[Pause von 10 Minuten.]
DR. SEIDL: Meine Herren Richter! Wenn es dem Gericht recht ist, darin würde ich von dem Band IV des Dokumentenbuches lediglich noch die Nummern der Seiten angeben, die mir besonders wesentlich erscheinen. Es handelt sich um die Seiten 115, 121, 123, 134, 139, 152 und 182. Damit ist Band IV des Dokumentenbuches abgeschlossen; und ich komme zum letzten Bande, der erheblich schneller zu Ende geführt werden wird.
Band V beschäftigt sich ausschließlich mit den von der Anklagevertretung der Vereinigten Staaten gegen den Angeklagten Dr. Frank erhobenen Vorwürfen, soweit sie seine Tätigkeit als Präsident der Akademie für Deutsches Recht, als Präsident des nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes und seine ähnlichen Stellungen betreffen.
Seite 1 ist ein Dokument, das bereits von der Anklage vorgelegt wurde, 1391-PS. Es hat noch keine US-Nummer und wird Beweisstück Frank 11. Es ist das Gesetz über die Akademie für Deutsches Recht mit der dazugehörigen Satzung und den sich daraus ergebenden Aufgaben.
Ich gehe über zu Seite 25 des Dokumentenbuches. Dieses Zitat wird Beweisstück Frank 12. Es beschäftigt sich mit dem dem Angeklagten vorgeworfenen Satz: »Recht ist, was dem Volke nützt.« Dieses Zitat soll lediglich zeigen, daß der Angeklagte Dr. Frank mit diesem Satz nichts anderes ausdrücken wollte, als was schon in dem römischen Satz enthalten ist: »Salus publica suprema lex.« Ich bitte das Gericht, davon Kenntnis zu nehmen und wende mich Seite 26 des Dokumentenbuches zu, einem Auszug aus der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1938. Das wird Beweisstück Frank 13. Auch dieses Zitat beschäftigt sich mit dem vorhin erwähnten Satz: »Recht ist, was dem Volke nützt.«
Seite 30 ist ein Auszug aus 3459-PS, dem Beweisstück US-670, und zwar handelt es sich um die Abschlußkundgebung auf dem »Tag des Deutschen Rechts 1939« in Leipzig, bei der der Angeklagte Dr. Frank vor 25000 Rechtswahrern die Schlußrede gehalten hat. Ich zitiere auf Seite 31, Zeile 10 von unten:
»Nur in Anwendung der Methoden der Rechtssicherheit, der wahrhaften Rechtssprechung und der klaren Erfüllung des gesetzgeberischen Rechtsideals kann die Volksgemeinschaft auf die Dauer bestehen. Diese Rechtsmethodik, die die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben auf die Dauer sichert, ist Euch, Rechtswahrerkameraden, als Mission aufgegeben. Uralte germanische Grundsätze sind durch die Jahrhunderte uns überkommen.
1. Niemand soll verurteilt werden, der nicht Gelegenheit erhalten hat, sich zu verteidigen.
2. Niemand soll der von ihm in volksgenössisch einwandfreier Weise benutzten Güter verlustig gehen, es sei denn durch den Spruch des Richters. Die Ehre, die Freiheit, das Leben, der Arbeitsertrag sind solche Rechtsgüter.
3. Jedem, der unter Anklage steht, gleichgültig in welchem Verfahren, aus welchen Gründen und in Anwendung welchen Gesetzes, muß die Möglichkeit ge geben sein, sich einen Verteidiger zu nehmen, der für ihn Rechtserklärungen abzugeben vermag; er muß rechtliches, erkenntnismäßig objektives Gehör finden.«
Ich gehe über zu Seite 35 des Dokumentenbuches, und zwar handelt es sich hier um eine Rede, die der Angeklagte Dr. Frank auf einer Tagung der Hauptabteilungsleiter des nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes am 19. November 1941 gehalten hat. Diese Rede, beziehungsweise dieser Auszug, wird Beweisstück Frank 14. Ich zitiere lediglich einige Sätze auf Seite 37 oben:
»Daher ist es eine sehr ernste Aufgabe, die wir uns gestellt haben, und wir müssen immer betonen, daß sie nur mit Mut und absoluter Einsatzbereitschaft erfüllt werden kann. Ich sehe mit größter Aufmerksamkeit diese Entwicklung; ich verfolge jede Strömung im gegenrechtlichen Sinne. Ich kenne, wie Sie alle, aus der Geschichte zu sehr die Versuche, deshalb, weil man Waffen hat, mit denen man schießen kann, deshalb, weil man irgendwelche Vollmachten hat, auf Grund deren man verhaftete Menschen verschwinden lassen kann, sich eine weitreichende Macht in den allgemeinen Zuständen mehr und mehr anzueignen. Da meine ich vor allem die Versuche, die nun nicht etwa nur von der SS, vom SD und von der Polizeizentrale allein ausgehen, sondern die Versuche vieler anderer Dienststellen des Staates und des Reiches, sich von der allgemeinen Rechtsübung zu befreien.«
Ich gehe über zu Seite... ich will auf Seite 41 noch die letzten fünf Zeilen zitieren und zwar die letzten Worte auf dieser Tagung:
»Das Recht kann man nicht zum Handelsobjekt degradieren; man kann es nicht verkaufen; es ist da oder es ist nicht da. Das Recht ist keine Börsenware. Wenn das Recht nicht gestützt wird, dann verliert auch der Staat den moralischen Halt, dann sinkt er in den Abgrund der Nacht und des Grauens.«
Das nächste Dokument befindet sich auf Seite 42, es ist das die erste Rede, die der Angeklagte Dr. Frank gehalten hat, und zwar in Berlin in der Universität am 8. Juni 1942. Sie wird Beweisstück Frank 15. Ich zitiere auf Seite 44, zweiter Absatz, siebente Zeile:
»Es geht andererseits aber nicht an, daß in einem Staat einem Mitglied der Gemeinschaft Ehre, Freiheit, Leben, Eigentum genommen werden, daß man es verstößt und verurteilt, ohne daß es zuvor gegen die erhobenen Anklagen hat Stellung nehmen können. Hierin kann uns die Wehrmacht ein Vorbild sein: Dort ist jeder solange freies, geachtetes und gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft, bis ein Richter – unabhängig über ihm stehend – zwischen Anklage und Verteidigung abgewogen geurteilt hat.«
Ich gehe dann über zu Seite 49 des Dokumentenbuches. Es ist das die zweite dieser vier großen Reden. Sie wurde gehalten in Wien und wird Beweisstück Frank 15.
