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[Zum Zeugen gewandt:]

Ist das Ihre Unterschrift in der Anwesenheitsliste?

BÜHLER: Meine Unterschrift, ja.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie waren also bei dieser Besprechung zugegen, nicht wahr?

BÜHLER: 1943, jawohl.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich werde drei Sätze aus dem Protokoll dieser Sitzung zitieren. Bitte geben Sie dem Zeugen das Original. Ich zitiere drei Sätze aus diesem Dokument. Es ist eine Rede Dr. Franks:

»... möchte ich eines betonen: zimperlich dürfen wir nicht sein, wenn wir die Zahl von 17000 Erschossenen hören. Diese Erschossenen sind eben auch Kriegsopfer... Wir wollen uns daran erinnern, daß wir alle miteinander, die wir hier versammelt sind, in der Kriegsverbrecherliste des Herrn Roosevelt figurieren. Ich habe die Ehre, Nummer 1 zu sein. Wir sind also sozusagen Komplicen im welthistorischen Sinne geworden.«

Ihr Name ist der zweite in der Liste der Teilnehmer an dieser Besprechung. Sind Sie nicht der Ansicht, daß Frank genügende Gründe hatte, um gerade Sie als einen der tätigsten Mithelfer an den von ihm begangenen Verbrechen zu betrachten?

BÜHLER: Über derartige Äußerungen des Generalgouverneurs habe ich das Nötige vorher schon gesagt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie erklären es also mit dem Temperament des Generalgouverneurs?

VORSITZENDER: Zeuge! Das ist doch keine Antwort auf diese Frage. Die Frage war: Halten Sie sich für einen dieser Verbrecher?

BÜHLER: Ich halte mich für keinen Verbrecher.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wenn Sie sich nicht als Verbrecher betrachten, dann werden Sie sich vielleicht daran erinnern, wer persönlich – ich unterstreiche das Wort »persönlich« – an dem Erlaß und der Ausführung eines der grausamsten Befehle Franks gegen die polnische Bevölkerung teilgenommen hat? Ich spreche von der Verordnung vom 2. Oktober 1942. Haben Sie an ihr nicht mitgewirkt?

BÜHLER: Welche Maßnahmen, welche Verordnung? Wollen Sie mir diese zeigen?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich spreche von der Verordnung, die am 2. Oktober 1943 unterschrieben und am 9, Oktober 1943 veröffentlicht wurde. Es ist USSR-335, eine Verordnung über die Einrichtung sogenannter Standgerichte der Geheimpolizei.

BÜHLER: Dieser Verordnungsentwurf stammt nicht aus meinem Geschäftsbereich.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie bestreiten also, an der Inkraftsetzung dieser grausamen Verordnung teilgenommen zu haben?

BÜHLER: Jawohl, die Verordnung stammt vom Geschäftsbereich der Polizei.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Die Stelle, die ich zitieren will, befindet sich auf Seite 35 unseres Dokumentenbuches. Es ist Absatz 4 der englischen Übersetzung.

[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie nicht gemeinsam mit Dr. Weh, als sogar Frank zögerte, diese Verordnung zu unterzeichnen, ihn erfolgreich zur Unterschrift und Inkraftsetzung eines Erlasses von eindeutig terroristischer Natur überredet, um die Lynchjustiz der Polizei zu legalisieren?

Ich zitiere Seite 142 der Niederschrift der Besprechung mit Staatssekretär Dr. Bühler, das sind augenscheinlich Sie, und mit Dr. Weh über den Entwurf eines Erlasses von Dr. Weh zur Bekämpfung von Angriffen gegen das deutsche Aufbauwerk im Generalgouvernement:

»Nach kurzer Erläuterung durch Staatssekretär Dr. Bühler und Dr. Weh stellt der Herr Generalgouverneur seine Bedenken zurück und unterzeichnet den Verordnungsentwurf.«

Waren Sie das nicht?

BÜHLER: Ich bitte die Dolmetscherin um Wiederholung der Frage.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich frage Sie, waren nicht Sie es, der Frank überredete, diese Verordnung so schnell wie möglich zu unterzeichnen?

BÜHLER: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nein? Sind also diese Eintragungen falsch?

BÜHLER: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wie soll ich Sie dann verstehen, wenn Sie in beiden Fällen nein sagen?

BÜHLER: Ja, ich kann Ihnen das genau erklären. Dieser Verordnungsentwurf war von dem neu ins Generalgouvernement versetzten SS-Oberführer Bierkamp dem Generalgouverneur vorgelegt worden. Der Generalgouverneur hat diesen Verordnungsentwurf....

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wollen Sie bitte...

