten, hat für eine vernünftige Regelung der Judenfrage sich eingesetzt, teilweise auch unter einer gewissen Bevorzugung der Juden, und hat insbesondere auch für Klarheit und Gerechtigkeit dieser Sache plädiert. Ich bitte das Gericht, amtlich von diesen Reden Kenntnis zu nehmen und rufe nun mit Erlaubnis des Gerichtes den Angeklagten Rosenberg als Zeugen.

VORSITZENDER: Wie ist Ihr voller Name?

ALFRED ROSENBERG: Alfred Rosenberg.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

Sie dürfen sich setzen.

DR. THOMA: Herr Rosenberg! Wollen Sie bitte dem Gericht eine Schilderung Ihres Lebenslaufs geben.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, Sie haben Ihren Beweisstücken keine Nummern gegeben, oder doch?

DR. THOMA: Doch.

VORSITZENDER: Geben Sie bitte die Nummern an, wenn Sie auf Dokumente Bezug nehmen.

DR. THOMA: Ja. Wollen Sie dem Gericht eine Schilderung Ihres Lebenslaufs...

VORSITZENDER: Dr. Thoma, zur Aufnahme in das Protokoll müßten Sie eigentlich eine Liste der von Ihnen vorgelegten Dokumente verlesen, und die Beweisstücknummern angeben. Haben Sie eine Liste der Dokumente, die Sie als Beweisstücke vorlegen wollen?

DR. THOMA: Ja.

VORSITZENDER: Wollen Sie sie zur Aufnahme ins Protokoll verlesen?

DR. THOMA: Ro-7 »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«.

VORSITZENDER: Ja.

DR. THOMA: Exhibit Ro-7, Ro-7a, »Gestaltung der Idee«, Ro-7b, Rosenberg: »Blut und Ehre«, Ro-7c, Rosenberg: »Tradition und Gegenwart«, Ro-7d, Rosenberg: »Schriften und Reden«, und dann noch Ro-8, »Völkischer Beobachter«, März und September 1933.

VORSITZENDER: Das letzterwähnte ist vom Gerichtshof abgelehnt worden; 7e und 8 waren abgelehnt worden.

DR. THOMA: 7e habe ich auch nicht zitiert, aber Ro-8.

VORSITZENDER: Sie haben 8 erwähnt.

DR. THOMA: Ja, Ro-8 habe ich erwähnt.

VORSITZENDER: Ro-8 ist auch zurückgewiesen worden.

DR. THOMA: Jawohl.

Herr Rosenberg, wollen Sie bitte dem Gericht eine Schilderung Ihres Lebenslaufs geben.

ROSENBERG: Ich bin geboren am 12. Januar 1893 in Reval in Estland. Nach Beendigung der dortigen Oberrealschule studierte ich ab Herbst 1910 Architektur an der Technischen Hochschule zu Riga. Bei Heranrücken der deutsch-russischen Front 1915 wurde die Technische Hochschule mit Professoren und Studenten nach Moskau evakuiert, und ich studierte daraufhin weiter in dieser russischen Hauptstadt. Ich beendete dort mein Studium mit einem Diplom als Ingenieur-Architekt Ende Januar oder Anfang Februar 1918 und fuhr dann in meine Heimatstadt zurück. Beim Einmarsch der deutschen Truppen in Reval meldete ich mich als Kriegsfreiwilliger in das deutsche Heer, wurde aber als Angehöriger eines okkupierten Landes ohne besondere Empfehlungen nicht aufgenommen. Da ich für meine Zukunft nicht mehr zwischen den verschiedenen staatlichen Fronten leben wollte, versuchte ich nach Deutschland zu kommen. Für die Baltendeutschen war bei aller politischen Loyalität gegenüber dem russischen Staate doch die deutsche Kultur eine geistige Heimat, und das, was ich in Rußland erlebt hatte, festigte bei mir den Entschluß, das in meinen Kräften Liegende zu tun, um eventuell in Deutschland das Abgleiten der politischen Bewegung in den Bolschewismus verhindern zu helfen. Ich glaubte, daß diese Bewegung in Deutschland bei der empfindlichen Struktur des Deutschen Reiches eine außerordentliche Katastrophe bedeuten würde, Ende November 1918 konnte ich nach Berlin fahren und von dort nach München. Ich wollte eigentlich meinen Beruf als Architekt ausüben, traf aber in München auf Persönlichkeiten, die ähnlich empfanden wie ich, und wurde Mitarbeiter an einer Wochenschrift, die in dieser Zeit in München gegründet wurde. An dieser Wochenzeitschrift habe ich seit dem Januar 1918 mitgearbeitet und bin seit dieser Zeit schriftstellerisch tätig geblieben. Ich erlebte dann hier die Entwicklung der politischen Bewegung in München bis zur Räterepublik 1919 und ihre Überwindung.

