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[Zum Zeugen gewandt:]

Also, Herr Dr. Gisevius, Sie haben ja den Wunsch des Gerichts gehört, Sie werden ja schon selbst in der Lage sein, nur das wirklich Wesentliche hervorzubringen.

Also war noch zu Affäre Aktion über Thomas an Blomberg etwas Wesentliches zu bekunden, oder können wir dieses Kapitel abschließen?

GISEVIUS: Nein, ich will die anderen Wege, die versucht wurden, in Kürze schildern. Ich kann aber nicht sagen, wie weit das Gericht das hören will, ich will aber sagen, daß es Schacht versuchte, an den Oberkommandierenden des Heeres, Freiherrn von Fritsch, heranzukommen; da aber dieser schwer zu kriegen war, schickte er seinen Reichsbankvizepräsidenten Dreise vor, um mit ihm Kontakt zu bekommen, und ebenso machten wir einen großen Versuch, über den General von Kluge an Fritsch und an Blomberg heranzukommen.

DR. DIX: Und ganz kurz gesagt, was war das Ziel dieser Aktion? Was sollten die Generale, die genannten Generale?

GISEVIUS: Das Ziel der Aktion war, Blomberg klarzumachen, daß der Kurs ins Radikale ging, daß wirtschaftlich die Dinge abglitten und daß mit allen Mitteln dem Gestapoterror ein Ende gemacht würde.

DR. DIX: Also damals nur wirtschaftliche Erwägungen und Terrorerwägungen, Kriegsgefahr noch nicht?

GISEVIUS: Nein, nur die Furcht vor dem Radikalismus.

DR. DIX: Nun kommen wir zum Jahre 1937. Sie wissen, daß dies das Jahr der Entlassung Schachts als Reichswirtschaftsminister ist. Hat sich Schacht mit Ihnen darüber unterhalten, warum er denn Reichsbankpräsident geblieben ist damals?

GISEVIUS: Ja! Ich habe eingehend den Kampf um seine Entlassung als Wirtschaftsminister miterlebt, und zwar auf der einen Seite seinen Versuch, aus dem Ministerium entlassen zu werden. Wenn ich nicht irre, ging das nicht so glatt; und Schacht teilte eines Tages Lammers mit, wenn er nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkt die amtliche Mitteilung seiner Entlassung erhalten habe, würde er sich seinerseits als entlassen betrachten und dieses der Presse mitteilen. Bei dieser Gelegenheit wurde Schacht von vielen Leuten bestürmt, nicht zurückzutreten. Wie in allen diesen Jahren gab es jedesmal, wenn ein Mann in einem wichtigen Amte zurücktreten wollte, die Frage, ob nicht der Nachfolger einen noch viel radikaleren Kurs steuern würde. Schacht wurde beschworen, nicht zu gehen, weil dann der Radikalismus auch in der Wirtschaft überhandnehmen müsse. Ich nenne hier nur den Namen Ley als Führer der Arbeitsfront. Schacht erwiderte, daß er die Verantwortung nicht tragen könne, aber er hoffe, als Reichsbankpräsident, wie er sich ausdrückte, einen Fuß drinnen zu behalten. Damit war gemeint, ihm schwebte vor, im großen ganzen einen Überblick über die wirtschaftlichen Dinge zu behalten und von der Reichsbank aus gewisse wirtschaftspolitische Maßnahmen konterferieren zu können. Ich kann bezeugen, daß Schacht von sehr vielen Männern, die später der Opposition zugehörten, beschworen wurde, diese Haltung einzunehmen und wenigstens diesen einen Fuß drinnen zu behalten.

DR. DIX: Spielte bei diesem seinem Entschluß damals nicht auch seine Einstellung und seine Beurteilung einiger der Generale, insbesondere des Generalobersten Fritsch, eine Rolle?

