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[Pause von 10 Minuten.]

DR. SEIDL: Herr Präsident, meine Herren Richter! Bevor ich das Verhör des Zeugen Dr. Bühler fortsetze, bitte ich davon Kenntnis zu nehmen, daß ich auf die Vernehmung der Zeugin Helene Kraffczyk verzichte, so daß dieser Zeuge hier der letzte sein wird.

VORSITZENDER: Danke sehr.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Dem Angeklagten Dr. Frank wird von der Anklage zur Last gelegt, nicht alles in seinen Kräften stehende getan zu haben, um die Ernährung der Bevölkerung des Generalgouvernements sicherzustellen. Was können Sie dazu sagen?

BÜHLER: Der entscheidende Grund, die tiefste Ursache, aus der heraus die Versorgung der Bevölkerung des Generalgouvernements nicht in der gleichen Weise straff und zufriedenstellend durchgeführt war wie im Reich, ist in der mangelnden Mitwirkung der polnischen Bevölkerung an den deutschen Maßnahmen, die auf eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der Lebensmittelkontingente hinzielten, zu erblicken. Diese mangelhafte Mitwirkung erfolgte aus patriotischen Gründen und war hervorgerufen durch die Aversion gegen die deutsche Herrschaft und durch eine ständige, wirksame Propaganda von außen her. Ich glaube nicht, daß es ein Land in Europa gab, in dem so viel geplündert, geraubt, gestohlen, dem Schleichhandel zugeführt wurde und in dem so viel vernichtet wurde, so viel Sabotage getrieben wurde, um die Ernährung zu sabotieren, wie im Generalgouvernement. Nur ein Beispiel:

Die mit mühsamen Kräften herbeigeschafften Molkereimaschinen, das mühsamst aufgebaute Netz von Molkereien wurde immer und immer wieder zerstört, so daß eine einigermaßen umfassende Fetterfassung, Milcherfassung nicht stattfinden konnte. Ich schätze, daß das, was am freien Markt und im Schleichhandel an Fett im Generalgouvernement umgesetzt wurde, ein Mehrfaches dessen ist, was amtlich erfaßt wurde und verteilt werden konnte.

Ein weiterer entscheidender Grund ist darin zu erblicken, daß das Generalgouvernement ja aus einem bisher geschlossenen staatlichen und wirtschaftlichen Gebilde herausgeschnitten worden war, ohne daß auf eine wirtschaftliche Ausbalancierung das hinreichende Gewicht gelegt wurde.

Die großen Bedarfszentren des Generalgouvernements, also die Städte Warschau, Krakau, später Lemberg und auch das Industriegebiet in Mittelpolen waren vorher in ganz großem Ausmaß unmittelbar durch das Land, durch den Dauermarkt versorgt worden. Es fehlte in diesem Gebiet des Generalgouvernements an Getreidelagern, es fehlte an Kühlhäusern, es fehlte an einem umfassenden Molkereinetz, es fehlte an Vorratsräumen aller Art, um eine staatlich gelenkte oder staatliche Vorratswirtschaft betreiben zu können.

Die Regierung des Generalgouvernements mußte diese fehlenden Einrichtungen erst schrittweise ausbauen, und demgemäß gestaltete sich auch die Versorgung der Bevölkerung. Sie war nicht als Vollversorgung gedacht, sondern wurde etappenweise verbessert. Ich habe stets darauf Bedacht genommen, daß in den Bestimmungen über die Schleichhandelsbekämpfung Freigrenzen für den Erwerb von Lebensmitteln vorgesehen waren, und daß der Stadtbevölkerung der Weg zum Produzenten nicht erschwert oder unmöglich gemacht wurde. Im Jahre 1942 sollte die Rationszuteilung wieder gehoben werden; da kam ein Befehl vom Beauftragten für den Vierjahresplan, diese Anhebung der Rationen zu unterlassen und dem Reich bestimmte Kontingente an Lebensmitteln zuzuführen. Das heißt diese Lebensmittel wurden großenteils nicht aus dem Gebiet herausgeführt, sondern wurden an Ort und Stelle von der Wehrmacht verbraucht. Der Generalgouverneur hat einen ständigen Kampf mit den Vierjahresplan-Stellen geführt, um eine Anhebung und Verbesserung der Versorgung der polnischen Bevölkerung zu erreichen. Dieser Kampf war auch nicht ohne Erfolg. Es ist vielfach gelungen, die Rationssätze, besonders der Rüstungsarbeiter und der sonst privilegierten, arbeitenden Bevölkerung, erheblich zu verbessern.

