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[Zum Zeugen gewandt:]

Erinnern Sie sich daran? Wer war demnach der Urheber dieser verbrecherischen Übung des Geiselnehmens?

BÜHLER: Wollen Sie etwa behaupten, daß ich bei dieser Besprechung zugegen war?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich möchte Sie über etwas anderes fragen.

BÜHLER: Ich bitte meine Frage zu beantworten. War ich anwesend oder war ich nicht anwesend?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nein, ich brauche Ihnen keine Antwort zu geben. Sie sind Zeuge und haben auf meine Frage zu antworten. Ich verhöre Sie, nicht Sie mich.

Ich bitte Sie, auf folgende Frage zu antworten. Ihr Wohnort war Krakau. Auf Befehl Franks hat Dr. Wächter als Vorsichtsmaßnahme 120 Geiseln festgesetzt. Wollen Sie vielleicht sagen, daß Sie auch davon nichts wußten?

BÜHLER: Über diese Maßnahmen wußte ich nichts. Mir ist auch nicht bekannt, daß Geiseln erschossen wurden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, folgende Frage zu beantworten. Habe ich Sie richtig verstanden, als Sie heute davon sprachen, daß es in Polen keine Hungersnot gab?

BÜHLER: Jawohl, daß keine Hungersnot bestand.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte, Ihnen die Rede des Staatssekretärs Dr. Bühler – anscheinend sind Sie das – auf einer Arbeitssitzung vom 31. Mai 1943 in Krakau vorzulegen. Ich zitiere:

»... Die Regierung des Generalgouvernements sei sich bereits seit längerer Zeit darüber im klaren, daß die Sätze der Ernährungsrationen, die den Fremdvölkischen gegeben würden, unter keinen Umständen länger beibehalten werden können, ohne daß man die Bevölkerung zur Selbsthilfe greifen lasse oder in den Aufstand treibe. .... Die Schwierigkeiten der Ernährungslage, die sich naturgemäß schlecht auf die Stimmung der Bevölkerung auswirken, die enorme Preissteigerung, die zum Teil übertriebene und engherzige Gehalts- und Lohnpolitik hätten dazu geführt, daß Teile der polnischen Bevölkerung zur Verzweiflung getrieben worden seien...«

Haben Sie dieses gesagt?

BÜHLER: Den ersten Teil konnte ich hier verfolgen. Die letzten Sätze habe ich nicht gefunden hier.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, den Text zu verfolgen. Den ersten und zweiten Teil werden Sie im Text finden. »Teile der polnischen Bevölkerung seien damals zur Verzweiflung getrieben worden.«

BÜHLER: Wo steht das? Ich bitte, es mir zu zeigen.

[Der Text wird dem Zeugen gezeigt.]

Ich habe diese Äußerungen getan, und zwar war...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Dann habe ich die folgende Frage an Sie: Sind Sie nicht der Ansicht, daß diese Verlautbarungen aus dem Jahre 1943 zeigen, daß Sie heute falsche Aussagen vor dem Gerichtshof gemacht haben?

BÜHLER: Nein, nein, sondern ich habe diese Aussagen so gemeint, daß die Bevölkerung zur Selbsthilfe greifen mußte, und Selbsthilfe habe ich darin erblickt, wenn der Arbeiter drei Tage in der Woche von seiner Arbeitsstätte fernblieb und sich um die Lebensmittel kümmern mußte. Darin habe ich einen Verzweiflungsschritt dieses Arbeiters gesehen. Ich habe aber heute morgen erklärt, daß es zwar schwer war für die Bevölkerung, die nötigen Lebensmittel zu beschaffen, aber daß es nicht unmöglich war, und daß ich Hungerkatastrophen in keiner Weise im Generalgouvernement beobachtet habe. Ich bitte auch zu bedenken, daß 80 % der Bevölkerung des Generalgouvernements ländlich ist, daß also Hungerkatastrophen in einem großen Ausmaße überhaupt nicht hätten stattfinden können, es sei denn, daß auch das flache Land völlig ausgeplündert worden wäre, und das ist nicht der Fall gewesen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sie sagten, daß es infolge der Ernährungsnormen, die im Generalgouvernement aufgestellt waren, zu einem Aufruhr der Bevölkerung kommen könnte, und daß die Bevölkerung durch Hungersnot zur Verzweiflung getrieben wurde. Beweist das nicht, daß im Lande Hungersnot herrschte?

