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[Das Protokoll wird dem Zeugen überreicht.]

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Die Stelle, die ich zitieren möchte, befindet sich auf Seite 46 des Dokumentenbuches im letzten Absatz. Ich zitiere:

»Besprechung mit Staatssekretär Dr. Bühler, SS-Obergruppenführer Krüger und Dr. Frauendorfer in Gegenwart von Herrn Reichsminister Dr. Seyß-Inquart.

Gegenstand der Besprechung ist die Verschickung von Arbeitern, insbesondere Landarbeitern ins Reich...

Der Herr Generalgouverneur stellte fest, daß man, nachdem alle Mittel in Gestalt von Aufrufen und so weiter keinen Erfolg gehabt hätten, nunmehr zu dem Ergebnis kommen müsse, daß die Polen aus Böswilligkeit oder aus der Absicht heraus, sich Deutschland nicht zur Verfügung zu stellen, ihm indirekt zu schaden, sich dieser Arbeitspflicht entzögen.

Er richtet deshalb die Frage an Dr. Frauendorfer, ob es noch irgendwelche Maßnahmen gebe, die man noch nicht ergriffen habe, um die Polen auf dem Wege der Freiwilligkeit zu gewinnen.

Reichshauptamtsleiter Dr. Frauendorfer verneint diese Frage.

Der Herr Generalgouverneur betont nachdrücklich, daß nunmehr von ihm eine endgültige Stellungnahme verlangt werde. Es werde sich demnach fragen, ob man nun zu irgendeiner Form von Zwangsmaßnahmen werde greifen müssen.«

War das kein Befehl, bei der Rekrutierung Zwangsmaßnahmen zu ergreifen?

BÜHLER: Ich will diese Äußerung nicht bestreiten, nachdem ich das Protokoll gesehen habe. Sie gehört zu den Äußerungen des Generalgouverneurs, von denen ich behaupte, daß sie nicht ganz freiwillig abgegeben wurden, die aber meinen Kurs in dieser Fragen in keiner Weise geändert haben.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, folgende Frage zu beantworten: Waren Sie am 18. August 1942 bei der Besprechung zwischen Dr. Frank und dem Angeklagten Sauckel zugegen, und hat Frank in Ihrer Gegenwart Sauckel erklärt, er freue sich, ihm melden zu können, daß er mit Hilfe der Polizei neue Arbeitskräfte ins Reich geschickt hätte?

BÜHLER: Ich hatte zusammen mit meinen Dienststellenleitern die mit der Arbeitererfassung, mit Arbeitsfragen befaßt waren, eine Besprechung mit dem Reichskommissar Sauckel, bevor der Besuch bei dem Generalgouverneur war. Ich weiß nun nicht mehr aus dem Gedächtnis, ob ich dabei war, wie Reichskommissar Sauckel vom Generalgouverneur empfangen wurde.

Ich bitte mir das Protokoll vorzulegen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte dem Angeklagten, ich bitte um Entschuldigung, dem Zeugen die Stelle vorzulegen.

[Das Dokument wird dem Zeugen übergeben.]

Ich verlese zwei kurze Zitate Seite 918 und 920. Dr. Frank sagt:

»Ich freue mich, Ihnen... amtlich melden zu können, daß wir bis jetzt über 800000 Arbeitskräfte ins Reich vermittelt haben.... Sie haben neuerdings das Ersuchen um die Vermittlung von weiteren 140000 Arbeitskräften gestellt. Ich habe die Freude, Ihnen amtlich mitteilen zu können, daß wir entsprechend unserem gestrigen Übereinkommen 60 % dieser neuangeforderten Kräfte bis Ende Oktober und die restlichen 40 % bis Ende des Jahres ins Reich abgeben werden.«

Nun bitte ich Sie, auf Seite 120 überzugehen. Ich zitiere nur einen Satz:

»Über die Zahl der jetzigen 140000 hinaus können Sie aber im nächsten Jahr mit einer weiteren Arbeiterzahl aus dem Generalgouvernement rechnen, denn wir werden zur Erfassung Polizei einsetzen.«

Beweist dies nicht die Anwendung drakonischer Polizeimaßnahmen für die sogenannte Rekrutierung von Arbeitern?

BÜHLER: Ich erinnere mich nicht, bei dieser Gelegenheit zugegen gewesen zu sein, kann also in keiner Weise bestätigen, ob das in dieser Weise gesagt wurde.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender, ich habe keine weitere Frage an den Zeugen.

VORSITZENDER: Herr Dr. Seidl, möchten Sie ein Rückverhör anstellen?

DR. SEIDL: Einige Fragen möchte ich noch an den Zeugen stellen.

Zunächst möchte ich ein Mißverständnis aufklären, das offenbar entstanden ist. Die Frage, die ich im Zusammenhang mit dem Dokument Nr. USSR-93 an den Zeugen gerichtet habe, hat sich lediglich auf die Anlage 1 bezogen, die betitelt ist: »Das kulturelle Leben in Polen«. Diese Anlage beschäftigt sich mit Richtlinien über kulturelle Politik, die von der Verwaltung des Generalgouvernements erteilt worden sein sollte und ich habe den Zeugen auch nur so verstanden, daß er nur auf diese Frage eine Antwort geben wollte und nicht auf die weiteren Anlagen, die zum Beispiel die geraubten Kunstgegenstände betreffen. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn er den Ausdruck »Verfälschen« nicht gebraucht hätte. Jedenfalls wollte er sagen, daß ihm solche Richtlinien nicht bekannt waren.

Herr Zeuge! Ist es richtig, daß weitaus die meisten der in das Reich verbrachten polnischen Arbeitskräfte sich freiwillig gemeldet haben?