VORSITZENDER: Er ist mitten in der Antwort. Sie müssen den Mann antworten lassen. Was wollten Sie sagen? Sie sagten, der Entwurf sei von jemand anderem gemacht worden?

BÜHLER: Dieser Verordnungsentwurf war von diesem Bierkamp, der eben neu ins Generalgouvernement gekommen war, dem Generalgouverneur vorgelegt worden. Der Generalgouverneur hat diesen Verordnungsentwurf zurückgegeben und ihn in der Gesetzgebungsabteilung bearbeiten lassen, und wie er dem Generalgouverneur vorgelegt wurde, haben sich die Bedenken des Generalgouverneurs darauf bezogen, ob nunmehr die Gesetzgebungsabteilung diesen Verordnungsentwurf bearbeitet hatte oder nicht. Eine materielle Verantwortung für diesen Verordnungsentwurf übernehme ich nicht, hatte ich auch nicht zu übernehmen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie haben also in diesem Falle Frank einfach erklärt, daß dieser Verordnungsentwurf in der zuständigen Abteilung genügend überarbeitet worden war. Ist das richtig?

BÜHLER: In der Gesetzgebungsabteilung, jawohl.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Daraufhin unterschrieb der Generalgouverneur die Verordnung?

BÜHLER: Offenbar.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Waren Sie es nicht, der bei der Konferenz vom 23. Oktober 1943, als ein Brief des Grafen Ronikier, der Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, besprochen wurde, auf die praktische Auslegung dieser grausamen Verordnung vom 2. Oktober hinwies und auch erklärte, daß die Anwendung dieser Verordnung in Zukunft auch die Tarnung von Geiselerschießungen zulasse, indem man ihnen den Anschein eines Rechtsspruches gäbe? Waren Sie das nicht?

BÜHLER: Ich bitte, die Frage nochmals zu wiederholen. Ich verstehe nur die Hälfte.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Waren Sie nicht die Person, die bei einer Konferenz am 23. Oktober 1943 über die praktische Auslegung der Verordnung vom 2. Oktober sprach und erklärte, daß sie die Tarnung von Geiselerschießungen erlaube, indem man ihnen den Anschein eines gerichtlichen Urteils geben könne?

BÜHLER: Ich bin noch nicht ganz im Bilde. Darf ich wiederholen, was ich verstanden habe.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Bitte.

BÜHLER: Sie wollen mich fragen, ob ich es war, der bei einer Besprechung vom 23. Oktober 1944...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: 1943.

BÜHLER: 1943. Der bei einer Besprechung vom 23. Oktober 1943 erklärte... Ja, was erklärte?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Daß die Anwendung dieser Verordnung vom 2. Oktober der Tarnung von Geiselerschießungen dienen würde.

BÜHLER: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Meine Herren Richter! Die Stelle, die ich jetzt zitieren möchte, werden Sie auf Seite 26 der englischen Übersetzung von Beweisstück USSR-223, im 4. Abschnitt, finden. Ich werde Ihnen jetzt Ihre eigenen Worte vorhalten:

»Staatssekretär Dr. Bühler hält es für geboten, diejenigen Polen, die erschossen werden sollen, vorher in einem geordneten Standgerichtsverfahren abzuurteilen. Auch müsse es fürderhin vermieden werden, diese Polen als Geiseln zu bezeichnen; denn die Erschießung von Geiseln sei immer ein beklagenswerter Vorgang und gebe dem Ausland nur Argumente gegen die deutsche Führung im Generalgouvernement.«

BÜHLER: Das habe ich gesagt und habe mich damit gegen Geiselerschießungen und gegen Aburteilung ohne Standgerichtsverfahren gewendet und wenden wollen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Betrachten Sie die Aburteilung durch ein Gericht, das aus hohen Polizeioffizieren besteht, als gerecht? Ist es nicht eine Verhöhnung der Gerechtigkeit selbst?

BÜHLER: Welches Gericht meinen Sie? Ich habe für Standgerichte plädiert.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, davon spreche ich, von den Standgerichten, die aus Gestapobeamten des Generalgouvernements zusammengestellt waren, entsprechend der Verordnung vom 2. Oktober.

BÜHLER: Ich kann Ihnen darüber Auskunft geben, welche Gründe vermutlich zu dieser Verschärfung der Standgerichtsbarkeit vom 2. Oktober geführt haben, damit Sie sich erklären können, wie es psychologisch überhaupt zu dieser Verordnung gekommen ist.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bin nicht besonders an Psychologie interessiert. Was ich wissen möchte, ist, ob ein Gericht, das sich aus Beamten der Gestapo zusammensetzt, wirklich als Gericht bezeichnet werden kann, oder ob das nicht eine Verhöhnung der Idee eines Gerichtshofs darstellt.

