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[Pause von 10 Minuten.]

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wir haben zuletzt über Hochschulen gesprochen. Haben Sie selbst als Generalgouverneur die Mittelschulen geschlossen?

FRANK: Mein Antrag, die Gymnasien und Mittelschulen wieder zu eröffnen, wurde von Adolf Hitler abgelehnt. Wir haben uns da so geholfen, daß wir die Mittelschulerziehung auf dem Privatschulwege in weitem Umfang zugelassen haben.

DR. SEIDL: Nun eine grundsätzliche Frage: Die Anklage wirft Ihnen vor, das Land, dem Sie als Generalgouverneur vorstanden, ausgeplündert zu haben. Was haben Sie dazu zu sagen?

FRANK: Ja, dieser Vorwurf ist wohl eine summarische Zusammenfassung für alle Wirtschaftsvorgänge, die sich in diesem Lande im Verkehr zwischen dem Deutschen Reiche und dem Generalgouvernement abgespielt haben. Zunächst möchte ich feststellen, daß das Generalgouvernement mit einer furchtbaren wirtschaftlichen Eröffnungsbilanz beginnen mußte. Das Land hatte annähernd 12 Millionen Einwohner. Das Stück Generalgouvernement war der unfruchtbarste Teil des früheren Polen. Dazu war die Grenze sowohl gegen die Sowjetunion wie gegen das Deutsche Reich so gezogen worden, daß die wesentlichen, das Wirtschaftsleben begründenden Elemente außerhalb des Landes lagen. Die Grenzen wurden sofort gegen die Sowjetunion und gegen das Deutsche Reich gesperrt. Und so kam es, daß zunächst einmal überhaupt gewirtschaftet werden mußte aus dem Nichts in das Nichts. Galizien, das für die Republik Polen wichtigste Gebiet – ernährungsmäßig –, war der Sowjetunion zugeteilt. Die Provinz Posen war beim Deutschen Reiche. Die Kohlen- und Industriegebiete Oberschlesiens waren beim Deutschen Reiche. Ja, die Grenzen gegen Deutschland waren so gezogen, daß die Eisenwerke in Tschenstochau zwar beim Generalgouvernement blieben, die Eisenerzbecken dagegen, die 10 Kilometer von Tschenstochau weg waren, in das Deutsche Reich eingegliedert waren.

Die Stadt Lodz, das Textilzentrum Polens, fiel in das Deutsche Reich. Die Stadt Warschau mit ihrer Millionenbevölkerung wurde eine Grenzstadt, denn die deutsche Grenze wurde auf 15 Kilometer an diese Stadt herangerückt mit der Wirkung, daß das ganze landwirtschaftliche Hinterland dieser Stadt nicht mehr zur Verfügung stand.

Man könnte so eine ganze Fülle von Einzeltatbeständen anführen, die vielleicht zu weit führen würden.

Es war daher zunächst einmal dafür zu sorgen, daß überhaupt das Leben wieder in Gang kam. Die Ernährung der Stadt Warschau konnten wir in den ersten Wochen überhaupt nur mit Hilfe deutscher Einrichtungen für Massenspeisung durchhalten. Das Deutsche Reich gab damals 600000 Tonnen Getreide, natürlich als Vorschuß, der als schwere Verpflichtung auf mich gewälzt wurde.

Die Finanzwirtschaft begann ich mit 20 Millionen Zloty, die ich als Vorschuß des Reiches erhalten hatte. Wenn ich von diesen Ausgangspunkten einer völlig verarmten, kriegszerstörten Wirtschaft nun bedenke, daß bis zum 1. Januar 1944 die Sparguthaben der einheimischen Bevölkerung auf 111/2 Milliarden Zloty angestiegen waren und es bis dahin gelungen war, die Ernährung der Bevölkerung einigermaßen ins reine zu bringen, und wenn ich weiter bedenke, daß dann in jener Zeit in den wieder aufgebauten Fabriken und Industrierevieren – einen Aufbau, an dem die Reichsstellen hervorragend positiven Anteil haben, insbesondere Reichsmarschall Göring und Minister Speer haben sich hier ganz besondere Verdienste erworben bei der Hilfsstellung im Aufbau der Industrie des Landes –, daß in dieser Industrie damals über 2 Millionen voll bezahlte und beschäftigte Arbeiter waren, daß der Ernteertrag auf 1,6 Millionen Tonnen im Jahre gestiegen war, daß der Jahresetat von 20 Millionen Zloty im Jahre 1939 auf 1,7 Milliarden Zloty angestiegen war, so ist das nur eine Skizzierung der äußersten Punkte, die ich für die allgemeine Entwicklung hier aufstellen möchte, um nicht ins Weite zu kommen.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Generalgouverneur in den von Ihnen verwalteten Gebieten die Kirchen und die Religion verfolgt?

FRANK: Ich habe mit dem Erzbischof, dem nunmehrigen Kardinal Sapieha in Krakau, in ständigem persönlichen Kontakt gestanden. Er hat mir alle seine Leiden und Schmerzen vorgetragen, und die waren nicht gering. Ich selbst mußte den Bischof von Lublin den Händen des Herrn Globocnik entreißen, um ihm sein Leben zu retten.

DR. SEIDL: Sie meinen den SS-Gruppenführer Globocnik?

FRANK: Ja, den meine ich. Aber die Situation kann ich wohl so zusammenfassen, wie das der Erzbischof Sapieha in seinem Brief an mich getan hat, den er mir im Jahre 1942 geschrieben hat, in dem wortwörtlich steht, daß er mir dankt für meine unermüdlichen Bemühungen, das kirchliche Leben sicherzustellen. Wir haben die Priesterseminare wieder aufgebaut, und wir sind jedem Fall der Verhaftung eines Priesters nachgegangen, soweit das menschenmöglich war. Der tragische Fall, daß zwei Mitarbeiter des Erzbischofs Sapieha erschossen wurden, der hier irgendwo im Zusammenhang mit der Anklage einmal behauptet wurde, ist mir selbst aufs tiefste in die Seele gedrungen. Mehr kann ich nicht sagen. Die Kirchen waren in Betrieb, die Priesterseminare bildeten aus, die Priester hatten ihre Funktionsmöglichkeiten in jeder Weise. Das Kloster von Tschenstochau stand unter meinem persönlichen Schutz. Das Kloster der Camedulen bei Krakau, ein Orden, stand gleichfalls unter meinem persönlichen Schutz. Es waren große Plakate überall angebracht rings um das Kloster, daß dies Kloster von mir persönlich geschützt würde.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wann haben Sie zum ersten Male von dem Konzentrationslager Maidanek gehört?

