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[Das Dokument wird dem Zeugen übergeben.]

Dieses Dokument besteht aus drei Teilen, wie Sie wohl bemerken werden. Die erste Seite ist ein Brief von Dr. Leibbrandt auf dem Papier des »Reichsministers für die besetzten Ostgebiete« und trägt das Datum vom 31. Oktober 1941. Das ist nur wenige Tage vor Ihrer Besprechung mit dem Führer über Ihre Rede, und das Schreiben ist an den »Reichskommissar Ostland in Riga« gerichtet. Das war Lohse, der Mann, den Sie für diesen Posten vorgeschlagen hatten. In dem Schreiben heißt es:

»Von seiten des Reichs- und Sicherheitshauptamtes wird Beschwerde darüber geführt, daß der Reichskommissar Ostland Judenexekutionen in Libau untersagt habe. Ich ersuche in der betreffenden Angelegenheit um umgehenden Bericht.

Im Auftrag

gez. Dr. Leibbrandt.«

Wenn Sie die nächste Seite aufschlagen, sehen Sie die Antwort.

Haben Sie das Original da?

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Die Antwort ist auf der nächsten Seite, mit dem Datum:

»Riga, den 15. November 1941

An den Herrn Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Betrifft: Judenexekution, Bezug: Erlaß...«

Es wird anscheinend auf das Schreiben von Leibbrandt vom 31. Oktober 1941 Bezug genommen. Es heißt dann weiter:

»Ich habe die wilden Judenexekutionen in Libau unter sagt, weil sie in der Art ihrer Durchführung nicht zu verantworten waren.

Ich bitte, mich zu unterrichten, ob Ihre Anfrage vom 31. Oktober als dahingehende Weisung aufzufassen ist, daß alle Juden im Ostland liquidiert werden sollen? Soll dieses ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht und wirtschaftliche Interessen (z.B. der Wehrmacht an Facharbeitern in Rüstungsbetrieben) geschehen?«

Und dann steht da in einer anderen Handschrift die Notiz:

»Selbstverständlich ist die Reinigung des Ostlandes von Juden eine vordringliche Aufgabe. Ihre Lösung muß aber mit den Notwendigkeiten der Kriegswirtschaft in Einklang gebracht werden.«

Dann heißt es weiter:

»Weder aus den Anordnungen zur Judenfrage in der ›Braunen Mappe‹ noch aus anderen Erlassen konnte ich bisher eine solche Weisung entnehmen.«

Darunter steht der Buchstabe »L«, für Lohse, nicht wahr? Wenn Sie die dritte Seite betrachten wollen – nein, es ist ein anderes Dokument, dieses Dokument hat nur zwei Teile. Jetzt sehen Sie sich bitte Dokument 3666-PS, US-826 an.

VORSITZENDER: Auf jenem Dokument steht der Anfangsbuchstabe »L«, nicht wahr?

MR. DODD: Ja.

VORSITZENDER: Und der Angeklagte gibt zu, daß dieser Buchstabe der Anfangsbuchstabe von »Lohse« ist, ist das richtig?

ROSENBERG: Das wird wohl kaum Lohse sein. Ich kenne Herrn Lohses Initial nicht, das weiß ich nicht.

MR. DODD: Nun gut, es ist...

ROSENBERG: Das kann auch Leibbrandt sein, das weiß ich nicht.

MR. DODD: Sie wollen also nicht sagen, daß dieser zweite Brief von Lohse kam, und daß das sein Anfangsbuchstabe ist?

ROSENBERG: Das kann ich nicht sagen.

MR. DODD: Gut.

ROSENBERG: Das kann ich nicht sagen, denn gewöhnlich werden ja Briefe mit der Schreibmaschine überall hingeschickt.

MR. DODD: Nun ja, wir...

ROSENBERG: Diese Notiz hinten ist mir nicht ganz verständlich. Sie besagt jedoch im wesentlichen, daß hier ein Protest gegen bekanntgewordene Polizeimaßnahmen vorliegt, und daß in Anordnung...

MR. DODD: Die Bedeutung werden wir gleich besprechen. Wir reden jetzt von diesem »L«. Können Sie auch irgendwo ein handschriftliches »R« entdecken, ein großes »R«?

ROSENBERG: Ja, hier ist ein »L«.

MR. DODD: Ja, ein »R«?

ROSENBERG: Ja, hier sind zwei »R«.

MR. DODD: Haben Sie diese Initialen darauf geschrieben?

ROSENBERG: Nein.

MR. DODD: Das ist Ihr Anfangsbuchstabe, nicht wahr?

ROSENBERG: Ich kann das nicht als mein »R« entziffern.

