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[Das Gericht vertagt sich bis

17. April 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertzehnter Tag.

Mittwoch, 17. April 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Rosenberg im Zeugenstand.]

MR. DODD: Gerade vor der Pause gestern nachmittag erkundigte sich der Gerichtshof nach dem Stand des Dokumentenbuches Frank, und als ich dem Gerichtshof mitteilte, daß wir zum Vortrag bereit seien, erinnerte Dr. Seidl an ein Abkommen, das wir getroffen hatten. Ich habe gestern nicht daran gedacht. Ich glaube, wir haben uns beide ein wenig geirrt. Die Lage ist nun so: Wir haben gestern abend um 6.00 Uhr ein Übereinkommen getroffen, daß hinsichtlich der Dokumentenbücher Frank keinerlei Unklarheiten bestehen.

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich möchte eine kurze Richtigstellung machen. Ich habe gestern von der Anforderung eines Dokuments über die Gründung des Einsatzstabes Rosenberg gesprochen. Mein Klient hat mich wiederholt gebeten, dieses Dokument vorzulegen. Es besteht aber die Möglichkeit, daß ich dieses Dokument verwechselt habe mit anderen Dokumenten, die ich angefordert und nicht bekommen habe. Ich wollte das nur richtigstellen.

VORSITZENDER: Sie wollen lediglich diese mündliche Richtigstellung vornehmen? Gut.

DR. THOMA: Jawohl.

VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Verteidiger an den Angeklagten Fragen zu richten?

DR. HAENSEL: Herr Zeuge! Sind Sie der Ansicht, daß das, was Sie zur Erledigung Ihrer Aufgaben – Sie waren nämlich Beauftragter des Führers für die geistigen Ziele der NSDAP und der angeschlossenen Verbände – daß das, was Sie als Beauftragter des Führers für diese Ziele und für die planmäßige, wie es hieß, geistige Bekämpfung des Judentums gesagt und geschrieben haben, als offizielle Umreißung der Tätigkeit der Partei und der Gliederungen anzusehen ist?

ROSENBERG: Wenn ich diese lange Serie von Fragen einzeln beantworten darf, dann ist es folgendes: Meine Dienststelle hat in der Frage der geistigen Erziehung mit dem Hauptschulungsamt der SS selbstverständlich dauernd in Beziehung gestanden. Meine Dienststelle hat die sogenannten Leithefte der SS, die als Schulungszeitschrift erschienen, gelesen, und ich habe sie auch öfter in der Hand gehabt und habe in diesen Jahren gefunden, daß in diesem Schulungsamt, in diesen Heften, zum mindesten eine Menge sehr wertvoller Aufsätze und meist sehr anständiger Gedanken enthalten sind. Das war ja auch für mich ein Grund, in all diesen Jahren bis dahin mit der SS an sich in keinen Konflikt gekommen zu sein.

Was die Judenfrage betrifft, so ist das Ziel in diesem Problem ja in dem Programm der NSDAP ausgesprochen worden, und das ist das einzige Offizielle, an das sich die Parteigenossen gehalten haben. Das, was ich darüber gesagt habe und was andere darüber geschrieben haben, ist als eine Begründung anzusehen. Es ist sicher viel davon akzeptiert worden; es sind aber, was den Führer und den Staat betrifft, diese Vorschläge für sie nicht bindende Vorschriften gewesen.

DR. HAENSEL: War das Ziel Ihrer Bekämpfung des Judentums begrenzt? Haben Sie sich vorgestellt, daß die Juden ausgeschaltet werden sollten aus Staatsverwaltung und Wirtschaft, oder haben Ihnen von vornherein schärfere Maßnahmen wie Ausrottung und so weiter vorgeschwebt? Was war Ihr Ziel?