DR. THOMA: Sie nannten vorhin Deutschland Ihre geistige Heimat. Wollen Sie dem Gericht erklären, durch welche Studien und durch welche Gelehrte Sie von deutscher Seite beeinflußt wurden?

ROSENBERG: Ich hatte neben unmittelbar künstlerischen Interessen für Architektur und Malerei von Jugend her philosophische Studien betrieben, und da lag es mir gefühlsmäßig selbstverständlich nahe hier an Goethe, Herder und an Fichte anzuknüpfen und mich von hier aus innerlich zu bilden. Zu gleicher Zeit beeinflußten mich die sozialen Gedanken von Charles Dickens, Carlyle und amerikanischerseits von Emerson. In Riga habe ich diese Studien weiterbetrieben und naturgemäß an Kant und Schopenhauer angeknüpft, und mich vor allen Dingen der indischen Philosophie und ihren verwandten Strömungen gewidmet, später naturgemäß den europäischen Kultur- und Geschichtsschreibern, und schließlich in München einem näheren Studium der neuen biologischen Forschung.

DR. THOMA: Sie sprachen im Laufe Ihrer Reden häufig von »der Gestalt der Idee«. Waren Sie da von Goethe beeinflußt?

ROSENBERG: Ja, das ist selbstverständlich, daß gerade dieser Gedanke, die Welt als Gestalt zu sehen, von Goethe kommt.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, das Gericht wünscht, daß Sie, soweit Sie überhaupt auf philosophische Themen Bezug nehmen, sich auf seine eigene Philosophie beschränken, und nicht auf den Ursprung dieser Philosophie.

DR. THOMA: Wie kamen Sie nun in München zur NSDAP und zu Hitler?

ROSENBERG: Im Mai 1919 war der Herausgeber der genannten Zeitschrift von einem gewissen Anton Drexler besucht worden, der sich als Vorsitzender einer neugegründeten deutschen Arbeiterpartei vorstellte. Er erklärte, ähnliche Gedanken zu vertreten wie diese Zeitschrift, und seit dieser Zeit begann die erste Verbindung zu einer ganz kleinen Gruppe deutscher Arbeiter, die sich in München gebildet hatte. Dort habe ich auch im Herbst 1919 Adolf Hitler kennengelernt.

DR. THOMA: Wann schlossen Sie sich Hitler an?

ROSENBERG: Ja, ich habe damals mit Hitler ein ernsteres Gespräch gehabt, und mir fiel bei diesem Gespräch seine großzügige Betrachtung der ganzen europäischen Situation auf. Er erklärte, nach seiner Ansicht stünde heute Europa in einer sozialen und politischen Krisis, wie seit dem Untergang des altrömischen Reiches nicht mehr, daß die Herde einer Erregung auf diesem Gebiet überall vorhanden seien, und daß er sich persönlich bemühe, sich Rechenschaft vom Standpunkt einer deutschen Gesundung zu geben. Ich habe darauf einige der Vorträge Hitlers in kleinen Versammlungen von 40 oder 50 Menschen gehört, und ich glaubte, das Recht, jetzt zu sprechen, hätte vor allen Dingen ein Frontsoldat, der viereinhalb Jahre bisher schweigend seine Pflicht getan hatte.