GISEVIUS: Sehr richtig. Eines der größten Verhängnisse war, daß sich so viele Menschen in Deutschland einbildeten, Fritsch wäre ein starker Mann. Ich habe immer wieder erlebt, daß mir von hohen Offizieren, aber auch von hohen Ministerialbeamten gesagt wurde, wir könnten ganz beruhigt sein, Fritsch liege auf der Lauer, Fritsch warte nur auf den richtigen Zeitpunkt, Fritsch werde eines schönen Tages durch einen Putsch dem Terror ein Ende machen. Mir ist dieses beispielsweise von dem General von Kluge immer wieder authentisch als einem nahen Freunde von Fritsch gesagt worden. Und so lebten wir alle in der, wie ich nunmehr sagen muß, völlig falschen Vorstellung, es würde eines Tages der große Wehrmachtsputsch gegen die SS kommen. Aber statt dessen kam genau das Gegenteil, es kam nämlich der Putsch, der blutlose Putsch der SS, nämlich die berühmte Fritsch-Krise, an deren Ende nicht nur Fritsch seines Amtes enthoben, sondern die gesamte Wehrmachtsführung politisch geköpft war und nunmehr alle unsere Hoffnungen...

DR. DIX: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Wir kommen nachher ja auf die sogenannte Fritsch-Krise zurück. Ich möchte jetzt... Die ist ja im Jahre 1938?

GISEVIUS: Ja.

DR. DIX: Um die Bemühungen und Aktionen Schachts im Jahre 1937 zu erschöpfen, möchte ich Sie fragen – es ist in Ihrem Buch behandelt –, spielt da nicht auch eine mißglückte Fühlungnahme mit dem General von Kluge, eine Reise Schachts nach Münster eine Rolle?

GISEVIUS: Ja, ich hatte geglaubt, mich da nur kurz fassen zu sollen, obwohl es ein großer Versuch Schachts war, an Fritsch heranzukommen. Es war nicht möglich, ein Gespräch in Berlin zu arrangieren. Es wurde unter geheimnisvollen Umständen in Münster arrangiert, weil der General von Kluge damals zu ängstlich war, Herrn Schacht öffentlich zu sehen. Es war ein deprimierendes Hin und Her; an dessem Ende stand, daß die beiden Herren sich nicht fanden, weil es nicht möglich war, einen Reichsminister und einen Kommandierenden General zusammenzubringen. Es war eine sehr deprimierende Sache.

DR. DIX: Wo waren Sie denn um diese Zeit, was taten Sie denn? Wo waren Sie? Waren Sie noch in Münster oder trat eine Änderung ein?

GISEVIUS: Um diese Zeit war ich noch in Münster, aber Mitte 1937 wünschte Schacht, daß ich nach Berlin zurückkehrte. Je größere Enttäuschungen er erlebte, desto geneigter war er, meine Warnungen vor einer zunehmenden Radikalisierung und einem SS-Putsch für Ernst zu nehmen. Gegen Herbst 1937 waren die Dinge in Deutschland so gediehen, daß jedermann in der Oppositionsgruppe fühlte, daß böse Dinge sich vorbereiten. Wir dachten damals, es würde ein blutiger zweiter 30. Juni werden, wir wollten uns davor schützen, und Schacht war es, der über Oster mit Canaris Fühlung aufnahm und den Wunsch aussprach, ich möchte nach Berlin in irgendeiner Weise zurückgeholt werden. Es fand sich keine amtliche Stelle, die damals mir noch einen Posten gegeben hätte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als einen Urlaub aus dem Staatsdienst anzutreten, angeblich zu wirtschaftlichen Studien. Schacht vermittelte im Einverständnis mit Canaris und Oster, daß ich einen solchen Posten in einem Werk bekam, in einem Bremer Werk, aber ich durfte mich dort nicht sehen lassen, und so kam ich nach Berlin, um nunmehr restlos unserem Freundeskreis für die nun kommenden Dinge zur Verfügung zu stehen.

DR. DIX: Euer Lordschaft! Wir kommen jetzt zum Januar 1938 und zur Fritsch-Krise. Ich glaube, es ist nicht nützlich, diese Darstellung des Zeugen dann zu unterbrechen. Ich würde also vorschlagen, daß Euer Lordschaft jetzt vertagt, oder aber, wir müßten dann mindestens noch eine halbe Stunde verhandeln.

VORSITZENDER: Ja, wir wollen jetzt vertagen.