VORSITZENDER: Wir haben doch schon auf Seite 41 Beweisstück Frank 15 gehabt.
DR. SEIDL: Nein, es wird Frank 16, entschuldigen Sie. Herr Präsident. Ich zitiere hier lediglich auf Seite 51 einen Satz:
»Ich werde mit dem ganzen Fleiß meiner Ideen immer wieder bezeugen, daß es schlimm wäre, wollte man etwa polizeistaatliche Ideale als ausgeprägt nationalsozialistische Ideale hinstellen, hingegen aber alt-germanische Rechtsanschauungen völlig zurücktreten lassen.«
Ich bitte dann das Gericht überzugehen auf Seite 57 des Dokumentenbuches, die Rede, die der Angeklagte Dr. Frank in der Universität München am 20. Juli 1942 gehalten hat. Sie wird Beweisstück Frank 17. Ich zitiere auf Seite 58, Zeile 16:
»Aber es ist unmöglich, von Volksgemeinschaft zu sprechen, die Diener des Rechtes aber aus dieser Volksgemeinschaft als ausgeschlossen zu betrachten und mitten im Kriege mit Schmutz zu bewerfen.
Der Führer hat mir die Aufgaben des Reichsleiters des Reichsrechtsamtes und des Führers des nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes übertragen, und es ist daher meine Pflicht, es als der deutschen Volksgemeinschaft abträgig zu erklären, wenn im ›Schwarzen Korps‹ Rechtsanwälte als Kloakentierchen bezeichnet werden.«
Ich bitte dann das Gericht, sich Seite 67 des Dokumentenbuches zuzuwenden. Es ist das die Rede, die er in Heidelberg gehalten hat, und zwar am 21. Juli 1942. Diese wird Beweisstück Frank 18. Ich bitte das Gericht, von dieser Rede Kenntnis zu nehmen. Auf Seite 69 zitiere ich lediglich einen Satz:
»Niemals aber darf es einen Polizeistaat geben, niemals! Das lehne ich ab.«
Ich komme jetzt zum letzten Dokument; es ist das bereits von der Anklagevertretung der Vereinigten Staaten unter Nummer US-607 vorgelegte Dokument, und zwar ein Auszug aus dem Tagebuch:
»Abschließende Betrachtungen zur Entwicklung des letzten Vierteljahres.«
In dieser Betrachtung nimmt der Angeklagte Dr. Frank noch einmal abschließend zu der Idee des Rechtsstaates Stellung, und ich bitte das Gericht, insbesondere von seinen grundsätzlichen Postulaten auf Seite 74 und 75 des Dokumentenbuches Kenntnis zu nehmen. Hier hat Dr. Frank noch einmal die Voraussetzungen formuliert, von deren Vorhandensein er die Existenz jedes Rechtsstaates abhängig gemacht haben will. Ich zitiere Seite 74 nur noch wenige Zeilen:
»1. Kein Volksgenosse darf verurteilt werden, es sei denn durch das ordentliche Verfahren und auf Grund eines Gesetzes, das vor Begehung der Tat in Kraft war.
2. In diesem Verfahren muß die volle Gewähr sein, daß der Beschuldigte zu dem gesamten Sachverhalt der gegen ihn vorgebrachten Anklage vernommen wird und sich dazu frei zu äußern vermag.
3. Der Beschuldigte muß die Möglichkeit haben, sich in jedem Stadium des Verfahrens eines rechtskundigen Verteidigers bedienen zu dürfen.
4. Der Verteidiger muß völlig frei und unabhängig seines Amtes walten und damit die Waffengleichheit zwischen Staatsanwalt und Angeklagtem gewährleistet sein.
5. Der Richter oder das Gericht muß seine Entscheidung völlig unabhängig, das heißt ohne jede Beeinflussung des Urteilsspruches durch irgendwelche nicht zur Sache selbst gehörigen Momente treffen, in logischer Erkenntnis des Sachverhaltes und in gerechter Anwendung des Gesetzinhaltes.
6. Wenn die auf Grund dieses Urteils vollzogene Strafe perfekt geworden ist, dann hat die Tat ihre Sühne erfahren.
7. Schutzhaftmaßnahmen und Sicherungshaftmaßnahmen können von polizeilichen Organen ebensowenig wie Strafen an Konzentrationslagerhäftlingen vorgenommen oder vollzogen werden, es sei denn in Anwendung dieser selben Gesichtspunkte, das heißt also nach Bestätigung der geplanten Maßnahmen durch den ordentlichen unabhängigen Richter.
8. In entsprechender Weise hat auch die volksgenössische Rechtspflege in allen Beziehungen des eigentlichen Zivilprozesses die völlige Sicherstellung der Wahrnehmung der Einzelinteressen zu gewährleisten.«
VORSITZENDER: Dr. Seidl! Sind in diesem Dokument irgendwelche Stellen, die der Ansicht Ausdruck geben, daß dieselben Grundsätze auch auf andere anzuwenden sind, nicht nur auf Deutsche?
