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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Der erste Antrag ist von Dr. Seidl im Hinblick auf zwei Zeugen. Zuerst für den Zeugen Hilger, der früher schon einmal als Zeuge für den Angeklagten von Ribbentrop bewilligt wurde, auf den aber der Verteidiger am 2. April verzichtet hat. Ich glaube, der Zeuge befindet sich in den Vereinigten Staaten, und es liegt ein Bericht vor, nach dem er für die Reise zu krank sein soll. Im übrigen, Herr Vorsitzender, soll der Zeuge über die Besprechungen und Bündnisverhandlungen aussagen, die im Kreml zu Moskau vor dem deutsch- sowjetischen Abkommen vom 23. August 1939 stattgefunden haben. Beweisthema ist das angebliche Geheimabkommen, von dem das Affidavit des Zeugen Gaus handelt.

Der andere Antrag, Herr Vorsitzender, ist auf einen Zeugen von Weizsäcker, der über dieselbe Angelegenheit aussagen wird.

Die Anklagevertretung hält sich natürlich an die Entscheidung des Gerichtshofs über die Zulässigkeit des Affidavits von Gaus, doch möchte ich höflichst vorbringen, daß es diese Angelegenheit nicht berührt. Es wird gewünscht, Zeugen über den Verlauf der Vorverhandlungen zu diesen Verträgen, bevor noch ein Übereinkommen erzielt wurde, vorzuladen. Über diesen Punkt haben wir bereits mehrmals gesprochen. Obwohl alle Fälle eine gewisse Verschiedenheit aufweisen, hat der Gerichtshof, soviel ich weiß, bisher grundsätzlich verfügt, daß nicht auf Vorverhandlungen zu Abkommen eingegangen werden soll. Außerdem ist noch die Tatsache zu berücksichtigen, daß Dr. Seidl das Gaus-Affidavit vorgelegt hat, und ihm Gelegenheit gegeben war, den Angeklagten von Ribbentrop zu verhören. Die Anklagevertretung bringt höflichst vor, daß die Aussage zweier nebensächlicher Zeugen – ohne ihre Stellung im Auswärtigen Amte verkennen zu wollen, sind sie doch Zeugen von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu dem Angeklagten von Ribbentrop – über diese Verhandlungen ihr als ein Eingehen auf unerhebliche Fragen und als vollkommen überflüssig für diesen Fall erscheint.

Ich muß zugeben, daß ich zwar keine besondere Erheblichkeit dieser Zeugen für den Fall Heß sehe, doch bestehe ich hier nicht so sehr darauf. Ich berufe mich auf die Gründe, die ich soeben dem Gerichtshof dargelegt habe.

Mit Bezug auf den dritten Antrag von Dr. Seidl, bin ich nicht ganz sicher, ob Dr. Seidl wünscht, daß die Anklagebehörde ihm ein Original oder eine beglaubigte Abschrift des Geheimabkommens zur Verfügung stellt, oder ob er selbst eine Abschrift vorlegen will. Doch nimmt auch hier die Anklagevertretung den Standpunkt ein, daß dieses Abkommen doch nur als ein geringfügiger Punkt einer einzigen Seite des Falles zu werten ist, und schon genügend durch die Aussagen des Angeklagten von Ribbentrop behandelt worden ist.

Dies ist die Stellungnahme der Anklagevertretung hierzu.

VORSITZENDER: Ja, Dr. Seidl?

DR. SEIDL: Herr Präsident! Die eidesstattliche Versicherung des Botschafters Dr. Gaus, welche bereits vom Gericht als Beweisstück Heß-16 angenommen wurde, gibt nur einen Teil der Verhandlungen wieder. Botschafter Gaus war nicht bei den Verhandlungen dabei, die dem Abschluß der Verträge vorausgegangen sind. Ich habe daher den Antrag gestellt, und zwar den zusätzlichen Antrag, Botschaftsrat Hilger als Zeugen zu laden, nachdem er bereits für den Angeklagten von Ribbentrop genehmigt worden war.

Ich habe den weiteren Antrag gestellt, daß das Gericht den Text dieses geheimen Zusatzprotokolls holen möge. Ich muß nun aber zugeben, daß dieser Antrag nicht mehr die Bedeutung hat, die er zum Zeitpunkt seiner Stellung hatte. Ich habe inzwischen eine Abschrift dieses geheimen Zusatzprotokolls bekommen. Ich habe weiterhin eine Abschrift des geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Grenzvertrag vom 28. September 1939 bekommen, und ich habe ferner in meinen Händen eine eidesstattliche Versicherung des Botschafters Dr. Gaus vom 1 April dieses Jahres, aus welcher sich die Übereinstimmung dieser Abschriften mit dem Text der am 23. August 1939 und am 28. September 1939 getroffenen geheimen Vereinbarungen deckt.

