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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich verweise Sie nun auf ein weiteres Dokument Nummer 36.

ROSENBERG: Ich behaupte mit Nachdruck, dieses »R« hat der Empfänger unterschrieben, an den der Brief gerichtet wurde.

MR. DODD: Gut, wir werden schon dazu kommen. Dokument Nummer 36. Ich lasse Ihnen Dokument 3428-PS vorlegen, US-827.

VORSITZENDER: Wollen Sie die Nummer noch einmal nennen?

MR. DODD: Ich bitte um Entschuldigung. Es war 3428-PS, das US-827 wird.

[Zum Zeugen gewandt:]

Es ist dies ein Brief aus Minsk, im besetzten Gebiet, vom 31. Juli 1942. Er wurde von Kube geschrieben. Er war auch einer Ihrer Mitarbeiter, nicht wahr? Wollen Sie das bitte beantworten?

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Und er ist an Lohse, den Reichskommissar für das Ostland gerichtet, nicht wahr?

ROSENBERG: Jawohl, das ist richtig.

MR. DODD: Sehen wir uns dieses Dokument an:

»Betreff: Partisanenbekämpfung und Judenaktion im Generalbezirk Weißruthenien.

Bei allen Zusammenstößen mit Partisanen in Weißruthenien hat es sich herausgestellt, daß das Judentum sowohl im ehemals polnischen Teil« – und so weiter – »Hauptträger der Partisanenbewegung ist. Infolgedessen ist die Behandlung des Judentums in Weißruthenien... eine hervorragend politische Angelegenheit...«

Sodann ein oder zwei Sätze weiter unten:

»In eingehenden Besprechungen mit dem SS-Brigadeführer Zenner und dem hervorragend tüchtigen Leiter des SD, SS-Obersturmbannführer Dr. jur. Strauch, haben wir in Weißruthenien in den letzten 10 Wochen rund 55000 Juden liquidiert. Im Gebiet Minsk-Land ist das Judentum völlig ausgemerzt, ohne daß der Arbeitseinsatz dadurch gefährdet worden ist. In dem überwiegend polnischen Gebiet Lida sind 16000 Juden, in Slonim 8000 Juden« und so weiter »liquidiert worden. Durch einen dorthin bereits berichteten Übergriff des Rückwärtigen Heeresgebietes sind die von uns getroffenen Vorbereitungen für die Liquidierung der Juden im Gebiet Glebokie gestört worden. Das Rückwärtige Heeresgebiet hat, ohne Fühlung mit mir zu nehmen, 10000 Juden liquidiert, deren systematische Ausmerzung von uns sowieso vorgesehen war. In Minsk-Stadt sind am 28. und 29 Juli rund 10000 Juden liquidiert worden, davon 6500 russische Juden – überwiegend Alte, Frauen und Kinder – der Rest bestand aus nichteinsatzfähigen Juden, die überwiegend aus Wien. Brünn, Bremen und Berlin im November des v. J. nach Minsk auf den Befehl des Führers geschickt worden sind.

Auch das Gebiet Sluzk ist um mehrere tausend Juden erleichtert worden. Das gleiche gilt für Nowogrodek und Wilejka. Radikale Maßnahmen stehen noch für Baranowitschi und Hanzewitschi bevor. In Baranowitschi leben allein in der Stadt noch rund 10000 Juden, von denen 9000 Juden im nächsten Monat liquidiert werden.«

Und weiter:

»In Minsk-Stadt sind 2600 Juden aus Deutschland übriggeblieben. Außerdem sind noch sämtliche 6000 russische Juden und Jüdinnen am Leben, die als Arbeitseinsatz während der Aktion bei den sie beschäftigenden Einheiten verblieben sind. Minsk wird auch in Zukunft noch immer den stärksten Judeneinsatz behalten, da die Zusammenballung der Rüstungsbetriebe und die Aufgaben der Eisenbahn das vorläufig notwendig macht. In sämtlichen übrigen Gebieten wird die Zahl der zum Arbeitseinsatz kommenden Juden vom SD und mir auf höchstens 800, nach Möglichkeit aber auf 500, festgesetzt...«