FRANK: Den Namen Maidanek habe ich zum erstenmal 1944 im Zusammenhang mit den Auslandsmeldungen gehört. Aber um das Lager bei Lublin oder im Distrikt Lublin ging seit Jahren das Hin und Her, wenn ich so ganz allgemein sagen darf. Der Gouverneur Zörner teilte mir, ich glaube schon im Jahre 1941, einmal mit, daß die SS ein großes Konzentrationslager bei Lublin zu bauen gedenke und dazu große Anträge an Baumaterial und so etwas stelle. Ich habe damals den Staatssekretär Bühler beauftragt, der Sache sofort nachzugehen, und es wurde daraufhin mitgeteilt, und schriftlich auch vom Reichsführer-SS Himmler mitgeteilt, daß er ein großes Lager anlegen müßte, um den Bedarf der Waffen-SS an Kleidern, Schuhen, Wäsche in großen eigenen SS-Werkstätten herzustellen. So lief dieses Lager unter der Generalfirma: »SS-Werke« oder so ähnlich.

Nun muß ich sagen, war ich ja in der Lage, mich einigermaßen zu informieren. Da die Zeugen, die bisher vernommen wurden, unter Eid bestätigt haben, daß man in der Umgebung des Führers von all diesen Dingen nichts gewußt hat, waren wir draußen offenbar unabhängiger, und ich habe doch manches im feindlichen Rundfunk und in den feindlichen Zeitungen und neutralen Zeitungen gelesen. Auf dauernde Fragen, was mit den Juden geschehe, die man nun abtransportiere, wurde mir ununterbrochen die Antwort, sie würden nach dem Osten abtransportiert, um dort gesammelt zu werden, und dort zu arbeiten. Aber durch die Wände gleichsam drang der Geruch, und ich habe daher immer und unentwegt geforscht, was los ist. Einmal kam mir die Meldung, bei Belzec sei etwas los. Ich fuhr nach Belzec am anderen Tage. Globocnik zeigte mir einen Riesengraben, den er als Schutzwall aufrichtete mit vielen Tausenden Arbeitern, offenbar Juden. Ich sprach mit den einzelnen, woher sie kamen, wielange sie da wären, und er hat mir gesagt, Globocnik: »Sie arbeiten jetzt hier, und wenn sie fertig sind – sie sind aus dem Reich oder irgendwoher aus Frankreich – dann kommen sie weiter nach dem Osten.« In der Gegend selbst habe ich weitere Beobachtungen nicht gemacht.

Das Gerücht indessen, daß die Juden auf diese nunmehr ja weltbekannte Weise getötet würden, wollte nicht verstummen. Als ich den Wunsch äußerte, einmal diese SS-Werkstätten bei Lublin zu besichtigen, um mir dort einen Einblick zu verschaffen von den Werten und Leistungen, hieß es, hierzu brauche man eine Spezialerlaubnis Heinrich Himmlers. Ich habe bei Heinrich Himmler um diese Spezialerlaubnis nachgesucht. Er hat mir erklärt, er würde mich dringend bitten, nicht in das Lager zu gehen. Es verging wieder einige Zeit.

Am 7. Februar 1944 gelang es mir – zum drittenmal übrigens insgesamt in diesem Kriege – von Adolf Hitler persönlich empfangen zu werden. Ich habe ihm in Anwesenheit Bormanns die Frage gestellt: Mein Führer, die Gerüchte über die Vernichtung der Juden schweigen nicht. Man hört sie überall. Man kommt nirgends rein. In Auschwitz war ich einmal überraschend vorgefahren, um das Lager zu sehen. Ich wurde daraufhin mit dem Hinweis, daß in dem Lager eine Seuche herrsche, unterwegs mit meinem Auto abgelenkt. Ich sagte, mein Führer, was ist an der Sache? Der Führer sagte: »Sie können sich denken, Exekutionen gehen vor sich, das sind die Aufständischen. Im übrigen weiß ich nichts. Sprechen Sie mit Heinrich Himmler darüber.« Dann sagte ich: »Gut, Himmler hat uns ja in Krakau eine Rede gehalten, in der er vor allen Leuten, die ich offiziell zusammengerufen hatte, erklärt: Diese Gerüchte über die systematische Judenausrottung seien unrichtig; die Juden würden nach dem Osten gebracht.« Dann sagte der Führer: »Dann müssen Sie das glauben.«

Als ich nun aus der Auslandspresse 1944 die ersten Details bekam über diese Vorgänge, da war meine erste Frage an den SS-Obergruppenführer Koppe, der an die Stelle Krügers getreten war: »Nun wissen wir's« – sagte ich –, »das werden Sie nicht bestreiten.« Und dann sagte er, ihm sei von diesen Vorgängen nichts bekannt. Dies sei offenbar ein unmittelbarer Vorgang zwischen Heinrich Himmler und der dortigen Stelle. Ich sagte: »Ich habe aber doch im Jahre 1941 bereits von solchen Plänen gehört und habe darüber ja auch gesprochen.« Dann sagte er, das sei meine Sache, darum könne er sich nicht kümmern.

Das Lager Maidanek wurde also ausschließlich von der SS in diesem vorhin von mir genannten Sinne in derselben Weise wohl geführt, wie es der Zeuge Höß auch gesagt hat. Nur so kann ich mir das denken.

DR. SEIDL: Sie kannten also nicht die Zustände in den Lagern Treblinka, Auschwitz und den anderen? Gehörte Treblinka zu Maidanek, oder ist dies ein eigenes Lager?