Zusammenfassend möchte ich sagen, es war für die Bevölkerung des Generalgouvernements nicht leicht, sich den täglichen Lebensunterhalt zu besorgen. Es sind andererseits im Generalgouvernement keine Hungerkatastrophen aufgetreten und keine Hungerepidemien. Durch einen polnischen und ukrainischen Hilfsausschuß, der Delegationen in allen Bezirken des Generalgouvernements sitzen hatte, ist für eine Lebensmittelversorgung der besonders fürsorgebedürftigen Bevölkerung gesorgt worden. Ich habe mich dafür eingesetzt, daß dieser Ausschuß mit möglichst vielen Lebensmitteln versorgt wurde, um seine Wohltätigkeitsarbeit möglichst erfolgreich verrichten zu können, und mir ist bekannt, daß dieser Ausschuß sich besonders der Großstadtkinder angenommen hat.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Welche Maßnahmen hat der Generalgouverneur zur Sicherung der Kunstschätze in dem von ihm verwalteten Gebiet getroffen?

BÜHLER: Bereits mit einem Erlaß vom 16. Dezember 1939 hat der Reichsführer-SS in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums ohne Wissen des Generalgouverneurs sämtliche Kunstschätze des Generalgouvernements zu beschlagnahmen und ins Reich abzutransportieren befohlen. Dem Generalgouvernement ist es gelungen, diesen Transport größtenteils unmöglich zu machen. Im Generalgouvernement ist dann ferner ein Beauftragter für den Vierjahresplan erschienen, der Staatssekretär Mühlmann, der eine Vollmacht des Beauftragten für den Vierjahresplan zu besitzen erklärt hat. Ich habe mir diese Vollmacht vorlegen lassen. Sie war unterschrieben, nicht von Göring selber, sondern von einem Mann aus seiner Umgebung, Gritzbach. Dieser hatte den Auftrag, die Kunstschätze des Generalgouvernements von Reichs wegen sicherzustellen. Um diesen mit einer Reichsvollmacht ausgestatteten Beauftragten an das Generalgouvernement zu binden, hat der Generalgouverneur ihn kumulativ mit der Erfassung der Kunstschätze des Generalgouvernements beauftragt. Er hat diese Kunstschätze erfaßt, hat hierüber auch Kataloge drucken lassen, und ich weiß aus den Besprechungen, die beim Generalgouverneur geführt wurden, daß der Generalgouverneur stets das größte Gewicht darauf legte, daß die Kunstschätze im Raume des Generalgouvernements verblieben.

DR. SEIDL: Die Anklagevertretung hat unter Nr. US- 378, es handelt sich um das Dokument 1709-PS, einen Bericht über die Überprüfung der Gesamttätigkeit des Sonderbeauftragten für die Erfassung und Sicherung der Kunst- und Kulturschätze im Generalgouvernement vorgelegt. Auf Seite 6 dieses Berichtes heißt es wörtlich, ich zitiere:

»Prüfungsveranlassung:

Auftrag des Staatssekretärs der Regierung des Generalgouvernements vom 30. Juni 1942 auf Überprüfung der gesamten Tätigkeit des gemäß Verordnung des Herrn Generalgouverneurs vom 16. Dezember 1939 eingesetzten Sonderbeauftragten für die Erfassung und Sicherung der Kunst- und Kulturschätze im Generalgouvernement.«

Ich frage Sie, was hat Sie veranlaßt, im Jahre 1942 diesen Prüfungsauftrag zu erteilen; und hat der Bericht zu wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben?

BÜHLER: Die Veranlassung zu diesem Prüfungsauftrag hat mir die mögliche Pflichtenkollision bei Staatssekretär Mühlmann zwischen dem Auftrag des Reiches und dem Auftrag, den der Generalgouverneur erteilt hatte, gegeben. Auch war mal an mein Ohr die Kunde gedrungen, daß einige Museumsgegenstände schlampig aufbewahrt worden seien. Das Ergebnis der Prüfung war, daß dem Staatssekretär Mühlmann keinerlei Vorwürfe zu machen waren.

