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[Zum Zeugen gewandt:]

Es ist ja richtig und vielleicht wäre es angebrachter, Herr Rosenberg, wenn Sie sich etwas kürzer fassen möchten in mancher Beziehung.

Ich möchte an Sie folgende Frage stellen: Sie glaubten, daß die sogenannte Judenfrage in Europa dadurch gelöst werden könne, daß der letzte Jude den europäischen Kontinent verläßt. Sie haben damals angeführt, das sei ganz gleich, ob ein solches Programm in fünf, zehn oder zwanzig Jahren realisiert werden sollte. Es war schließlich nur eine Frage der Transportmöglichkeit, und Sie legten damals Wert darauf, daß diese Frage vor einem internationalen Komitee behandelt wird. Wie kamen Sie zu dieser Anschauung, und warum sind Sie zu dieser Anschauung gekommen? Ich wollte so sagen, wie haben Sie die Lösung darin erblickt, daß der letzte Jude Europa verläßt?

ROSENBERG: Ich möchte, um dem Wunsche des Gerichts nachzukommen, hier nicht eine längere Darstellung dieser Anschauung geben, wie sie aus geschichtlichem Studium bei mir entstanden ist; durch das Studium nicht etwa antisemitischer Werke, sondern jüdischer Historiker selber.

Mir schien, daß nach einer Epoche einer generösen Emanzipation im Verlauf nationalistischer Bewegungen des 19. Jahrhunderts auch das jüdische Volk sich im wesentlichen wieder auf seine Überlieferung und seine eigene Art besann und die Scheidung von Volk zu Volk immer bewußter durchführte. Es war ein Problem, das auf vielen internationalen Kongressen besprochen wurde, und namentlich einer der geistigen Führer dieses europäischen Judentums, Buber, erklärte, daß man sich einmal wieder auf den Boden Asiens zurückziehen solle, weil dort allein die Wurzeln des jüdischen Blutes und des jüdischen Volkstunis zu finden seien.

Aber zu der verschärften Haltung im politischen Leben bin ich zum Teil auf Grund von Beobachtungen und Erlebnissen in Rußland und dann auf Grund der Erlebnisse in Deutschland gekommen, die mir diese Fremdheit besonders zu bestätigen schienen. Ich konnte es nicht begreifen, wie damals, als die deutschen Soldaten wieder heimkehrten, sie von einem jüdischen Universitätslehrer damit begrüßt wurden, daß er erklärte, die deutschen Soldaten seien auf dem Felde der Unehre gefallen. Ich konnte nicht verstehen, daß dieser Mangel an Pietät so weit gehen konnte; und wenn es nur eine einzelne Auslassung gewesen wäre, so könnte man sagen, das sei eine Entgleisung gewesen. Es zeigte sich in den 14 Jahren, daß hier offenbar ein bestimmter anderer Wille sich ausdrückte.

DR. THOMA: Herr Rosenberg, ich glaube, wir wollen uns auch einmal darüber unterhalten, daß ein Gegensatz mit dadurch hervorgerufen wurde, daß gewisse Presseäußerungen auf der nationalsozialistischen Seite einen Widerspruch auf der anderen Seite hervorgerufen haben.

ROSENBERG: Die anderen Äußerungen, wie sie in diesen 14 Jahren dauernd erschienen, erschienen zum Teil ja früher, ehe die nationalsozialistische Bewegung entstand. Die Ereignisse der Räterepublik in München und in Ungarn waren ja vorher, ehe die nationalsozialistische Bewegung wirksam werden konnte.

DR. THOMA: Herr Rosenberg, wie haben Sie sich damit auseinandergesetzt, daß im ersten Weltkrieg 12000 jüdische Frontsoldaten gefallen sind?