FRANK: Das weiß ich nicht. Das scheint ein eigenes Lager zu sein. Auschwitz lag nicht in dem Gebiet des Generalgouvernements. Ich war weder in Maidanek noch in Treblinka, noch in Auschwitz.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Die Anklage hat unter US-275 den Bericht des SS-Brigadeführers Stroop über die Vernichtung des Warschauer Ghettos vorgelegt. War Ihnen vor Einleitung dieser Aktion darüber etwas bekannt, und haben Sie jemals diesen Bericht in die Hände bekommen?

FRANK: Ich war überrascht, als der amerikanische Hauptankläger in seiner Eröffnungsrede hier ein Dokument vorlegte mit Bildern über die Zerstörung des Warschauer Ghettos, als er sagte, daß dieser Bericht mir erstattet worden wäre. Aber es hat sich mittlerweile aufgeklärt. Der Bericht wurde mir niemals erstattet und ist mir auch in dieser Form niemals zugegangen. Es ist ja auch, gottlob, durch einige Zeugen und Affidavits in den letzten Tagen erst klargelegt worden, daß diese Zerstörung des Warschauer Ghettos auf unmittelbare Weisung Himmlers unter Umgehung aller Landeszuständigkeiten des Generalgouvernements durchgeführt wurde. Wenn bei unseren Sitzungen von diesem Ghetto die Rede war, dann hieß es immer, das war der Aufstand im Warschauer Ghetto, den wir selbst mit Artillerie niederkämpfen mußten. Berichte, die darüber vorlagen, waren mir von vorneherein nie glaubwürdig erschienen.

DR. SEIDL: Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um die Ernährung der Bevölkerung des Generalgouvernements sicherzustellen?

FRANK: Ja, eine Fülle von Maßnahmen: die Landwirtschaft wieder in Gang zu setzen, Maschinen zu importieren, eine gepflegte Feldwirtschaft den Leuten anzuerziehen, Selbsthilfekörperschaften aufzubauen, Saatgetreide zu verteilen in der üblichen Weise.

DR. SEIDL: Darüber wird dann der Zeuge Bühler sprechen.

FRANK: Das Reich hat hier übrigens sehr geholfen. Das Reich hat für viele Millionen Mark Saatgut, Fachleute, Zuchtvieh, Maschinen und so weiter eingeführt.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Sie haben nun angegeben, was Sie getan haben im Interesse der Wohlfahrt der Bevölkerung des Generalgouvernements. Es sind Ihnen aber von der Anklage eine Reihe von Äußerungen vorgehalten worden, und zwar aus Ihrem eigenen Tagebuch, die dem zu widersprechen scheinen. Wie wollen Sie diesen Widerspruch erklären?

FRANK: Das Tagebuch muß man eben als Gesamtheit nehmen. 43 Bände kann man nicht auslesen und einzelne Sätze aus dem Zusammenhang herausholen. Im übrigen aber möchte ich sagen, daß ich an den Wortlauten im einzelnen nicht mäkle und herumhandle. Es war eine wilde, stürmische Zeit mit furchtbaren Leidenschaften, und im Sturm und Drang eines flammenden Landes und eines Entscheidungskampfes auf Leben und Tod passieren derartige Worte.

DR. SEIDL: Herr Zeuge,...

FRANK: Sie sind im einzelnen furchtbar, die Worte: ich muß Ihnen sagen, auch ich bin erschüttert gewesen über manches Wort, das ich gesagt habe.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Unter US-297 hat die Anklage ein Dokument vorgelegt, das zum Gegenstand eine Besprechung hat, die Sie anscheinend im Jahre 1939 oder 1940 mit einem Offizier des Oberverwaltungschefs Ober-Ost gehabt haben. Ich lasse Ihnen dieses Dokument übergeben, und ich bitte mir zu sagen, ob der Inhalt dieses Dokuments, der Bericht dieses Mannes, übereinstimmt mit dem, was Sie gesagt haben. Es ist auf Seite 1 unten der zweite Abschnitt.

FRANK: Das ist eine der gekürzten Redezusammenfassungen,...

VORSITZENDER: Welches ist die PS-Nummer?

DR. SEIDL: Dr. Frank, was ist die Nummer?

FRANK: Ich glaube 297.

DR. SEIDL: Nein, auf dem Umschlag.

FRANK: Auf dem Umschlag steht 344. Ich gebe Ihnen das Dokument wieder zurück. Bitte fragen Sie mich einzelne Sätze daraus. Es ist mir unmöglich, den ganzen Inhalt zu lesen.

DR. SEIDL: Es ist die Nummer 297, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Jawohl, es ist US-297. Es ist EC- 344, Teil 16 und 17. Ist das richtig?

DR. SEIDL: Ja.

Es heißt hier folgendermaßen:

»In der ersten Unterredung, die der Leiter der Zentralabteilung mit Reichsminister Frank am 3. Oktober 1939 in Posen hatte, legte dieser seinen ihm vom Führer übertragenen Auftrag und die wirtschaftlichen Richtlinien dar, nach denen er die Verwaltung in Polen zu führen gedachte. Danach kam nur eine Ausnutzung des Landes durch rücksichtslose Ausschlachtung, Heranziehung der Arbeitskräfte zum Einsatz im Reich...« und so weiter in Frage.

So ähnlich heißt es ungefähr. Ich habe es zusammengefaßt, Herr Vorsitzender.

FRANK: Diese Äußerungen sind sicher in dieser Form nicht gefallen.

DR. SEIDL: Aber Sie wollen nicht die Möglichkeit ausschließen, daß Sie mit diesem Manne einmal gesprochen haben?

FRANK: Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern. Es ist mir vollkommen ferngelegen.

DR. SEIDL: Ich gehe dann zur nächsten Frage über.

FRANK: Im übrigen scheint mir wichtiger zu sein, was geschehen ist, als das, was damals geredet wurde.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß unzweifelhaft auch viele Übergriffe der Polizei und des SD auf das Bandenunwesen zurückzuführen sind?