DR. SEIDL: Die Anklagevertretung hat ein weiteres Dokument vorgelegt, und zwar 3042-PS, US-Beweisstück 375. Es handelt sich hier um eine eidesstattliche Versicherung des Dr. Mühlmann; ich zitiere nun wörtlich:

»Ich war der Sonderbeauftragte des Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank, für die Sicherung der Kunst schätze im Generalgouvernement, Oktober 1939 bis September 1943. Den Auftrag hatte mir Göring in seiner Funktion als Vorsitzender des Reichsverteidigungsausschusses erteilt.

Ich bestätige, daß es die offizielle Politik des Generalgouverneurs Hans Frank war, alle wichtigen Kunstwerke, die polnischen öffentlichen Einrichtungen, privaten Sammlungen und der Kirche gehörten, in Verwahrung zu nehmen.

Ich bestätige, daß die erwähnten Kunstwerke tatsächlich konfisziert wurden, und ich bin mir darüber klar, daß sie im Falle eines deutschen Sieges nicht in Polen geblieben wären, sondern zur Vervollständigung des deutschen Kunstbesitzes verwendet worden wären.«

Ich frage Sie nun, ist es richtig, daß der Generalgouverneur von Anfang an alle sichergestellten Kunstschätze als Eigentum des Staates Generalgouvernement betrachtet hat?

BÜHLER: Soweit sie im staatlichen Eigentum standen, ja; soweit sie sich im Privatbesitz befanden, wurden sie vorläufig beschlagnahmt und sichergestellt; aber niemals hat der Generalgouverneur daran gedacht, sie ins Reich zu überführen. Hätte er das gewollt, dann hätte er gerade die Kriegssituation dazu benützen können, diese Kunstschätze hinüberzuschaffen. Woher der Zeuge dieses Wissen hat, wie der letzte Satz seiner eidesstattlichen Versicherung bekundet, ist mir unbekannt.

DR. SEIDL: Die Anklagevertretung hat ein Dokument L-37 vorgelegt, und zwar unter der Nummer US-506. Es ist dies ein Schreiben des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD für den Distrikt Radom an die Außenstelle Tomaszow vom 19 Juli 1944. Hier heißt es u. a. wörtlich:

»Der Höhere SS- und Polizeiführer Ost hat am 28. 6. 1944 folgenden Befehl erlassen:« –

Die nächsten Sätze lasse ich aus und zitiere wörtlich weiter. –

»Reichsführer-SS hat mit Zustimmung des Generalgouverneurs angeordnet, daß in allen Fällen, in denen Attentate oder Attentatsversuche auf Deutsche erfolgt sind oder Saboteure lebenswichtige Einrichtungen zerstörten, nicht nur die gefaßten Täter erschossen werden, sondern daß darüber hinaus die sämtlichen Männer der Sippe gleichfalls zu exekutieren und die dazugehörigen weiblichen Angehörigen über 16 Jahre in das KZ. einzuweisen sind.«

Ist Ihnen bekannt, ob der Generalgouverneur in dieser Frage jemals mit dem Reichsführer-SS gesprochen hat und ob er eine derartige Zustimmung gegeben hat?

BÜHLER: Mir ist über das Zustandekommen eines solchen Befehls nichts bekannt. Es ist in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 einmal ein Befehl über Sippenhaftung bei mir durchgegangen, ich kann aber nicht sagen, ob er das Reich oder das Generalgouvernement betraf; ein Polizeibefehl möchte ich sagen. Hätte er aber die Formulierung enthalten: »Mit Zustimmung des Generalgouvernements hat der Reichsführer-SS...«, dann hätte ich den Generalgouverneur deswegen zur Rede gestellt.

DR. SEIDL: Würde die Erteilung einer derartigen Zustimmung der grundsätzlichen Einstellung entsprechen, die Sie beim Generalgouverneur in dieser Frage kennengelernt haben?

BÜHLER: Die grundsätzliche Einstellung des Generalgouverneurs war gegenteilig. Sie war gegen jede Erschießung ohne Verfahren und ohne Rechtsgrund.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß der Generalgouverneur bereits vom Jahre 1940 an laufend Beschwerden beim Führer über die Maßnahmen der Polizei und des Sicherheitsdienstes erhoben hat?

