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[Der Angeklagte betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wollen Sie Ihren vollen Namen angeben?

HANS FRANK: Hans Frank.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, da ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wann und wo sind Sie geboren?

FRANK: Ich bin geboren am 23. Mai 1900 in Karlsruhe in Baden.

DR. SEIDL: Geben Sie kurz den Gang Ihrer Bildung dem Gericht an.

FRANK: Ich habe 1919 die Gymnasialstudien abgeschlossen, 1926 die große juristische Staatsprüfung bestanden und damit meinen Bildungsgang im wissenschaftlichen Sinne beendet.

DR. SEIDL: Welche Tätigkeit haben Sie dann ausgeübt?

FRANK: Ich war in verschiedenen juristischen Berufen tätig, als Rechtsanwalt, als Mitglied des Lehrkörpers einer Technischen Hochschule, und war dann im wesentlichen tätig als Rechtsbeistand Adolf Hitlers und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.

DR. SEIDL: Seit wann gehören Sie der NSDAP an?

FRANK: Ich gehörte der Deutschen Arbeiterpartei, der Vorgängerin der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, im Jahre 1919 an, bin aber dann in die neugegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nicht eingetreten; habe 1923 als SA- Mitglied die Bewegung in München mitgemacht, bin dann endgültig, sozusagen zum erstenmal, in die NSDAP im Jahre 1927 eingetreten.

DR. SEIDL: Waren Sie jemals Mitglied der SS?

FRANK: Ich war niemals Mitglied der SS.

DR. SEIDL: Sie haben also auch niemals den Rang eines SS-Obergruppenführers oder SS-Generals innegehabt?

FRANK: Ich habe niemals den Rang eines SS-Obergruppenführers oder SS-Generals innegehabt.

DR. SEIDL: Auch nicht ehrenhalber?

FRANK: Auch nicht ehrenhalber.

DR. SEIDL: Sie waren Mitglied der SA und hatten zuletzt welche Stellung?

FRANK: Ich war zuletzt SA-Obergruppenführer in einer Ehrenposition.

DR. SEIDL: Welche Ämter hatten Sie in der NSDAP in den verschiedenen Zeitabschnitten innegehabt, und welche Funktionen haben Sie ausgeübt?

FRANK: Ich habe im Jahre 1929 die Leitung des Rechtsamts der Reichsleitung der NSDAP übernommen. In dieser Eigenschaft wurde ich im Jahre 1931 von Adolf Hitler zum Reichsleiter der NSDAP ernannt. Diese Position hatte ich inne bis zu meiner Abberufung im Jahre 1942. Dies waren im wesentlichen meine Parteiämter.

DR. SEIDL: Sie haben sich im wesentlichen bis zur Machtübernahme innerhalb der Partei mit Fragen des Rechtes befaßt?

FRANK: Ich habe mich mit den Fragen und mit der Praxis des Rechtes im Interesse Adolf Hitlers, der NSDAP und ihrer Mitglieder in den schweren Jahren des Kampfes um den Sieg der Bewegung betätigt.

DR. SEIDL: Welche grundsätzliche Ansicht hatten Sie von der Idee des Rechtsstaates?

FRANK: Diese Idee war für mich niedergelegt im Punkt 19 des Parteiprogramms, der von dem erstehenden deutschen Gemeinrecht spricht. Ich will hier im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens keine weitreichende Darstellung meiner Gedankengänge geben. Das Wesentliche war mein Bemühen, das Kernstück der Rechtspflege Deutschlands zu retten: den unabhängigen Richter. Mein Gedankengang war der, daß auch bei noch so starker Entwicklung des Führerstaates, selbst bis zur Diktatur, die Gefahr für eine Gemeinschaft und die Rechtssicherheit des einzelnen zumindest geringer ist, wenn ein von dieser Staatsführung unabhängiger Richter innerhalb der Volksgemeinschaft noch wirken kann. Für mich ist also die Frage des Rechtsstaates im wesentlichen identisch mit der Frage nach der Existenz der Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Meine wesentlichen Kämpfe und Auseinandersetzungen mit Hitler, Himmle und Bormann in diesen Jahren bewegten sich in immer zugespitzterem Maße auf diesem Gebiet. Erst als der unabhängige Richter im nationalsozialistischen Reich endgültig überwunden war, war mein Werk und mein Wirken aussichtslos geworden.

DR. SEIDL: Sie waren auch Mitglied des Reichstags?

FRANK: Ich war seit 1930 Mitglied des Reichstags.

DR. SEIDL: Welche Ämter haben Sie nach 1933 bekleidet?

FRANK: Ich war zunächst bayerischer Staatsminister der Justiz und nach Auflösung der einzelnen staatlichen juristischen Ministerien Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Ich wurde 1933 Präsident der von mir gegründeten Akademie für Deutsches Recht; ich war Reichsführer des Nationalsozialistischen Juristenbundes, der später den Titel eines »Rechtswahrerbundes« bekam. Ich war 1933 und 1934 Reichskommissar für die Justiz und ich wurde 1939 Generalgouverneur des Generalgouvernements in Krakau.