VORSITZENDER: Sir David, haben Sie einen Einwand gegen die Vorlage dieses Dokuments zur Begutachtung durch den Gerichtshof?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Keineswegs, Herr Vorsitzender. Wie ich bereits gesagt habe, hat der Gerichtshof unseren Einwand in Bezug auf die Erheblichkeit in Betracht gezogen und dagegen entschieden. Es steht mir daher angesichts der Entscheidung des Gerichtshofs nicht zu, noch über eine Frage der Erheblichkeit des Dokuments zu argumentieren.

Ich möchte nur den Wunsch aussprechen, daß Dr. Seidl eines der durch ein Affidavit des Botschafters Dr. Gaus bestätigten Exemplare dieses Abkommens vorlegt. Hierdurch wird meine gegen die Vorladung des Zeugen vorgebrachte Argumentation sehr unterstützt.

OBERST POKROWSKY: Die Sowjetische Anklagebehörde hat in der Angelegenheit, die jetzt vom Gerichtshof behandelt wird, ein Dokument beim Generalsekretariat des Internationalen Militärgerichtshofs vorgelegt.

Sollte dieses Dokument sich bereits in Ihrem Besitz befinden, meine Herren Richter, so brauche ich unsere Stellungnahme, hier nicht bekanntzugeben. Wenn Sie es jedoch wünschen, werde ich jetzt hierzu Stellung nehmen. Wir erheben Einspruch auf Grund von Erwägungen, die in dem von General Rudenko unterzeichneten Dokument dargelegt sind.

VORSITZENDER: Bringen Sie ein Argument vor oder ein Dokument bestimmter Art?

OBERST POKROWSKY: Sollten Sie das Dokument bereits vor sich haben, so habe ich keine Absicht zu argumentieren und auf diese Frage zurückzukommen.

VORSITZENDER: Sie mißverstehen mich. Sie erwähnten ein Dokument, das Ihrer Versicherung nach im Besitz des Gerichtshofs sein soll. Mir ist nicht bekannt, daß wir ein Dokument von der Sowjetischen Anklagevertretung bekommen haben. Vielleicht haben wir es erhalten, und, wenn es so ist, werden wir es natürlich einer Prüfung unterziehen.

Ich wollte wissen, ob es eine Argumentation oder irgendein Originaldokument ist?

OBERST POKROWSKY: Es handelt sich um die Antwort der Sowjetischen Anklagebehörde in der Frage, ob wir es für nötig erachten, der im Zusammenhang mit dem Fragenkomplex des deutsch-sowjetischen Paktes von 1939 von Dr. Seidl vorgebrachten Bitte zu entsprechen.

VORSITZENDER: Wir werden das Dokument prüfen.

OBERST POKROWSKY: Glauben Sie, daß das Dokument, das Sie jetzt in Händen haben, Sie zufriedenstellen wird?

VORSITZENDER: Natürlich; es sei denn, daß Sie noch etwas sagen wollen. Wir werden das Dokument prüfen.

OBERST POKROWSKY: Ich habe hierüber zusätzlich nichts mehr zu sagen. Unsere Stellungnahme ist in diesem Dokument, das von General Rudenko unterzeichnet ist, genau festgelegt, und wenn Sie im Besitze dieses Dokuments sind, habe ich nichts mehr darüber zu sagen.

DR. SEIDL: Herr Präsident! Ich hatte am 13 April einen schriftlichen Antrag gestellt, der die Zulassung eines Dokumentennachtrags als Beweisstück Rudolf Heß Nummer 17 beantragt. Ich habe dieses Dokument in sechsfacher Ausfertigung vorgelegt mit der Bitte, es zu übersetzen. Es handelt sich hier um folgende Dokumente:

1. Den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 23. August 1939, welcher von der Anklagevertretung unter der Nummer GB-145 bereits vorgelegt wurde,

2. das dazugehörende Zusatzprotokoll vom gleichen Tage,

3. den deutsch-sowjetischen Freundschafts- und Grenzvertrag vom 28. September 1939,

4. das dazugehörende geheime Zusatzprotokoll vom gleichen Tage und

5. die bereits erwähnte zweite eidesstattliche Versicherung des Botschafters Dr. Gaus.