FRANK: Bandenunwesen? Man muß sagen, das ist die Widerstandsbewegung gewesen, die vom ersten Tag an im Gange war und unter außerordentlicher Förderung unserer Kriegsfeinde wohl das schwerste Problem aufgab, das ich in all diesen Jahren zu bewältigen hatte. Denn diese Widerstandsbewegung war der ewige Ausredekomplex und Entschuldigungskomplex für Polizei und SS bei allen Maßnahmen, die vom Standpunkt einer geordneten Verwaltung aus zu beklagen waren. Tatsächlich hat diese Widerstandsbewegung, die ich nicht als Bandenunwesen bezeichnen will – denn wenn ein Volk, im Kriege besiegt, eine aktive Widerstandsbewegung organisiert, so ist das etwas durchaus Anzuerkennendes. Aber die Methoden der Widerstandsbewegung verließen im weiten Umfang diesen Rahmen einer heroischen Aufbäumung. Es wurden deutsche Frauen und Kinder niedergeschlachtet unter grauenhaftesten Umständen, deutsche Beamte erschossen, Züge zum Entgleisen gebracht, Molkereien zerstört und alle Maßnahmen zur Gesundung des Landes systematisch unterwühlt.

Und auf dem Hintergrund dieser Vorgänge, die Tag für Tag, unausgesetzt, fast die gesamte Zeit meiner Tätigkeit ausfüllten, muß überhaupt das Geschehen in diesem Lande betrachtet werden. Das wäre das, was ich in diesem Zusammenhang dazu zu sagen hätte.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Im Jahre 1944 ist unter der Führung des Generals Bor in Warschau der Aufstand ausgebrochen. Welchen Anteil hatte die Verwaltung des Generalgouvernements, und welchen Anteil hatten Sie selbst an der Niederschlagung dieses Aufstandes?

FRANK: Dieser Aufstand brach los, als die sowjetrussischen Armeen bis etwa 30 km auf dem Ostufer der Weichsel an Warschau herangekommen waren. Es war eine Art kombiniertes Unternehmen und, wie mir scheint, auch ein nationalpolnisches Unternehmen insofern, als die Polen in diesem letzten Augenblick die Befreiung ihrer Hauptstadt aus eigener Kraft durchführen wollten und sie nicht den Sowjetrussen verdanken wollten. Es schwebte ihnen dabei etwa vor das Bild, wie auch in Paris im letzten Augenblick die Widerstandbewegung, noch vor dem Anrücken der Alliierten, die Befreiung herbeigeführt hatte. Das Unternehmen spielte sich ausschließlich in militärischem Rahmen ab. Als Oberkommandant der zur Bekämpfung des Aufstandes eingesetzten deutschen Truppen wurde, glaube ich, der SS-General von dem Bach-Zelewski eingesetzt. Die Zivilverwaltung hat also an diesen Kämpfen keinen Anteil. Der Anteil der Zivilverwaltung beginnt erst nach der Kapitulation des Generals Bor, als damals die fürchterlichsten Rachebefehle aus dem Reiche kamen. So wehte mir eines Tages ein Brief auf den Tisch, daß der Führer die Abführung der gesamten Bevölkerung in deutsche Konzentrationslager verfügt hätte. Es bedurfte eines dreiwöchigen Kampfes, den ich allerdings siegreich bestanden habe, um diesen Wahnsinn abzuwenden und um zu erreichen, daß die flüchtige Bevölkerung Warschaus, die an dem Aufstand selbst ja keinerlei Anteil hatte, im Generalgouvernement selbst verteilt werden konnte. Es ist bei diesem Aufstand leider auch der schwerste Schaden für die Stadt Warschau an sich entstanden. Alles das, was in einigen Jahren aufgebaut worden war, ist in diesen wenigen Wochen niedergebrannt. Im übrigen wird vielleicht der Staatssekretär Bühler zur Zeitersparnis besser in der Lage sein, zweckmäßig über die Details zu berichten.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Es wird Ihnen auch zum Vorwurf gemacht, das kulturelle Leben der Bevölkerung des Generalgouvernements unterdrückt zu haben, insbesondere in Bezug auf Theater, Rundfunk, Film und so weiter. Was haben Sie dazu zu sagen?

FRANK: Das Bild des Generalgouvernements bot etwa das eines besetzten Landes. Wir brauchen von diesem Saal nicht weit ins Land zu schauen, um zu sehen, wie ein besetztes Land kulturell lebt. Wir hatten einen Rundfunk in polnischer Sprache, geleitet von Deutschen; wir hatten eine polnischsprachige Presse, beaufsichtigt von Deutschen, und wir hatten ein polnisches Schulwesen, Bürger- und Volksschulen, in denen am Schluß 80000 Lehrer im Dienste des Generalgouvernements Unterricht erteilten. Die polnischen Theater wurden, soweit möglich, in den Großstädten wieder eröffnet. Wo deutsche Theater eingeführt wurden, wurde gleichzeitig für ein polnisches Theater gesorgt; ja, es trat das groteske Bild ein, daß nach der im August 1944 erfolgten Verkündung des sogenannten totalen Krieges in Krakau das deutsche Theater geschlossen wurde, weil alle deutschen Theater damals geschlossen wurden, die polnischen Theater aber weiter spielten. Ich selbst habe aus den bedeutendsten Musikern Polens, die ich 1939 fand, Professoren und Virtuosen, die Philharmonie des Generalgouvernements gegründet, die bis zum Schlusse bestand und einen wesentlichen Beitrag zum Kunstleben, auch für Polen, leistete. Ich habe ein Chopin- Museum in Krakau errichtet und habe dazu aus ganz Europa die letzten Gegenstände, die an Chopin erinnern, zusammengetragen. Ich glaube, das genügt hierzu.

DR. SEIDL: Sie bestreiten also, irgendwelche Maßnahmen getroffen zu haben, die auf eine Ausrottung der polnischen und ukrainischen Kultur gerichtet waren?

FRANK: Kulturen kann man überhaupt nicht ausrotten, Maßnahmen, die dahingehend getroffen würden, wären unsinnig.

DR. SEIDL: Ist es richtig, soweit es überhaupt in Ihrer Macht stand, daß Sie alles getan haben, um Seuchen zu verhüten und um den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu bessern?