Dann berichtet das Schreiben weiter über die Lage der Juden; das brauche ich, meines Erachtens, nicht alles zu verlesen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auf den letzten Absatz lenken, und zwar auf den letzten Satz:

»Ich bin mit dem Kommandeur des SD in Weißruthenien darin völlig einig, daß wir jeden Judentransport, der nicht von unseren vorgesetzten Dienststellen befohlen oder angekündigt ist, liquidieren, um weitere Beunruhigungen in Weißruthenien zu verhindern.«

Weiter oben habe ich einen oder zwei Sätze ausgelassen, die ich verlesen wollte:

»Mir und dem SD wäre es natürlich das liebste, nach Wegfall der wirtschaftlichen Ansprüche der Wehrmacht, das Judentum im Generalbezirk Weißruthenien endgültig zu beseitigen. Vorläufig werden die notwendigen Ansprüche der Wehrmacht, die in der Hauptsache Arbeitgeber des Judentums ist, berücksichtigt.«

Ich muß Ihnen gleich sagen, daß auch dieses Dokument in Ihrem Amt in Berlin aufgefunden wurde. Es ist ein Brief...

ROSENBERG: Das erscheint mir sehr unwahrscheinlich, daß es in meinem Büro in Berlin vorgefunden wurde. Wenn, dann kann es sich höchstens darum handeln, daß der Reichskommissar Ostland seine gesamten Akten nach Berlin gebracht hat, in Kisten verpackt. In meinem Büro ist es damals nicht gewesen, und dieser Brief ist mir auch nie vorgelegt worden. Es steht ja hier mit Stempel: »Der Reichskommissar für das Ostland«, und nicht »Der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete«. Ich habe gestern aber erklärt, daß mir eine Anzahl solcher Vorgänge als Einzelaktionen in den Kämpfen mitgeteilt worden war, und daß ich diesen einen Bericht aus Sluzk persönlich bekommen habe, und der Gauleiter Meyer sofort beauftragt wurde, bei Heydrich hier Vorstellung zu erheben, eine Untersuchung anzuordnen. Und das setzt ja voraus, daß er eine solche generelle, daß auch der Gauleiter Meyer eine solche generelle Aktion auf Befehl von einem Zentrum nicht gekannt und nicht angenommen habe.

MR. DODD: Ich möchte Sie nur auf die seltsame Verkettung der Ereignisse aufmerksam machen, daß zwei Ihrer bedeutendsten Mitarbeiter im Jahre 1942 in dieser Weise, ohne Ihr Wissen, in Verbindung gestanden haben.

Haben Sie nicht gestern vor dem Gerichtshof ausgesagt, Sie seien der Ansicht, daß die meisten oder ein großer Teil der den Juden im Osten zugefügten Unannehmlichkeiten durch Handlungen der örtlichen Bevölkerung verursacht wurde. Erinnern Sie sich, das gestern gesagt zu haben?

ROSENBERG: Ich habe diese Übersetzung eben nicht bekommen.

MR. DODD: Ich fragte Sie, ob es nicht Tatsache ist, daß Sie gestern vor dem Gerichtshof ausgesagt haben, daß ein großer Teil der Unannehmlichkeiten, die die Juden im Osten zu erdulden hatten, durch die örtliche Bevölkerung dieser Gebiete verursacht wurde.

ROSENBERG: Ja, das wurde mir am Anfang mitgeteilt von zurückkehrenden Persönlichkeiten, daß nicht Lokalbehörden, sondern Bevölkerungsteile... und ich kannte ja die Stimmung aus dem Osten von früher und ich konnte mir wohl vorstellen, daß es den Tatsachen entspreche.

Zweitens habe ich erklärt, daß mir mitgeteilt wurde, daß von der Polizei neben den Exekutionen verschiedener anderer Widerstandsnester und Sabotagezentren auch eine größere Anzahl von Juden erschossen wurden, in verschiedenen Städten, und dann habe ich den Fall Sluzk hier behandelt.

