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[Dem Zeugen wird ein Dokument ausgehändigt.]

Kennen Sie diese Urkunde? Ist es Ihnen bekannt?

FRANK: Es ist eine Verordnung vom 2. Oktober 1943. Ich nehme an, daß sie mit dem Wortlaut des Verordnungstextes übereinstimmt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie stimmt mit dem Original völlig überein. Auf alle Fälle kann Ihr Verteidiger darauf achten, ob sie übereinstimmt oder nicht. Was halten Sie von diesem Befehl, den Sie unterschrieben haben?

FRANK: Ja, es ist hier.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie waren Präsident der Akademie für Deutsches Recht. Wie würden Sie vom Standpunkt der elementarsten Rechtsbegriffe aus diese von Ihnen unterzeichnete Verordnung beurteilen?

VORSITZENDER: Haben Sie die Nummer?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es ist USSR-335, Herr Vorsitzender.

FRANK: Das ist die allgemeine Fassung einer Standgerichtsverordnung. Es ist vorgesehen, daß das Verfahren einen Richter enthält, daß hierüber eine Urkunde ausgestellt wird, und daß das Verfahren schriftlich festgehalten wird. Außerdem stand bei mir das Gnadenrecht, so daß mir jedes Urteil vorzulegen war.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, mir zu sagen: Wie war das Standgericht zusammengesetzt? Wer waren seine Mitglieder? Vielleicht lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Paragraphen 3, Absatz 1.

FRANK: Die Sicherheitspolizei, ja.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie sprechen aber von Ihrer feindlichen Einstellung zum SD. Warum haben Sie denn gerade der Sicherheitspolizei das Recht gegeben, mit der polnischen Bevölkerung abzurechnen?

FRANK: Weil das der einzige Weg war, um überhaupt Einfluß auf die Urteile zu gewinnen. Wenn ich diese Verordnung nicht erlassen hätte, dann wäre das Wirken der Polizei einfach blindlings ohne jede Kontrollmöglichkeit gewesen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie sprachen über das Gnadenrecht, das Ihnen zustand. Vielleicht lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Paragraph 6 dieser Verordnung. Ich möchte Ihnen diesen Paragraphen in Erinnerung bringen:

»Die Urteile der Standgerichte der Sicherheitspolizei sind sofort vollstreckbar.«

Ich möchte Sie noch daran erinnern, daß es nur eine Möglichkeit des Urteils gab, und zwar: Tod. Was konnten Sie daran ändern, wenn der Verurteilte nach der Urteilsverkündung sofort erschossen oder gehängt wurde?

FRANK: Trotzdem mußte das Urteil mir unterbreitet werden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, aber die Urteile waren sofort vollstreckbar?

FRANK: Das ist eine allgemeine Anordnung, die ich gegeben habe im Zusammenhang wie mir das Gnadenrecht damals verliehen wurde, und der Gnadenausschuß ist ja auch ununterbrochen tätig gewesen. Es wurden die Akten eingeschickt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Da Sie nun vom Gnadenrecht sprechen, werde ich Ihnen noch eine Frage stellen. Erinnern Sie sich, was die AB-Aktion war?

FRANK: Ja.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Erinnern Sie sich, daß diese Aktion die Vernichtung Tausender polnischer Intellektueller bedeutete?

FRANK: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Was stellte sie denn sonst dar?

FRANK: Sie war im Rahmen der allgemeinen Befriedungsaktion gedacht und mein Plan war, zu erreichen, daß durch ein geregeltes Verfahren die Willküraktionen der Polizei ausgeschaltet wurden. Das war der ganze Inhalt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich verstehe Ihre Formulierung nicht ganz. Wie wurde mit den Leuten verfahren, die unter die AB-Aktion fielen? Was geschah mit diesen Leuten?

FRANK: Zunächst handelte es sich hier bei dieser Sitzung nur um die Verhaftung.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich frage Sie, was geschah mit ihnen?