ROSENBERG: Ich bin mir selbstverständlich immer bewußt gewesen, daß auch die jüdischen deutschen Staatsbürger in ihrer deutschen Umwelt viele Angleichungen hatten, daß viele einzelne tragische Erscheinungen in dieser Entwicklung mitgingen, und daß selbstverständlich für diese stets ein notwendiges Verständnis vorhanden sein mußte; das berührte aber im großen nicht die ganze soziale und politische Bewegung, vor allem, als in maßgebenden Organen der sogenannten demokratischen Parteien ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Deutschland gesehen, und die Auswanderung von Deutschen in die französischen Kolonien, nach Argentinien und nach China vorgeschlagen wurde. Aus prominentem jüdischen Munde und aus dem Munde des Vorsitzenden der Demokratischen Partei wurde dreimal vor aller Öffentlichkeit eine ansteigende Arbeitslosigkeit und die Deportation Deutscher nach Afrika und Asien vorgeschlagen, und schließlich wurden in den 14 Jahren aus Polen ebensoviele Deutsche vertrieben, als es Juden in Deutschland gab, ohne daß der Völkerbund gegen diesen Bruch der Minderheitenabkommen etwas Wirksames unternommen hätte.

DR. THOMA: Herr Rosenberg, Sie waren Leiter des Außenpolitischen Amtes der Partei. Was hatten Sie da für eine Funktion?

ROSENBERG: Das Außenpolitische Amt wurde im April 1933 gegründet. Nach der Machtübernahme kamen viele Ausländer nach Deutschland, um sich nach dem Entstehen und nach dem Wesen der Nationalsozialistischen Partei zu erkundigen, und um für die Partei ein gewisses Zentrum zu gründen, beauftragte mich der Führer damit, dieses Amt zu leiten.

Es hatte die Aufgabe, wie gesagt, interessierte Ausländer zu empfangen, sie zu unterrichten, sie an die entsprechenden Gründungen der Partei und des Staates zu verweisen, falls sie Interesse für die Arbeitsfront, für die Jugendfrage, für das Winterhilfswerk und so weiter hatten. Zum zweiten hatten wir ein Interesse daran, gewisse Initiativ-Vorschläge, die uns gemacht wurden, vorläufig auch auf Außenhandelsgebieten zu bearbeiten und, falls sie es wert schienen, gefordert zu werden, an die entsprechenden staatlichen amtlichen Stellen weiterzuleiten.

Ferner wurde die ausländische Presse verfolgt, um für die spätere Forschung ein gutes Archiv zu besitzen und die Parteiführung durch kurze Auszüge aus der ausländischen Presse politisch zu unterrichten. Man hat mir unter anderem den Vorwurf gemacht, daß ich für die Hearst-Presse einige Aufsätze geschrieben hätte. Ich habe auf Ersuchen des Hearst- Konzerns fünf oder sechs Aufsätze veröffentlicht im Jahre 1933 oder 1934, habe aber Hearst, nachdem ich ihn 20 Minuten in Nauheim gesehen habe, seither nicht mehr gesehen und gesprochen. Ich hörte nur, daß der Hearst-Konzern durch das Entgegenkommen und die Veröffentlichung meiner sachlichen Darlegungen in außerordentliche Schwierigkeiten gekommen sei.

DR. THOMA: Haben Sie als Leiter des Außenpolitischen Amtes manchmal offizielle politische Schritte unternommen?

ROSENBERG: Es ist in den hier vorgelegten Urkunden 003-PS, 004-PS und 007-PS die Tätigkeit des Außenpolitischen Amtes besprochen und vorgelegt worden, und ich könnte an Hand dieser Urkunden dem Gericht eine kurze Zusammenfassung und Verlesung von dieser Tätigkeit geben.

DR. THOMA: Ich würde aber wünschen, daß Sie davon reden, welche Schritte Sie als Leiter des Außenpolitischen Amtes für eine aktive Verständigung der europäischen Nationen unternommen haben.