MR. DODD: Ich glaube, Sie werden zugeben, daß Ihr Mann Koch in der Ukraine alle Arten schrecklicher Untaten begangen hat. Ich verstehe nun nicht, warum Sie die Teilnahme Lohses und Kubes an der Vernichtung oder Liquidierung der Juden bestreiten, und warum Sie leugnen, daß Bräutigam, ein wichtiges Mitglied Ihres Stabes, und Leibbrandt, ein weiteres wichtiges Mitglied Ihres Stabes, über das Programm Bescheid gewußt haben. So waren also mindestens fünf Leute Ihrer Verwaltung in dieser Richtung tätig, und es waren keine kleinen Leute.

ROSENBERG: Ich möchte feststellen, daß eine Verordnung des Reichskommissars für das Ostland vorliegt, die in Übereinstimmung...

VORSITZENDER: Wollen Sie die Frage zuerst beantworten? Geben Sie zu, daß diese fünf Personen die Vernichtung von Juden durchgeführt haben?

ROSENBERG: Ja, daß sie über eine Anzahl von Liquidierungen von Juden Bescheid wußten, das gebe ich zu, und das haben sie mir ja auch gesagt, oder wenn nicht sie, dann habe ich es von anderer Seite gehört. Ich möchte nur eines erklären, daß entsprechend den allgemeinen Gesetzen des Reiches der Reichskommissar für das Ostland eine Verordnung erlassen hat, wonach das uns selbstverständlich feindlich gesinnte Judentum in bestimmten jüdischen Vierteln der Städte zu konzentrieren sei, und ich habe bis zum Schluß noch gehört, bis 1943/44, daß in diesen Städten solche Arbeiten in diesen jüdischen Ghettos noch in größtem Maße durchgeführt wurden.

Ich darf hier ergänzend noch auf einen anderen Fall hinweisen, der mir auch zur Kenntnis kam, nämlich, daß ein Gebietskommissar...

MR. DODD: Ich wünsche nicht, daß Sie auf irgendein anderes Thema übergehen. Sie haben die Frage beantwortet und Ihre Antwort erklärt. Ich bitte Sie nicht um weitere...

ROSENBERG: Was ich eben noch hinzufügen wollte, das begründet noch einen Teil meiner Antwort, einen sehr konkreten Fall, nämlich, ein Gebietskommissar in der Ukraine war beim Gericht angeklagt worden, daß er in einer jüdischen Gemeinde auf Grund von Drohungen Erpressungen verübt hätte und Pelze, Kleider und so weiter nach Deutschland geschickt hätte. Er wurde vor Gericht geholt, er wurde zum Tode verurteilt und ist erschossen worden.

MR. DODD: Das ist sehr interessant, aber ich halte es nicht für eine notwendige Erklärung Ihrer Antwort. Ich möchte Sie bitten, zu versuchen, sich auf die Antworten zu beschränken. Ich möchte in einigen Minuten fertig sein.

Sie sind natürlich auch der Mann, der, wie Sie gestern vor dem Gerichtshof ausgesagt haben, den Brief geschrieben hat, in dem die Soforthinrichtung von hundert Juden in Frankreich vorgeschlagen wird, obwohl Sie sagten, nach Ihrer Meinung sei dies – was? – ein etwas falsches Urteil, oder nicht ganz gerecht, oder etwas Ähnliches? Ist das richtig?

ROSENBERG: Ich habe gestern dazu meine Erklärungen abgegeben.

MR. DODD: Ich weiß, aber ich möchte heute einige Minuten darüber sprechen.

Haben Sie gestern gesagt, daß es nicht richtig, daß es nicht gerecht gewesen sei? Ja oder nein? Haben Sie das nicht vor dem Gerichtshof gestern ausgesagt?

ROSENBERG: Da müssen Sie wörtlich zitieren, wenn Sie von mir ja oder nein haben wollen.

MR. DODD: Ich frage Sie noch einmal. Haben Sie gestern vor diesem Gerichtshof ausgesagt, daß Ihr Vorschlag in jenem Schreiben, im Dokument 001-PS, falsch und nicht gerecht sei? Das ist eine ziemlich einfache Frage, und Sie können sie beantworten.