Ich bin dann Ende 1919 in die Partei eingetreten, allerdings nicht vor Hitler, wie es hier behauptet wurde, sondern später, und hatte in dieser ersten Partei die Nummer 625 als Mitglied.

An der Abfassung des Programms bin ich nicht beteiligt gewesen; war aber zugegen, als dieses Programm am 24. Februar 1920 von Hitler verlesen und begründet wurde.

DR. THOMA: Sie haben dann eine Rechtfertigung des Parteiprogramms gegeben und haben doch wohl gar Fragen lösen wollen, die sich mit der sozialen politischen Krisis beschäftigt haben. Wie dachten Sie sich die Lösung?

ROSENBERG: Auf verschiedene Anfragen in Bezug auf die 25 Programmpunkte habe ich Ende 1922 einen Kommentar verfaßt, der hier stückweise dem Gericht vorgelesen worden ist. Die ganze Haltung, die sich damals für uns ergab, läßt sich vielleicht kurz folgendermaßen umschreiben:

Die technische Revolution des 19. Jahrhunderts hatte eben bestimmte soziale und geistige Konsequenzen. Die sogenannte Rationalität und Rentabilität beherrschte einmal dieses Leben und schuf den Industriestaat und den Weltstaat mit all ihren Hinterhöfen und führte zu einer Entfremdung von Natur und Geschichte. Gegen diese einseitige Bewegung wendeten sich um die Jahrhundertwende viele Kräfte, die sich wieder die Heimat, die Geschichte erobern wollten, und aus der Jugendbewegung dieser Zeit stammt die Anknüpfung wieder an die Überlieferung, an das Volkslied, an das Brauchtum der Vergangenheit und die künstlerischen Werke, etwa von Professor Schulze-Naumburg und mancher Dichter, ergaben als Gesamtheit einen Charakterprotest gegen diese einseitige Bewegung von damals, und hier versuchte der Nationalsozialismus wieder anzuknüpfen, im vollen Bewußtsein jedoch, eine moderne Bewegung und nicht nur eine sentimental rückschauende Bewegung zu sein. Er knüpfte hier an die Versuche der sozialen Bewegung von Stoecker und an die nationale Bewegung von Schönerer in Österreich, ohne nun alles als Vorbild anzunehmen, und ich möchte bemerken, daß der Name Nationalsozialismus, ich glaube, aus dem Sudetenland stammt, und hier die kleine deutsche Arbeiterpartei dann mit diesem Namen »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« gegründet wurde. Und, wenn ich das sagen darf, was uns schließlich im wesentlichen bewegte, warum wir uns Nationalsozialisten nannten, so glaube ich, daß in diesen drei Monaten der Anklage viele furchtbare Dinge vorgetragen wurden, aber über den Nationalsozialismus nicht gesprochen worden ist. Die Ansicht bestand doch damals, daß sich in Deutschland zwei feindliche Lager gegenüberstanden, daß in beiden Lagern Millionen anständiger Deutscher kämpften und das Problem vor uns allen stand, was in diesen beiden Lagern vom Standpunkt einer nationalen Einheit zu bejahen sei, und was eine Verständigung zwischen beiden Lagern verhindere und, auf das knappste zusammengefaßt, haben wir damals und später nach der proletarischen Seite hin erklärt, wenn der Klassenkampf auch eine Tatsache des sozialen und politischen Lebens gewesen ist und auch in der Gegenwart noch bestand, so müßte er als weltanschauliche Grundlage und Dauerparole eine ewige Zerreißung der Nation bedeuten. Die Lenkung einer sozialen Befriedigung oder überhaupt einer sozialen Auseinandersetzung von irgendeinem internationalen Zentrum aus stellte das zweite entscheidende Hindernis eines sozialen Ausgleichs dar. Der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit war seitens der gesamten Arbeiterschaft richtig, würdig und notwendig. Nach der bürgerlichen Seite hin glaubten wir feststellen zu können, daß mancher reaktionäre Standesdünkel privilegierter Kreise sich volksschädigend ausgewirkt hatte, und zweitens, daß die Vertretung nationaler Interessen nicht in Erbpacht gewisser Schichten sich befinden dürfe, daß dagegen die Forderung einer nationalen Einheit und würdigen Vertretung eine rechte Haltung dieser Seite sei. Die Parole ergab sich also daraus für Adolf Hitler...

