[Zum Zeugen gewandt:]
Sie haben in Ihren Büchern das Ziel vertreten, daß die Deutschen sich zu einem Großdeutschland vereinigen sollen, das steht auch im Parteiprogramm?
ROSENBERG: Jawohl.
DR. HAENSEL: Haben Sie geglaubt, daß dies nur durch die Vorbereitung eines Krieges möglich sei, oder haben Sie auch geglaubt, daß es friedlich möglich sei?
ROSENBERG: Ich habe am Anfang meiner Ausführungen auf einen vor einem Internationalen Kongreß dargelegten. Vortrag von 1932 verwiesen. Hier war dieser Vorschlag vom Führer ausdrücklich gebilligt, der dahin ging, daß diese vier Großmächte das gesamte europäische Problem überprüfen sollten; und in diesem Vorschlag war einbegriffen der Verzicht auf deutsche Kolonialpolitik, der Verzicht auf Elsaß- Lothringen und der Verzicht auf Südtirol, sowie Ansprüche für die abgetrennten deutschen...
VORSITZENDER: All diese Dinge haben wir von dem Angeklagten Göring und dem Angeklagten Ribbentrop schon früher gehört und haben erklärt, daß wir das nicht nochmals hören wolle. Es hat jedenfalls mit der SS nichts direkt zu tun.
DR. HAENSEL: Nun eine letzte Frage. Ist Ihnen bekannt, daß die SS gegenüber den Juden geheime und andere Ziele verfolgte, ganz verschieden von jenen, die offiziell veröffentlicht waren?
ROSENBERG: Das habe ich hier gehört.
DR. HAENSEL: Aus eigener Kenntnis wissen Sie es nicht?
ROSENBERG: Nein.
DR. STEINBAUER: Herr Zeuge! Ich habe nur eine einzige Frage an Sie zu richten. Die Anklagebehörde hat unter 091-PS einen Brief vorgelegt, den Sie als Leiter des Einsatzstabes an Dr. Seyß-Inquart in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Niederlande gerichtet haben, und in welchem Brief Sie die Ausfolgung der Bibliothek des sogenannten Sozialinstitutes in Amsterdam verlangt haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich an diese Bibliothek erinnern. Es ist dies eine umfangreiche Bibliothek sozialistisch-marxistischen Inhalts gewesen. Die Anklagebehörde hat die Antwort meines Klienten nicht vorgelegt. Darum muß ich Sie fragen: Erinnern Sie sich an diesen Sachverhalt und welche Antwort hat Ihnen Seyß-Inquart gegeben?
ROSENBERG: An diese Bibliothek erinnere ich mich sehr weil mir darüber vorgetragen worden ist. Es handelt sich meines Wissens um eine Errichtung einer geistigen Zentrale der Zweiten Internationale in Amsterdam, in der nämlich die Geschichte der sozialen Bewegungen in verschiedenen Staaten hier bibliothekarisch zusammengefaßt werden sollte, um auf Grund dieses wissenschaftlichen Materials nun einen geistig-politischen Kampf, einen wissenschaftlichen Kampf...
DR. STEINBAUER: Gut. Gut. Wir wollen kurz sein. Also Sie wissen, um was es sich handelt. Welche Antwort haben Sie nun bekommen? Hat Seyß-Inquart zugestimmt, daß diese Bibliothek nach Deutschland kommt, oder hat er verlangt, daß sie in Holland verbleibt?
ROSENBERG: Es wurde zunächst abgemacht, daß diese Bibliothek in Holland verbliebe, und daß die Katalogisierung und Ordnung dieser noch nicht geordneten Bibliothekschätze in Amsterdam vorgenommen werden sollte. Und das ist im Laufe der Jahre in Amsterdam geschehen. Erst im Jahre 1944, als entweder die Invasion schon begonnen hatte oder unmittelbar mit ihr gerechnet wurde, als die Bombenangriffe auch in diesem Gebiet sich verstärkten, ist ein Teil nach Schlesien gebracht worden, der andere Teil ist meines Wissens nicht durchgekommen, sondern in Emden geblieben und der dritte Teil ist, glaube ich, nicht abtransportiert worden.
DR. STEINBAUER: Ist es also richtig, daß Seyß-Inquart verhindert hat, daß diese Bibliothek der holländischen Arbeiterschaft weggenommen wurde?
ROSENBERG: Jawohl.
VORSITZENDER: Wünscht die Anklagebehörde ein Kreuzverhör vorzunehmen?
MR. DODD: Bevor wir verschiedene Punkte zu erörtern beginnen, möchte ich Sie bitten, Ihren Namen ein paarmal auf dieses Stück Papier mit Bleistift und mit Tinte zu schreiben.
Schreiben Sie bitte »A. Rosenberg« mit Tinte und »Alfred Rosenberg« mit Tinte; und wollen Sie den Anfangsbuchstaben Ihres Zunamens als großen Buchstaben niederschreiben.
Wollen Sie bitte jetzt mit Bleistift auf ein anderes Stück Papier das gleiche tun: »A. Rosenberg« mit Bleistift, »Alfred Rosenberg« und den Anfangsbuchstaben Ihres Zunamens. Und dann möchte ich Sie noch um etwas bitten. Wollen Sie den Anfangsbuchstaben Ihres Nachnamens in Druckschrift niederschreiben.
Als Sie gestern nachmittag durch Ihren Anwalt das erstemal verhört wurden, haben Sie vor dem Gerichtshof die Erklärung abgegeben, daß Sie mit Heinrich Himmler, dem Reichsführer-SS, eine Besprechung über Konzentrationslager hatten, wenn ich mich recht erinnere, sagten Sie, es war im Jahre 1938. Stimmt das?