BÜHLER: Die Standgerichte waren genau nach der Verordnung zu besetzen. Ich bin nicht der Ansicht, daß ein Standgericht, das ausschließlich von Polizeileuten besetzt ist, deshalb kein Standgericht sein soll. Ich habe aber diese Ausführungen, die Sie mir vorgehalten haben, nicht im Hinblick auf diese Verordnung vom 2. Oktober gemacht, sondern ich habe da allgemein die Aburteilung durch Standgerichte verlangt und die Erschießung von Geiseln als bedauerliche Tatsache bezeichnet.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Vielleicht sehen Sie sich Paragraph 3 der Verordnung an der festlegt, wie diese Gerichte zusammengesetzt sein sollten, Paragraph 3 und 4. Ich verlese Paragraph 4 in das Sitzungsprotokoll:

»Die Standgerichte der Sicherheitspolizei setzen sich zusammen aus einem SS-Führer der Dienststelle des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes sowie aus zwei Angehörigen dieser Dienststelle.«

Zeigt nicht allein schon diese Zusammensetzung der Gerichte, welche Art von Urteilen sie fällen würden?

BÜHLER: Haben Sie mich gefragt?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja.

BÜHLER: Ob ich ein Standgericht für ein Gericht halte? Ich meine, Sie fragen mich über Angelegenheiten, die nicht aus meinem Geschäftsbereich stammen. Ich bin nicht im Bilde, mit welcher Begründung diese Gerichte in dieser Weise zusammengesetzt wurden. Ich kann daher auch hierüber nichts sagen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht sehen Sie sich die Unterschrift unter dieser Verordnung an. Sie ist von Frank unterschrieben, und Sie waren es, der versuchte, Frank zu überreden, diese Verordnung zu unterschreiben.

BÜHLER: Ich glaubte, vorher diesen Irrtum schon richtiggestellt zu haben. Ich habe nicht Herrn Frank beredet, diesen Befehl zu unterschreiben, sondern habe ihm erklärt, daß diese Verordnung in der Gesetzgebungsabteilung bearbeitet war. Ich muß nach wie vor die materielle Verantwortung für diese Verordnung ablehnen, weil sie nicht meinem Geschäftsbereich angehört.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich möchte zu einer anderen Fragengruppe übergehen. Erinnern Sie sich an die ersten Ergebnisse dieser Verordnung, insbesondere an den Bericht des Obergruppenführers Bierkamp bei der Besprechung am 27. Oktober 1943 in Krakau?

BÜHLER: Ich erinnere mich nicht ohne irgendwelche Gedächtnisstütze.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Dann werde ich Ihnen die Stelle zeigen, die ich zitieren möchte.

Meine Herren Richter! Diese Stelle findet sich auf Seite 26 unseres Dokuments, im letzten Abschnitt des Textes. Ich zitiere:

»Die Sicherheitspolizei habe viele Leute, die seit dem 10. Oktober auf Grund der Verordnung vom gleichen Tage strafbare Handlungen begangen haben, in Händen. Diese seien zum Tode verurteilt und würden als Sühne für Verbrechen erschossen. Ihre Namen würden der Bevölkerung durch Plakate bekanntgegeben und ihr mitgeteilt, daß die und die Leute Begnadigung zu erwarten hätten, wenn nicht andere weitere Morde an Deutschen vorkämen. Für einen ermordeten Deutschen würden 10 dieser Polen hingerichtet...«

Beweist das nicht, daß schon seit den ersten Tagen der Inkraftsetzung dieser Verordnung Franks diese nur zur Tarnung für die Massenhinrichtung von Geiseln diente.

BÜHLER: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Was bedeutet dann dieser Satz: »Für einen ermordeten Deutschen würden 10 dieser Polen«, die in keiner Weise mit dem Verbrechen in Verbindung stehen, »hingerichtet« auf Grund dieser sogenannten »Urteile«?

BÜHLER: Das bezeugt meines Erachtens, wenn ich das richtig auslege, daß zehn Polen erschossen würden, die todeswürdige Handlungen begangen hatten und zum Tode verurteilt worden waren.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Für jeden getöteten Deutschen!

BÜHLER: Es ist möglich, daß diese Polen als Geiseln bezeichnet wurden. Das ist möglich.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es bedeutet also, daß diese Verordnung das System der Geiselnahme tarnte?

BÜHLER: Nein, es ist wohl so, daß echte Geiselerschießungen nicht mehr vorkamen. Echte Geiselerschießungen liegen dann vor, wenn Leute erschossen werden, die keine Verbrecher sind, sondern unschuldig wegen irgendeiner anderen Tat erschossen werden.

VORSITZENDER: Halten Sie das nicht für einen günstigen Augenblick, abzubrechen?