ROSENBERG: Adolf Hitler hatte, ich glaube 1927, in Bamberg eine Sitzung zusammenberufen, auf der er seine außenpolitischen Überzeugungen dahin aussprach, daß wenigstens einige Nationen an einer totalen Auslöschung der europäischen Mitte nicht ein unmittelbares Interesse haben könnten, und damit meinte er vor allen England und Italien. Seit dieser Zeit rührt eine von mir mit innerer Zustimmung befolgte Tätigkeit her, durch persönliche Bekanntschaften, die ich hatte, einen Weg der Verständigung zu finden, und ich habe mit britischen Fliegeroffizieren des Flieger-Generalstabs öfter sprechen können. Auf ihre Einladung hin war ich 1931 in London und habe damals rein privatim eine Anzahl britischer Persönlichkeiten gesprochen.

Und als dann zum ersten Male auf einer Tagung der Königlichen Akademie in Rom über das Thema »Europa« sich die Möglichkeit eröffnete zu sprechen, habe ich dort einen Vortrag über dieses Problem gehalten, und zwar in dem Sinne, daß die Entwicklung der letzten Jahrhunderte vor allen Dingen durch vier Völker und Staaten getragen worden sei, durch England, Frankreich, Deutschland und Italien, und daß zunächst diese vier ihre Lebensinteressen abgrenzen sollten, um Rücken an Rücken gemeinsam diesen alten ehrwürdigen europäischen Kontinent und seine Überlieferung verteidigen zu können. Ich glaubte, daß diese vierfach anerkannte nationale Wurzel der reichen europäischen Kultur ein geschichtliches und politisches Vermächtnis darstellte.

Auszüge aus dem Vortrag sind veröffentlicht, und ein Teil ist mit Genehmigung für das Gericht übersetzt worden.

Am letzten Tage der Konferenz kam der ehemalige britische Botschafter in Italien, Sir Rennell Rodd zu mir und sagte, er käme soeben von Mussolini; er hätte ihm gesagt, das wichtigste Wort zu dieser Konferenz hätten Sie, Herr Rosenberg, gesprochen.

DR. THOMA: Herr Rosenberg, darf ich Sie aufmerksam machen, sich etwas kürzer zu fassen.

ROSENBERG: Im Mai 1933 bin ich noch einmal in London gewesen, schon persönlich von Adolf Hitler beauftragt, und ich habe eine Anzahl britischer Minister besucht, deren Name ja eben nichts zur Sache tut, und habe mich ebenso bemüht, Verständnis für die plötzliche und befremdende Entwicklung in Deutschland herbeizuführen. Mein Empfang war ziemlich reserviert, und es spielten sich eine Anzahl Inzidenzen ab, die zeigten, daß eine sehr abwehrende Stimmung vorhanden war. Das hat mich nicht gehindert, diese persönlichen Fühlungnahmen weiter fortzuführen und eine große Anzahl britischer Persönlichkeiten auch später nach Deutschland einzuladen. Amtlich hatte ich nicht mehr den Auftrag, hier zu wirken.

VORSITZENDER: Warum fragen Sie den Angeklagten nicht, worüber die Verständigung hätte sein sollen? Warum sagt er uns dies nicht, anstatt in abstrakter Weise über eine Verständigung zu sprechen?

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich habe den Angeklagten deswegen gefragt, weil er für eine aktive Verständigung mit England Schritte unternommen hat und darum geworben hat. Der Angeklagte wird nun beschuldigt...

VORSITZENDER: Aber um was handelt es sich denn bei der Verständigung?

DR. THOMA: Es handelt sich darum, daß der Angeklagte nach London gegangen ist, um...

VORSITZENDER: Ich will, daß Sie den Angeklagten fragen, ich will nicht, daß Sie es mir erzählen.

DR. THOMA: Ich habe ihn ja eben gefragt, Herr Präsident. Der Angeklagte wird beschuldigt, daß er sich an dem norwegischen Unternehmen dadurch beteiligt habe, daß er den Bruch der norwegischen Neutralität befürwortet habe.