[Zum Zeugen gewandt:]
Gut, die Krim geben Sie zu. Sie waren doch mit den Anordnungen Hitlers für die Eroberung dieser Gebiete einverstanden?
ROSENBERG: Aus dem Dokument geht ja hervor, und aus meiner Rede geht hervor, wie ich mir das Selbstbestimmungsrecht aller Ostvölker in einer staatlich neuen Struktur gedacht habe, und gegen die Ausführungen des Führers, das ergibt sich ja hier, habe ich ja polemisiert.
GENERAL RUDENKO: Das frage ich Sie nicht, ich frage Sie jetzt, ob Sie mit dem, was Hitler anordnete, einverstanden waren, oder ob Sie dagegen protestiert haben.
ROSENBERG: Ja, ich habe ja nachweislich protestiert, und das steht sogar in dem Protokoll.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof will nicht wissen, ob es nachgewiesen werden kann oder nicht. Die Frage lautet, ob Sie zugestimmt haben oder nicht. Das können Sie vermutlich beantworten. Stimmten Sie zu, oder stimmten Sie nicht zu?
ROSENBERG: Ich habe viele Punkte bejaht und die anderen verneint; aber es ist eine Zusammenfassung von mindestens zehn bis fünfzehn Pfunden.
VORSITZENDER: Gut, das ist eine Antwort.
GENERAL RUDENKO: Gut. Wir werden später noch auf diese Frage zurückkommen. Jetzt komme ich zu Ihren Richtlinien, die Sie als Minister für die besetzten Ostgebiete herausgegeben haben. Diese Dokumente wurden dem Gerichtshof bereits unter den Nummern 1056-PS und EC-347 vorgelegt. Zu allererst möchte ich eine Frage an Sie richten: Was ist unter »Braune Mappe« zu verstehen?
ROSENBERG: Die »Braune Mappe« ist von den Verwaltungsabteilungen des Ostministeriums zusammengestellt worden auf Grund bestimmter Wünsche aus der Wirtschaft, aus den Wünschen meiner Politischen Abteilung, aus den Wünschen der Personalversorgung, des technischen Nachschubs für die Beamten in Ostländern und in der Ukraine, also ein erster Versuch einer Gesamtregelung.
GENERAL RUDENKO: Gut, also eine Art »Grüne Mappe«. Verständlich! Befassen wir uns nun mit Ihren Weisungen, das heißt der geplanten Plünderung oder Ausrottung, Dokument EC-347. Dieses Dokument wird Ihnen sofort vorgelegt werden.
Sehen Sie sich die angestrichenen Stellen an, ich glaube, auf Seite 39. Ich lese diesen Absatz vor:
»Die erste Aufgabe der Zivilverwaltung in den besetzten Ostgebieten ist, die Interessen des Reiches zu vertreten.«
Ich lasse ein paar Sätze aus:
»Die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung, die sich mit der Verwaltung eines durch eine fremde Kriegsmacht besetzten Landes befassen, gelten nicht, da die UdSSR als aufgelöst zu betrachten ist.«
Und dann geht es weiter:
»Es sind daher auch alle Maßnahmen zulässig, die der deutschen Verwaltung zur Durchführung dieser umfas senden Aufgabe erforderlich und geeignet erscheinen.«
Sie bestätigen doch, daß dies Ihre geheimen Absichten waren, obwohl Sie sich etwas beeilt haben, die Sowjetunion als vernichtet zu bezeichnen.
ROSENBERG: Ich habe in der russischen Übersetzung wieder das Wort »Ausplünderung« gehört. Das Wort »Ausplünderung« kommt in diesem deutschen Texte nicht vor. Wenn man so den deutschen Text übersetzt, daß überall »Ausplünderung« steht, trotzdem es im Deutschen...
GENERAL RUDENKO: Ich muß Sie unterbrechen. In dem russischen Texte, den ich Ihnen vorgelesen habe, gibt es kein Wort »Ausplünderung«. Entweder dichten Sie, oder Sie haben es nicht richtig verstanden.
ROSENBERG: Darf ich dazu ein paar Worte sagen?
GENERAL RUDENKO: Ich frage Sie: haben Sie das geschrieben?
ROSENBERG: Ich habe es zwar nicht geschrieben, aber das ist in einem vom Ostministerium hinausgegangenen Rundschreiben erschienen, und ich trage für diese »Braune Mappe« deshalb die dienstliche Verantwortung. Ich möchte aber dazu einige Worte erklärend sagen. Die Aufklärung über die völkerrechtliche Lage im Osten habe ich aus dem Führerhauptquartier erhalten, und diese Aufklärung ging dahin, daß entsprechend der Stellung der Sowjetunion zu bestimmten Konventionen diese Konvention, also die Haager Konvention, hier auf die Sowjetunion nicht zutrifft, und zweitens habe ich dieses ganze Dokument – es ist ein Dokument von vielen Seiten – im Augenblick ja nicht lesen können, aber ich habe auf der zweiten Seite schon einen Absatz gefunden, der klar anzeigt, in welchem Sinne das Wort lautete; es lautete folgendermaßen...
