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[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]

Hier ist nun das Dokument, es ist ein Auszug aus einer vor Ihren engsten Mitarbeitern am 20. Juni 1941, einen Tag vor dem Angriff auf Rußland, gehaltenen Rede, auf die bereits früher einmal Bezug genommen worden ist. Ich verweise Sie auf den ersten Absatz, den einzigen auf dieser Seite, er lautet:

»Die deutsche Volksernährung ist in diesen Jahren zweifellos...«

ROSENBERG: Auf welcher Seite?

MR. DODD: Erste Seite. Es ist nur eine Seite. Oh, Sie haben das ganze Dokument. Sie haben gestern darauf Bezug genommen, es ist Seite 8, Zeile 54. Sie werden sich daran erinnern, Sie haben gestern darüber gesprochen. Sie sagten, es sei eine Rede aus dem Stegreif gewesen. Finden Sie es auf Seite 8?

ROSENBERG: Ja, ich habe es gefunden.

MR. DODD: In diesem Absatz sagen Sie unter anderem – und ich will Sie aus einem besonderen Grund darauf hinweisen – die Aufgabe der Ernährung des deutschen Volkes stehe an der Spitze der Forderungen, und die Südgebiete und der Nordkaukasus müßten für die deutsche Volksernährung einen Ausgleich schaffen. Sie fahren dann fort, es sei kein Grund vorhanden, die Russen mit den Überschußprodukten der Ostgebiete zu ernähren Sie sagen dann:

»Wir wissen, daß das eine harte Notwendigkeit ist, die außerhalb jeden Gefühls steht.«

Dann fahren Sie fort:

»Zweifellos wird eine sehr umfangreiche Evakuierung notwendig sein, und dem Russentum werden sicher sehr schwere Jahre bevorstehen.«

Sie haben gestern einen Teil dieser Rede verlesen, die Sie im günstigen Sinne für sich auslegten. Waren alle Teile dieser Rede aus dem Stegreif gehalten, oder nur die Stellen, die Sie jetzt zu belasten scheinen?

ROSENBERG: Ich habe diese ganze Rede nach einigen Stichworten gehalten, und dieser Paragraph ist von der Anklage mindestens schon drei- oder viermal verlesen worden. Ich habe gestern bei Behandlung dieser Rede selbst auf diesen Paragraphen ausdrücklich hingewiesen und habe außerdem hinzugefügt, daß aus dem Kreise des Vierjahresplans mir mitgeteilt wurde, man wisse nicht, ob nach Eroberung des Moskauer Industriegebietes die Industrie voll erhalten werden könne – hier steht »Waggonfabriken« zum Beispiel –, daß man sich auf einige zentrale Industrien beschränken müsse, und daß dadurch ein schweres Problem in der Versorgung dieses Raumes eintreten muß. Und meine Bemerkung ging dann darauf hin, daß man notwendigerweise diese arbeitslosen Menschen wahrscheinlich evakuieren müsse. Ich habe dann ausdrücklich noch auf das Dokument, nämlich das erste Dokument des Ostministeriums zu dieser Frage, hingewiesen, wo unter sieben vordringlichsten Punkten der Zivilverwaltung der dritte Punkt, die Ernährung der Bevölkerung der Gebiete, steht. Und im Dokument selber wird später darauf eingegangen, wo es heißt, daß Hungersnöte auf jeden Fall zu verhindern sind und daß die Bevölkerung dann aus Sonderzulagen ernährt werden müsse. Ich glaube, ich war gesetzmäßig und vorschriftsmäßig selbst in dieser harten Zeit nicht in der Lage, überhaupt mehr zu verordnen. Meine ganze geistige Haltung und politische Haltung geht aus dem hervor, was ich gesagt habe über die Forderung der ukrainischen Freiheit und Kultur, über das Selbstbestimmungsrecht der Kaukasier und auch über den russischen Staat und seine großen...

MR. DODD: Gut, ich möchte nicht, daß Sie darüber noch einmal sprechen. Ich verstehe Sie vollkommen und glaube, jedermann hier stimmt mit mir überein. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Sie schon zu diesem früheren Zeitpunkt geäußert haben, es werde harte Notwendigkeiten geben, und den Russen stünden sehr schwere Zeiten bevor. Das ist alles. Wenn Sie nicht zugeben wollen, daß Sie das ebenso ernst gemeint haben, wie Ihre anderen Äußerungen, so werde ich Sie dazu nicht zwingen.

Ich wende mich dem Dokument...