Ich habe weiter am 15. April den Antrag gestellt, den Zeugen Dr. Gaus hier vor Gericht zu laden. Er befindet sich in Nürnberg, wenn das Gericht die eidesstattliche Versicherung nicht für ausreichend erachten sollte, und ich bitte das Gericht, über diese Anträge zu entscheiden.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird die Angelegenheit einer Prüfung unterziehen.

Nun, was liegt im Hinblick auf den Angeklagten von Neurath vor?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Dies ist ein Antrag auf Vorladung eines Zeugen Dieckhoff, für den bereits Fragebogen bewilligt worden sind. Die Ursache ist, wie ich höre, daß der Zeuge Tschirschky, wie sich herausstellte, ungefähr eineinhalb Jahre früher aus dem Auswärtigen Amte ausgeschieden ist als angenommen wurde. Baron von Lüdinghausen hat, um die Ladung von Dieckhoff als Zeugen auszugleichen, vorgeschlagen, von der Vorladung des Zeugen Zimmermann abzusehen und statt dessen ein Affidavit oder einen Fragebogen einzureichen. Das scheint der Anklagevertretung ein sehr vernünftiger Vorschlag zu sein, Herr Vorsitzender, und wir haben keinen Einwand vorzubringen.

VORSITZENDER: Sie meinen keinen Einwand gegen Dieckhoff als Zeugen, und gegen ein Affidavit oder einen Fragebogen für Zimmermann?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sehr gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Das ist alles im Hinblick auf den Angeklagten von Neurath.

VORSITZENDER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In Bezug auf den Angeklagten Schacht liegt nur das Gesuch des Zeugen Hülse vor und die Anklagevertretung hat nichts dagegen einzuwenden, wenn Dr. Dix ihn vorlädt oder ihm ein Affidavit vorlegt. Es ist nur die Frage, glaube ich, ob man den Zeugen von Hamburg herkommen lassen kann, und wenn dies möglich ist, haben wir keinen Einwand gegen seine Vorladung als Zeugen.

VORSITZENDER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der nächste Antrag auf der Liste, Herr Vorsitzender, ist für den Angeklagten Sauckel, nämlich die Zurückziehung des Fragebogens für Mende, der am 23. März bewilligt wurde, da der in Aussicht genommene Zeuge unauffindbar ist, und ein Fragebogen an Marenbach an Stelle Mendes, da er dasselbe bezeugen kann. Dr. Servatius glaubt, daß Marenbach sich im Internierungslager Garmisch befindet. Die Anklagebehörde hat keinen Einwand vorzubringen.

Herr Vorsitzender! Dann glaube ich, liegt noch ein formeller Antrag von Dr. Thoma vor über den Gebrauch des Affidavits von Professor Denker. Wir haben jedoch keinen Einwand gegen dieses Affidavit.

VORSITZENDER: Es ist schon zugelassen worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben es schon zugelassen, dies ist nur der formelle Antrag.

VORSITZENDER: Ja, ja, sehr gut, wir wollen diese Dinge prüfen. Wir haben noch eine Anzahl von Dokumenten hier, deren Vorlage der Anwalt des Angeklagten Sauckel beantragt hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

VORSITZENDER: Es ist angeregt worden, daß der Verteidiger Sauckels und die Anklagevertretung uns in dieser Angelegenheit behilflich sein könnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich glaube, mein Kollege Mr. Roberts hat schon mit Dr. Servatius darüber gesprochen, vielleicht könnte er dem Gerichtshof behilflich sein.

VORSITZENDER: Mr. Roberts, wird es lange dauern oder nicht?

MR. ROBERTS: Ich glaube nicht, Herr Vorsitzender. Der Gerichtshof, höre ich...

OBERST POKROWSKY: Ich muß dem Gerichtshof mitteilen, daß die Sowjetische Anklagebehörde die Dokumente, von denen jetzt die Rede ist, nicht erhalten hat Wir bitten den Gerichtshof, die Prüfung dieser Dokumente so lange aufzuschieben, bis wir die Gelegenheit gehabt haben; sie uns anzusehen.

VORSITZENDER: Ich höre, daß diese Dokumente noch nicht übersetzt worden sind. Es geht in Wirklichkeit nur um die Frage, welche Dokumente übersetzt werden sollen, und wir gehen die Dokumente nur durch, um ihre Erheblichkeit im Hinblick auf die Notwendigkeit ihrer Übersetzung festzustellen, so daß es nicht...