BÜHLER: Ja, ich selber habe mindestens ein halbes Dutzend Denkschriften von der Größe etwa der vorliegenden entweder mit der Adresse an den Führer unmittelbar oder an den Führer über den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei verfertigt, in welchen laufend Beschwerden über Erschießungen, über Übergriffe bei der Werbung von Arbeitern, über die Hereinführung gebietsfremder Bevölkerung ohne Erlaubnis des Generalgouverneurs, über die Nahrungsmittellage, über die Vorkommnisse allgemein, welche mit den Grundlagen einer geordneten Verwaltung in Widerspruch standen, enthalten waren.

DR. SEIDL: Die Anklage hat eine dieser Denkschriften unter der Nummer US-610 vorgelegt. Es ist das ein Memorandum an den Führer vom 19. Juni 1943. Unterscheidet sich dieses Memorandum wesentlich von vorhergehenden oder späteren, und welche Stellung hat grundsätzlich der Führer auf diese Beschwerden und auf diese Vorschläge eingenommen?

BÜHLER: Das vorliegende Memorandum ist in der Art etwas anderes als die früheren. In den früheren Memoranden war direkte Anklage wegen dieser Vorkommnisse, wegen der Übergriffe der Polizei ausgedrückt und erhoben. Nachdem diese Memoranden ohne Erfolg waren, habe ich im Auftrag des Generalgouverneurs die dort in dem Memorandum vom 19. Juni enthaltenen Beschwerden in die Form eines politischen Vorschlages gekleidet. Die dort aufgezählten Gravamina waren nicht durch die Regierung des Generalgouverneurs verschuldet, sondern sie waren als Beschwerden über Eingriffe fremder Stellen zu bewerten.

DR. SEIDL: Im Tagebuch findet sich am 26. Oktober 1943 ein großer Rechenschaftsbericht über vier Jahre deutscher Aufbauarbeit im Generalgouvernement, der von Ihnen selbst erstattet wurde. Auf Grund welcher Unterlagen wurde dieser Bericht zusammengestellt?

BÜHLER: Ich habe diesen Bericht zusammengestellt auf Grund der Unterlagen, die mir die 13 Hauptabteilungen der Regierung geliefert haben.

DR. SEIDL: Nun eine grundsätzliche Frage: Wie war grundsätzlich die Einstellung des Generalgouverneurs gegenüber dem polnischen und ukrainischen Volke, so wie Sie sie während Ihrer fünf Jahre Tätigkeit als Chef der Regierung kennengelernt haben?

BÜHLER: Das oberste Prinzip war, in diesem Raume Ruhe zu halten und die Nutzungen aus diesem Raum durch Stärkung der Substanz möglichst zu steigern; dies in wirtschaftlicher Hinsicht. Um dies zu erreichen war nötig eine anständige Behandlung der Bevölkerung, die Unterlassung der Beeinträchtigung von Freiheit und Eigentum. Das waren die Grundlinien der Politik, nach denen ich im Auftrag des Generalgouverneurs als Staatssekretär der Regierung stets gehandelt habe.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß der Generalgouverneur sich auch bemüht hat, im Rahmen der besonders durch den Krieg bedingten Verhältnisse der Bevölkerung ein Mindestmaß an kultureller Fortentwicklung zu gewährleisten?

BÜHLER: Es war dies der Wunsch des Generalgouverneurs; er ist aber bei der Verwirklichung dieses Wunsches sehr häufig auf Widerstand gestoßen, der von der Sicherheitspolizei oder vom Propagandaministerium des Reiches ausging oder der auch in den Verhältnissen selber gelegen hat. Aber der Generalgouverneur wollte die polnische und ukrainische Bevölkerung nicht von der kulturellen Betätigung grundsätzlich ausschließen.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß er sich insbesondere auch darum bemüht hat, das höhere Schulwesen wieder in Gang zu bringen, und daß daher unter Umgehung der Richtlinien des Reiches sogenannte Fachschulkurse an Hochschulen eingerichtet wurden?