DR. SEIDL: In dieser letzten Betrachtung hat sich der Angeklagte Dr. Frank grundsätzlich mit den Fragen des Rechts befaßt, ohne hier einen Unterschied zwischen Deutschen und Angehörigen fremder Völker zu machen. Er hat aber auch in seiner Eigenschaft als Generalgouverneur sich grundsätzlich und immer gegen die Verbringung von Polen, Ukrainern und Juden in Konzentrationslager verwahrt. Es ergibt sich das aus einer ganzen Reihe von Eintragungen im Tagebuch.
Ich bin damit am Ende meiner Beweisführung für den Angeklagten Dr. Frank angelangt. Es stehen lediglich noch die Antworten auf die Fragebogen für die Zeugen aus, deren Vernehmung vor einer Kommission das Gericht genehmigt hat. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt diese Fragebogen in einem kleinen Dokumentenheft zusammenstellen und dann übersetzt dem Gericht vorlegen.
VORSITZENDER: Sie sprechen von Fragebogen, für die die Antwort noch aussteht. Ist das richtig?
DR. SEIDL: Das sind Fragebogen, auf die die Antworten noch nicht eingegangen sind.
VORSITZENDER: Gut. Sobald Sie diese haben, werden Sie sie der Anklagebehörde und dem Gerichtshof überreichen, nicht wahr?
DR. SEIDL: Jawohl.
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker!
DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Im Rahmen des Beweisvortrages für den Angeklagten Frick möchte ich davon absehen, den Angeklagten selbst in den Zeugenstand zu rufen. Bei den Fragen, die einer Klärung bedürfen, handelt es sich weitgehend um Probleme einer formalen Zuständigkeit, aber auch um Probleme des Gegensatzes zwischen formaler Zuständigkeit und tatsächlicher Verantwortung. Es sind dies Probleme, die zum Teil schon geklärt sind durch die Vernehmung des Zeugen Dr. Lammers und die zum anderen Teile sich klären werden durch die Vorlage von Urkunden. Ein besonderes Gebiet ist durch die Vorlage von Urkunden jedoch nicht hinreichend zu klären. Es ist dies die Frage der tatsächlichen Machtverhältnisse auf dem Gebiete der Polizei, Aber für dieses Spezialgebiet habe ich den Zeugen Dr. Gisevius, und er ist der einzige Zeuge, dessen Vernehmung im Rahmen des Beweisvortrages für Frick noch erforderlich erscheint. Ich habe also auf die anderen Zeugen inzwischen verzichtet.
Ich bitte das Gericht nun um Entscheidung, ob ich zuerst den Zeugen Dr. Gisevius rufen soll, oder ob ich zunächst den Dokumentenvortrag bringen soll. Wenn der Dokumentenvortrag zunächst gebracht wird, so glaube ich, daß ich bis zur Mittagspause damit noch fertig würde.
VORSITZENDER: Glauben Sie, mit Ihren Dokumenten vor der Verhandlungspause fertig werden zu können?
DR. PANNENBECKER: Jawohl. Ich glaube, ja.
VORSITZENDER: Vor 1.00 Uhr?
DR. PANNENBECKER: Jawohl.
VORSITZENDER: Es ist Ihnen gleich, ob Sie zuerst den Zeugen vernehmen oder die Dokumente vorlegen?
DR. PANNENBECKER: Ja.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof meint, daß es zweckmäßiger wäre, wenn Sie zuerst die Dokumente vorlegen und hofft, daß Sie verhältnismäßig schnell damit fertig werden.
DR. PANNENBECKER: Jawohl.
Nummer 1, 2 und 3 des Dokumentenbuches 386-PS, L-79 und 3726-PS behandeln Beweismaterial zu dem Problem, ob die Vorbereitung des Angriffskrieges durch Hitler den Mitgliedern des Reichskabinetts bekanntgewesen sein muß. Ich brauche die Dokumente nicht zu verlesen, sie sind bereits eingereicht und zeigen übereinstimmend, daß Hitler von seinen Angriffsplänen nur den Mitarbeitern Kenntnis gab, die für ihre eigene Arbeit diese Pläne kennen mußten, nicht dagegen Frick als Innenminister, der für die Innenpolitik verantwortlich war.
Nun wurde Frick im Rahmen der Kriegsvorbereitungen zum Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung bestellt, und zwar durch das bereits vorgelegte Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938, US-Exhibit 36 (2194-PS). Der Inhalt dieses Gesetzes läßt nicht erkennen, daß diese Position irgend etwas zu tun hatte mit der bewußten Vorbereitung zum Angriffskrieg, sondern es zeigt lediglich eine Mitwirkung der inneren Verwaltung bei der allgemeinen Vorbereitung und Einrichtung auf irgendeinen möglichen Fall eines späteren Krieges. Ich habe nun einen Auszug aus diesem Gesetz unter Nummer 4 des Dokumentenbuches in das Dokumentenbuch aufgenommen, und zwar, um einen aufgetretenen Irrtum richtigzustellen. Der Angeklagte Frick selbst hat nämlich in einem Affidavit vom 14. November 1945 erklärt, er habe die Position des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung seit dem 21. Mai 1935 innegehabt. Es ist dies der Tag des ersten Reichsverteidigungsgesetzes, das bereits vorliegt als US-Exhibit 24 (2261-PS). Dieses erste Reichsverteidigungsgesetz vom 21. Mai 1935 enthält jedoch noch nicht die Position eines Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung, sondern erst das zweite Gesetz vom 4. September 1938. Dieses zweite Gesetz liegt vor als US-36. Entsprechend der irrigen Angabe des Angeklagten Frick, die er gemacht hat, ohne daß ihm beide Gesetze vorlagen, hat aber auch die Anklagebehörde vorgetragen, daß Frick die Stellung des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung seit dem 21. Mai 1935 innegehabt habe, während er sie in Wahrheit seit dem 4. September 1938 hatte, also dem Datum des zweiten Gesetzes.