OBERST POKROWSKY: Sehr gut.

MR. ROBERTS: Herr Vorsitzender! Soviel ich weiß, hat der Gerichtshof eine vorläufige Verfügung erlassen, daß die Dokumente, bei denen Dr. Servatius und ich der Meinung waren, sie sollten nicht vorgelegt werden, einfach zu streichen sind. Eine beträchtliche Anzahl von Dokumenten bleibt übrig. Der Gerichtshof hat, wie ich glaube, eine Liste dieser Dokumente. Die ersten 68 Dokumente, Herr Vorsitzender, vielmehr die Dokumente Nummer 6 bis 68, enthalten Vorschriften über den Arbeitseinsatz in Deutschland. Herr Vorsitzender! Ich habe das von Dr. Servatius vorgeschlagene Dokumentenbuch gesehen, er hat gewisse Stellen angezeichnet, die er verlesen möchte und die daher übersetzt werden müßten. Das setzt den Umfang der Dokumente ganz wesentlich herab.

VORSITZENDER: Wir haben natürlich noch nicht alle diese Dokumente gelesen, weil sie noch nicht übersetzt worden sind. Haben Sie etwas dagegen, daß sie übersetzt werden?

MR. ROBERTS: Ich glaube nicht, daß ich gegen diese ersten Dokumente Nummer 6 bis 68 Einwand erheben kann.

Die angezeichneten Stellen werden übersetzt, weil sie erheblich erschienen.

VORSITZENDER: Ja, 6 bis 68.

MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sie meinen die Stellen, die angestrichen sind?

MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Wollen Sie dann weitergehen?

MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: 69 bis 79 hat er schon gestrichen.

MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender, 80 und 81 beanstande ich. In diesen Dokumenten wird behauptet, das Haager Abkommen sei durch das Sowjetvolk gebrochen worden. Ich halte das nicht für erheblich, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sie meinen Behauptungen über ungesetzliche Handlungen der Sowjetregierung gegen Einzelpersonen?

MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender. Ich halte dies überhaupt nicht für erheblich.

VORSITZENDER: Ja, und 82 bis 89, gegen diese haben Sie nichts einzuwenden?

MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender, gegen die Stellen, die angezeichnet sind, habe ich keinen Einwand.

VORSITZENDER: Ja.

MR. ROBERTS: Dr. Servatius hat versprochen, die angezeichneten Stellen, soweit es ihm möglich ist, zu beschränken.

Gegen 90 und 91 erhebe ich Einspruch. Dr. Servatius möchte unter dem Titel »Dokumente« eine große Anzahl von Affidavits vorlegen, deren Zahl, glaube ich, bis jetzt noch nicht festgesetzt ist, Affidavits von verschiedenen Leuten über die Arbeitsbedingungen und die Umstände, unter welchen Fremdarbeiter beschäftigt wurden. Dem Angeklagten Sauckel ist eine gewisse Anzahl von Zeugen bewilligt worden; ebenso auch Fragebogen und Affidavits von anderen Leuten. Ich behaupte, daß dies keine korrekte Bezeichnung für die Nummern 90 und 91 ist. Es handelt sich um zwei Mappen von Affidavits, die in Wirklichkeit keine Dokumente sind, und deshalb nicht zugelassen werden sollten. Nummer 92, Herr Vorsitzender...

VORSITZENDER: Nummer 92 ist gestrichen worden.

MR. ROBERTS: 92 ist gestrichen worden. Nummer 93 ist ein Buch, auf das sich die Französische Anklagevertretung bezogen hat. Daher würde in diesem Falle Dr. Servatius natürlich berechtigt sein, von diesem Buch Gebrauch zu machen.

VORSITZENDER: Sind die Stellen darin gekennzeichnet oder nicht?

MR. ROBERTS: Nein, bis jetzt noch nicht. Es sind auch einige Abbildungen, Herr Vorsitzender...

VORSITZENDER: Wünscht er nur die Abbildungen?

MR. ROBERTS: Ja, ich glaube, sie zeigen das überirdische Glück der Fremdarbeiter in Deutschland, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Ja.