BÜHLER: Darf ich vorausschicken, ich wollte den Vorwurf einer Fälschung auch nicht der Anklagebehörde machen, sondern ich wollte nur darauf hinweisen, daß sie sich möglicherweise eines gefälschten Dokuments bedient hat. Ich wollte ihr nicht selbst den Vorwurf einer Fälschung machen.

Zu der Frage des Verteidigers möchte ich sagen, daß nach meinen Beobachtungen der weitaus überwiegende Teil der Arbeitskräfte aus dem Generalgouvernement freiwillig ins Reich gegangen ist.

DR. SEIDL: Um Ihrem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen, will ich Ihnen ein kurzes Zitat aus dem Tagebuch vorweisen, das sich mit der Erfassung von Arbeitskräften beschäftigt. Am 4. März 1940 hat der Generalgouverneur auf einer Dienstversammlung der Stadthauptmänner des Distrikts Lublin zur Frage der Arbeitserfassung folgendes erklärt – ich zitiere wörtlich:

»Den von Berlin geforderten Erlaß einer neuen Verordnung mit besonderen Zwangsmaßnahmen und Strafdrohungen lehne er ab. Maßnahmen, die nach außen hin Aufsehen erregen, müßten vermieden werden. Das gewaltsame Verfrachten von Leuten habe alles gegen sich.«

Gibt diese Auffassung die wirkliche Einstellung des Generalgouverneurs wieder?

BÜHLER: Ich war bei dieser Besprechung nicht zugegen, habe also diese Äußerung des Generalgouverneurs nicht gehört; sie deckt sich aber mit den Anweisungen und Grundsätzen, die der Generalgouverneur mir mit auf den Weg gegeben hat und die ich stets unbeirrt beachtet und durchgeführt habe.

DR. SEIDL: Waren Sie bei der Besprechung zugegen – ich sehe Sie waren selbst dabei – vom 14 Januar 1944? Die Besprechung mit dem Staatssekretär Dr. Bühler, Dr. Koppe und anderen – ich zitiere wörtlich:

»Der Herr Generalgouverneur wendet sich mit Entschiedenheit dagegen, daß Polizeikräfte zur Durchführung solcher Maßnahmen in Anspruch genommen würden. Eine solche Aufgabe gehöre nicht in den Bereich der Polizei«

Ist es richtig, daß der Generalgouverneur wiederholt sich gegen den Einsatz von Polizei bei der Erfassung von Arbeitskräften gewendet hat?

BÜHLER: Es war dies nicht die einzige Gelegenheit, sondern er hat den Beauftragten des Reichskommissars Sauckel wiederholt in öffentlichen Sitzungen ganz schwer angegriffen, wenn ihm wieder über Arbeiterrazzien etwas zu Ohren gekommen ist. Ich muß allerdings sagen, der Beauftragte hat wiederholt erklärt, daß nicht er diese Arbeiterrazzien veranlaßt habe.

DR. SEIDL: Das erste Zitat, das der Anklagevertreter Ihnen vorgehalten hat, war ein Eintrag vom 25. Januar 1943, und er hat Sie gefragt, ob Sie selbst sich als Kriegsverbrecher betrachten. Ich will Ihnen nun einen anderen Teil der Besprechung vorhalten, in der Sie selbst mit dabei waren. Ich zitiere auf Seite 7 dieser Tagebucheintragung. Der Generalgouverneur erklärte:

»Herr Staatssekretär Krüger, Sie wissen, daß Anweisungen des Reichsführers-SS von Ihnen erst vollzogen werden dürfen, wenn Sie mich vorher gehört haben. Das ist in diesem Falle unterblieben. Ich spreche mein Bedauern darüber aus, daß Sie einen Befehl des Reichsführers vollzogen haben, ohne mich vorher entsprechend der Verordnung des Führers zu verständigen. Nach dieser Verordnung dürfen Anweisungen des Reichsführers-SS hier im Generalgouvernement nur vollzogen werden, wenn ich vorher meine Einwilligung erteilt habe. Es ist hoffentlich das letzte Mal, daß das unterblieben ist, denn ich möchte nicht wegen eines jeden solchen Falles den Führer belästigen.« (Dokument 2233-PS.)

Ich lasse nun einen Satz aus und zitiere wörtlich:

»Es ist nicht möglich, daß wir uns über Führerverordnungen hinwegsetzen, und es ist ausgeschlossen, daß auf dem Gebiet der Polizei und der Sicherheit unmittel bar Weisungen des Reichsführers befolgt werden unter Umgehung des Mannes, den der Führer hier eingesetzt hat; sonst bin ich ja völlig überflüssig.«

Ist es richtig, frage ich Sie nun, daß zwischen dem Generalgouverneur und dem Höheren SS- und Polizeiführer Krüger sehr häufig solche Auseinandersetzungen stattgefunden haben und daß der Generalgouverneur diese Auseinandersetzungen damit beendet hat, daß er zur Zusammenarbeit aufforderte, um überhaupt noch irgendeine Verwaltung in diesem Gebiet zu ermöglichen?

BÜHLER: Das ist richtig, solche Auseinandersetzungen waren unser tägliches Brot.

DR. SEIDL: Die Anklagevertretung hat Ihnen auch unter der Nummer USSR-335 die Standgerichtsverordnung vom Oktober 1943 vorgelegt.

Ich frage Sie, wie war die Sicherheitslage im Generalgouvernement zu dieser Zeit und wäre es damals überhaupt noch möglich gewesen, in einem normalen Strafgerichtsverfahren mit den Verhältnissen Herr zu werden?

VORSITZENDER: Herr Dr. Seidl! Ist diese Frage nicht schon sehr eingehend im direkten Verhör behandelt worden?

DR. SEIDL: Ich verzichte auf die Beantwortung der Frage jetzt noch einmal.