FRANK: Das wird im einzelnen der Staatssekretär Bühler bestätigen. Es geschah das Menschenmöglichste.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Die Anklage hat unter USSR-223 einen Tagebuchauszug vorgelegt, und zwar handelt es sich um den Bericht über die Polizeisitzung vom 30. Mai 1940. Hier heißt es auf Seite 33 bis 38 wie folgt:...

FRANK: Sie brauchen das nicht vorlesen, wenn es das Gericht nicht befiehlt.

DR. SEIDL: Ich will Ihnen nur einen Satz vorlesen; er bezieht sich auf die Krakauer Professoren, die Sie damals...

FRANK: Die Krakauer Professoren, darf ich das gleich sagen?

DR. SEIDL: Jawohl.

FRANK: Am 7. November 1939 bin ich nach Krakau gekommen Am 5. November 1939, vor meiner Ankunft, hat die SS und Polizei die Krakauer Professoren, wie ich nachher noch festgestellt habe, zu einer Sitzung zusammenberufen und hat daraufhin die Männer, darunter würdige Greise, verhaftet und in irgendein Konzentrationslager gebracht; ich glaube, es war Oranienburg. Diese Meldung fand ich vor. Allem gegenüber, was allenfalls an Worten in meinem Tagebuch steht, möchte ich hier unter Eid betonen: daß ich keine Ruhe gegeben habe, bevor nicht der letzte dieser Professoren, den ich noch erreichen konnte, im März 1940 wieder befreit worden war.

Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.

DR. SEIDL: Diese gleiche Polizeisitzung vom 30. Mai 1940 beschäftigt sich auch mit der sogenannten »AB-Aktion«, also mit der Außerordentlichen Befriedungs-Aktion. Bevor ich eine darauf bezügliche Frage an Sie richte, möchte ich Ihnen zwei kurze Tagebucheinträge vorlesen. Der eine bezieht sich auf eine Eintragung vom 16. Mai 1940. Sie haben nach Schilderung der außerordentlichen und stark angespannten Lage folgendes erklärt: daß zunächst einmal eine Befriedungsaktion einsetzen muß, und haben dann, ich zitiere es wörtlich, folgendes gesagt:

»Jede willkürliche Aktion ist aufs strengste zu verhindern. Bei allem Vorgehen hat immer der Gesichtspunkt des notwendigen Schutzes der Autorität des Führers und des Reiches im Vordergrund zu stehen.«

Ich lasse einige Sätze aus und zitiere den Schluß:

»Im übrigen ist die Aktion zunächst bis zum 15. Juni 1940 befristet.«

Am 12. Juli hat eine Besprechung stattgefunden, und zwar mit Ministerialrat Wille, dem Leiter der Hauptabteilung Justiz, und hier haben Sie wörtlich erklärt:

»Über die Frage, was mit den im Rahmen der AB-Aktion erfaßten politischen Verbrechern zu geschehen hat, soll demnächst eine Besprechung mit Staatssekretär Dr. Bühler, Obergruppenführer Krüger, Brigadeführer Streckenbach und Ministerialrat Wille stattfinden.«

Was ist nun eigentlich im Rahmen dieser AB-Aktion tatsächlich geschehen?

FRANK: Ja, ich kann hier nicht mehr und weniger sagen, als was das Tagebuch beinhaltet. Die Situation war auf das äußerste angespannt. In jenen Monaten häuften sich die Attentate in erschreckender Weise. Die allgemeine Hetze der Welt gegen jeden Versuch, Ordnung in diesem Lande zu halten, durch Förderungen der Widerstandsbewegung, hatte ein außerordentliches Maß erreicht, und so kam es eben zu dieser allgemeinen, auch in dem besetzten, nicht zum Generalgouvernement geschlagenen Gebiet, ich glaube, vom Führer selbst angeordneten allgemeinen Befriedungsaktion.

Mein Bemühen war, die Zahl und die Art in der Hand zu behalten, und das ist sicher geglückt. Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß ich im Zusammenhang damit auch verfügt habe, daß ich von dem Gnadenrecht in jedem Einzelfall Gebrauch zu machen wünschte, und daß ich zu diesem Zwecke auch die Polizei- und SS-Urteile, die auf Erschießen lauteten, einem Gnadenausschuß vorgelegt wissen wollte, den ich im Zusammenhang damit gebildet habe.

Das wird auch aus dem Tagebuch hervorgehen.

DR. SEIDL: Es wird auch der Zeuge Bühler darüber etwas wissen.

FRANK: Trotzdem möchte ich sagen, daß die Methode, die damals eingeschlagen wurde, ein gewaltiger Fehler war.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Haben Sie jemals den von der Sicherheitspolizei und dem SD eingeführten Grundsatz der Sippenhaftung anerkannt?

FRANK: Nein. Ich habe im Gegenteil, wie mir die erste Meldung darüber kam, mich bei Reichsminister Lammers über diese merkwürdige Rechtsentwicklung schriftlich beschwert.

DR. SEIDL: Der erste Höhere SS- und Polizeiführer Ost war der SS-Obergruppenführer Krüger. Wann wurde dieser SS-Führer abberufen, und wie ist es zu seiner Abberufung gekommen?

FRANK: Das Verhältnis zwischen ihm und mir wurde einfach ein vollkommen unmögliches. Er wollte ein ganz eigenes SS- und Polizeiregime, und es war nicht anders mehr zu lösen, als daß er oder ich ging. Es ist dann im letzten Augenblick, glaube ich, geglückt, durch die Intervention von Kaltenbrunner, wenn ich mich noch erinnere, und von Bach-Zelewski, diesen merkwürdigen Menschen zu beseitigen.

DR. SEIDL: Von der Anklage wurde einmal nebenbei erwähnt, daß es sich hier mehr um einen persönlichen Machtkampf gehandelt habe. Oder ist es richtig, daß es sich hier um Meinungsverschiedenheiten in ganz grundsätzlichen Fragen gehandelt hat?

FRANK: Es war selbstverständlich ein Machtkampf. Ich wollte eine Macht aufrichten im Sinne meiner Memoranden an den Führer und mußte daher die Macht der Gewalt bekämpfen. Persönliche Gesichtspunkte scheiden hier völlig aus.