ROSENBERG: Ja, ich habe erklärt, ich habe mit ihm einmal über Konzentrationslager gesprochen; ob es 1938 war: Ich kann das genaue Datum nicht angeben, weil ich mir keine Notiz darüber gemacht habe.
MR. DODD: Sehr gut. Er hat Ihnen den Vorschlag gemacht, das eine oder andere dieser Lager zu besichtigen, Dachau oder irgendein anderes Lager, nicht wahr?
ROSENBERG: Ja, er hatte mir damals gesagt, ich sollte mir mal Dachau ansehen.
MR. DODD: Und Sie lehnten die Einladung ab, nicht wahr?
ROSENBERG: Ja.
MR. DODD: Und wenn ich mich recht erinnere, sagten Sie, daß Sie dies taten, weil Sie davon überzeugt waren, daß er Ihnen die ungünstigen Dinge in diesem Lager doch nicht zeigen würde?
ROSENBERG: Ja, das habe ich so ungefähr angenommen, falls es wirklich ungünstige Dinge waren, daß ich sie ja doch nicht sehen würde.
MR. DODD: Sie meinen also, daß Sie lediglich angenommen haben, daß da ungünstige Verhältnisse herrschten. Sie wußten nicht, daß dort ungünstige Verhältnisse herrschten?
ROSENBERG: Ich habe das aus der ausländischen Presse gehört, und es ist darüber...
MR. DODD: Wann haben Sie es zum erstenmal durch die Auslandspresse erfahren?
ROSENBERG: Das war schon in den ersten Monaten 1933.
MR. DODD: Und haben Sie die Berichte der Auslandspresse über die Konzentrationslager von 1933 bis 1938 ununterbrochen gelesen?
ROSENBERG: Ich habe die Auslandspresse überhaupt nicht gelesen, weil ich leider nicht englisch spreche. Ich habe nur ab und zu einige Auszüge davon erhalten, und in der deutschen Presse sind ja auch einige Hinweise darauf erschienen mit einer strikten Erklärung, daß sie nicht stimmen. Ich kann mich noch an eine Erklärung des Ministers Göring erinnern, wo er sagte, er sei fassungslos, daß so etwas geschrieben werden könne.
MR. DODD: Aber Sie glaubten doch, daß das insoweit zutreffe, als in jenem Lager ungünstige Verhältnisse zu finden wären, die Ihnen Himmler nicht zeigen würde.
ROSENBERG: Ja, ich nahm an, daß in einem solchen Revolutionsprozeß sicher eine Anzahl von Übergriffen stattfinden, daß in manchen Gauen auch hier und da Zusammenstöße stattfinden, und daß die Tatsache, daß die Ermordungen von Nationalsozialisten in den ersten Monaten nach der Machtübernahme ja fortlaufend weiterginge, auch wahrscheinlich hier und da harte Gegenmaßnahmen nach sich gezogen haben.
MR. DODD: Glaubten Sie, daß diese Maßnahmen gegen die Nationalsozialisten auch noch im Jahre 1938 durchgeführt wurden?
ROSENBERG: Nein. Die Hauptmitteilungen über weitergehende Ermordungen von Angehörigen der Hitler-Jugend, der Polizei und Angehörigen der Partei waren hauptsächlich im Jahre 1943 und 1944. Ich kann mich nicht entsinnen, daß in den kommenden Jahren hier noch viele Meldungen darüber veröffentlicht worden sind.
VORSITZENDER: Haben Sie 1943 und 1944 gesagt, oder meinen Sie 1933 und 1934?
ROSENBERG: 1933 und 1934, Entschuldigung.
MR. DODD: Aber auf jeden Fall hatten Sie im Jahre 1938 irgendwelche Kenntnisse, die Sie zu der Annahme geführt haben, es würde sich für Sie nicht lohnen, diese Lager zu besichtigen, da dort Dinge vor sich gehen, die man Ihnen nicht zeigen würde? So verhält es sich doch, nicht wahr?
ROSENBERG: Nein, aber ich habe ganz offen gesagt, daß unter Umständen eben doch Übergriffe passieren könnten, und ich habe Himmler darauf angesprochen, daß er auf jeden Fall weiß, daß solche Dinge uns bekanntlich vom Ausland mitgeteilt wurden und er achtgeben solle. Eine Mitteilung an mich persönlich über eine Beschwerde ist ein einziges Mal erfolgt.
MR. DODD: Gut, jetzt kommen wir zu einem anderen Punkt. Sie erklärten gestern, daß Ihr Buch »Der Mythus des 20. Jahrhunderts« Ihre persönlichen Ideen zum Ausdruck bringt, und daß Sie nicht die Absicht hatten, durch dieses Buch auf die Staatspolitik großen Einfluß auszuüben. Stimmt das? Haben Sie das gestern in Bezug auf Ihr Buch gesagt?
ROSENBERG: Den Schluß habe ich nicht ganz verstanden. Ich muß sagen, ich habe den »Mythus des 20. Jahrhunderts« geschrieben in den Jahren, nach verschiedenen grundgeschichtlichen und sonstigen Vorstudien, etwa 1927 und 1928, und erschienen ist er im Oktober 1930 mit dem Vorwort, daß das ein persönliches Bekenntnis ist, und daß nicht die politische Organisation, der ich angehöre, dafür verantwortlich sei.
MR. DODD: Gut. Jetzt werde ich Ihnen Dokument 3553-PS zeigen lassen. Das ist, Herr Vorsitzender, US-352. Es ist bereits als Beweismittel vorgelegt worden.