FRANK: Man hat sie verhaftet und sichergestellt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Und was nachher?

FRANK: Und hernach wurden sie dem Verfahren, das eingerichtet war, unterstellt. Das war wenigstens meine Absicht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Oder wurde die Sache ausschließlich der Polizei übergeben?

FRANK: Die Polizei hat hier geführt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Also mit anderen Worten: Hat die Polizei die Vernichtung dieser Leute, nachdem sie verhaftet waren, durchgeführt? Stimmt das?

FRANK: Ja.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gut. Sagen Sie mir bitte, warum haben Sie bei der Durchführung dieser unmenschlichen Aktion von dem Ihnen zustehenden Gnadenrecht keinen Gebrauch gemacht?

FRANK: Ich machte davon Gebrauch.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich werde bitten, Ihnen Ihre eigenen Äußerungen vom 30. Mai 1940 vorzulegen. Sie werden sich wahrscheinlich an diese Besprechung mit der Polizei vom 30. Mai 1940 erinnern können?

FRANK: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie haben damals der Polizei Richtlinien gegeben. Sie haben gesagt:

»Jeder Versuch der Gerichtsbehörden, sich in die mit Hilfe der Polizei ergriffene AB-Aktion einzumischen, muß als Verrat am Staat und an deutschen Interessen betrachtet werden.«

Erinnern Sie sich dieser Worte?

FRANK: Ich erinnere mich nicht, aber Sie müssen die gesamten Zusammenhänge, die damit in Frage stehen, und die viele Wochen hindurch gehen, in Betracht ziehen. Sie müssen die gesamten Ausführungen betrachten und nicht nur einen Satz herausgreifen. Eine wochenlange, monatelange Entwicklung steht da drin; dazwischen liegt die Gründung des Gnadenausschusses, den ich damals überhaupt erst gegründet habe; dazwischen liegt mein Protest gegen die Willküraktionen; dazwischen liegt die Einbeziehung der Justiz in all diese Verfahren. Das ist ein Vorgang von vielen Wochen, den Sie nicht in einem Satz zusammenfassen dürfen, meines Erachtens.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich spreche von den Worten, die meines Erachtens für einen Juristen keine zweideutige Auslegung erlauben. Sie schreiben:

»Die bei mir eingeführte Gnadenkommission hat mit diesen Dingen nichts zu tun. Die AB-Aktion vollzieht sich ausschließlich zwischen dem Höheren SS- und Polizeiführer Krüger und seinen Organen. Es ist das eine rein interne Befriedungsaktion, die notwendig ist und die außerhalb des normalen Verfahrens liegt.«

Also haben Sie in diesem Fall vom Gnadenrecht doch keinen Gebrauch gemacht?

FRANK: In diesem besonderen Augenblick. Aber, wenn Sie die weitere Entwicklung der AB-Aktion in den nächsten Wochen verfolgen, dann werden Sie sehen, daß das nicht in Kraft getreten ist. Es war einmal eine Absicht, eine schlechte Absicht, die ich, Gott sei Dank, rechtzeitig aufgegeben habe. Vielleicht wird mein Verteidiger dazu noch einige Worte sprechen können.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Mich interessiert nur eine Frage: Haben Sie das Gnadenrecht aufgegeben oder nicht?

FRANK: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wie soll man denn Ihre Worte anders verstehen, diesen Satz zum Beispiel: »Die Gnadenkommission, die sich in meinem Amt befindet, hat mit der Aktion nichts zu tun.« Wie soll man diesen Satz auslegen?

FRANK: Das ist kein Erlaß, das ist keine Verordnung, das ist nicht die endgültige Regelung des Ganzen, sondern das ist eine momentan hingeworfene Bemerkung, die noch tagelang verhandelt wurde. Man muß doch das endgültige Bild bei einer Entwicklung erkennen und nicht aus dem Entwicklungsprozeß selbst die verschiedensten Motive.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, ich verstehe, Angeklagter, und frage Sie, ob Sie es während einer Besprechung mit der Polizei gesagt und ob Sie der Polizei diesbezügliche Richtlinien erteilt haben?