GENERAL RUDENKO: Angeklagter Rosenberg, einen Augenblick bitte...
ROSENBERG: Ich muß doch aus dem Dokument vorlesen können.
VORSITZENDER: Wir müssen versuchen, dieses Kreuzverhör ordnungsgemäß durchzuführen. Worum handelt es sich? Wie lautete die Frage?
GENERAL RUDENKO: Ich habe ihm die Frage gestellt, ob er die Ziele und Aufgaben kannte, die sich die Verwaltung der besetzten Gebiete gestellt hat und wie sie in dem von mir verlesenen Zitat niedergelegt sind. Er hat mit »Ja« geantwortet. Damit war meine Frage erschöpft. Das Dokument liegt der Verteidigung vor, und sie kann vom Recht, auf andere noch nicht verlesene Stellen zurückzukommen, Gebrauch machen. Es ist ein sehr umfangreiches Dokument, und wenn ich versuchen wollte, das Ganze zu zitieren, so würde es zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
VORSITZENDER: Sie haben die Frage beantwortet. Ich weiß nun, um was es sich handelt: Man habe Ihnen gesagt, daß die Haager Konvention nicht auf Rußland zutreffe.
ROSENBERG: Jawohl. Ich bitte nun diesen einen Absatz zu zitieren; er lautet, auf Seite 40 der vorletzte Absatz:
»Die wichtigste Voraussetzung hierfür« – also für den Aufbau im Osten – »ist eine entsprechende Behandlung des Landes und der Bevölkerung. Der Krieg gegen die Sowjetunion ist bei aller notwendigen Sicherung der deutschen Ernährung ein politischer Feldzug mit dem Ziel einer dauerhaften Ordnung. Das eroberte Gebiet darf also als Ganzes nicht als Ausbeutungsobjekt betrachtet werden, selbst wenn die deutsche Ernährungs- und Kriegswirtschaft größere Gebiete im großen Maßstab beanspruchen muß.«
Ich glaube sagen zu dürfen, das ist eine Rücksichtnahme auch auf die Notwendigkeiten der Bevölkerung, wie man sie deutlicher gar nicht auszusprechen vermag.
GENERAL RUDENKO: Gut. Ich möchte Ihnen noch einige Fragen über die Behandlung der Bevölkerung stellen, obwohl wir alle und Sie auch über diese Behandlung ziemlich viel bereits gehört haben. Wollen wir weitergehen. Ich habe Sie über die Krim gefragt. Sie sagten: »Ja, Hitler hatte vor die Krim Deutschland anzugliedern«.
Können Sie sich daran erinnern, daß Sie nicht nur diese Pläne gebilligt haben, sondern daß Sie sogar neue Namen für Städte erfunden haben; zum Beispiel sollten Simferopol »Gotenburg« und Sewastopol »Theoderichhafen« heißen. Erinnern Sie sich daran?
ROSENBERG: Ja, das stimmt; der Führer sagte mir, daß ich die Umbenennung dieser Städte ausdenken sollte; es war ja auch von einer Umbenennung sehr vieler anderer Städte gesprochen worden.
GENERAL RUDENKO: Jawohl, natürlich.
DR. THOMA: Herr Präsident! Ich soll um 4.00 Uhr fertig sein mit meinem Beweisverfahren gegen Rosenberg. Ich weiß nicht, wie ich das fertig bringen soll.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat dies nicht zur Bedingung gemacht. Ich habe keine Verfügung darüber getroffen. Ich sagte nur, der Gerichtshof »hoffe«. Und dieses »Hoffen« war mehr an die Anklagevertretung gerichtet als an die Verteidigung.
DR. THOMA: Herr Präsident! Ich erlaube mir aber die Feststellung, daß der sowjetische Anklagevertreter eine Reihe von Dokumenten neuerdings vorgelegt hat, die ich gestern bereits vorlegte, und auf die der Angeklagte auch schon geantwortet hat. Ich verweise auf die Dokumente 1029-PS und 1030-PS. Der Angeklagte hat ja selbst schon gesagt...
VORSITZENDER: Mit dieser Zwischenfrage verschwenden Sie nur die Zeit des Gerichtshofs.
GENERAL RUDENKO: Also, Sie geben die Umbenennungen von Simferopol und Sewastopol zu?
Nächste Frage: Sie haben sich auch mit der Umgestaltung des Kaukasus beschäftigt und hatten hierzu einen Sonderstab gebildet, der Ihnen unterstellt war. Bitte antworten Sie ja oder nein.
ROSENBERG: Ja.
GENERAL RUDENKO: Ferner haben Sie einen Abenteurer aus der Emigration, einen Fürsten Bagration Muchransky, als georgischen Thronprätendenten vorgesehen. Ist das wahr? Antworten Sie kurz!
ROSENBERG: Ja, das ist wahr. Wir erwähnten das, wir haben über ihn gesprochen, und von uns ist eine solche Kandidatur abgelehnt worden.