BÜHLER: An Fachschulen wurden allerdings von polnischen Umschulungsprofessoren in Warschau und in Lemberg Disziplinen gelehrt, wie sie etwa einer Universitätsausbildung entsprochen haben. Grundsätzlich wollte der Generalgouverneur auch Gymnasien eröffnen, auch Priesterseminare eröffnen; es ist aber stets wieder an dem Einspruch der Sicherheitspolizei gescheitert. Nachdem keine Einigung zu erreichen war, habe ich im Auftrag des Generalgouverneurs im Oktober 1944 eigenmächtig die Eröffnung von Gymnasien und meines Wissens auch von Priesterseminaren in Aussicht gestellt neben Gewährung einer gewissen beratenden Autonomie für die Polen. Zwei Tage nach der Veröffentlichung dieser Sache wurde mir allerdings als Führermeinung eröffnet, daß ich zur Ankündigung solcher Maßnahmen nicht berechtigt war.

DR. SEIDL: Im Tagebuch Dr. Franks wird häufig vom Grundsatz der Einheit der Verwaltung und davon gesprochen, daß der Generalgouverneur der Vertreter des Führers in diesem Raume und der Vertreter, der Repräsentant der Reichsgewalt sei. Stimmt diese Auffassung mit den Tatsachen überein? Und welche anderen Dienststellen des Reiches und der Partei haben sich in die Verwaltung des Generalgouvernements eingeschaltet?

BÜHLER: Die Vollmacht des Generalgouverneurs war bereits von Anfang an in vielen wichtigen Beziehungen durchlöchert. So war bereits vor Errichtung des Generalgouvernements dem Reichsführer-SS die Vollmacht eingeräumt worden, in allen besetzten Gebieten für die Festigung deutschen Volkstums besorgt zu sein. Der Beauftragte für den Vierjahresplan war gleichfalls gleichberechtigt und anordnungsberechtigt im Generalgouvernement. Aber auch noch viele Stellen der Rüstung, der Post, der Eisenbahn, des Bauwesens und noch andere Ressorts versuchten und haben mit Erfolg versucht, Teile der Verwaltung des Generalgouvernements an sich zu reißen oder Einfluß darauf zu gewinnen. Nachdem der Generalgouverneur seine Ämter als Reichsleiter im Jahre 1942 verloren hatte, war ein besonderer Andrang nach dieser Richtung hin festzustellen. Es war – ich möchte sagen – beinahe eine sportliche Begeisterung dafür, dem König von Polen Zacken aus seiner Krone herauszubrechen.

DB. SEIDL: Von wem wurden die Polizeibeamten im Generalgouvernement ernannt, eingesetzt, abgesetzt, bezahlt und in sonstiger beamtenrechtlicher Hinsicht betreut?

BÜHLER: Ausschließlich durch die Verwaltungsdienststelle Himmlers in Berlin.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß sogar Beamte der Verwaltung des Generalgouvernements von Krüger verhaftet wurden, und daß es nicht einmal dem Generalgouverneur möglich war, die Freilassung dieser Beamten zu erreichen? Ich erinnere an den Fall Scipessi.

BÜHLER: Ja, das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen. Auch aus meiner Umgebung wurden die Leute weg verhaftet, ohne daß ich verständigt wurde. In einem solchen Falle habe ich dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei eine Frist gestellt zur Freilassung eines solchen Beamten. Der Beamte wurde nicht freigelassen. Daraufhin habe ich die Abberufung des Befehlshabers der Sicherheitspolizei verlangt, und daraufhin wurde dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei das besondere Vertrauen Himmlers ausgesprochen und die Abberufung abgelehnt.

DR. SEIDL: Herr Zeuge! Wie lange hatte das Generalgouvernement überhaupt die Möglichkeit, unter friedensähnlichen Bedingungen zu arbeiten?

BÜHLER: Ich möchte beinahe sagen: überhaupt nie. Das erste Jahr wurde beansprucht, um die Kriegsschäden in Ordnung zu bringen. Es waren ja zerstörte Dörfer, zerstörte Städte da, zerstörte Verkehrseinrichtungen; Brücken waren in unzähliger Zahl gesprengt gewesen. Nachdem diese Zerstörungen, soweit es im kriegsbedingten Rahmen möglich war, wieder gutgemacht waren, war das Generalgouvernement bereits wieder das Aufmarschgebiet für den Krieg gegen den Osten, gegen die Russen, und dann Durchzugsgebiet zur Front und rückwärtiges Frontgebiet. Es war die große Reparaturwerkstätte für die Front.