VORSITZENDER: Dr. Thoma, versuchen Sie bitte, die Aussagen des Zeugen auf Aussagen zu den Beschuldigungen, die gegen ihn erhoben worden sind, zu beschränken. Die Angeklagten sind nicht wegen des Versuchs angeklagt, Deutschland wiederaufzubauen, sondern weil sie mit der Form dieses Wiederaufbaues einen Angriff auf andere Rassen und Nationen verbunden haben.

DR. THOMA: Es muß aber meines Erachtens bei Rosenberg etwas auf seine Gedankengänge eingegangen werden, weshalb er so und so gehandelt hat, aber ich frage jetzt:

Waren Sie sich darüber klar, daß bei dieser Frage des Sozialismus und diesen Fragen Arbeit und Kapital manche Fragen doch internationale Fragen gewesen sind, und warum haben Sie da eigentlich einen Kampf gegen die Demokratie, als eine internationale Angelegenheit geführt?

MR. DODD: Ich denke, das ist eine Fortsetzung des Verhörs auf derselben Linie. Ich möchte behaupten, daß kein Mitglied der Anklagebehörde dem Angeklagten seine Gedanken zum Vorwurf macht. Wir alle sind, glaube ich, grundsätzliche Gegner der Auffassung, einen Menschen wegen seiner Gedankengänge zu verfolgen. Und mit Vertrauen möchte ich die Überzeugung aussprechen, daß auch der Gerichtshof derselben Meinung ist. Daher halten wir es für gänzlich unnötig, die Gedanken des Angeklagten über diese oder jene Dinge im einzelnen vorzubringen.

DR. THOMA: Meines Wissens wird dem Angeklagten auch vorgeworfen, daß er einen Kampf gegen die Demokratie geführt habe, und deshalb habe ich diese Frage gestellt.

VORSITZENDER: Wie lautet diese Frage?

DR. THOMA: Warum der Nationalsozialismus und er selbst einen Kampf gegen die Demokratie geführt haben.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß das etwas mit diesem Falle zu tun hat. Es besteht nur die Frage, ob er mit Hilfe des Nationalsozialismus völkerrechtliche Verbrechen begangen hat.

DR. THOMA: Herr Präsident! Der Nationalsozialismus als Begriff muß doch in seine Bestandteile aufgelöst werden. Der Nationalsozialismus besteht doch, wie die Anklage behauptet hat, in dem Kampf gegen die Demokratie, in der einseitigen Betonung des Nationalismus und in der einseitigen Betonung des Militarismus; er muß doch jetzt Gelegenheit haben, zu erklären, warum der Nationalsozialismus für den Militarismus eingetreten ist, und warum das geschehen ist und ob das geschehen ist. Der Nationalsozialismus muß doch begrifflich zerlegt werden, um seine Bestandteile herauszufinden.

VORSITZENDER: Was der Nationalsozialismus war, ist dem Gerichtshof schon gezeigt worden, und es wird die Tatsache nicht bestritten, daß das Führerprinzip in Deutschland eingeführt wurde. Die Problemstellung liegt nicht in der Einführung dieses Prinzips. Falls es ausschließlich für den internen Gebrauch eingeführt wurde, würde deshalb keine Anklage erhoben werden. Es wird einzig und allein Anklage erhoben, daß mit Hilfe des Nationalsozialismus Angriffskriege geführt, und die anderen Verbrechen, von denen wir schon gehört haben, begangen wurden.

DR. THOMA: Der Angriffskrieg wurde meines Wissens damit begründet, daß er einen Kampf gegen die Demokratie auf der Basis des Nationalismus und des Militarismus geführt hat.

VORSITZENDER: Demokratie außerhalb Deutschlands, nicht in Deutschland.