Die Dokumente Nummer 5 und 6 des Dokumentenbuches sind schon von der Anklagebehörde vorgelegt. Sie beweisen ebenfalls nichts anderes als die Beteiligung des Angeklagten Frick an der Einrichtung der zivilen Verwaltung auf irgendeinen Fall eines möglichen Krieges. Ich brauche auch sie nicht zu verlesen.
Nun werden seitens der Anklagebehörde die Angriffsabsichten Hitlers als so allgemein bekannt und so offenkundig bezeichnet, daß die Tatsache einer Kenntnis eines Beweises nicht bedürfe. Aus dieser Annahme hat die Anklagebehörde die Folgerung gezogen, daß die Mitwirkung in der nationalsozialistischen Regierung auf irgendeinem beliebigen Gebiet ohne weiteres die bewußte Förderung des Angriffskrieges in sich schloß. Ich habe mich demgegenüber in den Dokumenten Nummer 7 bis einschließlich 10 des Dokumentenbuches Frick (2288-PS, 2292-PS, 2289-PS und 3729) auf Beweismittel bezogen, die auch schon von der Anklagebehörde vorgelegt sind, und die erkennen lassen, daß Hitler in der Öffentlichkeit und in privaten Unterhaltungen seit der Zeit seines Regierungsantrittes nach außen hin eine bewußte Politik der Friedenserklärung verfolgt hat. Eine Politik also, die nach allen Seiten hin und mit beachtlichen Gründen den Frieden als richtig erklärte.
Ich glaube, daß man diese Dokumente, die dem Gericht bereits vorliegen, mit heranziehen muß, um entscheiden zu können, ob die offizielle Politik Hitlers seit seinem Regierungsantritt die Absicht des Angriffskrieges erkennen ließ oder nicht. Als Beweismaterial in dieser Richtung bitte ich auch einzusehen die Dokumente Nummer 11 und 12 des Dokumentenbuches, die bisher nicht vorliegen und von mir als Frick- Exhibit Nummer 1 und 2 eingereicht werden.
Es handelt sich bei dem ersten um ein Telegramm des Kardinalerzbischofs Schulte vom 8. März 1936 an den Oberbefehlshaber der Wehrmacht im Zeitpunkt der Besetzung des Rheinlandes im März 1936. Bei dem zweiten Dokument handelt es sich um eine feierliche Erklärung der österreichischen Bischöfe aus Anlaß des Anschlusses Österreichs im März 1938.
In dem ersten Dokument heißt es, ich zitiere:
»Kardinalerzbischofs Schulte hat an den Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Generaloberst von Blomberg, ein Telegramm gesandt, in dem er in der denkwürdigen Stunde, da die Wehrmacht des Reiches wiederum als Hüterin des Friedens und der Ordnung in das deutsche Rheinland ihren Einzug hält, die berufenen Waffenträger unseres Volkes mit ergriffener Seele und eingedenk des erhebenden Beispiels opferbereiter Vaterlandsliebe, ernster Manneszucht und aufrechter Gottesfurcht, das unser Heer von jeher der Welt gegeben hat, begrüßt.«
Ich habe gerade diese beiden Dokumente ausgewählt, weil die katholische Kirche nicht in dem Verdacht steht, daß ihre Repräsentanten den Angriffskrieg fördern wollten, oder sonst geneigt waren, den verbrecherischen Absichten Hitlers zuzustimmen. Diese Kundgebungen wären undenkbar gewesen, wenn die Behauptung der Anklage zuträfe, daß die verbrecherischen Ziele Hitlers, und besonders seine Absicht des Angriffskrieges, offenkundig gewesen wären.
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker! Der Gerichtshof möchte wissen, woher dieses Telegramm des Erzbischofs stammt, Frick 11?
DR. PANNENBECKER: Ich habe das Telegramm Frick 11 aus dem »Völkischen Beobachter« vom 9. März 1936 entnommen.
VORSITZENDER: Und das andere?
DR. PANNENBECKER: Das andere Dokument ergibt sich aus dem »Völkischen Beobachter« vom 28. März 1938. In Nummer 13 des Dokumentenbuches habe ich nur einen Satz aus einer Rede von Frick aufgenommen, aus der sich ergibt, daß auch Frick die gleiche Auffassung vertreten hat. Er erklärt in dieser Rede, ich zitiere:
»Die nationale Revolution ist der Durchbruch des Willens, jede Art der äußeren und inneren Fremdherrschaft mit legalen Mitteln zu beseitigen.«
Nun hat die Anklagebehörde speziell dem Angeklagten Frick zur Last gelegt,...
VORSITZENDER: Sie haben dem die Nummer 13 gegeben, nicht wahr?
DR. PANNENBECKER: Ja.
VORSITZENDER: Verzeihung, das soll doch Nummer 3 sein?
DR. PANNENBECKER: Ja, das ist, was ich sagen wollte. Ich lege es als Frick-Dokument Nummer 3 vor.
VORSITZENDER: Ja.