DR. SEIDL: Der Nachfolger des SS-Obergruppenführers Krüger war der SS-Obergruppenführer Koppe. War er in seinen grundsätzlichen Einstellungen anders als sein Vorgänger?

FRANK: Ja, ich hatte den absoluten Eindruck gehabt, und ich denke auch gerade an ihn, wenn ich sage, daß gerade auch in der SS hervorragend anständige und auch für das Recht empfängliche Menschen vorhanden waren.

DR. SEIDL: Hat es im Generalgouvernement polnische und ukrainische Polizei gegeben?

FRANK: Ja. Es gab 25000 Mann polnische Sicherheits-, Kriminal- und Ordnungspolizei und es gab etwa 5000 Mann ukrainische Polizei. Auch die unterstanden natürlich dem deutschen Polizeiführer.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Ich komme nun zu einer der wichtigsten Fragen.

Sie haben im Jahre 1942 in Berlin, in Wien, in Heidelberg und in München große Reden gehalten zu einer großen Zuhörerschaft. Was war der Zweck dieser Reden und welche Folgen haben sich für Sie daraus ergeben?

FRANK: Die Reden liegen in ihrem Wortlaut fest. Es war der letzte Versuch, den ich gemacht habe, Adolf Hitler durch eine überwältigende Resonanz der deutschen Öffentlichkeit auf die Unsterblichkeit der Rechtsidee aufmerksam zu machen. Ich habe damals erklärt, daß ein Reich ohne Recht und ohne Menschlichkeit nicht mehr lange bestehen wird, und anderes in dieser Richtung mehr. Nachdem ich einige Tage auf Grund dieser Reden unter polizeilicher Sicherstellung war, in München, wurde ich meiner sämtlichen Parteiämter enthoben. Da es sich um einen innenpolitischen deutschen Vorgang handelte, der unter der Souveränität des Deutschen Reiches vor sich ging, erspare ich mir hier weitere Ausführungen.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß Sie im Zusammenhang damit neuerdings Ihren Rücktritt erklärt haben, und was haben Sie darauf für eine Antwort bekommen?

FRANK: Ja. Meinen Rücktritt habe ich ja sozusagen permanent erklärt. Daraufhin wurde dieselbe Antwort erteilt: Aus außenpolitischen Gründen könnte ich jetzt nicht entlassen werden.

DR. SEIDL: Ich hatte zunächst vor, Herr Zeuge, Ihnen aus dem Tagebuch eine Reihe von Zitaten, die die Anklage vorgelegt hat, vorzuhalten. Mit Hinblick darauf, daß wahrscheinlich die Anklage im Kreuzverhör das ja von sich aus tun wird, verzichte ich im Interesse der Zeitersparnis darauf.

Ich habe zunächst keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Wünscht einer der Verteidigungsanwälte Fragen zu stellen?

Wünscht die Anklagebehörde den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?

OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Angeklagter! Ich möchte Ihre Rechtsstellung, das heißt die Stellung, die Sie im System des faschistischen Staates eingenommen haben, genauer festlegen. Sagen Sie mir bitte, wann wurden Sie zum Generalgouverneur des besetzten Polens ernannt, und wem waren Sie direkt unterstellt?

FRANK: Das Datum ist der 26. Oktober 1939. Wenigstens trat an diesem Tage die Verordnung über den Generalgouverneur in Kraft.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Erinnern Sie sich, daß Sie auf Befehl Hitlers vom 12. Oktober 1939 direkt Hitler unterstellt waren?

FRANK: Ich habe den ersten Teil nicht gehört. Was war es?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Erinnern Sie sich an den Befehl Hitlers über Ihre Ernennung zum Generalgouverneur des besetzten Polens? Er war vom 12. Oktober 1939.

FRANK: Dies Datum ist auf keinen Fall bedeutungsvoll, denn die Verordnung trat erst am 26. Oktober 1939 in Kraft. Es steht ja auch im Reichsgesetzblatt. Ich war vorher Oberverwaltungschef bei dem Militärbefehlshaber, General von Rundstedt. Ich habe das schon ausgeführt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nach Paragraph 3, Absatz 1 dieses Erlasses wurden Sie Hitler direkt unterstellt.

FRANK: Was ist das für ein Befehl? Ich bitte, ihn mir zu zeigen. Die Verwaltungschefs in den besetzten Ostgebieten unterstanden durchwegs dem Führer direkt. Ja, ich darf zur Aufklärung sagen, im Paragraph 3 heißt es:

»Der Generalgouverneur untersteht mir unmittelbar.«

Aber im Paragraph 9 dieses Erlasses steht:

»Dieser Erlaß tritt in Kraft, sobald und soweit ich den dem Oberbefehlshaber des Heeres erteilten Auftrag zur Ausübung der Militärverwaltung zurückziehe.«

Und diese Zurückziehung, also die Inkrafttretung dieses Erlasses, erfolgte mit Wirkung vom 26. Oktober.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bin damit vollständig einverstanden; aus diesem Grunde gibt es auch eine Anweisung in dem Buch, an das Sie sich offensichtlich erinnern. Es ist das Buch »W«. Erinnern Sie sich des Buches des Generalgouvernements?

FRANK: Das steht ja in der Verordnung sicher drin.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gut. Wem waren Sie direkt unterstellt als dieser Befehl in Kraft trat?

FRANK: Was soll ich da lesen? Da sind verschiedene Eintragungen. Was wünschen Sie? Zu was soll ich Stellung nehmen?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es sagt, daß dieser Befehl am 26. Oktober in Kraft getreten ist. Als nun dieser Befehl in Kraft getreten ist, wem waren Sie unterstellt? Wurde noch ein anderer Befehl Hitlers herausgegeben oder nicht?

FRANK: Ja, es gibt nur eine grundlegende Verordnung über den Generalgouverneur. Das ist diese.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sehr richtig. Andere Anweisungen gab es nicht?

FRANK: Es gibt schon noch welche, zum Beispiel die...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das verstehe ich. Aber gab es nicht noch einen Befehl, der das Verwaltungssystem festlegte?

FRANK: Darf ich darauf verweisen, daß das am besten zu lesen ist auf Seite A-100 in Ihrem Buch. Dort ist nämlich der Erlaß des Führers wortwörtlich abgedruckt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sehr richtig.

