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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Hat die eben von Dr. Dix und Dr. Stahmer gegebene Erklärung die Dinge, die Sie in Bezug auf Feldmarschall von Blomberg aussagen wollten, genügend klargestellt? Wollen Sie noch etwas hinzufügen?

GISEVIUS: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe vielleicht die Frage nicht richtig verstanden.

Zu Blomberg, in diesem Punkte wollte ich nicht mehr aussagen; ich wollte nur bei der ersten Gelegenheit, wo der Name Blomberg fiel, bekanntgeben, daß ich mich den ganzen Umständen nach unter Druck gesetzt fühlte, so wie ich die Dinge erlebte; denn ich stand bei der Szene so nahe, daß ich hören mußte, was Dr. Stahmer sagte, und die Form, wie Dr. Dix mir dieses mitteilte, was ich mindestens zur Hälfte gehört hatte, konnte nicht anders aufgefaßt werden, als daß Dr. Dix loyalerweise mich als Zeugen des Angeklagten Schacht unterrichtete, in einem von mir sehr wichtig gehaltenen Punkte mit meiner Aussage zurückzuhalten. Dieser Punkt kommt erst später und bezieht sich keineswegs auf die Ehe des Herrn von Blomberg. Er bezieht sich auf die Rolle, die der Angeklagte Göring dabei gespielt hat, und ich weiß sehr genau, weswegen Göring nicht wünscht, daß ich über diese Sache spreche; denn sie ist das schlimmste Stück, was Göring sich geleistet hat – nach meinem Dafürhalten –, und Göring hängt sich hier nur einen Mantel der Ritterlichkeit um, mit dem er angeblich einen Toten schützen will, in Wirklichkeit aber mich hindern wollte, zu einem wichtigen Punkt, nämlich der Fritsch-Krise, umfassende Aussagen zu machen.

VORSITZENDER: [zu Dr. Pannenbecker gewandt] Dann wird der. Gerichtshof die Aussage anhören, und zwar jede Aussage, die Sie von dem Zeugen wünschen.

GISEVIUS: Ich bitte um Entschuldigung. Was ich in diesem Zusammenhang zum Fall Blomberg zu sagen habe, ist erledigt; ich wollte nur das erstemal, wo der Name fiel, bereits mich dagegen verwahrt haben, oder durchzusetzen...

VORSITZENDER: Dann wird der Verteidiger das Verhör fortsetzen. Sie werden die Dinge, die erheblich sind, aussagen, wenn Sie von Dr. Dix für den Angeklagten Schacht ins Kreuzverhör genommen werden.

DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! War nun nach den Ereignissen des 30. Juni 1934 die Stellung der Gestapo eine so starke geworden, daß irgendwelche Maßnahmen dagegen keinen Erfolg mehr versprachen?

GISEVIUS: Ich muß diese Frage verneinen. Die Staatspolizei gewann durch den 30. Juni zweifellos an Macht, aber durch die vielen Ausschreitungen des 30. Juni war auch die Opposition in den verschiedensten Ministerien gegen die Geheime Staatspolizei so groß, daß bei einer zusammengefaßten Aktion die Mehrheit der Minister diesen Anlaß des 30. Juni zur Eliminierung der Staatspolizei hätte benützen können. Ich persönlich habe mich mehrfach in dieser Hinsicht bemüht. Ich bin mit Wissen des Angeklagten Frick bei dem Justizminister Gürtner gewesen und habe mehrfach ihn beschworen, man möge die Anzahl der illegalen Morde als Anlaß zum Einschreiten gegen die Geheime Staatspolizei wählen. Ich bin persönlich bei dem damaligen Chef des Wehrmachtsamtes, von Reichenau, gewesen und habe ihm dasselbe gesagt. Ich weiß, daß mein Freund Oster Akten in dieser Hinsicht Blomberg zur Kenntnis brachte; und so möchte ich hier bezeugen, daß trotz der Exzesse des 30. Juni es sehr wohl möglich gewesen war, damals noch zu Recht und Ordnung zurückzukehren.

DR. PANNENBECKER: Was ist nun von der Seite des Reichsministers des Innern, also von der Seite Fricks aus danach noch geschehen, um die Geheime Staatspolizei in legale, gesetzmäßige Bahnen zu bekommen?

GISEVIUS: Es begann ein Kampf gegen die Geheime Staatspolizei, in dem wir versuchten, wenigstens Himmler den Weg zu versperren in das Reichsinnenministerium. Kurz bevor Göring das Innenministerium an Frick abgetreten hatte, hatte er Himmler zum Chef der Geheimen Staatspolizei in Preußen gemacht. Himmler hatte versucht, von dieser Machtbasis die Polizeigewalt in den übrigen Ländern zu erhalten. Frick versuchte, dieses zu verhindern, indem er sich auf den Standpunkt stellte, als Reichsinnenminister habe er ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Polizeifunktionären im Reich. Desgleichen versuchten wir ein Anwachsen der Geheimen Staatspolizei zu verhindern, indem wir die Anträge der Gestapo auf Vermehrung des Beamtenkörpers systematisch verweigerten. Leider wußte Himmler, wie immer, auch hier einen Umweg. Er ging zu den Finanzministern der Länder und erzählte ihnen, er brauche für die Wachmannschaften der Konzentrationslager, für die sogenannten Totenkopfverbände, Geldmittel, und er rechnete sich einen Schlüssel aus, wonach auf jeden Häftling fünf SS-Männer zur Bewachung gehörten. Mit diesen Mitteln finanzierte Himmler seine Geheime Staatspolizei, da es natürlich in seinem Belieben stand, wieviel Menschen er inhaftieren wollte.

Auch sonst haben wir versucht, vom Reichsinnenministerium aus mit allen möglichen Mitteln der Gestapo den Weg zu verlegen. Aber leider blieben alle die vielen Ersuchen, die wir zur Gestapo schickten unbeantwortet. Wiederum war es Göring, der Himmler verbot, zu antworten, und Himmler deckte, wenn dieser sich weigerte, auf unsere Anfragen Bericht zu erstatten.

Schließlich kam es zu einem letzten Versuch, der während meiner Amtszeit im Reichsinnenministerium gemacht wurde. Wir versuchten, die Geheime Staatspolizei dadurch wenigstens in großen Zügen lahmzulegen, daß wir ein Beschwerde- und Aufsichtsrecht für die Schutzhaft einführen wollten. Wenn es uns gelungen wäre, ein gesetzliches Nachprüferecht für alle Schutzhaftfälle zu erreichen, dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, auch in die einzelnen Aktionen der Gestapo hineinzuleuchten.

Es wurde ein Gesetz gemacht, und dieses Gesetz wurde zunächst dem Ministerrat des größten Landes, Preußen, vorgelegt. Wiederum war es der Angeklagte Göring, der mit allen Mitteln der Beschlußfassung eines solchen Gesetzes widersprach. Am Ende einer erregten Kabinettssitzung über dieses Thema stand lediglich das Verlangen, daß ich aus dem Innenministerium auszuscheiden hätte.

DR. PANNENBECKER: Herr Zeuge! Ich habe Ihnen ein Memorandum gezeigt...

VORSITZENDER: Das dürfte ein günstiger Augenblick für eine Unterbrechung sein.