DR. PANNENBECKER: Nun wird dem Angeklagten Frick speziell seine Arbeit für den »Verein für das Deutschtum im Ausland« zur Last gelegt; die Anklagebehörde hat in dieser Arbeit einen Beitrag des Angeklagten Frick gesehen zur Vorbereitung des Angriffskrieges. Die tatsächliche Auffassung Fricks über die Ziele dieses »Vereins für das Deutschtum im Auslande« ergibt sich aus dem Dokument Nummer 14, das also Frick-Exhibit Nummer 4 wird. Es heißt dort in einer Rede Fricks, ich zitiere:
»Der Verein für das Deutschtum im Auslande hat nichts mit machtpolitischen Bestrebungen oder mit Grenzfragen zu tun, er ist und soll nichts anderes sein, als eine Sammelstelle der kulturellen deutschen Volkstumsbestrebungen... auf der ganzen Erde.«
In dem Dokument Frick Nummer 15, das also Frick-Exhibit Nummer 5...
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker! Vielleicht sollte ich hier feststellen, daß es in dem Inhaltsverzeichnis des Dokumentenbuches den Anschein hat, als ob die Beweisstück-Nummern die Nummern der Dokumente in der Reihenfolge seien, in der sie in das Dokumentenbuch eingeheftet sind, aber das ist nicht der Fall, nicht wahr?
DR. PANNENBECKER: Nein, das ist nicht so.
VORSITZENDER: Das letzte Dokument, das Sie gerade als Beweisstück Nummer 4 angeboten haben, erscheint in dem Buch als Beweisstück Nummer 14; das scheint ein Irrtum zu sein. Das ist Dokument Nummer 14, aber nicht Beweisstück Nummer 14.
DR. PANNENBECKER: Dokument Nummer 14, Exhibit Nummer 4.
VORSITZENDER: Jawohl.
DR. PANNENBECKER: In dem Dokument Nummer 15, Frick-Exhibit 5, habe ich zu demselben Thema einen Erlaß des Reichsministers des Innern vom 24. Februar 1933 aufgeführt, der sich ebenfalls mit der Frage der Arbeit des »Vereins für das Deutschtum im Ausland« befaßt. Es heißt dort, ich zitiere:
VORSITZENDER: Ist das nicht schon eingereicht worden? Es hat doch eine PS-Nummer.
DR. PANNENBECKER: Es hat eine PS-Nummer, aber es ist dann von der Staatsanwaltschaft nicht als Beweismittel eingereicht worden. Ich zitiere also:
»Es darf auch die Rücksicht auf die Not und das Elend der Zeit, auf den Mangel an Arbeit und Brot im Binnendeutschland den Blick nicht davon ablenken, daß die rund 30 Millionen Auslandsdeutschen außerhalb der verengerten gegenwärtigen Reichsgrenzen ein Bestandteil des deutschen Gesamtvolkes sind, ein Bestandteil, dem die Reichsregierung zwar wirtschaftlich keine Hilfe zu bringen vermag, dem sie jedoch die kulturelle Stützung durch den in erster Linie hiermit befaßten Verein für das Deutschtum im Ausland zu ermöglichen sich verpflichtet hält.«
In dem Dokument Nummer 16 bis einschließlich 24 des Dokumentenbuches, die ich im einzelnen nicht zu verlesen brauche, habe ich die gesetzlichen Vorschriften zusammengestellt, die sich mit der Zuständigkeit des Reichsministeriums des Innern als Zentralstelle für bestimmte besetzte Gebiete befassen. Die Aufgaben dieser Zentralstelle, die keinerlei Befehlsgewalt oder Exekutive für irgendwelche besetzten Gebiete hatte, sind bereits durch den Zeugen Dr. Lammers aufgezeigt worden; und diese Aufgaben sind speziell in dem Dokumentenbuch Nummer 24 aufgeführt. Als Beweismaterial brauche ich es nicht einzureichen. Es ist eine amtliche Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt und liegt außerdem bereits als 3082-PS vor. Entsprechend der Tatsache, daß die Zentralstelle keine Befehlsgewalt in den besetzten Gebieten hatte, findet sich in dem Tagebuch des Angeklagten Dr. Frank die Bestätigung, daß für die Verwaltung seines Gebietes der eingesetzte Generalgouverneur die ausschließliche Befehlsbefugnis hatte. Ich brauche auch diese Stelle, die dem Gericht bereits vorliegt, nicht zu zitieren.
Lediglich polizeiliche Befugnisse in den besetzten Gebieten waren an den Reichsführer-SS Himmler übertragen, aber auch damit steht Frick als Reichsminister des Innern nicht im Zusammenhang, da diese Befugnisse ausschließlich Himmler in seiner Eigenschaft als Reichsführer-SS hatte. Es ergibt sich dies aus dem Dokument Nummer 26 des Dokumentenbuches, das auch bereits als Beweisstück US-319, 1997-PS vorliegt.
Die Anklagebehörde hat nun weiter dem Angeklagten Frick die Verbrechen zur Last gelegt, die im Protektorat Böhmen und Mähren seit August 1943 begangen worden sind, mit der Begründung, daß Frick seit dem August 1943 Reichsprotektor in Böhmen und Mähren gewesen sei. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Dokumente des Dokumentenbuches Nummer 28 und 29 (1366-PS und 3443-PS), aus denen sich ergibt, daß bei der Ernennung von Frick die früheren Befugnisse des Reichsprotektors aufgeteilt worden sind, und zwar zwischen einem sogenannten deutschen Staatsminister in Böhmen und Mähren, der unter der unmittelbaren Befehlsgewalt des Führers und Reichskanzlers alle Regierungsgeschäfte zu führen hatte, und dem Reichsprotektor, also Frick, der einige spezielle Befugnisse erhielt und im wesentlichen das Recht hatte, eine Begnadigung nach der Verurteilung durch die allgemeinen örtlichen Gerichte auszusprechen.