BÜHLER: Ich habe »Aufruhr« im Sinne von »Unruhen« gemeint, keine bewaffnete Selbsthilfe. Es ist klar, daß die Befriedigung und die Lust zu arbeiten unter der unzulänglichen Lebensmittelration leidet. Ich habe ja heute morgen erklärt, wie es kam, daß eine Vollversorgung der Bevölkerung nicht eintreten konnte. Andererseits war aber ein solch umfangreicher freier Markt und schwarzer Markt, daß sich auch der Arbeiter, wenn er genügend Zeit hatte, mit Lebensmitteln versorgen konnte, und die Zeit, die er nicht hatte, hat er sich genommen. Das war die Selbsthilfe des Arbeiters.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, folgende Frage zu beantworten: Wurden den Polen nicht nur soviel Bildungsmöglichkeiten gelassen, daß, wie Frank und Goebbels es beabsichtigten, die Hoffnungslosigkeit des Schicksals ihres Volkes nur noch unterstrichen wurde?

BÜHLER: Es waren Bestrebungen zu verspüren, die polnische Bevölkerung in ihrem Bildungsniveau niederzuhalten. Diese Strömungen gingen von Berlin aus und gingen von Himmler aus.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, hier zu erklären wie man mit den polnischen Universitäten verfuhr.

BÜHLER: Die sind geschlossen und nicht wieder geöffnet worden. Es haben aber Fachkurse stattgefunden in Warschau und in Lemberg, in welchen Universitätsbildung für diese Leute vermittelt wurde; diese Fachkurse sollten allerdings auf Verlangen des Reiches geschlossen werden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht werden Sie sich daran erinnern, wer den Befehl unterzeichnete, die Universitäten zu schließen. Vielleicht werden Sie die Unterschrift erkennen. Es ist ein offizieller Bericht.

BÜHLER: Ja, diese Verordnung über die Bestellung von Hochschulkuratoren war vom Generalgouverneur am 1. November 1940 unterschrieben worden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, ob in Polen nicht nur Handwerksschulen übriggeblieben waren.

BÜHLER: Es sind nicht nur Handwerksschulen übriggeblieben, sondern so waren zum Beispiel auch Handelsschulen da, und da war ein gewaltiger Andrang. Im übrigen waren Gewerbeschulen und Volksschulen in vollem Ausmaße eingerichtet worden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Mit anderen Worten blieben lediglich Fachschulen übrig, die Handwerker, kleine Beamte und Händler ausbildeten?

BÜHLER: Ob nur kleine oder größere Händler die besucht haben, weiß ich nicht. Jedenfalls waren Handelsschulen zugelassen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte mir zu sagen, auf wessen Anregung das königliche Schloß in Warschau zerstört wurde.

BÜHLER: Das weiß ich nicht genau. Ich habe einmal gehört, daß der Führer den Wunsch haben sollte, daß das Warschauer Schloß, das schwer beschädigt war, in seinen Mauern niedergelegt werden sollte.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Und auf wessen persönlichen Befehl wurde das königliche Schloß in Warschau zerstört?

BÜHLER: Ich weiß nicht, ob dieses Schloß gesprengt wurde. Das weiß ich nicht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, es wurde doch zerstört. Auf wessen Befehl?

BÜHLER: Das ist mir nicht bekannt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nicht bekannt?

BÜHLER: Nein.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Die Stelle, die ich jetzt verlesen möchte, befindet sich auf Seite 1 der dem Gerichtshof von uns überreichten Übersetzung des Dokuments. Es ist ein kurzes Zitat. Ich werde es in das Sitzungsprotokoll verlesen:

»... Der Führer besprach mit Herrn Generalgouverneur die Gesamtlage, billigte die Arbeit des Generalgouverneurs in Polen, insbesondere die Niederlegung des Schlosses in Warschau und den Nichtwiederaufbau dieser Stadt...«

Wurde dieses Schloß in Warschau nicht auf Befehl Franks zerstört?

BÜHLER: Mir ist nicht bekannt, daß dieses Schloß zerstört wurde. Meines Wissens sollte es einmal zerstört werden. Es wurde aber von diesem Plan Abstand genommen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sagen Sie mir bitte, gab der Angeklagte Frank nicht in Ihrer Gegenwart am 21. April 1940 den Befehl, bei der sogenannten Anwerbung von Arbeitskräften Polizeimaßnahmen zu ergreifen?

BÜHLER: Ich müßte dieses Protokoll erst sehen. Ich kann mich aus dem Kopf nicht erinnern.