MR. ROBERTS: Nummer 94 ist ein Affidavit des Sohnes von Sauckel. Es wird nur benötigt, wie ich verstehe, falls einer von drei Zeugen, die zugelassen wurden, nicht erreichbar ist. Es betrifft die Behauptung, daß Sauckel die Evakuierung von Buchenwald angeordnet habe, und ich kann gegen dieses sehr kurze Affidavit keinen Einspruch erheben, wenn Dr. Servatius einen der zugelassenen Zeugen nicht beibringen kann.

Nummer 95, Herr Vorsitzender, sind die Reden Sauckels. Auch hier hat Dr. Servatius uns versprochen, die Stellen, die er angezeichnet hat, zu kürzen. Dagegen kann schwerlich Einwand erhoben werden im Hinblick auf die Anklage wegen Verschwörung.

VORSITZENDER: Ja.

MR. ROBERTS: Nummer 96 und 97 sind Bücher, in denen sehr kurze Stellen gekennzeichnet worden sind. Da es sich auch hier um eine bedeutungsvolle Periode der behaupteten Verschwörung handelt, weiß ich nicht, in welcher Weise ich Einspruch erheben könnte, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Das fällt in die gleiche Kategorie, ja. Stimmt das mit Ihren Ansichten überein, Dr. Servatius?

DR. SERVATIUS: Jawohl, ich habe mit einem Vertreter der Anklage verhandelt und das ist grundsätzlich das Ergebnis. Ich möchte nur zu einigen wenigen Dokumenten noch etwas sagen, und zwar zu Dokument 80 und 81. Das eine ist die Photokopie eines Deportationsbefehls in der Stadt Oels, das andere ist ein Affidavit über die Zwangsarbeiter in Saaz. Das erste Dokument benötige ich zum Nachweis, daß die Haager Landkriegsordnung obsolet war, daß also vor dem Waffenstillstand, als der Kampf noch im Gange war, die Bevölkerung der östlichen deutschen Gebiete zur Zwangsarbeit nach Rußland verschickt wurde. Ich habe damals hier mündlich den Antrag ergänzt, weil der Beweis als zu mager erschien, durch Rundfragen bei den Bürgermeistern in Oberschlesien bis nach Ostpreußen festzustellen, daß die Bevölkerung zum großen Teil abtransportiert worden ist zur Zwangsarbeit. Ich glaube, daß dies zum Nachweis dafür, daß die Haager Landkriegsordnung im Osten als nicht existierend betrachtet wurde, von erheblicher Bedeutung ist für die Verteidigung meines Mandanten.

Das Dokument Nummer 81 befaßt sich mit einem Zustand nach dem Waffenstillstand, der aber nur als Fortsetzung dessen erscheint, was im Ostgebiet vorgegangen ist, und bestätigt, daß allgemein unter der Besetzung der Sowjetarmeen der Zustand beibehalten wurde, nämlich die Inanspruchnahme der Bevölkerung zur Arbeit, nicht im Sinne des Haager Abkommens, wie zum Beispiel zur Instandhaltung der Straßen in der Nachbarschaft etcetera, sondern auch zwecks Industriearbeit und zwecks Tätigkeit außerhalb des Rahmens der Haager Landkriegsordnung, auch zwecks Tätigkeit außerhalb des Landes. Ich glaube nicht, daß man mir diesen Beweis abschneiden soll. Und nun die Dokumente Nummer 90 und 91; der Inhalt ist bereits vorgetragen. Es sind zwei Mappen mit einer Sammlung von eidesstattlichen Versicherungen. Es handelt sich um den Versuch eines Gegenbeweises gegenüber einer Regierungsuntersuchung, wie wir sie ja hier gefunden haben. Wir haben Berichte empfangen von der Französischen, der Sowjetischen Anklage, wir haben Berichte von Tschechen erhalten, die eine mosaikartige Massenerscheinung darstellen, die man nur auf diese Weise erfassen kann. Ich habe damals bereits vorgetragen, daß mir eine Regierung ja nicht zur Verfügung steht, die einen solchen Bericht anfertigen könnte, und hier geht mein Vorschlag dahin, daß ich zunächst eine Sammlung von eidesstattlichen Versicherungen beibringe. Ich habe nun nicht vor, diese Sammlungen von eidesstattlichen Versicherungen hier alle vorzulesen, sondern mein Antrag geht dahin, das Gericht möge einen Beauftragten bestellen, der diese Mappen studiert und einen kurzen Bericht anfertigt und dem Gericht vortragen soll. Es ist das ein Gedanke, der gerade auch nachher bei den Fragen der politischen Organisationen auftreten wird, nämlich das Problem, wie diese Massenerscheinungen dem Gericht vorgelegt werden können. Falls ich einen Zeugen bringen sollte, einen einzigen Zeugen, so wird man sagen, der einzelne Zeuge kann natürlich nicht dieses ganze Gebiet decken. Andererseits kann ich ja nicht mit Hunderten von Zeugen ankommen, und so wäre es ein Mittelweg, daß ein Beauftragter des Gerichts sich mit diesen eidesstattlichen Versicherungen befaßt, und dann einen Bericht aufstellt. Das ist der Inhalt dieser beiden Mappen.

