[Zum Zeugen gewandt:]
Hatte der Reichskommissar die Machtbefugnis, Befehle über Festnahme und Erschießung von Geiseln zu erlassen?
ROSENBERG: Es ist mir im Augenblick nicht erinnerlich, ob ihm ein solches Recht gesetzlich zugesprochen worden ist, oder ob das unter die unmittelbare Polizeigerichtsbarkeit fiel. Ich vermag auf diese Frage nicht bestimmt zu antworten, weil mir ein solcher Erlaß im Augenblick nicht erinnerlich ist. Es mag aber nicht ausgeschlossen sein. Ich weiß es nicht.
GENERAL RUDENKO: Es war nicht ausgeschlossen? Gut. Ich muß Sie daran erinnern, daß dieses Recht der Kommissare, Geiseln zu erschießen, in Ihren Richtlinien vorgesehen war.
Gehen wir weiter. Es ist hier schon viel über die deutsche Politik in den besetzten Gebieten gesprochen worden, ich möchte daher nur ein paar Fragen an Sie stellen. In erster Linie im Zusammenhang mit der Ukraine. Sie haben hier die Lage so dargestellt, als ob Koch der allein Verantwortliche gewesen sei, Sie aber gegen seine Maßnahmen immer Einspruch erhoben hätten und im Gegenteil ein Wohltäter des ukrainischen Volkes gewesen wären.
ROSENBERG: Nein, das stimmt nicht; ich habe nie gesagt, daß ich ein Wohltäter gewesen bin.
GENERAL RUDENKO: In dem Dokument, das von Ihrem Verteidiger als Ro-19 vorgelegt wurde, und das ich Ihnen daher nicht noch einmal vorlegen will, schrieb Riecke:
»In einem Brief an die Reichsleiter der Presse im November 1942 hat Koch erklärt, daß die Ukraine für uns lediglich ein Ausbeutungsobjekt sei, daß sie den Krieg bezahlen müsse, und daß die Bevölkerung gewissermaßen als Volk zweiten Ranges für die Kriegsaufgaben eingesetzt werde, selbst wenn sie mit dem Lasso eingefangen werden müsse.«
Das ist die Politik Kochs in der Ukraine.
Dieses Dokument wurde von Ihrem Verteidiger vorgelegt. Ich werde Ihnen jetzt eine Frage stellen: Haben Sie am 14. Dezember an Koch geschrieben?
ROSENBERG: Darf ich bitten, darauf zu antworten? Ich habe das Dokument ja im Wortlaut nicht eben bei mir, ich weiß bloß, daß es ein Brief von Riecke an mich ist mit der großen Klage, wie viele andere auch, und daß er mich ersuchte...
GENERAL RUDENKO: Koch?
ROSENBERG: Ja,... Klage zu führen, und daß er sich etwas drastisch ausgedrückt hat, und daß wir zusammen uns bemühten, hier eine geordnete Arbeit durchzusetzen.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat heute schon das Thema Koch in Bezug auf die Ukraine behandelt, und es hat keinen Sinn, nochmals darauf einzugehen.
GENERAL RUDENKO: Ja, Herr Vorsitzender.
[Zum Zeugen gewandt:]
Sie haben gestern in Ihren Ausführungen über die Greueltaten und die Vernichtung der Sowjetbevölkerung dem Gerichtshof wiederholt erklärt, Sie hätten davon keine Kenntnis gehabt, und es seien Polizeimaßnahmen gewesen. Habe ich Sie richtig verstanden?
ROSENBERG: Nein, das ist nicht ganz genau richtig. Ich habe über viele Kämpfe mit Partisanen und Banden Berichte bekommen, wie gesagt, über manche Erschießungen, aber auch über die Tatsachen, daß ja deutsche Landwirtschaftsführer, deutsche Polizisten und Beamte und friedliche Sowjetbauern von diesen Banden und Partisanen angegriffen und zu Tausenden ermordet worden sind.
GENERAL RUDENKO: Gut. Wir wissen, wie Sie mit den Partisanen abrechneten, welche gegen die Feinde ihres Landes kämpften, und die Sie Banditen nannten. Ich will mit Ihnen darüber nicht argumentieren. Ich spreche über die Vernichtung der Zivilbevölkerung, über die Vernichtung von alten Männern, Frauen und Kindern. Wußten Sie davon?