DR. SEIDL: Eine nächste Frage; während des Krieges wurde von Himmler der Reichsregierung der Entwurf eines Gesetzes über die Behandlung gemeinschaftsfremder Elemente vorgelegt. Welche Stellung hat damals Dr. Frank zu diesem Entwurf eingenommen?

BÜHLER: Meiner Erinnerung nach –

VORSITZENDER: Dr. Seidl! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Dinge, über die der Zeuge aussagen soll, allgemein bekannt sind: jedermann kennt sie. Ich denke, Sie könnten das Verhör des Zeugen etwas schneller erledigen als Sie es tun.

DR. SEIDL: Jawohl. Er hat auch die Antwort schon gegeben. Herr Zeuge! Während des Krieges wurde von Himmler der Reichsregierung...

VORSITZENDER: Dr. Seidl! Ich meine doch Ihre weitere Vernehmung.

DR. SEIDL: Jawohl. Während des Krieges wurde von Himmler der Reichsregierung ein Entwurf eines Gesetzes über die Behandlung gemeinschaftsfremder Elemente vorgelegt.

BÜHLER: Jawohl.

DR. SEIDL: Welche Stellung hat der Generalgouverneur dazu eingenommen?

BÜHLER: Der Generalgouverneur hat Widerspruch dagegen erhoben; bei der Besprechung mit Heydrich im Februar 1942 hat Heydrich mir als besonderes Anliegen an den Generalgouverneur aufgegeben, er möge doch den Widerspruch gegen dieses Gesetz zurückziehen. Der Generalgouverneur hat es abgelehnt, diesem Ersuchen zu entsprechen.

DR. SEIDL: Die Anklagevertretung hat eine Wandtafel vorgelegt, in welcher Dr. Frank als weisungsberechtigt gegenüber dem Reichsjustizminister Thierack erschienen ist. Hat tatsächlich jemals ein derartiges Überordnungsverhältnis bestanden?

BÜHLER: Das muß ein Irrtum sein; ein solches Verhältnis hat nie bestanden?

DR. SEIDL: Wie war nach Ihren Beobachtungen das Verhältnis zwischen dem Generalgouverneur und dem Reichsführer-SS Himmler?

BÜHLER: Der Generalgouverneur und der Reichsführer-SS Himmler waren als Menschen so verschieden...

VORSITZENDER: Dr. Seidl! Wir haben doch den ganzen Vormittag über gehört, wie das Verhältnis zwischen dem Generalgouverneur und dem Reichsführer war.

DR. SEIDL: Ich verzichte dann auf die Frage.

Herr Zeuge! Die Sowjetische Anklagevertretung hat unter der Nummer USSR-931 eine Anlage zu dem Bericht der Polnischen Regierung vorgelegt. Die Anlage lautet: »Das kulturelle Leben in Polen«. Ich habe Ihnen bereits diese Anlage einmal gezeigt, und ich bitte, mir zu sagen, ob tatsächlich jemals vom Generalgouverneur oder seiner Regierung derartige Weisungen ergangen sind?

BÜHLER: Ich erinnere mich nicht, derartige Weisungen je unterzeichnet zu haben, auch nicht unterzeichnet vom Generalgouverneur gesehen zu haben. Dieses mir vorgelegte Dokument macht mir den Eindruck, als sei es eine Mystifikation oder eine Fälschung. Es ist dem Inhalt nach als solche eigentlich schon erkennbar.