FRANK: Da heißt es im Paragraph 9: »Der Erlaß tritt in Kraft...«, und das Datum war der 26. Oktober.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vollkommen richtig. Nach dem 26. Oktober waren Sie als Generalgouverneur Hitler direkt unterstellt?

FRANK: Jawohl.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sagen Sie mir bitte, vielleicht erinnern Sie sich noch daran, wann und von wem Sie zum Bevollmächtigten für die Durchführung des Vierjahresplans im besetzten Polen ernannt wurden?

FRANK: Von Göring.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Infolgedessen waren Sie der Bevollmächtigte Görings für die Durchführung des Vierjahresplans in Polen?

FRANK: Die Geschichte dieser Betreuung ist sehr kurz erzählt. Das Vorgehen von manchem Beauftragten des Vierjahresplans im Generalgouvernement war so, daß es mir größte Sorge bereitete. Deshalb habe ich mich damals an den Reichsmarschall gewandt und ihn gebeten, er möchte mich doch zum Beauftragten ernennen. Das war später, im Januar...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nein, es war im Dezember.

FRANK: Ja, also später, nach dieser Verordnung.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das heißt, daß Sie seit Dezember 1939 der Bevollmächtigte Görings für den Vierjahresplan waren?

FRANK: Von Göring? Ich war Bevollmächtigter des Vierjahresplans.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht erinnern Sie sich noch, daß im Oktober 1939 eine Verordnung über den Aufbau der Verwaltung im Generalgouvernement erlassen wurde?

FRANK: Ja, die sind ja hier drin.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht erinnern Sie sich noch an Paragraph 3 dieser Verordnung?

FRANK: Ja.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Dort heißt es:

»Der Geschäftsbereich des Staatssekretärs für das Si cherheitswesen wird durch den Generalgouverneur im Einvernehmen mit dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei festgelegt.«

Beweist dieser Paragraph 3 nicht, daß Sie vom ersten Tage an, als Sie Generalgouverneur wurden, die Führung der Polizei und der SS übernahmen und damit auch die Verantwortung für ihre Handlungen?

FRANK: Nein. Die Frage beantworte ich glatt mit Nein, und ich möchte nun dazu eine Ausführung machen. Es gibt einen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Angeklagter! Mich interessiert nicht, wie man es anders auslegen kann?

VORSITZENDER: Lassen Sie ihn seine Erklärung geben.

Angeklagter! Sie können Ihre Erklärung geben.

FRANK: Ich möchte eine ganz kurze Erklärung abgeben. Es gibt einen alten Rechtsgrundsatz, der heißt, daß niemand mehr Recht übertragen kann, als er hat. Das, was ich hier aufgestellt habe, das war das Idealbild, wie es mir vorschwebte und wie es hätte sein müssen. Und jeder muß bestätigen, daß das auch natürlich und logisch ist, daß die Polizei dem Verwaltungschef unterstellt ist. Der Führer, der allein darüber hätte entscheiden können, der hat diese Verordnung nicht erlassen. Ich habe aber nicht die Kraft gehabt und die Macht, diese Verordnung, die ich in schönen Worten aufgestellt habe, in die Tat umzusetzen. Das ist das, was ich dazu sagen wollte.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wenn ich Sie richtig verstehe, war dieser Paragraph 3 ein Ideal, dem Sie zustrebten, das Sie aber nicht erreichten. Ist das richtig?

FRANK: Ich bitte um Entschuldigung, aber es war nicht zu verstehen. Langsamer, es war sehr schlecht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Soll ich die Frage wiederholen?

VORSITZENDER: Jawohl.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe Sie folgendes gefragt: Ihre Aussage kann in folgender Weise aufgefaßt werden: Paragraph 3 dieser Verordnung war ein Ideal, dem Sie zustrebten, das Sie aber, wie Sie erklären, nicht erreichen konnten. Ist das richtig?

FRANK: Das ich nicht erreichen konnte, was ja schon bewiesen wird durch die Notwendigkeit, daß später das sogenannte eigene Staatssekretariat für das Sicherheitswesen als letzter Ausweg versucht wurde.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht erinnern Sie sich, daß im April 1942 besondere Verhandlungen zwischen Ihnen und Himmler stattfanden?

FRANK: Ja, sicher. Ich weiß nicht, worauf Sie sich stützen. Ich kann das Datum aus dem Kopf nicht sagen. Es war immer mein Versuch...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Zur Bestätigung dieser Tatsache wende ich mich Ihrem Tagebuch zu. Vielleicht erinnern Sie sich noch, daß als Ergebnis dieser Verhandlungen eine Vereinbarung zwischen Ihnen und Himmler erzielt wurde?

FRANK: Ja, eine Vereinbarung ist zustandegekommen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Um Sie an diese Umstände zu erinnern, möchte ich Ihnen diesen Band Ihres Tagebuches vorlegen, damit Sie den Text vor Augen haben.

FRANK: Was ist das? Ja bitte, ich bin bereit.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, sich den Paragraphen 2 dieser Vereinbarung anzusehen. Es ist ein kurzer Absatz, und es heißt dort...

VORSITZENDER: Wo können wir das finden? Steht es unter dem 21. April 1942?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sehr richtig, 21. April 1942. Ja, das ist ganz richtig.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben es.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es ist Dokument USSR-223. Es ist ins Englische übersetzt worden und wir werden es sofort übergeben.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben es jetzt. Wir versuchen nur, die Stelle zu finden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es ist auf Seite 18 des englischen Textes.

VORSITZENDER: Jawohl, fahren Sie fort.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, sich den Inhalt dieses Paragraphen ins Gedächtnis zurückzurufen. Hier steht:

»Der Höhere SS- und Polizeiführer (Staatssekretär) untersteht unmittelbar und direkt dem Generalgouverneur, im Falle von dessen Behinderung dessen Stellvertreter.«

Beweist das nicht, daß Himmler mit Ihrem sogenannten Ideal, daß die Polizei Ihnen unterstellt werden soll, einverstanden war?