Nun wird Frick weiter eine Verantwortlichkeit für die politische Polizei, also die Geheime Staatspolizei, und die Konzentrationslager zur Last gelegt. Bis zum Jahre 1936 waren die Aufgaben der Polizei eine Angelegenheit der Einzelstaaten in Deutschland, und entsprechend hat in Preußen Göring als Preußischer Ministerpräsident und Preußischer Minister des Innern die politische Polizei aufgebaut und die Konzentrationslager eingerichtet. Mit diesen Dingen hat also Frick als Reichsminister des Innern nichts zu tun.
Im Frühjahr 1934 ist Frick dann auch zum Preußischen Minister des Innern bestellt worden. Vorher jedoch hatte Göring durch ein Gesetz die Angelegenheit der politischen Polizei aus dem Amte des Preußischen Innenministeriums herausgenommen und unmittelbar dem Amte des Ministerpräsidenten unterstellt, ein Amt, das Göring selbst in der Hand behielt.
Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen sind von der Anklage vorgelegt, und zwar als 2104-PS, 2105-PS und 2113-PS.
Das gleiche ergibt sich aus dem Dokument Nummer 30 des Dokumentenbuches, das auch schon als Beweisstück US-233, 2344-PS vorliegt.
So hatte Frick bis zum Jahre 1936 auf dem Gebiete der politischen Polizei lediglich ein allgemeines Aufsichtsrecht, wie es dem Reiche gegenüber den Einzelstaaten zustand. Er hatte aber kein spezielles Weisungsrecht in Einzelfällen, sondern die Befugnis zu allgemeinen Richtlinien; in den Dokumenten Nummer 31-33 des Dokumentenbuches habe ich solche Richtlinien aufgenommen, wie Frick sie erlassen hat.
Aus Nummer 31, das Exhibit Frick 6 wird, zitiere ich:
»1. Um den bei der Verhängung der Schutzhaft aufgetretenen Mißbräuchen abzuhelfen, hat der Reichsminister des Innern in seinen an die Landesregierungen und Reichsstatthalter gerichteten Anordnungen über die Verhängung und Vollstreckung der Schutzhaft vom 12. April 1934 bestimmt, daß Schutzhaftbefehle nur erlassen werden dürfen a) zum eigenen Schutz des Häftlings, b) wenn der Häftling durch sein Verhalten, insbesondere durch staatsfeindliche Betätigung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet.
Danach ist, sofern nicht zugleich diese Voraussetzungen vorliegen, eine Verhängung von Schutzhaft nicht zulässig insbesondere a) gegen Personen, die lediglich von einem ihnen nach bürgerlichem oder öffentlichem Recht zustehenden Anspruch Gebrauch machen; b) gegen Rechtsanwälte wegen der Vertretung von Interessen ihrer Klienten, c) wegen persönlicher Angelegenheiten, wie zum Beispiel Beleidigungen; d) wegen irgendwelcher wirtschaftlichen Maßnahmen (Lohntragen, Entlassungen von Arbeitnehmern und dergleichen).
Die Schutzhaft ist ferner nicht zulässig zur Ahndung strafbarer Handlungen; denn dafür sind die Gerichte zuständig.«
VORSITZENDER: Um welches Datum handelt es sich hier?
DR. PANNENBECKER: Es ist ein Dokument, das die Anklagebehörde als 779-PS vorgelegt hat und aus den Akten das Ministeriums entnommen ist. Ein Datum hat das Dokument nicht, es muß aber im Frühjahr 1934 gewesen sein, wie sich aus dem ersten Satz des Dokuments ergibt. Auf den gleichen Erlaß weist der »Völkische Beobachter« hin in seiner Ausgabe vom 14. April 1934. Ich habe dies als Dokument Nummer 32 in das Dokumentenbuch aufgenommen, es wird Frick-Exhibit 7.
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker! Legen Sie es als Beweisstück vor, oder wurde es bereits als Beweisstück eingereicht?
DR. PANNENBECKER: Es ist noch nicht eingereicht, ich biete es als Exhibit 7 an.
VORSITZENDER: Soviel ich weiß, ist das Datum der 12. April.
DR. PANNENBECKER: Im Frühjahr 1934, ja kurz danach.
VORSITZENDER: 12. April 1934.
DR. PANNENBECKER: Jawohl.
Auf diesen Erlaß weist auch der »Völkische Beobachter« in seiner Ausgabe vom 14. April 1934 hin. Es handelt sich um das Dokument Nummer 32 des Dokumentenbuches, das Frick-Exhibit 7 wird. Ich brauche es im einzelnen nicht zu verlesen.
Dasselbe ergibt sich aus Nummer 33 des Buches, das Frick-Exhibit 8 wird (Dokument L-302).
Das Dokument Nummer 34 des Buches, das Frick- Exhibit 9 wird (775-PS), zeigt, daß die Gestapo sich an die Weisungen von Frick tatsächlich nicht gehalten hat und daß Frick in dieser Beziehung machtlos war. Aber das Dokument erscheint mir trotzdem wesentlich, um zu zeigen, daß Frick immer wieder versucht und sich Mühe gegeben hat, den Mißbräuchen der Gestapo entgegenzutreten, die aber, gestützt auf Himmler, stärker war als er, zumal Himmler das unmittelbare Vertrauen Hitlers besaß.
Am 17. Juni 1936 sind dann die Angelegenheiten der politischen Polizei auf die Zuständigkeit des Reiches übergegangen. Zum Chef der Deutschen Polizei wurde Himmler bestellt, der formell zwar in das Reichsministerium des Innern eingegliedert wurde, der aber tatsächlich wie ein selbständiger Polizeiminister unter der unmittelbaren Autorität Hitlers stand und der auch berechtigt war, wie ein Minister seine Angelegenheiten im Reichskabinett selbst zu vertreten.
