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[Zum Zeugen gewandt:]

Nun noch eine letzte Frage. Im Jahre 1942 wurde im Anschluß an die Reden des Dr. Frank er seiner sämtlichen Parteistellungen enthoben. Welche Auswirkungen hatte das für seine Stellung als Generalgouverneur?

BÜHLER: Ich habe bereits darauf Bezug genommen. Es hat seine Autorität sehr geschwächt, und das Verwalten im Generalgouvernement ist dadurch noch viel schwerer geworden.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß der Generalgouverneur wiederholt, und zwar schriftlich und auch mündlich, seinen Rücktritt erklärt hat?

BÜHLER: Das schriftliche Rücktrittsersuchen habe ich mehrmals ausgearbeitet. Ich weiß auch, daß er mündlich des öfteren seinen Rücktritt erbeten hat, aber nie bewilligt erhalten hat.

DR. SEIDL: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Will noch ein Verteidiger Fragen stellen?

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Zeuge! Ist es richtig, daß der weitaus größte Teil der polnischen Arbeiter, die nach Deutschland kamen, bereits vor April 1942, also vor dem Dienstantritt Sauckels ins Reich gekommen waren?

BÜHLER: Genaues kann ich hierüber nicht sagen, aber ich weiß, daß die Werbung von Arbeitskräften schwächere und schwächere Ergebnisse hatte, daß die Hauptkontingente in der ersten Zeit, in den ersten Jahren, wohl geliefert worden sein dürften.

DR. SERVATIUS: Sind die Quoten an Arbeitskräften, die von dem Generalgouverneur verlangt wurden, von Sauckel herabgesetzt worden eben mit Rücksicht darauf, daß schon viele Polen im Reiche arbeiteten?

BÜHLER: Mir ist ein solcher Fall bekannt. Davon hat mir der Beauftragte Sauckels gesprochen, der Präsident Struve.

DR. SERVATIUS: Trifft es zu, daß aus dem polnischen Raum von Himmler für eigene Zwecke Arbeiter erfaßt wurden, und zwar ohne Wissen Sauckels, und ohne daß die Bestimmungen eingehalten wurden, die Sauckel erlassen hatte?

BÜHLER: Ich nehme an, daß dies erfolgt ist. Wenn mir über Arbeiterrazzien berichtet wurde, habe ich versucht, dies aufzuklären, dann hat allerdings die Polizei stets gesagt, das ist die Arbeiterverwaltung; die Arbeiterverwaltung hat gesagt, es ist die Polizei. Mir ist aber bekannt, daß Himmler einmal bei einem Besuch Warschaus sich sehr über die müßigen Eckensteher alteriert hat. Und ich halte es für durchaus möglich, daß diese Arbeiterrazzien in Warschau ohne Zuziehung der Arbeiterverwaltung eigenmächtig durch die Polizei durchgeführt wurden.

DR. SERVATIUS: Sind Ihnen die Richtlinien Sauckels bekannt über die Durchführung der Arbeitererfassung?

BÜHLER: Ich habe sie im einzelnen nicht gesehen, ich habe sie hier nicht gegenwärtig. Ich weiß nur, daß Sauckel bei einem Besuch in Krakau erklärt hat, daß er keine Gewaltanwendung befohlen habe.

DR. SERVATIUS: War das eine Ansprache Sauckels?

BÜHLER: Nein, das war eine Besprechung.

DR. SERVATIUS: Erinnern Sie sich einer Ansprache, die Sauckel in Krakau gehalten hat vor den Dienststellen?

BÜHLER: Er hat als Parteiredner gesprochen.

DR. SERVATIUS: Hat er dort Ausführungen über die Behandlung der Arbeiter gemacht?

BÜHLER: Diese Ausführungen wurden gemacht in einer Besprechung, die dem Besuch beim Generalgouverneur vorausging.

DR. SERVATIUS: Und in welcher Richtung sprach er sich aus?

BÜHLER: Meine Leute hatten wohl ihm und seinen Leuten vorgehalten, daß Übergriffe vorgekommen seien, und er hat darauf geantwortet, daß von ihm aus keine Gewaltanwendung befohlen sei, und hat bestritten, daß die Vorkommnisse, also die Verhaftung von Leuten aus Kinos heraus oder sonstigen Versammlungsstätten, daß die von ihm befohlen oder angeordnet seien.

DR. SERVATIUS: Kennen Sie die Struktur der Arbeiterverwaltung im Generalgouvernement?

BÜHLER: Die Hauptabteilung »Arbeit« war ein Teil meines Geschäftsbereiches.

DR. SERVATIUS: Hatte Sauckel denn einen unmittelbaren Einfluß auf die Durchführung der Erfassung?