MR. DODD: Sie behaupten, es sei nicht Ihr »R«? Das müssen wir aufklären. Sie sollten doch Ihre eigene Unterschrift kennen, wenn Sie sie irgendwo sehen?

ROSENBERG: Ich habe nie ein spitzes »R« gemacht, oben.

Ich bitte meine Handschrift zu vergleichen.

MR. DODD: Das werden wir schon machen, haben Sie keine Bedenken. Ich habe Sie gefragt, ob das Ihr Anfangsbuchstabe ist oder nicht?

ROSENBERG: Das kann ich nicht identifizieren als mein Initial.

MR. DODD: Wollen Sie sagen, daß das nicht Ihr Initial ist?

ROSENBERG: Ja.

MR. DODD: Gut. Ich verweise Sie nunmehr auf Dokument 3666-PS, das sich auch auf diese beiden anderen Dokumente bezieht. Es ist ebenfalls ein Brief auf dem Briefpapier des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, mit dem Datum vom 18. Dezember 1941. »Betrifft: Judenfrage. Auf das Schreiben vom 15. November 1941.«

Das ist also die Antwort auf den mit »L« gezeichneten Brief, in dem die Frage gestellt wird, ob die Judenexekutionen als Folge einer grundsätzlichen politischen Weisung zu betrachten seien. Die Antwort lautet:

»In der Judenfrage dürfte inzwischen durch mündliche Besprechungen Klarheit geschaffen sein. Wirtschaftliche Belange sollen bei der Regelung des Problems grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Im übrigen wird gebeten, auftauchende Fragen unmittelbar mit dem Höheren SS- und Polizeiführer zu regeln. Im Auftrag gez. Bräutigam.«

Haben Sie den Brief früher schon einmal gesehen?

ROSENBERG: Nein, den habe ich nicht gesehen. Meines Erachtens nicht. Es ist hier wieder ein solches »R« mit einer Spitze oben. Ich kann das auch nicht als mein »R« identifizieren.

MR DODD: Sie können diesen Buchstaben also nicht als Ihren Anfangsbuchstaben identifizieren?

ROSENBERG: Ja, ich kann das schon aus dem einfachen Grunde nicht als mein »R« identifizieren, da das Schreiben, unterschrieben von Bräutigam, vom Ostministerium an das »Ostland« gerichtet ist, und die Notizen oben sind ja von einer Stelle gezeichnet worden, die der Empfänger ist.

DR. THOMA: Herr Präsident! Darf ich Sie hier auf einen unmittelbaren Irrtum aufmerksam machen?

Dieses »R« steht im Zusammenhang mit einem »K«. Das heißt offensichtlich »Reichskommissar«.

MR. DODD: Wir reden ja nicht von dem »R« oben auf dem Brief, sondern ich spreche von dem handgeschriebenen Buchstaben.

ROSENBERG: Ja, es ergibt sich ja jetzt aus diesem »R« ganz eindeutig, daß es sich hier um den Empfänger handelt.

»Eingegangen am 22. 12., R« und adressiert ist es vom Ministerium ins »Ostland«.

Diese Notiz stammt also von einem in Riga wohnenden Menschen, und es ist dasselbe »R«, das ja auch auf dem anderen Dokument steht.

MR. DODD: Wer war Ihr Reichsminister für das »Ostland«?

ROSENBERG: Lohse.

MR. DODD: Sein Name fängt nicht mit »R« an, nicht wahr?

ROSENBERG: Ja, aber es ist ja ersichtlich, daß dieser Brief offenbar in seiner Abteilung abgezeichnet wurde.

DR. THOMA: Darf ich dem Gericht auch in dieser Sache helfen? Bei dieser handschriftlich geschriebenen Sache mit dem deutschen »L« steht links außen »Wv. 1. 12. 41«, das heißt »Wiedervorlage« und unten steht dann »Vorgelegt, 1. 12. R«.

Das muß ein Vorgang sein, der sich in der Kanzlei des Reichskommissars abgespielt hat. Das ist ein erster Entwurf, den er deshalb auch nur mit dem ersten Buchstaben seines Namens signiert hat.

MR. DODD: Wir können diese Erklärung nicht als genügenden Beweis annehmen. Die Frage, um wessen Initiale es sich handelt, wird später zur Entscheidung gebracht werden.

VORSITZENDER: Was bedeuten oben die Worte: »Reichsminister für die besetzten Ostgebiete«?

MR. DODD: Das ist das Briefpapier, auf dem es geschrieben ist. Dieser ganze Brief ist in Handschrift auf die Rückseite des ersten Briefes geschrieben worden. Beide wurden im Büro dieses Angeklagten in Berlin gefunden.