FRANK: In dieser Sitzung nicht. Ich nehme an, daß dies in einem anderen Zusammenhang dann geschehen ist. Hier wurde nur diese Aktion besprochen. Ich mußte ja auch mit dem Staatssekretär Bühler sprechen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gut! Als Sie diese AB-Aktion mit der Polizei besprochen hatten, sagten Sie, daß das Ergebnis dieser Aktion die Ihnen unterstehende Gnadenkommission nichts anginge. Das ist doch richtig?

FRANK: Dieser Satz steht im Tagebuch, ist aber nicht das Ergebnis, sondern ein Zwischenstadium.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht wäre es angebracht, Ihnen noch einen Satz in Erinnerung zu bringen, damit Sie die Ergebnisse dieser Aktion beurteilen können. Ich lasse Ihnen diese Stelle zeigen, damit Sie sich dessen entsinnen, Sie haben gesagt:

»Wir brauchen diese Elemente nicht erst in die Konzentrationslager des Reiches abzuschleppen, denn dann hätten wir nur Scherereien und einen unnötigen Briefwechsel mit den Familienangehörigen, sondern wir liquidieren die Dinge im Lande. Wir werden es auch in der Form tun, die die einfachste ist.«

Wovon war hier die Rede? Von der Liquidierung in der einfachsten Form, nicht wahr?

FRANK: Das ist ein furchtbares Wort; aber es ist, Gott sei Dank, nicht in dieser Form in die Tat umgesetzt worden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, aber diese Leute sind hingerichtet worden; wieso meinen Sie, daß es nicht in die Tat um gesetzt worden ist? Es ist doch in die Tat umgesetzt worden, denn die Leute wurden vernichtet.

FRANK: Wenn sie verurteilt wurden, sind sie getötet worden, wenn das Gnadenrecht nicht ausgeübt wurde.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Und sie wurden verurteilt ohne jede Anwendung des Gnadenrechtes.

FRANK: Ich glaube nicht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Unglücklicherweise sind diese Leute heute nicht da, also sind sie offenbar vernichtet worden.

FRANK: Welche Leute?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Diejenigen, die in der AB-Aktion verhaftet wurden. Ich möchte Sie noch an eine andere Stelle erinnern, die ebenfalls mit der AB-Aktion im Zusammenhang steht. Sie sagten, daß Sie mit der Polizei wegen verschiedener polizeilicher Maßnahmen nicht einverstanden waren. Wie wollen Sie denn die feierliche Ehrung des SS-Brigadeführers Streckenbach anläßlich seiner Abreise nach Berlin erklären? Zeigt es nicht, daß Sie mindestens in freundschaftlichen Beziehungen zur Polizei standen?

FRANK: Es gibt viel Lob im politischen Verkehr, das ausgesprochen wird, und das durchaus nicht der Wirklichkeit entspricht. Das wissen Sie genau so gut wie jeder andere.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich möchte mir erlauben, Ihnen nur eine Stelle aus Ihrer Rede an den SS-Brigadeführer Streckenbach in Erinnerung zu bringen. Nur einen Satz, Sie sagten damals:

»Was Sie, Brigadeführer Streckenbach, und Ihre Leute im Generalgouvernement gemacht haben, darf nicht vergessen werden, und Sie brauchen sich dessen nicht zu schämen«

Damit haben Sie in einer ganz bestimmten Form Ihre Beziehungen zu Streckenbach und seinen Leuten bezeugt.

FRANK: Es ist auch nicht vergessen worden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe keine weiteren Fragen an den Angeklagten.

VORSITZENDER: Endet damit das Kreuzverhör?

MR. DODD: Ich habe nur eine oder zwei Fragen, Herr Vorsitzender.