DR. SEIDL: Was waren die Aufgaben der von Ihnen gegründeten Akademie für Deutsches Recht?

FRANK: Diese Aufgaben sind niedergeschrieben im Reichsgesetz über die Akademie für Deutsches Recht, und diese Akademie hat im wesentlichen die zentrale Aufgabe, den Punkt 19 des Parteiprogramms, das deutsche Gemeinrecht in der Kultur unseres Volk entsprechenderweise zu sichern.

DR. SEIDL: Hatte die Akademie für Deutsches Recht entscheidende Funktionen oder beschränkte sie sich auf beratende Tätigkeit?

FRANK: Die Akademie für Deutsches Recht war die Zusammenfassung der prominentesten deutschen Rechtsgelehrten aus Wissenschaft und Praxis, wobei ich von Anfang an auf Parteizugehörigkeit der Mitglieder keinerlei Gewicht gelegt habe. Zu 90 Prozent bestand die Mitgliederschaft der Akademie für Deutsches Recht aus Nichtparteigenossen. Ihre Aufgabe war gesetzberatender Art; sie arbeitete in einer Form, wie etwa ein Beratungsgremium in einem guten Parlament. Es war dies auch mein Gedanke, daß entsprechend dem allmählichen Zurücktreten des Deutschen Reichstags aus den öffentlichen Funktionen des Reiches die gesetzberatenden Ausschüsse der Akademie an die Stelle der Rechtsausschüsse des Reichstags treten sollten. Die Akademie hat im wesentlichen nur an Gesetzen wirtschaftlicher und sozialer Art mitgewirkt; denn in zunehmendem Maße wurde ja leider die Mitarbeit auf den anderen Gebieten durch die Entwicklung des autoritären Regimes immer unmöglicher.

DR. SEIDL: Wenn ich Sie recht verstehe, lagen die staatlichen Funktionen in Bezug auf die Rechtspflege ausschließlich in den Händen des Reichsjustizministers, der Sie nicht waren.

FRANK: Ich war nicht Reichsjustizminister; der Reichsjustizminister Dr. Gürtner war aber auch nicht für die totale Gesetzgebung zuständig, sondern nur für die den Justizbereich im engeren Sinne angehenden Gesetze. Die Reichsgesetzgebung lag in Befolgung des Ermächtigungsgesetzes in den Händen des Führers und Reichskanzlers und der Reichsregierung insgesamt. Mein Name befindet sich demnach auch im Reichsgesetzblatt nur unter einem Gesetz, unter dem Gesetz über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ich bin allerdings stolz darauf, daß mein Name unter diesem Gesetz steht.

DR. SEIDL: Sie haben vorhin erklärt, daß Sie in den Jahren 1933 und 1934 bayerischer Justizminister waren.

FRANK: Jawohl.

DR. SEIDL: Haben Sie in dieser Tätigkeit Gelegenheit gehabt, in der Frage der Konzentrationslager Stellung zu nehmen, und unter welchen Umständen ist das geschehen?

FRANK: Von dem Entstehen des Konzentrationslagers Dachau hörte ich im Zusammenhang mit einem Bericht der Oberstaatsanwaltschaft in München an mich aus Anlaß der Tötung des Münchener Rechtsanwalts Dr. Strauß. Die Staatsanwaltschaftsbehörde beschwerte sich bei mir, als ich ihr die Weisung gegeben hatte, diesen Tötungsfall aufzuklären, darüber, daß ihr der Zutritt in das Konzentrationslager Dachau von der SS nicht genehmigt würde. Ich habe daraufhin den Reichsstatthalter General von Epp zu einer Sitzung veranlaßt, in der ich unter Vorlegung der Akten über diesen Tötungsfall die Unmöglichkeit dieses Vorgehens der SS darstellte und erklärte, daß bis zu diesem Zeitpunkt den Vertretern der deutschen Staatsanwaltschaften die Aufklärung jeder Tötung, bei der der Verdacht einer Rechtswidrigkeit bestand, möglich gewesen und daß mir von einer Abweichung bis jetzt auch in unserem Reiche noch nichts bekannt sei.

Daraufhin protestierte ich weiter gegen diese Methode bei dem Reichsjustizminister Dr. Gürtner als dem obersten Sachwalter der Interessen der Justiz. Ich verwies darauf, daß wir hier an einer Keimzelle stünden, einer die Rechtsordnung aufs schwerste bedrohenden Entwicklung.

Adolf Hitler hat auf Verlangen Heinrich Himmlers persönlich in die Sache eingegriffen und hat von dem Recht Gebrauch gemacht, Strafsachen niederzuschlagen. Es wurde daraufhin die Niederschlagung des Verfahrens verfügt. Ich selbst habe meinen Rücktritt als Justizminister erklärt. Er wurde aber nicht angenommen.

DR. SEIDL: Wann wurden Sie Generalgouverneur der besetzter polnischen Gebiete und wo erreichte Sie diese Berufung?