ROSENBERG: Ich glaube, Herr Ankläger, eine größere Vorsorge für dieses Problem kann man ja nicht haben, als wenn man vorher darüber nachdenkt, wie man die Schwierigkeiten meistert. Andere Besatzungstruppen haben dasselbe gefunden.

MR. DODD: Gut. Ich möchte Ihnen jetzt Dokument 045-PS, US-822 zeigen. Wollen Sie sich dieses Dokument ansehen?

ROSENBERG: Ich darf wegen der Übersetzung dieses Passus noch eines sagen. Es ist mir gesagt worden, diese Maßnahmen sollten »ohne jedes Gefühl« durchgeführt werden. Es steht im Original »außerhalb des Gefühls«.

MR. DODD: Gut! Ich nehme Ihre Auslegung an, die Stelle wird uns daher keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Ich bitte Sie, sich dieses Dokument anzusehen; es ist eine Denkschrift, die in Ihren Akten gefunden worden ist.

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Sie geben hier im zweiten Absatz eine Darstellung der vom Führer festgelegten sogenannten Ziele der deutschen Politik, besonders in der Ukraine. Nach Ihren Worten sind diese Ziele:

»Auswertung und Einsatz der Bodenschätze, in bestimmten Gebieten eine deutsche Siedlung, keine künstliche Intellektualisierung der Bevölkerung, sondern das Erhalten ihrer Arbeitskraft, im übrigen eine weitgehende Desinteressiertheit an den inneren sonstigen Geschehen.«

Dann gehen wir etwas weiter. Es ist wohl nicht notwendig, alles zu lesen, da auf einen großen Teil hiervon bereits in einem anderen Dokument Bezug genommen wurde. Wir kommen nun zu Zeile 12 vom Ende des Absatzes; wir fangen bei Zeile 14 an:

»Ich bin bei fortlaufender Beobachtung der Dinge in den besetzten Ostgebieten der Überzeugung, daß die deutsche Politik über die Eigenschaften der beherrschten Völker eine bestimmte, vielleicht auch abschätzende Meinung haben kann, daß es aber nicht Aufgabe der deutschen politischen Vertretung ist, Maßnahmen und Urteile hinauszurufen, die letzten Endes zu einer stumpfen Verzweiflung der beherrschten Bevölkerung führen können, anstatt den erwünschten produktiven Arbeitseinsatz zu fördern.«

Im nächsten Absatz sagen Sie dann:

»Mußten wir innerpolitisch in offenster Angriffsform unser Wollen im Gegensatz zu den andern im ganzen Volk verkünden, so hat die politische Führung im Osten dort schweigsam zu sein, wo notwendige Härte von der deutschen Politik diktiert wird; sie hat zu schweigen über ihre vielleicht abschätzende Beurteilung der beherrschten Völker. Ja, eine kluge deutsche Politik kann unter Umständen auch durch für die Politik belanglose Erleichterungen und einzelnes menschliches Entgegenkommen mehr für deutsche Interessen erreichen als durch offene unüberlegte Brutalitäten.«

War diese Darstellung in der Denkschrift vom 16. März 1942 wirklich ein ehrlicher Ausdruck Ihrer Ansichten?

ROSENBERG: Dieses Dokument stimmt. Es ist mir auch in der Voruntersuchung vorgelegt worden. Es ergibt sich aus diesem Dokument, daß ich beim Führer, trotzdem mir bekannt war, daß er meine weitergehenden Vorschläge doch nicht akzeptiert hatte, um diese weitergehenden Vorschläge kämpfte. Es ergibt sich zweitens daraus, daß ich bei ihm persönlich dafür eintrat, daß einige wildgewordene Kleinbürger im Osten keine abschätzenden Redensarten über andere Völker machen, die sie vielleicht nur äußerlich aus einem jetzt materiell armen Dasein vor Augen haben. Ich konnte von den vielen Tausenden, die hinkamen, nicht einfach Sympathie oder Antipathie erwarten, aber ich konnte eines von ihnen fordern, das ist: falls sie eine abschätzende Beurteilung hatten, das für sich zu behalten und sich anständig zu verhalten.

Zum Schluß möchte ich noch etwas hinzufügen, was außerordentlich entscheidend ist, es steht nämlich hier im letzten Absatz:

»Ich bitte den Führer, über diesen Vermerk und den Erlaßentwurf zu entscheiden.«

Diese Instruktion liegt dem Dokument leider nicht bei, ich glaube, daß sich daraus manches ergeben hätte.

MR. DODD: Gut! Wir kommen nun zu R-36, US- 699.