FRANK: Sicher. Ich war an dem Tage einigermaßen zufrieden. Aber schon nach wenigen Tagen war das alles wieder in die Luft gesprengt. Ich kann auch hierzu nur sagen, daß diese Bemühungen von mir fortgesetzt wurden, aber leider niemals in die Tat umgesetzt werden konnten. Es heißt schon hier im Paragraph 3, wenn Sie weiterlesen wollen, daß der Reichsführer- SS, entsprechend dem kommenden Führererlaß, dem Staatssekretär unmittelbar Weisungen erteilen kann; also schon hier hat sich Himmler wieder das Recht vorbehalten, dem Krüger unmittelbar Weisungen zu erteilen. Und dann kommt das mit dem Einvernehmen...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das ist richtig. Ich bitte Sie aber, sich dem folgenden Teil des Dokuments zuzuwenden.

FRANK: Darf ich dazu aber sagen, daß diese Vereinbarung an sich nicht in Kraft getreten ist, sondern in der Form eines Führererlasses im Reichsgesetzblatt verkündet wurde, im Reichsgesetzblatt, ich weiß das Datum leider nicht auswendig. Es ist der Erlaß über die Regelung des Sicherheitswesens im Generalgouvernement, und dessen Wortlaut ist allein maßgebend. Hier heißt es ja auch: »Der kommende Führererlaß...«. Diese Vereinbarung war sozusagen eine schriftliche Fixierung dessen, was dann im Führererlaß stehen sollte.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich wollte gerade dazu übergehen. Sie geben doch zu, daß diese Verfügung beinahe wörtlich dem Führererlaß entspricht?

FRANK: Ich kann das unter Eid hier nicht sagen; dann müßten Sie mir den Wortlaut des Führererlasses liebenswürdigerweise geben.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gut.

Zufällig befindet sich dieser Erlaß in Ihrem Dokumentenbuch, Herr Vorsitzender!

FRANK: Es scheint mir, daß das Wesentlichste aus dieser Vereinbarung in diesen Erlaß übernommen worden ist, allerdings mit gewissen Abänderungen.

Jetzt hat man mir das Buch wieder weggenommen, jetzt kann ich es wieder nicht mehr vergleichen.

VORSITZENDER: Wir werden Ihnen das Buch geben.

FRANK: Und zwar sehr wichtige Änderungen sind da leider eingetreten.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, sich den Paragraphen 3 des Erlasses Hitlers vom 7. Mai 1942 anzusehen, in dem es heißt:

»Der Staatssekretär für das Sicherheitswesen untersteht dem Generalgouverneur unmittelbar.«

Wird damit nicht die Tatsache bestätigt, daß die Polizei im Generalgouvernement Ihnen direkt unterstellt war?

Es ist im Paragraph 3 dieses Erlasses enthalten.

FRANK: Ich möchte dazu sagen, daß dies nicht so ist. Die Polizei unterstand mir auch durch diesen Erlaß nicht, sondern nur der Staatssekretär für das Sicherheitswesen. Es heißt hier nicht, die Polizei untersteht dem Generalgouverneur, sondern nur der Staatssekretär für das Sicherheitswesen untersteht ihm. Wenn Sie den weiteren Paragraphen 4 lesen, dann kommen Sie sofort wieder auf die Schwierigkeiten. Hier wurde der Erlaß Adolf Hitlers in meiner Abwesenheit natürlich gefertigt. Ich wurde nicht vor Adolf Hitler zitiert, sonst hätte ich dagegen protestiert; aber es ist ja dann auch sowieso unpraktisch geworden.

Paragraph 4 lautet, daß der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei dem Staatssekretär für das Sicherheitswesen auf dem Gebiet des Sicherheitswesens und der Festigung deutschen Volkstums unmittelbar Weisungen erteilt hat. Wenn Sie damit die ursprüngliche Übereinkunft vergleichen, die also vorher im Tagebuch steht, so werden Sie finden, daß hier der Führer von einem der wichtigsten Gebiete abgegangen ist, nämlich von dem des Kommissars für die Festigung des deutschen Volkstums. Unter diesem Titel faßt man nämlich die Siedlungsfragen und die Judenfragen zusammen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich glaube, Angeklagter, Sie haben nur einen Gesichtspunkt der Frage betrachtet und den Erlaß etwas einseitig zitiert. Darf ich Sie an Paragraph 4 dieses Erlasses erinnern. Punkt 2 lautet wie folgt:

»Der Staatssekretär« – es ist die Rede von Krüger – »stellt vor dem Vollzug von Weisungen des Reichsfüh rers-SS und Chefs der Deutschen Polizei das Einvernehmen des Generalgouverneurs fest.«

Paragraph 5 dieses Erlasses von Hitler sagt:

»Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Generalgouverneur und dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei ist meine Entscheidung durch den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei einzuholen.«

In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Beweist das nicht, daß Ihnen bedeutende Rechte in der Leitung der Polizei und SS im Generalgouvernement eingeräumt wurden, das heißt, daß Sie auch die Verantwortung für die Handlungen dieser Organe hatten?

FRANK: Der Wortlaut des Erlasses bezeugt das. Aber die tatsächliche Entwicklung lief dem aufs schärfste zuwider. Ich glaube, daß wir dazu im einzelnen noch kommen werden. Ich behaupte also, daß auch dieser Versuch, einen gewissen Einfluß wenigstens auf die Polizei und SS zu bekommen, wieder mißlungen ist, auch mißlungen ist.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gestatten Sie mir dann die Frage: Wer hat sich dann darum bemüht? Hier scheint es Hitler zu sein; er unterzeichnete ja diese Verordnung. War denn Krüger mächtiger als Hitler?

FRANK: Die Frage ist mir an sich nicht ganz verständlich Sie meinen, daß sich Krüger gegen den Erlaß des Führers vergangen hat? Selbstverständlich hat er das, und das hat auch mit der Stärke nichts zu tun, sondern das wurde schon als eine ungeheure Konzession an mich von Himmler betrachtet. Außerdem verweise ich da auf ein Memorandum, ich glaube vom Sommer 1942, also kurz nach Inkrafttreten des Führererlasses.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich will nun die folgende Frage an Sie richten.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich nunmehr.