BÜHLER: Er hatte nicht nur einen Einfluß, sondern er hat einen Beauftragten geschickt, der meinen Anweisungen nicht unterstand.

DR. SERVATIUS: Konnte der Beauftragte dann unmittelbar die Arbeitererfassung durchführen?

BÜHLER: Wenn er wollte, ja.

DR. SERVATIUS: In welcher Weise? Konnte er Weisungen geben oder unmittelbar befehlen?

BÜHLER: Die von Reichskommissar Sauckel eingesetzten Werbekolonnen unterstanden nicht meiner Befehlsgewalt. Ich habe mehrmals versucht, die Personalien dieser Leute in meine Hände zu bekommen. Dieser Versuch wurde immer mit dem Argument abgelehnt, daß diese Werbekolonnen in allen besetzten Gebieten eingesetzt werden müßten, und daß sie nicht an ein einzelnes Gebiet gebunden werden könnten. Also der Beauftragte Sauckels im Generalgouvernement, der in Personalunion der Leiter der Hauptabteilung »Arbeit« war, Präsident Struve, war einerseits von den Weisungen Sauckels abhängig und brauchte sich um mich nicht zu kümmern; auf der anderen Seite war er aber auch mir verantwortlich, soweit er als Präsident der Hauptabteilung »Arbeit« handelte.

DR. SERVATIUS: Wenn Zwangsrekrutierungen erforderlich waren, mit welchen Organen wurde dies durchgeführt? Konnten das die Werbekolonnen?

BÜHLER: Ich weiß das nicht; der Beauftragte hat Zwangsrekrutierungen stets in Abrede gestellt.

DR. SERVATIUS: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger Fragen zu stellen?

Wünscht die Anklagebehörde ein Kreuzverhör?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Zeuge! Ich möchte Ihre amtliche Stellung genauer bestimmen. Vom Jahre 1940 bis zum Augenblick der Befreiung Polens waren Sie doch Franks Stellvertreter?

BÜHLER: Ich habe dem Generalgouverneur von Ende September bis November 1939 in leitender Funktion in seinem Arbeitsstab gedient. Im November 1939 wurde ich Chef des Amtes des Generalgouverneurs, das war die zentrale Verwaltungsbehörde des Generalgouverneurs in Krakau. In der zweiten Hälfte des Jahres 1940 wurde die Bezeichnung dieser Funktion in Staatssekretär der Regierung umgewandelt, und ich bin Staatssekretär der Regierung gewesen bis zu meinem Weggang von Krakau am 18. Januar 1945.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Infolgedessen waren Sie also der erste Stellvertreter des Angeklagten Hans Frank, nicht wahr?

BÜHLER: Mein Geschäftsbereich war genau umrissen. Ich hatte die Verwaltungsgeschäfte zu führen. Meiner Befehlsgewalt unterstanden nicht die Polizei, die Partei, nicht die Wehrmacht und nicht die Reichsdienststellen, die unmittelbar im Raum des Generalgouvernements tätig waren.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wenn Frank wegfuhr, wer vertrat ihn dann?

BÜHLER: Der Stellvertreter des Generalgouverneurs war Seyß-Inquart, der Reichsminister Seyß-Inquart.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Und nach der Abreise Seyß-Inquarts?

BÜHLER: Nach der Abreise Seyß-Inquarts war ein Vakuum; ich kann den Monat nicht mehr anführen, ich nehme an im Jahre 1941 wurde ich zum Stellvertreter des Generalgouverneurs bestellt. Aber diese Bestellung wurde nur mit Modifikationen zugelassen. Ich sollte den Generalgouverneur dann vertreten, wenn er weder im Raum anwesend, noch...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Bitte, antworten Sie mir kurz. Wenn Frank weg war, wer vollzog dann seine Amtshandlungen?

BÜHLER: Ich antworte so, wie mein Gewissen das mir eingibt. Wenn Frank im Raum nicht anwesend war und auch außerhalb des Raumes nicht zu erreichen war, dann sollte ich ihn vertreten.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich verstehe. Sie haben ihn also vertreten, wenn er abwesend war. Ist das richtig?

BÜHLER: Ja, wenn er auch auswärts nicht zu erreichen war.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, ja. Das ist genau das, was ich Sie fragte.

Bitte legen Sie dem Zeugen das maschinengeschriebene Protokoll der Besprechung vom 25. Januar vor. Zuerst soll er sich die Liste der Anwesenden ansehen. Der Gerichtshof wird die Stelle, die ich zitieren möchte...

VORSITZENDER: Welches Jahr? Sie sagten 25. Januar?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: 1943, Herr Vorsitzender. Der Gerichtshof wird diese Stelle auf Seite 7 finden, Beweisstück USSR-223, 6. Absatz.