Es ergibt sich dies aus dem Dokument Nummer 35 des Dokumentenbuches, ein Erlaß aus dem Reichsgesetzblatt, der als 2073-PS bereits vorliegt. Ich brauche eine Exhibit-Nummer wohl nicht zu geben, weil es eine amtliche Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt ist.
In diesem Zusammenhang hat die Anklagebehörde ihrerseits das Dokument 1723-PS vorgelegt als Beweisstück US-206. Ich habe einen Auszug aus diesem Dokument als Nummer 36 des Dokumentenbuches aufgenommen und zwar um einen Irrtum richtig zu stellen. Das Dokument ist nämlich ein Auszug aus einem Buch von Dr. Ley in seiner Eigenschaft als Reichsorganisationsleiter. In dem Buch gibt Dr. Ley den Dienststellen der Partei Weisungen über eine Zusammenarbeit mit der Gestapo, und am Schluß des Auszugs hat Ley dann einen Erlaß von Frick zum Abdruck gebracht, der aufweist, wie Frick versucht hat, der Willkür der Gestapo Einhalt zu gebieten.
Aber im Vortrag der Anklagebehörde vom 13. Dezember 1945 vormittags ist das ganze Dokument als eine Weisung von Frick verlesen worden. Ich bitte daher, diesen Irrtum richtigstellen zu dürfen.
Da Himmler und die Befehlshaber der Gestapo sich an die allgemeinen Weisungen von Frick nicht hielten, so hat Frick wenigstens in Einzelfällen versucht, in Angelegenheiten der Konzentrationslager Erleichterungen zu verschaffen, Erleichterungen, die ihm ja generell nicht bewilligt wurden. Um ein Beispiel anzuführen, habe ich unter Nummer 37 des Dokumentenbuches einen Brief des früheren Reichstagsabgeordneten Wulle aufgeführt, den dieser unaufgefordert an mich gerichtet hat. Dieser Brief wird Frick-Exhibit 10. In dem Brief heißt es, ich zitiere:
»Er« – Frick – »hat, wie mir mein damaliger Rechtsanwalt mitteilte, verschiedentlich versucht, Hitler zu meiner Freilassung zu bewegen, ohne jedoch Erfolg zu haben, da über die Konzentrationslager Himmler entschied. Ich verdanke es ihm aber, daß ich im Konzentrationslager Sachsenhausen verhältnismäßig anständig behandelt worden bin...
In dem Kreis der Nazidemagogen fiel er stets durch seine Sachlichkeit und Reserviertheit auf, er war ein Mann, dem innerlich jede Gewalttätigkeit fernlag... Seit Frühjahr 1925 stand ich im heftigen Kampf gegen Hitler und seine Partei. Dieser Kampf ist von beiden Seiten leidenschaftlich geführt worden. Um so mehr rechne ich es Frick hoch an, daß er trotz dieser Gegnerschaft in seiner ziemlich machtlosen Stellung gegenüber Himmler alles versucht hat, meiner Frau und mir in den bitteren Jahren meiner Konzentrationslagerhaft zu helfen....«
Nun hat die Anklagebehörde entsprechend der Aussage des Zeugen Dr. Blaha vor diesem Gericht behauptet, daß Frick sich von den Zuständen im Konzentrationslager Dachau durch einen Besuch im ersten Halbjahr 1944 Kenntnis verschafft habe.
Ich habe demgegenüber mit Erlaubnis des Gerichts einen Fragebogen an den Zeugen Gillhuber vorlegen lassen, der Frick auf allen seinen Fahrten begleitet hat und...
VORSITZENDER: Einen Augenblick, Herr Dr. Pannenbecker. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß er eine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten Frick, der sich nicht mündlich als Zeuge unter Eid vernehmen lassen will, nicht entgegennehmen kann; anders wäre es, wenn er als Zeuge zur Verfügung gestellt wird und dann auch einem Kreuzverhör unterzogen werden kann.
DR. PANNENBECKER: Das letzte war aber nicht eine Erklärung von Frick, sondern von Gillhuber, einem Zeugen, der einen Fragebogen erhalten hat. Es ist Nummer 40 des Dokumentenbuches, und ich höre gerade, daß versehentlich dieses Exhibit nicht in das Buch aufgenommen worden ist. Ich muß es also nachreichen.
VORSITZENDER: Gut. Sagen Sie uns, was es ist.
DR. PANNENBECKER: Es ist ein Fragebogen und die Antwort durch den Zeugen Gillhuber. Gillhuber war zum persönlichen Schutze des Angeklagten Frick auf allen seinen Dienstreisen zugegen, und er hat in der Antwort auf dem Fragebogen bestätigt, daß Frick das Lager niemals besichtigt hat. Dieser Fragebogen mit Antwort muß also noch zu den Übersetzungen nachgereicht werden. In meinem Buche ist er enthalten.
VORSITZENDER: Sie können den Fragebogen verlesen, es sei denn, daß die Anklagebehörde gegen, seine Zulässigkeit oder gegen seine Formulierung Einspruch erhebt, da ja der Fragebogen bereits unter Vorbehalt zugelassen wurde.
DR. PANNENBECKER: Ich verlese dann also aus dem Frick-Dokument Nummer 40, das Exhibit Nummer 11 wird, folgendes:
»Frage: Von wann bis wann und in welcher Eigenschaft waren Sie bei dem Angeklagten Frick früher tätig?
Antwort: Vom 18. März 1936 bis zum Einmarsch der alliierten Truppen am 29. oder 30. April 1945 als Beamter des Reichssicherheitsdienstes zum Schutz- und Begleitdienst.
Frage: Haben Sie ihn ständig auf seinen Dienstreisen zu seinem persönlichen Schutz begleitet?