FRANK: Ich wurde am 24. August 1939 als Reserveoffizier zu meinem Regiment in Potsdam eingezogen. Ich war mitten in der Ausbildung meiner Kompanie und befand mich am 17. September – es kann auch der 16. gewesen sein – in den letzten Vorbereitungen zum Abmarsch an die Front, als ich durch einen Anruf aus den Führersonderzug zu Adolf Hitler zitiert wurde. Ich fuhr am anderen Tag nach Oberschlesien, wo sich damals der Sonderzug des Führers befand, und er übertrug mir damals in einer ganz kurzen, kaum zehn Minuten dauernden Besprechung den Auftrag, wie er sich damals ausdrückte, den zivilen Gouverneur für das besetzte polnische Gebiet als Funktion zu übernehmen.

Damals war das Gesamtgebiet der polnischen eroberten Landesbereiche unter dem Verwaltungsoberbefehl eines Militärbefehlshabers, General von Rundstedt, gestellt. Etwa gegen Ende September wurde ich in den Stab des Generals von Rundstedt als Verwaltungschef eingereiht und sollte im Bereich der Militärverwaltung die Verwaltungsgeschäfte im engeren Sinne führen. Nachdem sich aber in kurzer Zeit herausstellte, daß diese Methode nicht durchführbar war, wurde mit Wirkung vom 26. Oktober unter Aufteilung des polnische Gebiets in den Teil, der in das Deutsche Reich eingegliedert wurde, und in den Teil, der dann das Generalgouvernement darstellte, mein Berufung zum Generalgouverneur vollzogen.

DR. SEIDL: Sie haben von verschiedenen Stellungen gesprochen, die Sie im Laufe der Zeit eingenommen haben. Ich frage Sie nun, haben Sie in irgendeiner Ihrer Partei- und Staatsstellungen entscheidenden Anteil an dem politischen Geschehen der letzten 20 Jahre gehabt?

FRANK: Ich habe auf dem Gebiet, das mir nahe lag, alles getan, was man als ein an die Größe seines Volkes glaubender, vom Fanatismus für die Größe seiner Nation erfüllter Mann tun kann, um Adolf Hitler und die Bewegung des Nationalsozialismus mit zum Siege zu führen.

An Entscheidungen irgendwie größerer politischer Art habe ich, da ich zu dem engeren Mitarbeiterkreis Adolf Hitlers nie gehörte, nie mitgewirkt. Ich bin weder von Adolf Hitler in allgemeinen politischen Fragen zu Rate gezogen worden, noch habe ich jemals an Besprechungen über solche Themen teilgenommen, schon um deswillen nicht, weil ich in den gesamten Jahren von 1933 bis 1945 insgesamt nur sechsmal von Adolf Hitler persönlich zu einem Vortrag über meinen Bereich empfangen worden bin.

DR. SEIDL: Welchen Anteil hatten Sie an der Reichsgesetzgebung?

FRANK: Ich habe das schon mitgeteilt. Ich brauche darauf nicht mehr zu antworten.

DR. SEIDL: Haben Sie in Ihrer Stellung als Reichsminister oder in irgendeiner anderen Staats- oder Parteistellung den Krieg gewollt oder einen Krieg unter Verletzung von abgeschlossenen Verträgen?

FRANK: Den Krieg kann man an sich nicht wollen. Der Krieg ist etwas Furchtbares. Wir haben es erlebt. Den Krieg wollten wir nicht. Wir wollten die Größe Deutschlands und die Wiederherstellung der Freiheit und die Wiederherstellung der Wohlfahrt und Gesundheit und des Glückes unseres Volkes. Mein und unser aller Traum war wohl, auf friedlichem Wege die Revision des Vertrages von Versailles die ja in diesem Vertrag selbst vorgesehen war, zu erreichen. Da aber auch in der Welt der Verträge zwischen den Nationen nur derjenige etwas gilt, der stark ist, mußte Deutschland erst stark werden, um verhandeln zu können. Und so sah ich im großen die Entwicklung: Stärkung des Reiches, Wiederherstellung seiner Souveränität auf allen Gebieten und damit zusammenhängend die Ermöglichung einer Befreiung von den unerträglichen Fesseln, die man unserem Volke auferlegt hatte. Ich war daher glücklich, daß es Adolf Hitler in einem in der Geschichte der Menschheit einmaligen, wunderbaren Aufstieg möglich war, bis Ende 1938 im wesentlichen diese Ziele zu erreichen, und ich war ebenso unglücklich, als ich 1939 leider in zunehmendem Maße feststellen mußte, daß Adolf Hitler von diesem Wege abzuweichen schien, um anderen Methoden nachzugehen.

VORSITZENDER: All dies scheint doch schon von dem Angeklagten Göring und dem Angeklagten Ribbentrop beschrieben worden zu sein.

DR. SEIDL: Der Zeuge ist bereits fertig mit den Ausführungen zu diesem Punkt.