ROSENBERG: Ich habe erklärt, daß es menschlich unrecht war.

MR. DODD: Es war Mord; war es nicht ein Mordplan? Ja oder nein?

ROSENBERG: Nein, sondern ich habe Geiselerschießungen, die ja öffentlich von der Wehrmacht bekanntgegeben wurden, als eine in außerordentlichen Kriegszuständen offenbar allgemein angenommene Tatsache hingenommen, und diese Erschießungen von Geiseln sind ja in der Presse veröffentlicht worden. Also ich mußte hier annehmen, daß hier völkerrechtlich in bestimmten Kriegszuständen das als eine angenommene Repressalie angesehen werden kann, und deshalb kann ich das nicht zugeben...

MR. DODD: Haben Sie damals als gütiger Philosoph oder als Soldat gesprochen? In welcher Eigenschaft haben Sie diesen Brief 001-PS geschrieben, als gütiger philosophischer Prediger über Weltanschauung und Kultur, oder als Mitglied der Wehrmacht?

ROSENBERG: Ich habe hier, wie aus dem Dokument ersichtlich, gesprochen davon, daß hier eine bestimmte Sabotage und Mordaktion gegen deutsche Soldaten geführt wird, die das auch von mir angestrebte gute künftige Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich für immer vergifteten. Aus diesem angegebenen Grund ist dieser Brief, den ich an sich menschlich bedaure, geschrieben worden.

MR. DODD: Das kommt etwas spät, glauben Sie nicht?

Der Zeuge Höß... Sie waren wohl im Gerichtssaal, als er aussagte?

ROSENBERG: Ja, ich habe ihn gehört.

MR. DODD: Sie haben doch diesen schrecklichen Bericht über zweieinhalb bis drei Millionen Morde an größtenteils jüdischen Personen gehört, den er vom Zeugenstand aus gegeben hat.

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Obwohl es hier nicht im einzelnen klargestellt wurde, so können Sie mir doch glauben, daß, es so war, und wenn Sie es bestreiten wollen, so steht Ihnen dies frei, und wir werden es dann später beweisen. Sie wissen, daß Höß Ihre Bücher und Ihre Reden gelesen hat?

ROSENBERG: Ob Höß meine Bücher gelesen hat, weiß ich nicht. Antijüdische Bücher gibt es seit 2000 Jahren.

MR. DODD: Sie haben im Oktober 1944 den Rücktritt von Ihrer Stellung als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete angeboten.

ROSENBERG: Oktober 1944.

MR. DODD: Es war nicht viel, was Sie zu jenem Zeitpunkt aufgeben wollten, nicht wahr? Die Deutschen waren praktisch aus Rußland bereits zurückgedrängt, das ist doch Tatsache? Am 12. Oktober 1944 war die Deutsche Wehrmacht praktisch aus Rußland bereits vertrieben worden. Sie war auf dem Rückmarsch, nicht wahr?

ROSENBERG: Ja, es handelte sich um meine weiteren Aufgaben, um die politisch-psychologische Behandlung mehrerer Millionen Ostarbeiter im Reich, es handelte sich weiter um die Flüchtlinge, die aus dem Ostland und aus der Ukraine nach Deutschland kamen und es handelte sich um Abwicklung der wirtschaftlichen Geschäfte. Und vor allen Dingen hatte ich auch damals noch die Hoffnung, daß unter Umständen auch eine militärische Wende im Osten ja immer noch eintreten könnte.

MR. DODD: Und jeder, fast jeder in Deutschland, der überhaupt informiert war, wußte, daß der Krieg im Oktober 1944 bereits verloren war, oder nicht? Sie wußten, daß der Krieg im Oktober 1944 verloren war?

ROSENBERG: Nein, das wußte ich nicht.

MR. DODD: Sie haben das nicht gewußt?

ROSENBERG: Nein, ich habe das nicht gewußt.

MR. DODD: Ich will diese Antwort annehmen. Das ist alles. Ich habe keine weitere Frage mehr.

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Wollen Sie den Zeugen noch einmal verhören?