Antwort: Von 1936 bis Januar 1942 nicht ständig, seit Januar 1942 als Dienststellenleiter ständiger Begleiter auf allen Fahrten und Flügen.
Frage: Wissen Sie etwas davon, ob der Angeklagte Frick im 1. Halbjahr 1944 das Konzentrationslager Dachau besichtigt hat?
Antwort: Meines Wissens hat Frick das Konzentrationslager Dachau nicht besichtigt.
Frage: Müßten Sie das wissen, wenn es der Fall gewe sen wäre, und warum müßten Sie das wissen?
Antwort: Ich hätte es wissen müssen, wenn es der Fall gewesen, wäre; ich war ständig in seiner Nähe, und meine Beamten hätten mir auf jeden Fall Meldung gemacht, wenn er in meiner Abwesenheit weggefahren wäre.
Frage: Haben Sie noch das Fahrtenbuch über die von Ihnen gemachten Reisen und können Sie es vorlegen?
Antwort: Seit ungefähr 1941 wurden Fahrtenbücher nicht mehr geführt. Statt dessen gingen monatlich Reiseberichte an den Reichssicherheitsdienst nach Berlin. Die bei meiner Dienststelle behaltenen Kopien wurden weisungsgemäß im April 1945 mit allen anderen Unterlagen verbrannt.
Frage: Wissen Sie, ob der Angeklagte Frick jemals das Lager Dachau besichtigt hat?
Antwort: Meines Wissens hat Frick das Lager Dachau nie besichtigt.
Moosburg, den 23. März 1946.
gez. Max Gillhuber. Gez. Leonhard N. Dunkel. Leutnant Colonel Infantrie.«
Zu dem Problem, ob überhaupt bei einem offiziellen Besuch eines Konzentrationslagers ein Besucher ein zutreffendes Bild von den wirklichen Verhältnissen erhielt, bitte ich einen Brief verlesen zu dürfen, den ich von einem katholischen Priester, Bernhard Ketzlick, vor wenigen Tagen unaufgefordert erhalten habe. Dieser Brief, den ich als Frick-Ergänzung Nummer 1 vorgelegt habe...
JUSTICE JACKSON: Herr Vorsitzender! Die Anklagebehörde erhebt hier Einspruch, weil es sich um Beweismaterial handelt, das nicht nachgeprüft werden kann. Ich habe einen Korb voll solcher Korrespondenz, die Anschuldigungen gegen diese Angeklagten enthält, und ich glaube nicht, daß der Gerichtshof sie annehmen würde. Wenn derartiges Beweismaterial zugelassen wird, so gibt es kein Ende.
Dieser Zeuge verfügt über keine der Bestätigungen, die die Wahrheit seiner Aussagen verbürgen; ich halte es daher für unzulässig, auf Briefe einzugehen, die von unbekannten Personen eingesandt wurden.
DR. PANNENBECKER: Darf ich dazu ein Wort sagen? Der Brief ist mir so spät zugegangen, daß ich nicht mehr Gelegenheit hatte, den Betreffenden zu bitten, mir eine entsprechende eidesstattliche Versicherung zu übersenden. Ich bin selbstverständlich bereit, eine solche eidesstattliche Versicherung noch nachzureichen, wenn eine solche Versicherung höheren Beweiswert haben soll.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß der Brief nicht zulässig ist. Es kann jedoch auf dem üblichen Weg ein Antrag auf Zulassung einer eidesstattlichen Versicherung oder die Vorladung des Zeugen gestellt werden.
DR. PANNENBECKER: Ja, ich würde dann später einen entsprechenden schriftlichen Antrag stellen. Das Dokument des Dokumentenbuches Nummer 38 werde ich also nicht verlesen, da es eine eigene Erklärung von Frick betrifft, und ich beziehe mich zum Schlusse nur noch auf einen Auszug aus dem Buch »Inside Europe« von John Gunther, der dann als Frick-Exhibit 12 vorgelegt wird. Der Auszug ist unter Nummer 39 im Dokumentenbuch enthalten. Ich zitiere. Es handelt sich um ein Buch, das im Original in englischer Sprache erschienen ist. Ich zitiere also jetzt in englischer Sprache:
»Born in the Palatinate in 1877, Frick studied law and became a Beamter, an official. He is a bureaucrat through and through. Hitler is not intimate with him, but he respects him. He became minister of the interior because he was the only important Nazi with Civil Service training. Precise, obedient, uninspired, he turned out to be a faithful executive; he has been called the ›only honest Nazi‹.«
(»Frick wurde 1877 im Saargebiet geboren, studierte Rechtswissenschaft und wurde Beamter. Er ist durch und durch Bürokrat. Hitler ist nicht befreundet mit ihm, aber er achtet ihn. Er wurde Innenminister, weil er der einzige bedeutende Nazi war, der über eine Beamtenausbildung verfügte. Exakt, gehorsam und phantasielos, erwies er sich als ein getreues Ausführungsorgan; man nannte ihn ›den einzigen ehrlichen Nazi‹.«)
Als letztes Dokument bitte ich dann verweisen zu dürfen auf einen Auszug aus dem Buche »Bis zum bitteren Ende« von Gisevius. Ich glaube, ich brauche diese Stellen nicht im einzelnen zu verlesen, da der Zeuge selbst hier vernommen wird. Der Auszug wird Frick-Exhibit 13.
Es stehen dann noch aus zwei Antworten auf Fragebogen, und zwar an den Zeugen Messersmith und an den Zeugen Seger. Ich bitte, diese Antworten später verlesen zu dürfen, sobald die Antworten eingehen und mir vorliegen.
Ich bin dann mit dem Dokumentenvortrag zu Ende. Ich glaube, daß es wohl nicht zweckmäßig ist, mit den Zeugen zu beginnen.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.