ROSENBERG: Wir haben uns ja besonders bemüht in diesen Kämpfen, daß diese bäuerlichen und sonstigen Bevölkerungen geschützt worden sind. Wir haben, als wir von diesen – uns schien, übertriebenen – Maßnahmen der Polizei in diesen Kämpfen gehört haben, die strengsten Forderungen gestellt, daß hier bei aller Härte des Kampfes diese Dinge berücksichtigt würden, und die Polizei sagte uns, das ist vom grünen Tische sehr leicht zu fordern, wenn aber in Weißruthenien von den Partisanen 500 weißruthenische Bürgermeister mit ihren Familien in ihren Häusern verbrannt werden und wir hinterrücks erschossen werden, dann gibt es eben furchtbare Auseinandersetzungen.
GENERAL RUDENKO: Ich möchte Sie an Ihre Richtlinien für die besetzten Gebiete über die Organisation der Verwaltung und über die vordringlichen Verwaltungsaufgaben erinnern. Sie haben persönlich als erste Aufgabe polizeiliche Maßnahmen geplant. Das werden Sie doch nicht abstreiten?
Ich frage Sie, Sie werden es doch nicht abstreiten?
ROSENBERG: Ich habe, wenn es das Dokument 1056-PS ist, sieben vordringliche Maßnahmen gestellt. Welche hier die erste ist, kann ich im Moment nicht sagen. Ich bitte, mir das Dokument vorzulegen.
GENERAL RUDENKO: Gut. Ich bitte, dem Angeklagten eine Stelle aus diesem Dokument zu zeigen, nämlich den an der Spitze stehenden Punkt »polizeiliche Maßnahmen«.
VORSITZENDER: Ist ihm dieses Dokument vorgelegt worden?
GENERAL RUDENKO: Ja, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Weshalb wollen Sie es ihm nochmal vorlegen?
GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Der Angeklagte Rosenberg verlangt das Dokument. Eines ist jedoch einwandfrei festgestellt: der Angeklagte versuchte mir vorzumachen, er hätte nicht gewußt, daß es sich um Polizeimaßnahmen gehandelt hat. Ich stellte aber fest, daß er es gerade war, der die Durchführung dieser polizeilichen Maßnahmen als seine wichtigste Aufgabe betrachtete.
ROSENBERG: Es steht außer Frage, daß in einem besetzten Gebiet die Polizei inmitten eines solchen Krieges für polizeiliche Sicherung sorgt. Und der dritte Punkt heißt:
»Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, damit keine Hungersnot entsteht.«
Ich wiederhole: »Versorgung der Bevölkerung, damit keine Hungersnot entsteht.«
GENERAL RUDENKO: Schön, schön. Das haben wir bereits gestern in allen Einzelheiten gehört.
Ich habe noch ein paar letzte Fragen an Sie. Vor allem muß ich Sie über den Zwischenfall von Zuman befragen. Dieses Dokument ist hier bereits vorgelegt worden, aber ich halte es als Vertreter der Sowjetunion für notwendig, Ihnen diese Fragen über die Erschießung von Sowjetbürgern zu stellen, die nur aus dem Grunde erschossen worden sind, weil ein Stück Land für Jagdzwecke benötigt wurde. Sie erinnern sich doch an dieses Dokument.
ROSENBERG: Ja, ich habe gestern darüber eine erschöpfende Aufklärung gegeben.
VORSITZENDER: General Rudenko! Dies ist auch vor dem Gerichtshof behandelt worden. Warum soll die Zeit des Gerichtshofs durch die ständig wiederholte Behandlung des gleichen Themas verschwendet werden? Es ist schon bekanntgegeben worden, daß wir keine Wiederholungen wünschen.
GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Manche Einzelheiten dieser Frage sind von außerordentlicher Wichtigkeit. Der Angeklagte hat diese Punkte nicht aufgeklärt, und ich möchte daher diese Frage stellen.
VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof wird sich zurückziehen, um über die Angelegenheit zu beraten.