HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis

18. April 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertelfter Tag.

Donnerstag, 18. April 1946.

Vormittagssitzung.

DER VORSITZENDE, LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Dr. Seidl!

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Vorsitzender, meine Herren Richter! Ich habe am 9. April dieses Jahres den Antrag gestellt, in Abweichung der vom Gericht aufgestellten Regel zuerst die Dokumente und dann die Zeugen als Beweismittel vorbringen zu dürfen und am Schluß den Angeklagten als Zeugen verhören zu können. Ich weiß nun nicht, ob das Gericht bereits im Besitz der Dokumentenbücher ist. Ich für meine Person habe festgestellt, daß der Band 1 des Dokumentenbuches bereits am 8. April übersetzt war, der Band 2 und 3 am 11. April und der Band 4 und 5 wenige Tage später. Ich jedenfalls habe bis jetzt noch keine Dokumentenbücher in die Hand bekommen, und zwar deshalb, weil der dafür zuständigen Stelle bis jetzt nicht die Erlaubnis zum Zusammenbinden der Dokumentenbücher erteilt worden war.

VORSITZENDER: Ich dachte, ich habe Sie darüber befragt, nicht gestern, sondern vorgestern, und Sie sagten, Sie wären vollkommen vorbereitet, zu beginnen.

DR. SEIDL: Mir wurde gesagt, daß die Dokumentenbücher übersetzt seien, und ich habe es als selbstverständlich angenommen, daß die Dokumentenbücher auch geheftet sein würden. Ich habe nun gestern festgestellt, daß das nicht der Fall ist. Es liegt jedenfalls auf meiner Seite hier kein Verschulden vor.

VORSITZENDER: Ich habe nicht gesagt, daß Sie irgendwelche Schuld daran haben.

MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: An sich hatten wir nicht sehr viel mit Dr. Seidl zu besprechen. Wir haben uns vorgestern abend, ungefähr um 6.00 Uhr oder etwas später, geeinigt. Dann wurde das Material – es sind 500 Seiten – zur Fertigstellung gegeben. Es ist nur noch nicht ganz fertig; es stimmt hingegen nicht, daß keine Erlaubnis zur Durchführung der Arbeit erteilt, wurde; die Leute waren vielmehr nicht imstande, die Arbeit zu vollenden, es wird also nur etwas länger dauern.

VORSITZENDER: Dr. Seidl, Sie können mit Ihren Zeugen beginnen. Sie haben den Angeklagten selbst zu verhören und mehrere andere Zeugen.

DR. SEIDL: Jawohl.

VORSITZENDER: Bis dahin werden die Dokumente ohne Zweifel fertig sein. Heute abend machen wir um 16.30 Uhr Schluß, und wenn der Gerichtshof am Dienstag morgen wieder zusammentritt, werden zweifellos alle Dokumente zur Verfügung stehen. Der Gerichtshof hat Ihren Antrag geprüft, sieht jedoch keinen Grund, von der gewohnten Regel, den Angeklagten zuerst zu verhören, abzugehen, das heißt, wenn Sie den Angeklagten verhören wollen.

DR. SEIDL: Ja, ich habe schon die Absicht, den Angeklagten selbst als Zeugen zu vernehmen, habe aber im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens vorgeschlagen, zunächst die anderen Zeugen zu vernehmen, damit das Verhör des Angeklagten selbst so kurz wie möglich sein wird. Es wird möglich sein, daß er dann auf eine Reihe von Fragen mit Ja oder Nein antworten kann. Ich halte dieses Verfahren auch deshalb für zweckmäßig, weil ein sachdienliches Verhör dieses Angeklagten nur möglich ist, wenn ich zugleich die Dokumentenbücher in meinen Händen habe. Diese Notwendigkeit besteht bei den übrigen Zeugen nicht. Ich möchte daher das Gericht bitten, mir die Erlaubnis zu erteilen, daß ich zunächst die Zeugen vernehme, welche sich bereits hier im Zeugenzimmer befinden.

VORSITZENDER: Die Dokumente sind alle, oder beinahe alle in deutscher Sprache, wie ich annehme, und können dem Angeklagten während seines Verhörs vorgelegt werden. Das Gericht ist, wie schon gesagt, der Ansicht, daß die Vorladung des Angeklagten selbst der Beschleunigung des Prozesses dienen wird, und glaubt daher, auf der grundsätzlichen Regelung bestehen zu müssen.

DR. SEIDL: Ich rufe dann mit Erlaubnis des Gerichts den Angeklagten Dr. Hans Frank in den Zeugenstand.