DR. SEIDL: Im Tagebuch findet sich eine größere Anzahl von Einträgen, die in Bezug auf die Politik des Generalgouverneurs im Widerspruch zu stehen scheinen zu dem, was Sie vorhin als Zeuge hier selbst angegeben haben. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

BÜHLER: Diese Äußerungen des Gouverneurs, die mir auch bei früheren Vernehmungen vorgehalten wurden, scheinen nicht nur in Widerspruch zu stehen, sondern sie sind in eklatantem Widerspruch zu dem, was ich hier als Zeuge auch sagen mußte. Ich habe, da ich häufig auch Zeuge solcher Äußerungen war, mir den Kopf darüber zerbrochen, wie es zu diesen Äußerungen kam, und muß hierzu folgendes sagen: Herr Frank hat vielleicht mehr als es nötig war an den Besprechungen und an den Arbeiten der Regierungsinstanzen teilgenommen. Es hat kaum eine Konferenz stattgefunden, an welcher Herr Frank nicht teilgenommen hat. So kam es, daß er im Tage sehr häufig sprechen mußte, und er hat, ich möchte sagen, in 99 Prozent aller Fälle aus dem Stegreif gesprochen, aus seinem Temperament heraus, und ich war häufig Zeuge, wie er derartige groteske Äußerungen in einem der nächsten Sätze oder bei nächster Gelegenheit wieder eingefangen hat, wieder zu glätten versucht hat, wie er Vollmachten, die überraschenderweise von ihm gegeben wurden, wieder zurückgenommen hat. Ich bin überzeugt, daß, wenn ich das ganze Tagebuch durcharbeiten könnte, ich für jede dieser Äußerungen ein Dutzend, Dutzende andere entgegengesetzte Äußerungen nachweisen könnte.

DR. SEIDL: Das Tagebuch Franks umfaßt...

BÜHLER: Darf ich noch folgendes sagen. Wenn der Generalgouverneur mit seinen Verwaltungsleuten zusammensaß, hat er nie derartige Äußerungen gemacht. Ich erinnere mich wenigstens nicht. Diese Äußerungen wurden immer dann gemacht, wenn der Höhere SS- und Polizeiführer neben ihm gesessen hat, so daß ich den Eindruck gewonnen habe, daß er in solchen Augenblicken nicht frei war.

DR. SEIDL: Das Tagebuch des Angeklagten Dr. Frank umfaßt etwa 10000-12000 Schreibmaschinenseiten. Wer hat dieses Tagebuch geführt, er selbst oder dritte Personen?

BÜHLER: Dieses Tagebuch wurde nach meinen Beobachtungen von Stenographen geführt. Zuerst wurde es von einem Stenographen, Dr. Meidinger, geführt, später dann von zwei Stenographen, Nauk und Mohr. Es wurde in der Weise geführt, daß diese Stenographen bei den Verhandlungen im Zimmer anwesend waren und mitschrieben.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß zum Teil diese Tagebuchführer sich auch von dritten Personen berichten ließen, was auf einer Konferenz gesagt wurde.

BÜHLER: Ich habe öfters beobachtet, daß diese Protokollführer sich nicht die Mühe gegeben haben, wörtlich alles festzuhalten, sondern nur sinngemäße Zusammenfassungen ins Protokoll aufgenommen haben. Ich habe auch manchmal erlebt, daß ich darüber gefragt wurde, was der oder jener, oder der Generalgouverneur in der oder jener Angelegenheit gemeint oder gesagt hat.

DR. SEIDL: Hat der Generalgouverneur die Eintragungen im Tagebuch nachgesehen und nachgelesen?

BÜHLER: Aus meiner Kenntnis der Person des Generalgouverneurs glaube ich nicht, daß er sie nachgelesen hat.

VORSITZENDER: Wie kann dieser Zeuge sagen, ob er die Aufzeichnungen später nachgelesen hat?

DR. SEIDL: Herr Präsident! Der Zeuge Dr. Bühler ist der engste Mitarbeiter des Generalgouverneurs gewesen.

VORSITZENDER: Wenn Sie solche Fragen stellen wollen, hätten Sie den Angeklagten Frank selbst fragen sollen.

DR. SEIDL: Eine weitere Frage, Herr Zeuge! Was hat nach Ihren Beobachtungen den Generalgouverneur veranlaßt, dieses Tagebuch nicht zu vernichten, sondern es bei seiner Verhaftung mit zu übergeben?

BÜHLER: Ich war das letztemal am 15. März 1945 bei...

VORSITZENDER: Auch das, warum er es nicht vernichtet hat, ist eine Angelegenheit, die der Angeklagte Frank weiß, aber nicht der Zeuge.

DR. SEIDL: Er hat die Frage bereits beantwortet, und ich verzichte nun auf die Antwort des Zeugen.