GENERAL RUDENKO: Sie haben ihn also abgelehnt, sehr schön.
Und über die Umgestaltung des Kaukasus haben Sie am 27. Juli 1942 einen besonderen Bericht ausgearbeitet. Ist das richtig?
ROSENBERG: Das mag sein, daß ein Bericht gegeben wurde. Ja, ja, natürlich, das ist ein ziemlich langer Bericht, der liegt vor.
GENERAL RUDENKO: Ich werde Ihnen diesen Bericht vorlegen, um Ihre Aufmerksamkeit auf ein kurzes Zitat zu lenken.
Es ist, Herr Vorsitzender, ein Dokument, das bereits dem Gerichtshof als USSR-58 vorliegt.
Angeklagter Rosenberg, bitte wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit der Seite 7 zu, die Stelle ist angestrichen; der Text lautet:
»Wirtschaftlich muß das Deutsche Reich die gesamte Ölversorgung in die Hände nehmen; die notwendige Beteiligung an den Reichtümern könnte in Zukunft abgesprochen werden.«
Haben Sie diese Stelle gefunden?
ROSENBERG: Auf Seite 7 des Textes ist die Stelle, ja, ich habe sie gefunden.
GENERAL RUDENKO: Geben Sie zu, daß diese Äußerung von Ihnen stammt?
ROSENBERG: Dieses Dokument ist eine Denkschrift meines Amtes, und ich bestätige, daß es richtig ist.
GENERAL RUDENKO: Sehr gut.
ROSENBERG: Darf ich dazu noch eine Bemerkung machen? Es ist ja hier nicht weiter von einer Unterdrückung der Völker die Rede, sondern von einer Zusicherung von Autonomie, von allen möglichen Erleichterungen für diese Völker. Nur kann ich das nicht auf einmal aus einem Dokument von 14 Seiten, wenn ich nur einen Satz lese, zusammenfinden.
GENERAL RUDENKO: Ich habe Sie eben über die Aufgaben des Deutschen Reiches in Bezug auf das öl gefragt.
Bitte wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit der Seite 14 desselben Berichtes zu. Es ist am Ende der Seite. Die Aufgaben werden von Ihnen folgendermaßen definiert, Ich zitiere:
»Das Problem des Ostlandes ist die Heranführung der baltischen Völker in den deutschen Kulturkreis und die Vorbereitung für eine deutsche, großzügige Militärgrenze. Die Aufgabe der Ukraine ist die Sicherung der Ernährung Deutschlands und Europas und die Rohstoffversorgung des Kontinents. Die Aufgabe Kaukasiens ist vor allem politischer Natur und bedeutet den entscheidenden Ausgriff des von Deutschland geführten Kontinentaleuropas von der kaukasischen Landenge nach dem Vorderen Orient.«
Haben Sie diese Stelle gelesen?
ROSENBERG: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: Sie bestreiten doch nicht, daß so ein Plan vorhanden war?
ROSENBERG: Ich bestätige, daß das richtig vorliegt, und es entspricht dem, daß dieses Kontinental-Osteuropa in den gesamten Wirtschaftskreis und Wirtschaftsversorgung des übrigen Kontinents hoffentlich einmal einbezogen werden könnte, wie es ja auch vor dem Jahre 1914 der Fall war, weil ja auch die Ukraine damals ein großes Ausfuhrland an Rohstoffen sowohl als auch an Ernährungsmitteln gewesen ist.
GENERAL RUDENKO: Ihre Pläne wegen der Ukraine sind ja bekannt. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen die letzte Frage über den Angriff stellen. Geben Sie nach diesem Dokument, das Sie ja nicht ableugnen, den aggressiven, räuberischen Charakter des Krieges, den Deutschland gegen die Sowjetunion geführt hat, und Ihre persönliche Verantwortung für die Planung und Ausführung des Angriffs zu?
Bitte antworten Sie kurz. Geben Sie das zu oder nicht?
ROSENBERG: Nein, weil ich diesen Krieg nicht als Aggression von uns aus angesehen habe, sondern umgekehrt.
GENERAL RUDENKO: Nein, sehr gut. Wir wollen darüber nicht weiter sprechen.
Ich habe noch ein paar Fragen über die deutsche Verwaltung und die deutsche Politik in den besetzten Gebieten. Wer war der höchste Beamte der Zivilverwaltung im Reichskommissariat?
ROSENBERG: Ja, für die Verwaltung, für die Gesetzgebung im Ostgebiet ist der Ostminister für die besetzten Ostgebiete eingesetzt worden und für die Territorial-Regierungen der Reichskommissar.
VORSITZENDER: General Rudenko! Der Gerichtshof hat über die Verwaltung, die frühere Verwaltung und das Verwaltungspersonal bereits alles gehört.
GENERAL RUDENKO: Ich habe in diesem Zusammenhang nur wenige, zwei bis drei Fragen, Herr Vorsitzender.