ROSENBERG: Mir hat entsprechend dem Parteiprogramm das eine Ziel vorgeschwebt, daß die Führung im deutschen Staat geändert würde, wie sie namentlich von 1918 bis 1933 bestanden hat. Das war das wesentliche Ziel. Über die Ausschaltung, sogar aus der Wirtschaft, ist damals nicht gesprochen worden, und ich habe gestern schon auf zwei meiner Reden, die ja gedruckt vorliegen, hingewiesen, wo ich erklärte, nach Beendigung dieses harten politischen Kampfes müsse eine Zensur oder eine Überprüfung der Frage stattfinden. Es ist auch früher von der Forderung der Auswanderung der Juden aus Deutschland gesprochen worden; ist auch richtig. Das ist von mir später, als die Dinge sich verschärften, noch einmal ausgesprochen worden; auch in den Gedanken der Vorschläge sehr prominenter jüdischer Führer, deutsche Arbeitslose nach Afrika, Südamerika und nach China zu deportieren.

DR. HAENSEL: Man könnte also, wenn man Ihren Gedankengängen von gestern und heute folgt, drei Gruppen von Maßnahmen gegen die Juden unterscheiden: Einmal bis 1933, bis zur Machtergreifung, das wären die propagandistischen Maßnahmen; zweitens nach 1933, die Maßnahmen, die in den Gesetzen gegen die Juden ihren Niederschlag fanden; und schließlich, nach dem Kriege, gewisse Maßnahmen, die zweifelsfrei zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören.

Gehen Sie mit dieser Dreiteilung einig?

ROSENBERG: Ungefähr so, ja.

DR. HAENSEL: Dann möchte ich Ihr Augenmerk auf die zweite Gruppe richten, nämlich auf die Maßnahmen, die nach der Machtergreifung im Wege der Gesetzgebung gegen die Juden ergangen sind. Haben Sie hierbei mitgewirkt?

VORSITZENDER: Sie sind Verteidiger für die SS, nicht wahr?

DR. HAENSEL: Ja.

VORSITZENDER: Was haben diese Fragen mit der SS zu tun?

DR. HAENSEL: Die Fragen haben das mit der SS zu tun: Wenn die Partei als Ganzes das Ziel einer zunächst geordneten Judengesetzgebung hatte, so war die SS auch an dieses Ziel gebunden und hatte zunächst keine darüber hinausgehenden Ziele, Ich wollte feststellen, wann die Gesetzgebung und die Maßnahmen gegen die Juden verbrecherisch wurden, und daß bis dahin die SS auch nicht in irgendeiner Weise verbrecherische Maßnahmen gegen die Juden unternahm.

VORSITZENDER: Nun, er hat schon gesagt, daß die Judenfrage im Parteiprogramm enthalten war. Das ist alles, was Sie wünschen, nicht wahr?

DR. HAENSEL: Ich wollte nur zeigen: Die Tatsache, daß es im Parteiprogramm gestanden hat, beweist noch nicht, daß es als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Parteiprogramm gestanden hat, sondern im Parteiprogramm stand ein allgemeiner Satz, von dem ich noch nicht glaube, daß er ohne weiteres ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist Dazu müßte noch hinzukommen...

VORSITZENDER: Das ist eine Frage der Auslegung des Parteiprogramms. Darüber hat er nicht Zeugnis abzulegen. Es liegt als ein Dokument vor. Das Parteiprogramm ist in den schriftlichen Dokumenten enthalten.

DR. HAENSEL: Aber außer dem Parteiprogramm sind nachher eine Menge von Gesetzen und Erlassen ergangen, die dieses Parteiprogramm erweitert haben und die Frage...

VORSITZENDER: Dies sind ebenfalls Dokumente, die der Gerichtshof auszulegen hat und nicht dieser Zeuge.

DR. HAENSEL: Die Frage ist, soweit der Zeuge es sagen kann, wie weit bei der Durchführung dieser Bestimmungen die SS mitgewirkt hat.

VORSITZENDER: Er kann über Tatsachen aussagen, nicht aber über Gesetze oder die Auslegung von Dokumenten. Wenn Sie ihn nach Tatsachen fragen, gut; wenn Sie aber verlangen, daß er das Parteiprogramm oder Erlasse auslegt, so ist dies die Aufgabe des Gerichtshofs.

DR. HAENSEL: Gut.