VORSITZENDER: An wieviele Affidavits denken Sie, oder wieviele haben Sie sich verschafft?

DR. SERVATIUS: Es ist noch sehr mager, was ich bekommen habe. Es stellt sich nämlich heraus, daß diejenigen, die Kenntnis haben, aus einer Sorge, sie möchten deswegen verfolgt werden, zurückhalten, aber ich hoffe, daß ich eine Auswahl von vernünftigen Versicherungen treffen kann, von denen ich denke, daß es etwa 20 bis 30 Affidavits sein werden. Ich werde mich dann auch darauf beschränken, da ich ja auch kein Interesse daran habe, das Gericht mit einer überflüssigen Arbeit zu befassen, daß sich der Gerichtshof mit diesen eidesstattlichen Versicherungen befaßt. Wie meine Sammlung jetzt aussieht, muß ich sogar damit rechnen, daß ich meinen Antrag ganz zurückziehe, weil ich selbst einsehen muß, daß das Material, was mir zugeht, zu knapp ist. Aber ich bitte, mir die Chance offen zu lassen, und ich würde dann, wenn der Fall herankommt, vorher rechtzeitig dem Gericht den Fall nochmals vortragen.

VORSITZENDER: Ja. Ist das alles, was Sie sagen wollen?

DR. SERVATIUS: Da ist noch das Dokument Nummer 93, ein illustriertes Buch »Europa arbeitet in Deutschland«. Ich möchte hieraus dem Gericht einige...

VORSITZENDER: Hat die Anklage dagegen Einspruch erhoben?

DR. SERVATIUS: Nein, die Anklage hat keinen Einspruch dagegen erhoben. Ich möchte vielleicht nur einige Bilder an der Leinwand zeigen, es dreht sich darum, anschaulich zu machen, unter welchen Umständen gerade die Leute vom Osten ankamen, und wie später ihre Lage war, soweit das nach einer Werbeschrift möglich ist.

VORSITZENDER: Ja, danke.

MR. ROBERTS: Ich habe noch einen anderen Punkt, den ich erwähnen möchte Vielleicht ist Dr. Servatius so freundlich, mir zuzuhören. Herr Vorsitzender! Dr. Servatius hat am 5. März 1946 an den Gerichtshof einen schriftlichen Antrag gestellt auf Überlassung aller ärztlichen Berichte von Dr. Jäger, der Chefarzt des Lagers Krupp-Essen war, zweitens auf Überlassung aller monatlichen Berichte eines gewissen Groene, der ein Kollege Dr. Jägers war, und drittens aller Protokolle der monatlichen Besprechungen, die der Hauptkommandant des Lagers mit den ihm unterstellten Lagerführern bei Krupp abgehalten hat.

Die Lage ist folgende, Herr Vorsitzender: Die französische... ich glaube, unsere amerikanischen Kollegen haben ein Affidavit des Dr. Jäger vorgelegt, und Dr. Jäger selbst ist als Zeuge für Sauckel zugelassen worden und wird daher im Zeugenstand erscheinen.

Die Anklage hat nichts dagegen einzuwenden, daß Dr. Jäger ersucht wird, seine Berichte mitzubringen, wenn sie ihm zugänglich sind. Wir haben sie nicht, ich glaube auch nicht, daß wir wissen, wo sie sich befinden.

VORSITZENDER: Aber der Zeuge wird vorgeladen.

DR. SERVATIUS: Ich habe einen Teil dieser Dokumente bereits bekommen und nehme an, daß auch die anderen mich vielleicht noch erreichen. Ich glaube, das Material, das mir vorliegt, genügt mir für meine Zwecke, so daß sich die Staatsanwaltschaft nicht weiter bemühen braucht.

VORSITZENDER: Sie meinen, daß wir darüber keine Entscheidung zu treffen haben?

DR. SERVATIUS: Nein, es ist nicht notwendig.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich nun vertagen.