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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird heute um 4.00 Uhr die Besprechung dieses Falles unterbrechen, um die Ergänzungsanträge auf Vorladung von Zeugen und Vorlage von Dokumenten zu beraten. Wir hoffen daher, den Fall des Angeklagten Rosenberg einschließlich der noch zu verhörenden Zeugen bis dahin abschließen zu können.

GENERAL RUDENKO: Angeklagter Rosenberg! Sie haben mir erklärt, daß eine solche Besprechung mit Admiral Canaris nicht stattgefunden hat?

ROSENBERG: Im Gegenteil, ich sagte, daß eine solche Besprechung mit Admiral Canaris stattgefunden hat.

GENERAL RUDENKO: Also muß es nicht richtig übersetzt worden sein.

ROSENBERG: Wahrscheinlich.

GENERAL RUDENKO: Ich habe Sie gefragt, ob Sie zugeben, daß Sie bei dieser Besprechung Canaris gebeten haben, Leute im Interesse der Abwehr abzukommandieren, die neben ihrer Abwehrtätigkeit auch politisch tätig sein könnten. Erinnern Sie sich an meine Frage?

ROSENBERG: Ja.

GENERAL RUDENKO: Darüber sprachen Sie doch?

ROSENBERG: Das stimmt nicht, Admiral Canaris hat...

GENERAL RUDENKO: Das stimmt nicht? Gehen wir nicht in Einzelheiten. Um das Verhör abzukürzen, zeige ich Ihnen das Dokument und werde diese Stelle verlesen.

Zeigen Sie dem Angeklagten das Dokument Es ist das Schriftstück 1039-PS, meine Herren Richter. Ich verlese die angestrichene Stelle auf Seite 2.

[Zum Zeugen gewandt:]

Es ist Ihr Bericht über die vorbereitende Arbeit in Fragen des osteuropäischen Raumes.

Ich zitiere:

»Mit Admiral Canaris fand eine Besprechung dahingehend statt, daß meine Dienststelle unter den gegebenen vertraulichen Umständen in keiner Weise mit irgendwelchen Vertretern der Völker des osteuropäischen Raumes verhandeln könne. Ich bat ihn, dies – soweit die Abwehr es benötige – zu tun und mir dann Menschen zu benennen, die über die Abwehr hinaus als politische Persönlichkeiten gelten können, um über ihren eventuellen späteren Einsatz zu bestimmen Admiral Canaris sagte, daß selbstverständlich auch mein Wunsch, keinerlei politische Gruppen unter den Emigranten anzuerkennen, von ihm berücksichtigt würde, und er im Sinne meiner Ausführungen vorzugehen gedenke.«

ROSENBERG: Das entspricht dem, was ich gesagt habe.

VORSITZENDER: Herr General! Ich glaube, Sie sprechen zu schnell.

GENERAL RUDENKO: Ja, Herr Vorsitzender.

Ich frage Sie, bestätigen Sie dieses Zitat?

ROSENBERG: Jawohl, im deutschen Wortlaut, aber nicht in der russischen Übersetzung. Ich verstehe nämlich auch russisch, und ich konnte deshalb feststellen, daß die Übersetzung nicht ganz genau ist. Denn es heißt hier, daß ich unter den gegebenen vertraulichen Umständen naturgemäß mit anderen Völkern nicht unterhandeln könne für eine eventuell spätere Mitwirkung in einer Zivilverwaltung; das ist das erste.

Das zweite heißt: da Admiral Canaris aber mit verschiedenen Gruppen ukrainischer oder russischer Nationalität oder sonstigen zu tun hat, ich ihn bäte, über die Abwehr hinaus, das heißt, nicht für mich Spionage zu treiben oder mich zu bitten, daß ich Spionage treibe, sondern daß er mir Menschen eventuell aus den anderen Völkern über seine Abwehrtätigkeit hinaus benennt, daß ich sie unter Umständen später in die Zivilverwaltung übernehmen kann; das ist der Sinn, und zweitens ist zum Schluß ganz richtig, daß er mir zustimmt, daß er von sich aus keine politische Arbeit führe.

GENERAL RUDENKO: Angeklagter, genau das gleiche, was Sie soeben ausführten, steht ja im russischen Text.

ROSENBERG: Nach der deutschen, ins Russische gegebenen Übersetzung muß es so gewesen sein. Ich kann nur den deutschen Text anerkennen und nicht die russische Übersetzung, die diesem Sinne nicht entspricht. Sie deuten diesen Text, als ob ich eine Spionage betreiben will, und ich habe den Admiral Canaris nur gebeten, da ich politische Unterhandlungen mit Vertretern der Ostvölker nicht führen kann, mir aus seiner Bekanntschaft über seine amtliche Tätigkeit hinaus Leute zu benennen, mit denen unter Umständen später in der Zivilverwaltung gearbeitet werden könne. Das ist der Sinn, die Übersetzung ist also nicht ganz korrekt.

GENERAL RUDENKO: Sehr gut, aber den deutschen Text erkennen Sie an?

ROSENBERG: Ja.

GENERAL RUDENKO: Mit anderen Worten, Sie standen mit der Abwehr in Verbindung?

ROSENBERG: Nein, das stimmt nicht, ich habe nur den Admiral Canaris empfangen und ihm gesagt, in seiner Dienstpflicht, die er ja zu erfüllen hat, möglichst nicht politische Unterredungen und Pläne zu bearbeiten, weil ich dafür jetzt eingesetzt werde.

GENERAL RUDENKO: Sie haben gehört, daß der Vorsitzende gewünscht hat, das Verhör möglichst schnell zu führen, und ich bitte Sie, auf meine Fragen kurz zu antworten.

ROSENBERG: Ich würde kürzer antworten, wenn die Fragen faktuell gestellt würden.

GENERAL RUDENKO: Ich werde Ihnen einige Fragen über die Ziele des Krieges gegen die Sowjetunion stellen. Geben Sie zu, daß, nachdem der Angriff auf die Sowjetunion vorbereitet und ausgeführt wurde, Nazi-Deutschland den wirtschaftlichen Raub der Schätze der Sowjetunion, die Vernichtung der Sowjetbevölkerung, die Versklavung der Bevölkerung sowie die Aufteilung der Union sich als Ziel gesetzt hat? Antworten Sie kurz. Geben Sie es zu, ja oder nein?

ROSENBERG: Es sind hier wieder fünf Fragen gestellt, und wenn...

GENERAL RUDENKO: Ich frage Sie, und bitte Sie kurz zu antworten: Geben Sie die Ziele dieses Angriffes zu oder nicht? Nachher können Sie es näher begründen.

VORSITZENDER: Sie können diese Frage mit ja oder nein beantworten.

ROSENBERG: Auf alle vier Fragen muß ich mit »Nein« antworten.

GENERAL RUDENKO: Nein? Gut. Wollen wir uns in diesem Zusammenhang einige Dokumente ansehen. Ich meine das Schriftstück 2718-PS. Es kommt im Protokoll der Morgensitzung vom 10. Dezember 1945 vor. Es ist Ihre Aktennotiz vom 2. Mai 1941.