DR. THOMA: Ich möchte dann den Angeklagten fragen, wie er sich zu der Anklage stellt, der Nationalsozialismus habe die »Herrenrasse« gepredigt?

ROSENBERG: Ich weiß, daß dieses Problem hier mit ins Zentrum der Anklage gestellt wurde, und ich verstehe, wenn man vom Standpunkt einer Anzahl furchtbarer Ereignisse der Gegenwart unwillkürlich einen Schluß auf die Vergangenheit und auf die Ursache der Entstehung der sogenannten »Herrenrasse« zieht. Ich glaube aber doch, daß es von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung dieses Problems ist, wenn man weiß, worum es sich für uns gehandelt hat. Das Wort »Herrenrasse« habe ich noch niemals so viel gehört, wie in diesem Gerichtssaal. Ich habe es meines Wissens in meinen Schriften überhaupt nicht erwähnt und gebraucht. Ich habe meine Schriften und Reden nochmals durchgeblättert und dieses Wort nicht gefunden. Ich habe nur einmal von einem »Herrenmenschentum« Homers gesprochen und ein Zitat eines britischen Schriftstellers gefunden, der über das Leben Lord Kitcheners schreibt und erklärt, er habe sich als Herrenmensch erwiesen. Ich habe das Wort von der »Herrenrasse« dann gefunden in der Schrift des amerikanischen Rassenforschers Madison Grant und des französischen Rassenforschers Lapouge.

Ich möchte aber hier zugeben, nicht nur zugeben, sondern unterstreichen, daß das Wort vom »Herrenmenschen« im Laufe meiner Tätigkeit als Ostminister nämlich mir aufgefallen ist, und zwar sehr unangenehm, bei einer Anzahl der Verwaltungsführer im Osten. Ich darf vielleicht bei der Befragung über die Ostfrage darauf im einzelnen zurückkommen, wie ich mich zu diesen Äußerungen, die mir bekannt wurden, verhalten habe. Im Prinzip war ich der Überzeugung, daß die Rassenkunde ja nicht eine Erfindung etwa der nationalsozialistischen Bewegung, sondern eine biologische Entdeckung als Abschluß einer vierhundertjährigen europäischen Forschung darstellte, daß die Vererbungsgesetze, die in den sechziger Jahren entdeckt und Jahrzehnte später wiederentdeckt wurden, einen tieferen Einblick auch in die Geschichte ermöglichen, als es manche bisherige Erklärungen möglich machten.

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Der Angeklagte greift wieder auf den Ursprung seiner Ansichten zurück. Wir haben hier doch nur zu berücksichtigen, was er in Reden, Dokumenten und so weiter erklärt hat und den Gebrauch, den er von diesen Erklärungen gemacht hat, nicht, ob diese 400 Jahre alt waren und dergleichen.

DR. THOMA: Der Angeklagte kommt auf die Rassenfrage zu sprechen, und ich werde diese Gelegenheit ergreifen, auf die sogenannte Judenfrage zu sprechen zu kommen, als Ausgangspunkt dieser Frage. Ich möchte an den Angeklagten die Frage stellen: Wie kommen Sie dazu... wie kamen Sie dazu...

GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Mein Kollege, Herr Dodd, hat hier schon darauf hingewiesen, daß die Anklage dem Angeklagten konkrete Verbrechen zur Last gelegt hat: Angriffskriege und Greueltaten. Es wäre meines Erachtens am besten, wenn der Verteidiger Dr. Thoma bei der Vernehmung seines Klienten konkrete Fragen zu den vorgebrachten Anklagepunkten stellen würde.

Ich glaube, der Gerichtshof hat keine Lust, sich eine Vorlesung über Rassentheorien, Nationalsozialismus und andere Theorien anzuhören.

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich werde zu den einzelnen Fragen Stellung nehmen, aber, nachdem nun einmal die Ideologie und die Philosophie des Nationalsozialismus hier als verbrecherisch bezeichnet worden ist, muß dem Angeklagten Rosenberg doch etwas Gelegenheit gegeben werden, seine Ansichten klarzulegen.